Neurologische Symptome und Syndrome 4/4 Karl Zeiler, Christian Wöber Univ.-Klinik für Neurologie Wien Meningismus Definition: schmerzhafte reflektorische Verspannung der Nackenmuskulatur mit einer Blockade der aktiven und passiven Beweglichkeit der HWS, besonders der Anteklination Prüfung: Patient in Rückenlage (passiv); Untersucher hebt den Kopf des Patienten in der Sagittalebene langsam gegen das Sternum hin an (Anteklination der HWS) Reaktion: Zunahme der Schmerzen und Einschränkung bzw. Blockade der Beweglichkeit der HWS Meningismus Ursachen ► akute Meningitis ► akute Subarachnoidealblutung ► raumfordernde Prozesse im Bereich der hinteren Schädelgrube bzw. der oberen HWS Fakultative Begleitsymptome ► Opisthotonus (Überstreckung der gesamten Wirbelsäule mit Reklinationshaltung der HWS) ► „Jagdhundstellung“ (Patient liegt mit überstreckter Wirbelsäule und angezogenen Extremitäten auf der Seite) Meningismus Meningeale Begleitreaktion (Reizzustand der Meningen) ► im Rahmen schwerer Allgemeinerkrankungen ► im Zusammenhang mit akuten viralen Infekten ► bei Meningeosis ► nach starker Sonneneinwirkung ► nach komplikationslos durchgeführter Lumbalpunktion („postpunktioneller Meningismus“) DD M. Parkinson: Rigor der Nackenmuskulatur DD Funktionsstörungen im Bereich der HWS: Schmerzen i.a. durch Drehbewegungen der HWS verstärkt, schmerzhafte Blockade; Anteklination meistens weitgehend schmerzfrei möglich Brudzinski-Zeichen Prüfung: Patient in Rückenlage (passiv); Untersucher hebt den Kopf des Patienten in der Sagittalebene rasch nach vorne gegen das Sternum hin (Anteklination der HWS) Reaktion: reflektorische Beugung der Beine in den Hüft- und Kniegelenken Ursachen: mit jenen eines Meningismus grundsätzlich identisch Lhermitte-Zeichen Prüfung: Patient sitzt oder liegt in Rückenlage; aktiv oder passiv wird rasch eine Anteklination der HWS durchgeführt Reaktion: rieselnde oder elektrisierende Mißempfindungen, die sich gegen beide Schultern und in die Arme bzw. entlang der Wirbelsäule nach kaudal, ev. bis in die Beine, ausbreiten Ursachen ► Multiple Sklerose (häufig) ► andere entzündliche Prozesse im Bereich der HWS ► raumfordernde Prozesse im Bereich der HWS ► nach lokaler Strahlentherapie Lasègue-Zeichen Prüfung: Patient in Rückenlage, bleibt passiv; Untersucher hebt das im Knie gestreckte Bein des Patienten langsam hoch (Beugung im Hüftgelenk) Reaktion: Manifestation von Schmerzen lumbosakral, im Gesäß und im Bereich des dorsalen Oberschenkels bis zur Kniekehle hin (Dehnung des N. ischiadicus bzw. der Wurzeln L5 und S1) Ursachen ► Läsion der ipsilateralen Wurzeln L5 und/oder S1 (fast immer) ► Meningitis (ev. bds. positives Lasègue-Zeichen) Lasègue-Zeichen zu beachten: ► beim Gesunden ist die Beugung im Hüftgelenk i.a. um 70 bis 90° schmerzfrei möglich ► Lebensalter, Geschlecht und körperliche Verfassung sind zu berücksichtigen ► obligatorisch: Angabe, ab welchem Beugungswinkel der Schmerz auftritt ► diagnostisch verwertbar ist eine eindeutige Seitendifferenz „gekreuzter Lasègue“: Dehnungsschmerz auf der betroffenen Seite, der durch Anheben des klinisch nicht betroffenen Beins ausgelöst wird „Pseudo-Lasègue“: Auslösung andersartiger Schmerzen durch das Manöver (z.B. durch Affektion des Iliosakralgelenks bzw. des Hüftgelenks, Verkürzung der ischiocruralen Muskulatur) Kernig-Zeichen Prüfung: Patient in Rückenlage, bleibt passiv; Untersucher beugt das Bein des Patienten im Knie- und Hüftgelenk je 90°, dann erfolgt bei konstanter Beugung im Hüftgelenk eine passive Streckung im Kniegelenk Reaktion: Manifestation von Schmerzen lumbosakral, im Gesäß und im Bereich des dorsalen Oberschenkels bis zur Kniekehle hin (Dehnung des N. ischiadicus bzw. der Wurzeln L5 und S1) Ursachen ► Läsion der ipsilateralen Wurzeln L5 und/oder S1 (fast immer) ► Meningitis (ev. bds. positives Kernig-Zeichen) Femoralis-Lasègue-Zeichen (umgekehrtes Lasègue-Zeichen) Prüfung: Patient in Bauchlage, bleibt passiv; Untersucher hebt den Unterschenkel des Patienten und führt dessen Ferse gegen dessen Gesäß (Beugung im Kniegelenk) Reaktion: Manifestation von Schmerzen an der Vorderseite des Oberschenkels (Dehnung des N. femoralis bzw. der Wurzeln L3 und L4) Ursachen ► Läsion der ipsilateralen Wurzeln L3 und/oder L4 (fast immer) ► Femoralis-Neuropathie im Rahmen eines Diabetes mellitus ► Meralgia paraesthetica Primitivreflexe, Frontalzeichen