Physiologie 1-3 EEG - EKP Aufbau der Großhirnrinde Der Kortex lässt sich in motorischen, sensorischen und Assoziationskortex einteilen. Sensorischer und motorischer Kortex nehmen im Vergleich zum Assoziationskortex nur einen kleinen Teil der Kortexoberfläche ein. Wir unterscheiden: die primär sensorischen Kortexareale, die ausschließ lich auf eine Sinnesmodalität reagieren; die primär motorischen Kortexareale, die direkt die Willkürmotorik steuern; die sekundären (oder auch unimodalen) sensorischen bzw. motorischen Kortexareale, meist in der Umgebung der primären Kortexareale liegen die (polymodalen) Assoziationskortizes, die mit höheren kognitiven, motorischen und emotionalen Funktionen befasst sind Der phylogenetische und ontogenetische Zuwachs an Hirnrinde beim Menschen ist primär auf die enorme Ausdehnung der polymodalen Assoziationsfelder zurückzuführen. Kortexschichten Der Kortex ist in sechs Schichten aufgebaut. Neuronal unterscheidet man zwei Hauptzelltypen: Pyramiden-und Sternzellen Neurone des Kortex: 2 Haupttypen-die erregende (exzitatorische) Pyramiden (80%)- und die überwiegend hemmende (inhibitorische) Sternzellen Die Kortex Schichten: -Die spezifischen Eingänge aus den Sinnessystemen gelangen über die thalamischen Fasern in die Schichten III, IV und V, in denen die Zellkörper der Pyramidenzellen liegen. Assoziationsfasern, Kommissurenfasern und unspezifische thalamische Fasern führen an die Dendriten von den Schichten I und II. Die Schichten I-V empfangen primäre Afferenzen -Die Schichten V und VI sind dagegen Ausgangsschichten (Efferenzen) Überträgersubstanzen: Die Pyramidenzellen benutzen als Überträgersubstanz (Transmitter) meist eine erregende Aminosäure, vor allem Glutamat. Obwohl die meisten Sternzellen hemmende Transmitter, gammaAminobuttersäure (GABA) ausschütten, enthalten einige der erregenden Sternzellen Neuropeptide (CCK, VIP). Viele der afferenten Fasern benutzen die Monoamine Noradrenalin und Dopamin, andere Acetylcholin, Serotonin und Histamin. NO (Stickoxid) spielt eine Rolle bei der anhaltenden Aktivierung von Zellensembles Elektroencephalogramm I Die Großhirnrinde (der zerebrale Kortex) ist ein assoziativer Speicher. Elektrische Spannungs- und magnetische Feldänderungen sind Ausdruck des Aktivitätszustandes der Nervennetze. Ihre Aufzeichnung als Elektro- bzw. Magnetoenzephalogramm stellt einen wichtigen Zugang zur Klärung der Beziehungen zwischen sensorischen, motorischen, kognitiven und emotionalen Prozessen und deren neuronalen Grundlagen beim Menschen dar. Das Elektroenzephalogramm II Das Elektroenzephalogramm (EEG) Hans Berger (1929) misst mit Oberflächenelektroden an standardisierten Ableitpunkten auf der Kopfhaut die bioelektrische Aktivität bestimmter Gehirnregionen. Das Spontan-EEG zeigt die Potenzialschwankungen, die ohne einen Einfluss von außen im Wachzustand oder im Schlaf zu messen sind. Vier Typen von Frequenzbändern nach ihrer dominierenden Frequenz : Alpha-Wellen -synchronisiertes EEG. Beta-Wellen-Alpha-Blockade-EEG- Desynchronisation Theta-Wellen -und Delta-Wellen Das EEG-Muster unterscheidet sich je nach Lebensalter Analyse der Großhirnaktivität mit EEG und MEG Die kollektive elektrische Aktivität der Kortexneurone kann mithilfe von Elektroden auf der Kopfhaut registriert werden. Kontinuierliche elektrische Potentialschwankungen, Elektroenzephalogramm, EEG (Frequenzen zwischen 0-80 Hz, Amplituden in der Größenordnung von 1-1oo u.V). Ableitung direkt von der Hirnoberfläche Elektrokortikogramm, ECoG ( Potentialschwankungen die sich durch größere Amplituden und bessere Frequenzwiedergabe auszeichnen). Auch von tieferen Hirnstrukturen können über operativ eingeführte Elektroden analoge Potentialschwankungen abgeleitet werden. Das Elektroencephalogramm II Definition und Registrierung des MEG Mit der Magnetoenzephalographie, MEG, können magnetische Felder erfasst werden, die durch die elektrische Hirnaktivität entstehen. Jede Bewegung elektrischer Ladungen ruft ein Magnetfeld hervor. Das Gehirn generiert schwache