George Herbert Mead Soziale Handlungen: das Verhalten eines Individuums stellt einen Reiz für ein anderes dar, um in einer bestimmten Weise wiederum auf das erste Individuum zu reagieren. Der Sinn bzw. die Bedeutung solchen Verhaltens leitet sich aus der Reaktion ab und ist den beteiligten Individuen nicht notwendigerweise bewusst. Auch tierisches Verhalten hat in diesem Sinne eine Bedeutung, der sich das Tier, im Gegensatz zum Menschen, aber nicht reflexiv zuwenden kann. Zur Beschreibung sozialen Verhaltens bedient sich Mead des Wundtschen Begriffs der Geste. Gesten Geste: Der Anfang oder Teil einer sozialen Handlung, der als Reiz für die Reaktion seitens eines weitern an der sozialen Handlung beteiligten Organismus fungiert. Gesten vermittelte Kommunikation läuft unbewusst ab und findet sowohl bei Menschen als auch bei Tieren statt. Eine besondere Art der Geste ist die durch Laute hervorgerufene, die den entscheidenden Vorteil hat, dass sie von allen beteiligten Individuen, d. h. sowohl vom sie verwendenden Individuum, als auch von demjenigen, an den sie gerichtet ist, in der gleichen Weise wahrgenommen werden kann. Dies gilt für Menschen und Tiere gleichermaßen. signifikante Symbole I der Mensch unterscheidet sich wesentlich vom Tier, durch seine Fähigkeit, mittels signifikanter Symbole, d.h. mittels Gesten, die im Individuum selbst die gleiche Reaktion auslösen wie im Gegenüber, zu kommunizieren. Signifikante Symbole sind stets gesellschaftlich vermittelte, d.h. in und durch Interaktion entstandene Allgemeinbegriffe. sie sind Gesten, die im sie verwendenden Individuum dieselbe Reaktion auslösen wie in dem Individuum, an das sie gerichtet sind. Sie ermöglichen dahingehend bewusste Kommunikation, indem das Individuum welches sie verwendet sich der Bedeutung seiner signifikanten Geste bewusst ist und seine Handlungen im Hinblick auf die antizipierte Reaktion seitens seines Gegenübers planen und kontrollieren kann. signifikante Symbole II Durch signifikante Symbole in Form von Sprache ist der Mensch sowohl in der Lage, das instinkthafte Reiz-Reaktions-Schema zu verlassen und seine Handlungen vor dem Hintergrund vergangener Erfahrungen denkend zu planen und zu kontrollieren (Sprache als Voraussetzung des Denkens), als auch mit anderen Menschen bewusst zu kommunizieren. Interaktionsprozesse sind also die Voraussetzung für Sprache, Denken und auch für die Entwicklung der Identität und des Selbst (self). das Selbst Das entscheidende Merkmal des Selbst ist, dass es sich selbst als ein Objekt betrachten kann. Ein Individuum kann seine Aufmerksamkeit auf Objekte oder Mitmenschen in seiner Außenwelt, auf seine eigenen Handlungen oder auf sich selbst als handelnde Person lenken. Es kann über sich selbst reflektieren und selbst diese Reflexionen wieder zum Objekt des Bewusstseins machen. Sprachlich lässt sich diese Objektivierung etwa mit dem Satz "Ich denke über mich nach" verdeutlichen. Hier wird eindeutig zwischen dem Subjekt ("Ich") und dem Objekt ("mich") unterschieden; die beiden sind nicht identisch, auch wenn es sich um ein und dieselbe Person handelt. „I“ and „me“ Die Wahrnehmung des eigenen Selbst geschieht immer in der Form des "me" als "die organisierte Gruppe von Haltungen anderer, die man selbst einnimmt“ Das Selbst besteht aber nicht nur aus diesem "me", ansonsten wären weder individuelle Unterschiede zwischen den Menschen, noch spontanes Handeln oder gesellschaftliche Neuerungen möglich. Daneben gibt es einen unberechenbaren Faktor des Selbst: das "I", d. i. die jeweils aktuelle Reaktion auf diese Haltungen. „I“ and „me“ In der Erfahrung des Selbst sind "me" und "I" zwei unterschiedliche Instanzen das me (bzw. die verschiedenen me‘s) steht dabei für die Haltungen anderer, die man selbst einnimmt, und ermöglicht so eine Bestimmung der Situation und ein Abwägen, welche Art des Handelns in dieser Situation angemessen ist. Demgegenüber steht das "I" für die tatsächliche Reaktion des Einzelnen, die niemals vollständig vom me determiniert werden kann. Aus der Erfahrung dieser "Dialektik von 'I' und 'me'" resultiert das Gefühl von Spontaneität, Handlungsfreiheit und Individualität des eigenen Selbst. Geist und Denken Mead fasst Denken begrifflich als die typisch menschliche Fähigkeit, Handeln im voraus zu planen. Menschen sind vermittels signifikanter Symbole in der Lage, verschiedene Handlungsalternativen denkend abzuwägen, indem ihre Folgen im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel antizipiert werden. Denken bezeichnet Mead als nichts anderes, als sich selbst die zukünftigen Folgen seines Tuns aufzuzeigen, indem man vermittels signifikanter Symbole verschiedene mögliche Handlungen bewusst in Form eines "nach innen verlagerte[n] Gespräch[s]" durchspielt. Geist bezeichnet für ihn die allgemeine menschliche Fähigkeit, bewusst sein Verhalten und Handeln planend und kontrollierend an die jeweilige soziale und physische Umwelt anzupassen. Es wird somit funktional bestimmt. Handlungstheoretische Konzeption Ausgangsmodell: kreativ, produktiv die Umwelt verarbeitender und gestaltender Mensch dialektisches Verhältnis zwischen Mensch und Gesellschaft Gesellschaftliche Bedingungen beeinflussen ohne zu determinieren die menschlichen Handlungsund Bewusstseinsstrukturen Menschliches Bewusstsein und Handeln ist kein mechanischer Ausdruck sozialer Strukturen Gesellschaft Ist eine kollektives Handeln, welches aus der Verbindung der Handlungen aller am gesellschaftlichen Leben beteiligten Menschen besteht. Die Verbindung einzelner Handlungen erfolgt durch wechselseitige Rollenübernahme Gesellschaft ist zugleich Voraussetzung und Bedingung von Handeln Ist eine Verkettung stabiler Handlungsmuster Kritik Sozialstrukturtheoretische Aussagen bleiben vage Die funktionale Differenzierung komplexer Gesellschaften bleibt unbeachtet. Kein analytisches Instrumentarium für festgeschrieben Macht- Einfluß- und Konfliktlinien industrieller Gesellschaften berücksichtigt keine gesellschaftlich-strukturellen Segmentierungen und Abgrenzungen von Handlungszusammenhängen in institutionellen oder organisatorischen Formen