Physiologie, Pathophysiologie ► Primitivreflexe: instinktive Bewegungen bzw. Bewegungsschablonen, die bei Säuglingen und Kleinkindern physiologisch ablaufen ► (meistens) Fremdreflexe, die mit zunehmender Reifung des ZNS gehemmt bzw. unterdrückt werden ► bei gesunden Erwachsenen: nicht auslösbar ► höheres Lebensalter: einzelne Reflexe sind ev. wieder angedeutet beobachtbar ► schwere diffuse Hirnschädigung (v.a. Läsionen im Bereich des Frontallappens): durch Wegfall der hemmenden Einflüsse können die Primitivreflexe wieder auslösbar werden Palmomentalreflex Auslösung: der Untersucher streicht mit der Spitze des Reflexhammers bzw. mit dem Daumennagel langsam, aber mit Druck über den Thenar des Patienten Reaktion: kurze Bewegung der ipsilateralen perioralen Muskulatur zwischen Unterlippe und Kinn des Patienten (Runzelung der Haut) Bewertung: Hinweis auf diffuse oder frontal gelegene Läsion Cave: falls nur Palmomental- (und Pollikomental-) Reflex auslösbar, die übrigen Frontalzeichen aber nicht: nicht unbedingt pathologische Bedeutung Pollikomentalreflex Auslösung: der Untersucher streicht mit der Spitze des Reflexhammers bzw. mit dem Daumennagel langsam, aber mit Druck über die Volarseite des Daumens des Patienten Reaktion: siehe Palmomentalreflex Bewertung: siehe Palmomentalreflex Cave: siehe Palmomentalreflex Schnauzreflex Auslösung: Berühren der Lippen des Patienten mit einem Gegenstand (z.B. Holzspatel) Reaktion: Patient schürzt die Lippen und stülpt sie wie beim Pfeifen vor (Kontraktion des M. orbicularis oris) Bewertung: Hinweis auf eine meistens beidseitige Läsion im Bereich der kortikonukleären Bahnen Saugreflex Auslösung: Berühren der Lippen des Patienten mit einem Gegenstand (z.B. Holzspatel) Reaktion: Saugbewegung und ev. Schluckbewegung des Patienten Varianten: ► manchmal führt bereits das Annähern des Gegenstandes in die Nähe des Mundes des Patienten zu einem Öffnen des Mundes bzw. zu einer Saug- oder Beißbewegung ► „Bulldogg-Reflex: Patient hält den Gegenstand mit den Zähnen fest Bewertung: Hinweis auf schwerwiegende diffuse Hirnschädigung Greifreflex Auslösung: ein Gegenstand (z.B. der Griff des Reflexhammers) wird gegen die Handfläche des Patienten gedrückt Reaktion: der Patient umschließt den Gegenstand mit der Hand und hält ihn fest Variante: der Patient folgt einem vor ihm bewegten Gegenstand mit der eigenen Hand („Nachgreifen“) Bewertung: Hinweis auf eine schwerwiegende frontale oder diffuse Hirnschädigung Gegenhalten Auslösung: der Untersucher versucht, eine Extremität bzw. einen Extremitätenabschnitt des Patienten zu bewegen Reaktion: der Patient verhindert dies durch aktive Innervation Bewertung: Hinweis auf ausgeprägte Funktionsstörung im Frontallappen oder im extrapyramidalen System, auch bei schwerer diffuser Hirnschädigung Klüver-Bucy-Syndrom Klinisches Bild ► die Patienten versuchen, jeden erdenklichen Gegenstand in den Mund zu stecken bzw. zu essen (exzessives orales Verhalten) ► oft enthemmtes Sexualverhalten (wiederholte Masturbationen) ► beträchtliche Antriebsstörung (meistens reduziert) ► Störung des affektiven Verhaltens ► ausgeprägtes amnestisches Syndrom (anterograde Amnesie) Ursachen: bilaterale Läsionen im Bereich der mediobasalen Temporallappenanteile durch ► Ischämie ► entzündliche Prozesse (z.B. HSV 1-assoziierte Meningoenzephalitis) ► primär degenerative Erkrankungen des Gehirns Kortikale Läsionen im Bereich des Frontallappens Besonders wichtige Rindenfelder ► primärer motorischer Kortex (Area 4) ► prämotorischer Kortex (Area 6) ► supplementär-motorischer Kortex (Area 6) ► frontales Augenfeld (Area 8) ► motorisches Sprachzentrum (Area 44, Broca-Zentrum, in der dominanten Hemisphäre) ► frontopolarer bzw. präfrontaler, fronto-orbitaler und zingulärer Kortex Kortikale Läsionen im Bereich des Frontallappens Klinische Symptomatik (1) ► umschriebene Läsion im Bereich des primären motorischen Kortex: kontralaterale, „pseudoschlaffe“, distale oder distal betonte Parese (oft: Monoparese) ► umschriebene Läsion im Bereich des prämotorischen Kortex: oft passagere, kontralaterale, proximal betonte Hemiparese mit apraktischer Komponente, ev. Koordinationsstörungen der proximalen Extremitäten- und Rumpfmuskulatur bds. ► umschriebene Läsionen im Bereich des supplementär-motorischen Kortex: kontralaterale Hypokinese und Apraxie ► ausgedehnte Läsionen im Bereich der motorischen Rindenfelder: im