magnetische Felder,die mit hoch empfindlichen Detektoren nachgewiesen werden können Der Vorteil dieses Messverfahrens gegenüber dem EEG liegt in seiner besseren räumlichen Auflösung der Entstehungsorte kortikaler Aktivität, da Magnetfelder nicht durch Gewebewiderstände abgeschwächt und gestreut werden. Die summierte, synchrone elektrische Aktivität der kortikalen Neurone dagegen, schwächt sich auf weniger als ein Zehntel der direkt auf der Hirnoberfläche erfassbaren Aktivität, dem ECoG, ab. Auflösungsvermögen der Kombination EEG/MEG Mit MEG können aus biophysikalischen Gründen hauptsächlich horizontal und radial zur Schädeldecke gelegene elektrische Ströme erfasst werden. Das EEG entspringt meist aus den vertikalen kortikalen Säulen. Durch die Kombination beider Messverfahren lassen sich die Aktivitätsquellen im Kortex mit hoher Genauigkeit (bis zu 2 mm) lokalisieren. Die Eindringtiefe vom MEG und EEG ist auf wenige Zentimeter begrenzt, so dass tiefere subkortikale oder tief gefaltete kortikale Strukturen, (z.B. der Orbitofrontalkortex) nicht oder nur unter speziellen Umständen sichtbar werden. Aktivitätszustände und ihre EEG-Korrelate Das EEG spiegelt in den Frequenzen und Amplituden seiner Wellen den Aktivitätszustand der Hirnrinde wider. EEG im wachen Ruhezustand. Frequenz von 8-13 Hz (durchschnittlich 10 Hz). a-Wellen (Alpha-Wellen), synchronisiertes EEG EEG bei Aufmerksamkeit und Lernen. a-Blockade, hochfrequente ßWellen (Beta-Wellen, 13-30 Hz, durchschnittlich 20 Hz, kleinere Amplitude), desynchronisiertes EEG EEG bei Lern- und Aufmerksamkeitsprozessen: y-Wellen (Gamma-Wellen, über 30 Hz ), Synchronisierte Gamma-Aktivität wird als eine mögliche neuronale Grundlage der Bildung assoziativer Verbindungen zwischen verschiedenen Zellpopulationen EEG im Schlaf. große Amplitude und langsame Frequenz, &-Wellen (Theta-Wellen, 4-7 Hz) und d-Wellen (Delta-Wellen, 0,1-4 Hz). Sie kommen beim Erwachsenen im Wachzustand normalerweise nicht vor. Sie werden aber im Schlaf und bei pathologischen Zuständen beobachtet. EEG und Alter. Im Kindes- und Jugendalter ist das EEG deutlich langsamer und unregelmäßiger auch im Wachzustand &- und d-Wellen Klinische EEG-Diagnostik Zentrale klinische Anwendungen des EEG sind die Diagnose von Anfallsleiden sowie die Bestimmung des zerebralen Todes wichtige Auskünfte: - zur Lokalisation und Diagnose von Anfallsleiden, - zur Bestimmung des zerebralen Todes, - zur Abschätzung der Folgen von Vergiftungen auf die Hirntätigkeit, - zur Abschätzung der Narkosetiefe (Anästhesie), - zur Untersuchung von Pharmakawirkungen (Pharmakologie) und - zur Abschätzung von zerebralen Störungen (Neurologie) Pathologisch veränderte EEG-Wellen sind Krampfpotentiale, die v.a bei epileptischen Anfällen vorkommen. Bei einem epileptischen Anfall gehen die typischen klinischen Phänomene (Krämpfe, Bewusstseinsstörungen, etc.) mit charakteristischen steilen Potentialschwankungen hoher Amplitude im EEG einher Psychophysiologie: Erforschung der Zusammenhänge zwischen Hirn und Verhalten beim Menschen. Da die informationsverarbeitenden Prozesse im Gehirn z.T. sehr rasch ablaufen (in Millisekundenintervallen), erfordert ihre Messung eine Zeitauflösung, die bildgebende Verfahren nicht haben. Epilepsien Anfallstypen: -Partielle (fokale) Anfälle –paroxysmale Depolarisation GABAerge Hemmung, glutamaterge AMPA- und NMDAAktivität -Generalisierte Anfälle -thalamokortikale Erregungskreis. Bei einem sekundär generalisierten Anfall breitet sich die epileptische Aktivität vom Fokus über den Thalamus in viele Hirnregionen aus. Tonische, - klonische Phase Therapie: antiepileptischen Medikamenten (60-70%) chirurgische Entfernung des Fokus psychophysiologische Trainingsbehandlung Entstehung von EEG und MEG Das EEG entsteht überwiegend durch extrazelluläre Ströme der Pyramidenzellen in der Hirnrinde, das MEG resultiert aus intrazellulären Strömen Quelle der EEG-Wellen. erregende synaptische Potentiale (EPSP) der Pyramidenzellen. Die Gliazellen sind indirekt auch für die EEG/MEGRhythmen, vor