Sei nicht zu raffiniert!

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Präskriptive
Entscheidungstheorie
7 Spieltheorie und
Entscheidungen in Gremien
Gliederung
7 Spieltheorie und Entscheidungen in Gremien
7.1 Wiederholtes Gefangenendilemma
7.2 Beispiel für eine betriebswirtschaftliche Anwendung
7.3 Gefangenendilemma und Unternehmensethik
7.4 Kooperative Spiele
7.5 Kennzeichnung von Gruppenentscheidungen
7.6 Zwei Vorgehensweisen für Entscheidungen von
Gremien:
- gemeinsames Entscheiden
- Aggregation individueller Entscheidungen
Auszahlungsmatrix für das
Gefangenendilemma
Spieler 2
nicht gestehen
gestehen
Spieler 1
nicht gestehen
2,2
10,0
gestehen
0,10
6,6
Wiederholtes Gefangenendilemma


Bei einem Turnier mit einer zufällig oft
wiederholten Anzahl (ca. 150) von Spielen in der
Form des Gefangendilemmas traten
verschiedene Strategien gegeneinander an.
Im Durchschnitt war die Strategie „tit-for-tat“ am
erfolgreichsten, bei der der Spieler in der ersten
Runde kooperiert und dann immer so spielt, wie
der Gegenspieler in der Vorrunde gespielt hat.
Weitere Strategien






Immer defektieren (extrem ausbeuterisch)
Immer kooperieren (extrem gutmütig)
Zufällig defektieren oder kooperieren
Mit einer Kooperation beginnen, aber nach einer
Defektion des anderen nie mehr kooperieren. (extrem
rachsüchtig)
Tit-for-tat, aber in 10% der Fälle defektieren nach einer
Kooperation des anderen. (begrenzt ausbeuterisch)
Tit-for-n-tat, erst wenn der andere n-mal defektiert,
reagiert man auch mit Defektion. (begrenzt gutmütig)
Beste Strategie?



Es gibt keine beste Strategie, da es immer auf die
Strategie des Gegners ankommt. Das Zusammenspiel
ist entscheidend!
Insgesamt schneiden die „freundlichen“ Strategien
besser ab, die zunächst einmal mit Kooperation
beginnen und die auf Defektion begrenzt nachsichtig
reagieren.
Die Strategie, immer zu kooperieren, ist dann besonders
erfolgreich, wenn der andere auch diese Strategie hat.
Gegen ausbeuterische Strategien verliert sie.
Beste Strategie?
Paarvergleich
5 Spielrunden
Haftzeit
Spieler 1
Haftzeit
Spieler 2
Summe
1: immer defektieren
2: immer defektieren
30
30
60
1: immer kooperieren
2: immer kooperieren
10
10
20
1: immer defektieren
2: immer kooperieren
0
50
50
1: manchmal defektieren (2. Runde)
2: tit-for-tat
20
30
50
1: manchmal defektieren (2. Runde)
2: tit-for-2-tat
8
18
26
Empfehlungen für das
Spielverhalten




Sei nicht neidisch! Beachte, dass es nicht um ein
Nullsummenspiel geht. Versuche, gemeinsam Erfolg zu
haben, weil das für dich auch vorteilhaft ist.
Defektiere nie als erster! Das erzeugt nur Vergeltung
und schadet beiden.
Erwidere sowohl Kooperation als auch Defektion! Sei
nicht zu rachsüchtig und kehre zur Kooperation zurück,
wenn der andere es auch tut. Lasse dich aber auch nicht
endlos ausnutzen.
Sei nicht zu raffiniert! Erlaube dem anderen, deine
Strategie zu durchschauen, damit er sich darauf
einstellen kann.
7.2 Beispiel für eine
betriebswirtschaftliche Anwendung



Bei der Weitergabe von Wissen an die Kollegen in einem
Betrieb kann ein Gefangenendilemma auftreten.
Für alle zusammen wäre es das beste, wenn jeder sein
Wissen weitergibt. Für den Einzelnen kann es attraktiver
sein, das eigene Wissen zu behalten, zugleich aber vom
Wissen der anderen zu profitieren.
Wenn jeder versucht, die Trittbrettfahrerposition
einzunehmen, landet man bei unkooperativen Lösung,
die für alle schlechter ist.
(Borchert/Röhling/Heine: Wissensweitergabe als spieltheoretisches Problem, in:
Zeitschrift für Personalforschung, 2003, Heft 1, S. 37-57)
Maßnahmen zur Förderung der
Wissensweitergabe