Akutstadium „pseudoschlaffe“, später meistens spastische kontralaterale Hemiparese Kortikale Läsionen im Bereich des Frontallappens Klinische Symptomatik (2) ► Koordinationsstörungen beim Stehen („Astasie“) und beim Gehen („Abasie“), v.a. bei beidseitigen Läsionen; Gang unsicher, breitbeinig, mit kleinen Schritten; Haltung vorgebeugt, Tendenz zur Retropulsion ► Neigung, einmal eingenommene Haltungen lange beizubehalten; Versuchen, die Haltung passiv zu ändern, wird Widerstand entgegengesetzt („Gegenhalten“) ► (passagere) Déviation conjuguée zur Seite der Läsion, horizontale Blickparese nach kontralateral ► Blasenfunktionsstörungen ► Hyposmie, Anosmie: bei ausgedehnten frontobasalen Prozessen Kortikale Läsionen im Bereich des Frontallappens Klinische Symptomatik (3) ► motorische Aphasie (bei Läsion des Broca-Zentrums in der dominanten Hemisphäre) ► Apraxie: bei Läsionen im Bereich der dominanten Hemisphäre ev. beidseitige (meistens ideomotorische) Apraxie; bei Läsionen im Bereich der nicht-dominanten Hemisphäre ev. ausschließlich kontralaterale Apraxie ► positive „Frontalzeichen“: bei ausgedehnten frontalen Läsionen ► psychopathologische Veränderungen: dysexekutive Syndrome (Minus- oder Plus-Variante); oft Neigung zur Perseveration und zum Nachsprechen von Worten oder Sätzen („Echolalie“); vorgezeigte Bewegungen werden ev. imitiert („Echopraxie“) Kortikale Läsionen im Bereich des Parietallappens Besonders wichtige Rindenfelder ► Gyrus postcentralis (Area 1, 2 und 3) ► sensible Assoziationsfelder (Area 5 und 7) ► Gyrus angularis, Gyrus supramarginalis Klinische Symptomatik (1) ► kontralaterale Hypästhesie für alle Qualitäten (bei Läsionen im Bereich des Gyrus postcentralis), bes. die Extremitäten betreffend ► ev. gering ausgeprägte kontralaterale Hemiparese ► homonyme Quadrantenanopsie nach kontralateral unten oder homonyme Hemianopsie nach kontralateral (bei subkortikalen Läsionen) Kortikale Läsionen im Bereich des Parietallappens Klinische Symptomatik (2) ► optokinetischer Nystagmus: für Reize, die aus der gegenseitigen Gesichtsfeldhälfte eintreffen, abgeschwächt ► verschiedenste neuropsychologische Funktionsstörungen Kortikale Läsionen im Bereich des Temporallappens Besonders wichtige Rindenfelder ► Gyrus temporalis superior (Area 22), medius und inferior ► okzipitotemporaler Gyrus ► Gyri temporales transversi (Heschl´sche Querwindung) ► Hippocampus Klinische Symptomatik (1) ► homonyme Quadrantenanopsie nach kontralateral oben (bei subkortikalen Läsionen) ► optokinetischer Nystagmus beeinträchtigt (bei Läsionen im Bereich des vestibulären Kortex) Kortikale Läsionen im Bereich des Temporallappens Klinische Symptomatik (2) ► kortikale Taubheit (bei bilateralen Läsionen des primären auditiven Kortex bzw. seiner Afferenzen) ► „olfaktorische Agnosie“: Unvermögen, Geruchseindrücke zu identifizieren (bei Läsionen im Bereich der olfaktorischen Assoziationsgebiete) ► sensorische Aphasie: bei Läsion im Bereich des Wernicke-Zentrums in der dominanten Hemisphäre ► Läsionen im Bereich des Hippocampus: retrograde, anterograde oder globale Amnesie; ev. Parosmien, Kakosmien; ev. ausgeprägte psychopathologische Störungen, z.B. Klüver-BucySyndrom Kortikale Läsionen im Bereich des Okzipitallappens Besonders wichtige Rindenfelder ► primärer visueller Kortex (Area 17) im Bereich des Okzipitalpols bzw. der Fissura calcarina ► optische Assoziationsfelder (Area parastriata, Area 18 und 19) Klinische Symptomatik (1) ► einseitige Läsion: homonyme Gesichtsfeldausfälle nach kontralateral (zentrales Sehen nicht mitbetroffen) ► beidseitige Läsion: ev. röhrenförmige Gesichtsfeldeinschränkung, ev. Farbwahrnehmungsstörung; ev. kortikale Blindheit (Rindenblindheit) mit intakten Pupillenreaktionen auf Licht Kortikale Läsionen im Bereich des Okzipitallappens Klinische Symptomatik (2) ► ev. optische Agnosien ► Läsion im Bereich des posterioren Augenfeldes: Beeinträchtigung der visuellen Folgebewegungen zur Gegenseite, beeinträchtigter optokinetischer Nystagmus Dezerebrations-Syndrome Ursachen: ► schwere Schädelhirntraumen (epidurale, subdurale, intrazerebrale Hämatome, Kontusionsherde, Hirnödem, primäre HirnstammLäsionen) ► vaskuläre Läsionen (ischämische Infarkte, spontane intrazerebrale Blutungen, Sinus- und Venenthrombosen, Subarachnoidealblutungen) ► entzündliche Erkrankungen (Meningitiden, Meningoenzephalitiden, Empyeme, Abszesse, septische