allem für langsame Hirnpotentiale verantwortlich. Polarität der EEG-Potentialschwankungen: Positive Potentialschwankungen im EEG (vereinbarungsgemäß Ausschlag nach unten) werden in den tieferen Schichten (besonders 4. Schicht mit Zustrom der spezifischen thalamischen Afferenzen) durch erregende synaptische Potentiale, in den oberen Schichten dagegen durch hemmende Potentiale bzw. Nachlassen der Erregung verursacht. Negative, d.h. aufwärts gerichtete Potentialschwankungen im EEG kommen durch die Erregung der Dendriten in den oberflächlichen Schichten (durch unspezifische thalamische Afferenzen, Kommissuren- und Assoziationsfasern) zustande. Für die hemmenden synaptischen Potentiale treffen die umgekehrten Verhältnisse zu Quelle der MEG-Wellen. Magnetische Felder stehen stets in einem Winkel von 90 ° senkrecht zur Richtung der elektrischen Felder. Die Aktivitäten beider Zellorientierungen lassen sich also nur über die Kombination von EEG und MEG erfassen. Oszillation von EEG und MEG. Die verschiedenen rhythmischen Wellenformen des EEGs/MEGs haben unterschiedliche Generatoren. Zwar entstehen die EEG-Wellen und ereigniskorrelierten Potentiale alle im Kortex, ihre Rhythmik und ihre Synchronisation stammt aus subkortikalen Kernen. -a-Rhythmus durch Schrittmacherzellen des Thalamus -&-Wellen vom Hippokampus generiert -die raschen 30-80 Hz-Wellenzüge, die bei bedeutungshaltigen Reizen oder Wörtern auftreten, entstehen direkt in den kortikalen Zellen. Gamma-Oszillationen: Bietet man einen bedeutungsvollen Reiz dar, so synchronisieren sich die Gamma-Oszillationen mit dem Reizauftritt. Im Traumschlaf, sind die 40 Hz-Oszillationen nicht mehr an den Reizzeitpunkt gebunden, sondern treten in Abhängigkeit von den spontanen, inneren Erlebnisinhalten auf. Im Wachzustand sowie im REM-Schlaf (Rapid Eye Movement), in denen besonders aktives subjektives Erleben stattfindet, erkennt man regelmäßige Oszillationen, die leicht zeitverschoben an allen Ableitungspunkten auftreten. Im Tiefschlaf ohne subjektives Erleben fehlen diese kohärenten Schwingungen. Analyse der Großhirntätigkeit mit EKP Vor, während und nach einem sensorischen, motorischen oder psychischen Ereignis sind im Elektroenzephalogramm spezifische elektrokortikale Potentiale messbar. Diese bezeichnet man als ereigniskorrelierte Hirnpotentiale, EKP Ereigniskorrelierte Potentiale (EKP) sind von sehr viel kleinerer Amplitude als das Spontan-EEG. Sie müssen deswegen mit Summationstechniken (Mittelungstechniken) sichtbar gemacht werden. Ereigniskorrelierte Hirnpotentiale: das Erwartungspotential, das Bereitschaftspotential und die prämotorische Positivierung Evozierte Potentiale, EP Diejenigen ereigniskorrelierten Potentiale, die sich im ZNS als Antwort auf eine Reizung von Sensoren, von peripheren Nerven, von sensorischen Bahnen oder Kernen registrieren lassen, werden als evozierte Potentiale, EP, bezeichnet. Nach Reizung peripherer somatischer Nerven oder Sensoren können von den somatosensorischen Rindenarealen (SI, SIl) nach kurzer Verzögerung (etwa 10 ms) somatisch evozierte Potentiale, SEP, abgeleitet werden. primär -, sekundär evoziertes Potential -Späte Komponenten ereigniskorrelierter Potentiale. Komplexe Prozesse der Verarbeitung von Information und die Planung von Verhalten bilden sich in sehr viel späteren Komponenten ab (Latenzen > 60 ms). endogene ereigniskorrelierte Potentiale (im Gegensatz zu den frühen exogenen Komponenten). Bestandspotentiale und langsame Hirnpotentiale Bestandspotentiale. Zwischen der kortikalen Oberfläche und der darunter liegenden weißen Substanz kann eine Gleichspannungsdifferenz von mehreren Millivolt (Oberfläche negativ) abgeleitet werden. Dieses kortikale Gleichspannungs- oder Bestandspotential wird beim Übergang in den Schlaf positiver, während umgekehrt Weckreaktionen mit einer Negativierung der Oberfläche einhergehen. Langsame Hirnpotentiale. lokale, langsame Potentialverschiebungen von 200 ms bis mehrere Sekunden Dauer, die an der Schädeloberfläche registriert werden