Sinusthrombosen) ► Tumoren ► Verschluß-Hydrozephalus ► extrakranielle Ursachen: v.a. kardiovaskuläre Erkrankungen (z.B. Herzstillstand mit verspäteter Reanimation) mit sekundärer anoxischer Hirnschädigung Dezerebrations-Syndrome Glasgow-Coma-Scale (u.a. zur Beurteilung des Schweregrades einer Hirnschädigung): ► Augenöffnen: spontan (4); über Aufforderung (3); auf Schmerzreize (2); keine Reaktion (1) ► beste verbale Reaktion: orientiert (5); verwirrt (4); einzelne Wörter (3); Lautäußerungen (2); keine Reaktion (1) ► beste motorische Reaktion (Arme): Befolgen von Aufforderungen (6); gezielte Abwehr von Schmerzreizen (5); Zurückzieziehen auf Schmerzreize (4); Beugung auf Schmerzreize (3); Streckung auf Schmerzreize (2); keine Reaktion (1) Ein Gesunder erreicht also 15 Punkte, ein in allen drei Bereichen maximal beeinträchtigte Patient 3 Punkte Mittelhirn-Syndrom (MHS) ► Manifestation im Gefolge einer im Mittelhirn lokalisierten Läsion oder bei zunehmendem intrakraniellen Druck jeglicher Ätiologie ► 4 Stadien ► die Symptomatik ist potentiell voll reversibel (bei erfolgreicher Behandlung der Ursache, ev. auch spontan) ► ev. aber Übergang in ein Bulbärhirn-Syndrom (BHS) ► die klinische Beurteilung stützt sich auf vier Themenkreise: (1) Bewußtseinslage (2) Motorik, motorische Schablonen (3) Bulbi und Pupillen (4) vegetative Symptomatik Mittelhirn-Syndrom (MHS) MHS Stadium I ► Bewußtseinslage: Somnolenz, Patient leicht weckbar ► akustische Reize: verzögerte Reaktion ► Schmerzreize: prompte und gezielte Abwehr ► intermittierend spontane Massenbewegungen ► Extremitäten: Tonus unauffällig, MER mittellebhaft auslösbar, keine Pyramidenzeichen ► Bulbi: in Mittelstellung; konjugierte, „schwimmende“ Bulbusbewegungen ► Pupillen: mittelweit, isokor, Lichtreaktion unauffällig ► VOR (kalorische Prüfung): normal auslösbar ► Atmung nicht beeinträchtigt, Körpertemperatur ev. etwas erhöht, Pulsfrequenz und Blutdruck unauffällig Mittelhirn-Syndrom (MHS) MHS Stadium II ► Bewußtseinslage: Sopor ► akustische Reize: begrenzte Reaktion ► Schmerzreize: Patient vorübergehend weckbar ► Beine: in Streckstellung; Arme: intermittierend spontane Massenbewegungen ► OE: unauffälliger Befund; UE: Tonus spastisch gesteigert, MER gesteigert auslösbar, inkonstant Pyramidenzeichen ► Bulbi: stehen dyskonjugiert (divergent oder konvergent), „schwimmende“ Bulbusbewegungen ► Pupillen: eher eng, Lichtreaktion verzögert ► VOR (kalorische Prüfung): gesteigert auslösbar ► Atmung beschleunigt, Körpertemperatur erhöht, Pulsfrequenz und Blutdruck unauffällig Mittelhirn-Syndrom (MHS) MHS Stadium III ► Bewußtseinslage: Koma ► akustische Reize: Patient nicht weckbar ► Schmerzreize: Auslösung ungezielter Massenbewegungen ► Beine: in Streckstellung; Arme: in Beugestellung ► Extremitäten: Tonus spastisch gesteigert, MER gesteigert auslösbar, Pyramidenzeichen deutlich auslösbar ► Bulbi: in Divergenzstellung ► Pupillen: eng, Lichtreaktion träge ► VOR (kalorische Prüfung): tonische Reaktion (konjugiertes Abweichen der Bulbi) ► Atmung meistens rhythmisch vertieft, Körpertemperatur deutlich erhöht, Tachykardie, erhöhter Blutdruck Mittelhirn-Syndrom (MHS) MHS Stadium IV ► Bewußtseinslage: Koma ► Schmerzreize: Auslösung von Streckkrämpfen ► Extremitäten: in Streckstellung, ev. Opisthotonus ► Extremitäten: Tonus deutlich spastisch gesteigert, MER gesteigert auslösbar, Pyramidenzeichen deutlich auslösbar ► Bulbi: deutliche Divergenzstellung ► Pupillen: mittelweit oder etwas erweitert, Lichtreaktion verzögert und unausgiebig ► VOR (kalorische Prüfung): dissoziierte Reaktion der Bulbi ► Cornealreflex: auslösbar ► „Maschinenatmung“, Körpertemperatur deutlich erhöht, ausgeprägte Tachykardie, deutlich erhöhter Blutdruck Bulbärhirn-Syndrom (BHS) ► Manifestation im Gefolge einer im Bulbärhirn lokalisierten Läsion oder aus einem Mittelhirn-Syndrom ► 2 Stadien ► die Symptomatik im Stadium I ist potentiell noch reversibel ► ein BHS im Stadium II geht üblicherweise in das Syndrom des „dissoziierten Hirntodes“ über ► ein BHS ist Ausdruck einer akut lebensbedrohlichen Schädigung des Gehirns Bulbärhirn-Syndrom (BHS) BHS Stadium I ► Bewußtseinslage: tiefes Koma ► Schmerzreize: keine Reaktion ► Extremitäten: in Streckstellung, keine Streckkrämpfe ► Extremitäten: Tonus nicht mehr gesteigert bzw. herabgesetzt, MER nicht mehr gesteigert bzw. abgeschwächt auslösbar, Pyramidenzeichen weiterhin auslösbar ► Bulbi: stehen bewegungslos divergent ► Pupillen: mittelweit bis weit, schwache oder gar keine Lichtreaktion ► VOR (kalorische Prüfung): keine Reaktion ► Cornealreflex: nicht auslösbar ► Atmung oberflächlich, ev. „Schnappatmung“, Körpertemperatur mäßig erhöht, Pulsfrequenz variabel, Blutdruck erniedrigt Bulbärhirn-Syndrom (BHS) BHS Stadium II ► Bewußtseinslage: tiefes Koma ► Schmerzreize: keine Reaktion ► Extremitäten: liegen schlaff auf der Unterlage ► Extremitäten: Tonus schlaff, MER nicht auslösbar, Pyramidenzeichen nicht mehr auslösbar ► Bulbi: stehen bewegungslos divergent ► Pupillen: maximal erweitert, keine Lichtreaktion ► VOR (kalorische Prüfung): keine Reaktion ► Cornealreflex: nicht auslösbar ► Atemstillstand, Körpertemperatur noch erhöht bzw. normal, Bradykardie, Blutdruck erniedrigt Apallisches Syndrom („Wachkoma“, Coma vigile, persistierender vegetativer Zustand) ► Pathophysiologie: Verlust der kortikalen (vorwiegend der neokortikalen) Funktionen bei weitgehend intakt gebliebener Funktion des Hirnstamms ► Ursache: meistens schwerwiegende traumatische oder anoxische (z.B. durch verzögerte Reanimation) Gehirnschädigung ► Entwicklung des posttraumatischen apallischen Syndroms meistens aus einem MHS oder einem BHS I ► das apallische Syndrom ist grundsätzlich reversibel, meistens bleiben jedoch schwerste Funktionsbeeinträchtigungen zurück ► monate- oder jahrelanges Überleben möglich, Tod oft im Zusammenhang mit interkurrenten Erkrankungen Apallisches Syndrom Klinisches Bild (1) ► „Coma vigile“: die Patienten sind nicht komatös, aber auch nicht kontaktierbar ► Augen geöffnet, Blick ins Leere, Fixieren oder Aufnahme eines Blickkontaktes nicht möglich, keine Blickwendung auf sensorische Reize ► Schmerzreize: ev. unkoordinierte reflektorische Bewegungen ► oft Entwicklung eines Schlaf-Wach-Rhythmus ► Spontanatmung und Kreislauffunktionen erhalten ► allerdings: intermittierende krisenhafte vegetative Funktionsstörungen (Tachykardien, Rhythmusstörungen, RR-Entgleisungen, Temperaturanstieg, Schweißausbrüche) ► Ernährung: parenteral oder über Sonde Apallisches Syndrom Klinisches Bild (2) ► Extremitäten: zunächst oft Massenbewegungen, Streckkrämpfe; dann immer weniger Spontanbewegungen ► OE: Tendenz zur fixierten Beugehaltung; ev. proximal Innenrotation und Streckstellung, distal Beugestellung ► UE: meistens fixierte Streckhaltung mit Innenrotation in den Hüftgelenken ► intermittierend tonische Streck- und Beugekrämpfe (spontan oder ausgelöst durch akustische, optische oder Schmerz-Reize) ► Tonus: spastisch und/oder plastisch erhöht; meistens liegen Pyramidenzeichen vor, ev. „Spontanbabinski“ ► letztlich resultieren fast immer Kontrakturen ► i.a. liegen ausgeprägte Frontalhirnzeichen vor „Hirntod“ Definition: vollständiger und irreversibler Ausfall der Funktionen des Gehirns einschließlich des Hirnstamms bei durch kontrollierte Beatmung noch aufrecht erhaltener Herzkreislauf-Funktion Voraussetzungen für die Diagnose ► Beachtung mehrerer Ein- und Ausschlußkriterien ► Dokumentation der morphologischen Grundlagen der akuten Gehirnschädigung ► Vorliegen klar definierter klinischer Symptome ► Feststellung der Irreversibilität durch wiederholte klinische Untersuchungen (Verlaufbeobachtung) und durch die Ergebnisse technisch-apparativer Untersuchungen „Hirntod“ Ausschlußkriterien ► Intoxikation (z.B. mit Barbituraten) ► (iatrogene) Muskelrelaxation ► primäre Hypothermie (Körpertemperatur 32° C oder darunter) ► metabolisches Koma ► Hypokaliämie (K+-Konzentration im Serum 2.5 mmol/l oder darunter) ► metabolisches Koma ► hypovolämischer Schock „Hirntod“ Ursachen des Hirntodes Intrakranielle Prozesse ► Schädelhirntraumen ► zerebrovaskuläre Erkrankungen ► entzündliche Erkrankungen des ZNS ► metabolische Erkrankungen des ZNS ► primäre Hirnstamm-Läsionen Extrakranielle Prozesse ► anoxische Gehirnschädigung im Gefolge eines Herzkreislaufstillstandes mit verspäteter Reanimation NB: sobald der intrakranielle Druck höher wird als der systemische Blutdruck, kommt es zu einem intrakraniellen Zirkulationsstillstand „Hirntod“ Klinisches Bild (1) ► Koma ► keine Reaktion auf Schmerzreize im Versorgungsgebiet des N. trigeminus ► Pupillen mittelweit bis maximal weit, keine Lichtreaktion ► keine reflektorischen Bulbusbewegungen ► Cornealreflex, Masseterreflex, Würgereflex, Schluckreflex und Hustenreflex (bei endotrachealem