können und aus den apikalen Dendriten stammen. Spiegeln Erregung der oberflächennahen Dendriten der Pyramidenzellen wider. Bedingt durch unspezifische thalamische und retikuläre Afferenzen (Arousal-System) sowie durch andere kortikale Regionen wird die Auslösung von Aktionspotentialen in den Pyramidenzellen erleichtert. Negativierung der oberen Kortexschicht ist somit der elektrophysiologische Ausdruck eines Mobilisierungszustandes des betreffenden Areals. Entstehung der EKP Entstehungsmechanismus. ähnlich wie die Wellen des EEG, widerspiegeln EKP die langsame synaptische Aktivität der Pyramidenzellen und deren Dendriten, nicht die Impulsaktivität (Aktionspotentiale) der Neurone. Auch hier handelt es sich um Massenpotentiale, zu denen die summierten extrazellulären synaptischen Ströme vieler Neurone in der Umgebung der Elektrode beitragen. Klinische Anwendung: Zu diagnostischen Zwecken werden evozierte Potentiale vor allem auch durch Schall- und Lichtreize ausgelöst. Jedes dieser akustisch evozierten Potentiale, AEP, bzw. visuell evozierte Potentiale, VEP, besteht aus einer Serie von Wellen, die in den verschiedenen Umschaltstellen der Hör- bzw. Sehbahn generiert werden. Sie können daher zur Überprüfung der Funktion dieser Bahnen eingesetzt werden, z. B. die akustisch evozierten Potentiale bei Kindern zur Objektivierung und Verlaufskontrolle bestimmter Formen von Schwerhörigkeit. Auch bei demyelinisierenden Erkrankungen, wie beispielswieise bei der multiplen Sklerose, werden evozierte Potentiale, vor allem visuelle, zur Verlaufskontrolle eingesetzt. Der Abbau der Myelinscheide der Axone führt zu einer Verlangsamung der Erregungsleitung, wodurch sich die Latenzen der verschiedenen Komponenten der visuell evozierte Potentiale verlängern. Bewusstlosigkeit und Lähmungen Späte ereigniskorrelierte Potentiale spiegeln je nach ihrem anatomischen Ort, ihrer Form und ihrer zeitlichen Latenz (»Komponenten«) unterschiedliche informationsverarbeitende Prozesse wider. Sie werden daher auch zur Diagnose über Vorhandensein oder Fehlen kognitiver Vorgänge bei Patienten in Anästhesie, Bewusstlosigkeit (Koma und vegetativem Zustand) oder Locked-in-Syndrom eingesetzt. Besonders beim Locked-in-Syndrom ist das klinisch höchst wichtig, da diese Patienten vollständig gelähmt (z.B. nach Schlaganfällen oder bei der amyotrophen Lateralsklerose, ALS, bei der alle motorischen Zellen absterben), aber bei Bewusstsein und kognitiv-emotional intakt sein können. Zum Beispiel zeigten beatmete Patienten mit vollständiger Lähmung durch Polyneuropathie, bei semantischen Fehlern (z.B. das Wort »Berlin«) sogenannte »N400-Komponenten«, also langsame negative (N) Potentiale 400 ms nach Darbietung des unpassenden Inhaltes. Das Vorhandensein dieser N400 bei diesen Patienten belegt, dass ihr Kortex durchaus in der Lage ist, komplexe bedeutungshaltige Information zu verarbeiten. Zusammenfassung Entstehung von EKP EKP spiegeln die synchrone synaptische Aktivität der Pyramidenzellen und deren Dendriten wider. Methodik: Sensorische, motorische und psychische Ereignisse führen zu Veränderungen des Elektroenzephalogramms. Wegen ihrer kleinen Amplitude werden diese in der Regel nur nach Aufsummierung vieler EEG-Abschnitte als ereigniskorrelierte Potentiale, EKP, sichtbar. Anwendung der EKP Eine Form dieser Potentiale sind die nach somato-sensorischer, akustischer oder visueller Reizung ableitbaren evozierten Potentiale, EP, die in der klinischen Neurophysiologie und Psychologie vielfache diagnostische Anwendung finden. Sie werden auch als exogene Potentiale bezeichnet, da ihre Form und Dauer von den äußeren Reizen abhängt. Die späten Komponenten ereigniskorrelierter Potentiale werden als endogen bezeichnet, da sie im Wesentlichen von psychischen Prozessen abhängen. Langsame negative Potentialänderungen (länger als 200 ms) spiegeln Depolarisation und Mobilisierung des unter der Elektrode liegenden Rindenfeldes wider, Positivierungen hängen mit Nachlassen des Erregungszustandes des neuronalen Gewebes zusammen.