Absaugen): ausgefallen ► VOR (kalorisch geprüft): nicht auslösbar ► Extremitäten: keine Spontanmotorik, Muskeltonus schlaff, i.a. keine Pyramidenzeichen ► weitgehender Ausfall der Kreislaufregulation (Herzfrequenzund RR-Anstieg höchstens auf sehr starke Schmerzreize) „Hirntod“ Klinisches Bild (2) ► „Apnoe-Test“ (Nachweis der fehlenden Spontanatmung): Unterbrechen der Beatmung; falls keine spontanen Thoraxbewegungen (Atembewegungen) sichtbar sind, Abwarten, bis der apCO2 auf > 60 mm Hg ansteigt; fehlende Atemexkursionen bei einem apCO2 von > 60 mm Hg gelten als Beweis für den Ausfall der Spontanatmung NB: die Auslösbarkeit von spinalen Reflexen (Muskeleigenreflexe, Fluchtreflexe) ist mit der Diagnose „Hirntod“ vereinbar ! „Hirntod“ Technische Zusatzuntersuchungen (1) EEG: Dokumentation einer „Null-Linie“ (erloschene kortikale Aktivität) über mindestens 30 min. (EEG bei infratentoriellen Läsionen obligatorisch !) AEP: keine zentrale Reizantwort SSEP (über den N. medianus ausgelöst): keine kortikalen Antworten Dopplersonographie: das Fehlen eines – zuvor nachweisbaren – Strömungssignals bzw. der Nachweis eines niedrigen systolischen Strömungssignals bei fehlender oder herzwärts gerichteter diastolischer Strömung ist mit der Diagnose „Hirntod“ vereinbar; die Untersuchung muß mindestens zweimal (Abstand: wenigstens 30 min.) durchgeführt werden „Hirntod“ Technische Zusatzuntersuchungen (2) Zerebrale Angiographie: selektive Viergefäß-Darstellung erforderlich; ein Perfusionsstop auf Höhe der Carotis-Bifurkation oder distal davon bis in Höhe des Circulus arteriosus Willisi gilt als Beweis des „Hirntodes“ Cave: invasives Verfahren, das den Zustand des Patienten verschlechtern kann ! Die Angiographie darf daher nicht zur primären Diagnostik, sondern nur zur Bestätigung vorher erhobener dopplersonographischer Befunde eingesetzt werden ! Funktionsstörungen im Bereich des Rückenmarks Anatomische Grundlagen: ► Vorderhorn der grauen Substanz: motorische Vorderhorn-Ganglienzellen der peripheren motorischen Neurone ► Hinterhorn der grauen Substanz: Umschaltung der peripheren sensiblen Fasern für die Schmerz- und Temperaturempfindung auf die Ganglienzellen des 2. Neurons ► Seitenhorn: vegetative Ganglienzellen des Sympathicus (zwischen dem Segment C8 und dem Segment L3) ► weiße Substanz: u.a. Tr. corticospinalis, Tr. spinothalamicus, Fasciculus gracilis und cuneatus ► Conus medullaris: am kaudalen Ende des Rückenmarks (in Höhe des 1. LWK), besteht aus den Segmenten S2 bzw. S3 bis S5 ► Epiconus: kranial des Conus gelegen, besteht aus den Segmenten L4 bzw. L5 bis S1 bzw. S2 Funktionsstörungen im Bereich des Rückenmarks (1) Motorische Ausfälle ► kranial der Läsion: Motorik intakt ► in Höhe der Läsion: ipsilaterale motorische Ausfälle im jeweiligen Segment (sofern das Vorderhorn betroffen ist); schlaffe Parese, Faszikulationen in der zugeordneten Muskulatur; innerhalb von 3-4 Wochen Entwicklung segmentaler Atrophien ► kaudal der Läsion: ipsilateral (bei beidseitigen Läsionen bilateral) motorische Ausfälle im Sinne von Paresen bzw. einer Plegie (falls der Tr. corticospinalis betroffen ist); bei akuter Läsion zunächst pseudoschlaffe, später meistens spastische Parese; bei allmählich progredienter Symptomatik primär spastische Parese; bei kaudal gelegenen Läsionen (unterhalb des Segments D10) entwickelt sich fast immer eine persistierende pseudoschlaffe Parese Funktionsstörungen im Bereich des Rückenmarks (2) Sensible Ausfälle ► kranial der Läsion: fakultativ Hyperpathie bzw. Hyperalgesie in den 1-2 Segmenten oberhalb der Läsion ► in Höhe der Läsion: ipsilateral Ausfall aller sensibler Qualitäten im jeweiligen Segment (sofern die Eintrittsstelle der Hinterwurzel betroffen ist); ipsilateral bzw. bilateral segmentale dissoziierte Sensibilitätsstörung (falls das Hinterhorn bzw. die Commissura anterior betroffen ist) ► kaudal der Läsion: ipsilateral Tiefensensibilitätsstörung (falls die Hinterstränge mitbetroffen sind); kontralateral dissoziierte Sensibilitätsstörung (falls der Tr. spinothalamicus mitbeteiligt ist); bilaterale Läsion: beidseits alle sensiblen Qualitäten betroffen Funktionsstörungen im Bereich des Rückenmarks (3) Blasen- und Mastdarm-Funktionsstörungen ► nur bei beidseitiger Läsion Vegetative Funktionsstörungen ► Läsionen des Seitenhorns: ipsilaterale Sympathicus-Funktionsstörungen – trockene, überwarme Haut, thermoregulatorische Anhidrose, Beeinträchtigung der Piloarrektion und der Vasomotorik, trophische Störungen der Haut (Dekubitalulzera !) ► Halsmark-Läsionen: ipsilateral zentrales Horner-Syndrom ► Läsionen im Bereich der Segmente C8-D2: ipsilaterales präganglionäres Horner-Syndrom ► Läsionen im Bereich des Halsmarks / oberen Brustmarks: intermittierende Herzrhythmusstörungen, Kreislauf-Regulationsstörungen Funktionsstörungen im Bereich des Rückenmarks (4) Spinale „Automatismen“ ► Manifestation im subakuten Stadium einer Querschnittslähmung ► Auslösung durch sensible Reize bzw. Schmerzreize, die kaudal der Läsionsstelle gesetzt werden, auch durch vegetative Stimuli (z.B. prall gefüllte Harnblase) ► klinisches Bild: reflektorische Bewegungen von Extremitäten(-abschnitten), ev. mit Harn- und/oder Stuhlabgang, ev. mit RRAnstieg ► OE: es überwiegen Beugesynergien ► UE: ein- oder beidseitige Beugesynergien, Strecksynergien, gekreuzte Beuge- und Strecksynergien, Massenreflexe ► je höher die Läsion, desto eher treten spinale Automatismen auf Komplette Querschnitts-Syndrome (1) „Spinaler Schock“ ► Ursachen: meistens Traumen, seltener Entzündungen (Myelitis transversa) oder vaskuläre Prozesse (Myelomalazie) ► Pathophysiologie: akute Läsion eines oder mehrerer Rückenmarkssegmente über den gesamten Querschnitt ► in Höhe der Läsion: schlaffe Paresen ► kaudal der Läsion. komplette pseudoschlaffe Parese ► Sensibilität: kompletter Ausfall in Höhe der Läsion und kaudal der Läsion ► ausgeprägte Blasen- und Mastdarmfunktionsstörungen (bei Läsion oberhalb der spinalen Blasenzentren „Schockblase“: Blasenwand schlaff, große Restharnmengen, ev. Harnverhaltung) ► beträchtliche vegetative Funktionsstörungen kaudal der Läsion Komplette Querschnitts-Syndrome (2) Subakutes und chronisches Stadium ► in Höhe der Läsion: schlaffe Paresen ► kaudal der Läsion: meistens zunehmend spastische Paresen, ev. dauerhafte pseudoschlaffe Parese (Prognose ungünstig) ► Sensibilität: kompletter Ausfall in Höhe der Läsion und kaudal der Läsion; ev. hyperpathische bzw. hyperalgische Zone in den 1-2 Segmenten kranial der Läsion ► Blasen- und Mastdarmfunktionsstörungen (s.o.) ► beträchtliche vegetative Funktionsstörungen kaudal der Läsion ► zunehmende Manifestation spinaler Automatismen Komplette Querschnitts-Syndrome (3) Querschnitts-Läsionen des Halsmarks (spezifische Aspekte) ► Läsionen in Höhe des Segmentes C3 oder kranial davon: bds. Ausfall des N. phrenicus, Atemlähmung; i.a. nicht mit dem Leben vereinbar ► Läsionen in Höhe der Segmente C4 oder C5: Tetraplegie ► Läsionen zwischen den Segmenten C6 und D1: Paraplegie der UE, motorische Ausfälle an den OE in Abhängigkeit von der Höhe der Läsion ► bilaterales zentrales Horner-Syndrom ► Atmung und Abhusten von Schleim erschwert (Interkostalmuskulatur und Hilfsmuskulatur der Atmung beeinträchtigt) ► Komplikationen: rezidivierende Pneumonien, Harnwegsinfekte, Dekubitalulzera, Sepsis Komplette Querschnitts-Syndrome (4) Querschnitts-Läsionen des oberen Brustmarks (spezif. Aspekte) ► Läsionen ab dem Segment D2: Paraplegie der UE, OE motorisch o.B. ► Atmung und Abhusten von Schleim erschwert (Interkostalmuskulatur und Muskulatur der Bauchwand beeinträchtigt) ► Phase des spinalen Schocks: passives Aufrichten des Oberkörpers kann zu einem erheblichen RR-Abfall führen ► spätere Stadien: häufig intermittierende Herzrhythmusstörungen und Kreislaufregulationsstörungen ► ev. paralytischer Ileus ► Läsionen in Höhe C8 bis D2: bilaterales präganglionäres HornerSyndrom Komplette Querschnitts-Syndrome (5) Querschnitts-Läsionen des unteren Brustmarks (spezif. Aspekte) ► Läsionen ab dem Segment D2: Paraplegie der UE ► Atmung und Abhusten von Schleim ev. gering erschwert (Interkostalmuskulatur und Muskulatur der Bauchwand nur partiell beeinträchtigt) ► Läsion kaudal des Segments D8: BHR der oberen Etage auslösbar ► Läsion kaudal des Segments D10: BHR der oberen und mittleren Etage auslösbar ► Läsion kaudal des Segments D10: die Paraplegie der UE bleibt meistens dauerhaft pseudoschlaff Komplette Querschnitts-Syndrome (6) Querschnitts-Läsionen des Lumbalmarks (spezifische Aspekte) ► Läsionen in Höhe der Segmente L1-L3: die Paraplegie der UE bleibt meistens dauerhaft pseudoschlaff ► Läsionen in Höhe der Segmente L4-L5 (Epiconus): die über den Plexus lumbalis versorgten Muskeln bleiben weitgehend frei, die Plegien betreffen lediglich die vom Plexus sacralis versorgten Muskeln ► Blasenfunktionsstörung: zunächst „Überlaufblase“, später dann „autonome Blase“ Komplette Querschnitts-Syndrome (6) Conus-Syndrom (spezifische Aspekte) ► keine motorischen Ausfälle an den UE, sofern die Schädigung das Segment S3 oder kaudal davon gelegene Anteile betrifft und keine Nervenwurzeln (Cauda-Wurzeln) mitbeteiligt sind ► Mastdarm-Inkontinenz (Parese des M. sphincter ani externus) ► Blasenfunktionsstörung (s.o.) ► Sexualfunktionsstörungen ► Analreflex nicht auslösbar ► Sensibilitätsstörung von der Region S3 kaudalwärts („Reithosenregion“), die dissoziierten Qualitäten oder alle Qualitäten betreffend Inkomplette Querschnitts-Syndrome (1) Progrediente Querschnitts-Läsionen (1) ► häufigste Ursache: intraspinale raumfordernde Prozesse ► allmählich progrediente Gangstörung als Ausdruck einer progredienten Paraspastik bzw. Tetraspastik (im Falle der Irritation der Pyramidenbahn) und/oder einer spinale Ataxie („Hinterstrangataxie“; im Falle einer Irritation der Hinterstränge) ► Sensibilitätsstörungen: betreffen nicht immer alle Qualitäten; ev. primäre Hinterstrangsymptomatik (im Falle einer Druckeinwirkung von dorsal her) ► Blasen- und Mastdarmfunktionsstörungen: bei intramedullären früher als bei extramedullären Prozessen ► ev. diffuses Gefühl einer tiefliegenden Einschnürung ► ev. Lhermitte´sches Zeichen auslösbar (Prozesse im Bereich der HWS) Inkomplette Querschnitts-Syndrome (2) Progrediente Querschnitts-Läsionen (2) ► ev. lokalisierte und/oder radikulär ausstrahlende Schmerzen (im Falle von extramedullären bzw. extraduralen Prozessen), den übrigen Symptomen ev. Wochen oder Monate vorausgehend ► ev. Zeichen einer radikulären Läsion mit motorischen Ausfällen (im Falle einer Druckeinwirkung auf eine Vorderwurzel) ► ev. segmentale Faszikulationen (im Falle von Prozessen, die die Vorderhorn-Ganglienzellen und/oder die Vorderwurzeln beeinträchtigen ► NB: es muß versucht werden, die kraniale Begrenzung einer allfälligen Sensibilitätsstörung („sensibles Niveau“) möglichst exakt zu erfassen ! Inkomplette Querschnitts-Syndrome (3) Brown-Séquard-Syndrom ► Pathophysiologie: halbseitige Läsion eines Rückenmarkssegmentes ► Ursachen: Traumen, Tumoren, lokalisierte Entzündungen (z.B. im Rahmen einer Multiplen Sklerose) ► in Höhe der Läsion: ipsilateral segmentale schlaffe Parese, Sensibilitätsstörungen und ev. radikuläre Schmerzen im betroffenen Dermatom ► kranial der Läsion: fakultativ Hyperpathie bzw. Hyperalgesie in den 1-2 Segmenten oberhalb der Läsion (ipsilateral oder bilateral) ► kaudal der Läsion: ipsilateral (meistens spastische) Parese ► kaudal der Läsion: ipsilateral Tiefensensibilitätsstörung ► kaudal der Läsion: kontralateral dissoziierte Sensibilitätsstörung ► kaudal der Läsion: ipsilateral ev. vegetative Funktionsstörungen ► keine Blasen- oder Mastdarmfunktionsstörungen ! Brown-Séquard-Syndrom 1 zentrales motor. Neuron 2 Hinterstränge 3 Tr. spinothalamicus 3 2 1 Inkomplette Querschnitts-Syndrome (4) Zentrale intramedulläre Läsionen ► Pathophysiologie: Läsionen in unmittelbarer Nähe des Zentralkanals ► Ursachen: intramedulläre Tumoren, Syringomyelie, entzündliche und vaskuläre Affektionen ► in Höhe der Läsion: ein- oder beidseitige segmentale schlaffe Paresen, ev. mit Faszikulationen (falls die Vorderhörner betroffen sind) ► in Höhe der Läsion: beidseitige dissoziierte Sensibilitätsstörung ► kaudal der Läsion: ipsilaterale Parese, Para- oder Tetraparese (falls der Tr. corticospinalis betroffen ist); kontralaterale oder bilaterale dissoziierte Sensibilitätsstörung (falls der Tr. spinothalamicus betroffen ist) ► oft: vegetative Funktionsstörungen (falls Seitenhörner betroffen sind) ► häufig: Blasenfunktionsstörungen ► charakteristisch: weitgehende oder völlige Aussparung der Hinterstränge (i.a. keine Tiefensensibilitätsstörungen !) Läsionen des Rückenmarks Diagnostik Akute, traumatisch bedingte Läsionen ► Nativ-Röntgen ► spinale MRT-Untersuchung ► spinale CT-Untersuchung (bei Nichtverfügbarkeit der MRT) Akute, nicht traumatisch bedingte Läsionen ► spinale MRT-Untersuchung ► spinale CT-Untersuchung (bei Nichtverfügbarkeit der MRT) ► ev. Myelographie (im Ausnahmefall) ► ev. Lumbalpunktion, Liquordiagnostik ► ev. Nativ-Röntgen ► ev. Knochen-Szintigraphie ► ev. Ableitung der SSEP und der MEP (Quantifizierung des Ausßes der Läsion, kaum Hinweise auf die Ätiologie)