Defektieren bestrafen bzw. kooperieren belohnen; schon im
Arbeitsvertrag die Wissensweitergabe verpflichtend machen und
Strafen androhen. bzw. Belohnungen versprechen. Problem:
Wissensweitergabe beobachten und messen, insbesondere auch
Qualität des Wissens.
Längere Spiele in Aussicht stellen, bspw. durch langfristige
Beschäftigungsverhältnisse und interne Arbeitsmärkte.
Eher kleinere Gruppen bilden, damit die Mitarbeiter sich besser
kennen und wechselseitig kontrollieren und Vertrauen aufbauen.
Den Mitarbeitern viele Gelegenheiten zum Austausch geben, bspw.
in Qualitätszirkeln, damit man Erfahrungen miteinander macht.
Sorgfältige Mitarbeiterauswahl, Pflege einer offenen Unternehmenskultur, Schulung der Führungskräfte.
7.3 Gefangenendilemma und
Unternehmensethik


These (bspw. von Karl Homann): Die
Forderung nach mehr Unternehmensethik ist
sinnlos, weil ein Unternehmen, welches einseitig
höhere moralische Standards vertritt,
ausgebeutet werden kann von den
Konkurrenten. Es handelt sich um ein
Gefangenendilemma.
Die Unternehmen sind bei Strafe des Ruins
gezwungen, sich bei der Defektionsstrategie zu
treffen.
Gefangenendilemma und
Unternehmensethik
Fischer Müller
Weitmaschige Netze
engmaschige Netze
Fischer Meier
Weitmaschige Netze
Existenz langfristig sicher
Engmaschige Netze
kurzfristige Vorteile Meier


kurzfristige Vorteile Müller
Existenz beider bedroht
Diagnose: Die unsichtbare Hand des Marktes
führt oft zu kollektiv schädlichem Verhalten.
Was individuell (betriebswirtschaftlich) rational
ist, muss keineswegs vernünftig sein.
Lösungsvorschlag:
Rahmenordnung


Um zu kollektiv vernünftigen Lösungen zu kommen,
muss die Rahmenordnung verändert werden. Der Staat
muss durch Gesetze, Kontrollen und Sanktionen dafür
sorgen, dass sich das „Defektieren“ nicht mehr auszahlt.
(bspw. Geldstrafen für engmaschige Netze).
Innerhalb der Rahmenordnung können ja sollen die
Unternehmer Nutzenmaximierer bleiben.
These: Appelle an die individuelle Moral sind sinnlos.
Unbändiges Streben nach Eigennutz ist für alle am
besten! Die Rahmenordnung muss eben nur die
richtigen Anreize setzen.
Einwände gegen den
Lösungsvorschlag



Unbändige Eigennutzmaximierer nutzen Gesetzeslücken
aus.
Unbändige Eigennutzmaximierer legen schwammige
und interpretationsbedürftige Regeln (bspw.
„gewissenhafte Beratung von Anlegern“) zu ihren
Gunsten aus.
Unbändige Eigennutzmaximierer weichen in Länder mit
niedrigeren Standards aus und erzeugen ein
Gefangenendilemma für die Länder. Gefahr:
Abwärtsspirale bei den Standards.
Einwände gegen den
Lösungsvorschlag

Unbändige Eigennutzmaximierer kalkulieren den Erwartungswert
von Gesetzesverstößen und brechen Gesetze, wenn es sich
„rechnet“ (weil die Gefahr des Erwischtwerdens gering ist und/oder
weil die Strafen gering sind).

Individuelle Moral muss zumindest bei Politikern und Kontrolleuren
vorausgesetzt werden. Sind das prinzipiell bessere Menschen?
Wenn nicht, warum sollten sie dann uneigennützig eine gute
Rahmenordnung schaffen bzw. ehrlich kontrollieren?

Aufbau zusätzlicher Bürokratie durch exzessive Regeln und
Kontrollen, wenn man die unbändigen Eigennutzmaximierer
lückenlos zu kollektiv rationalem Verhalten anreizen muss.
Ist der Gute immer der Dumme?

Es wird unterstellt, dass ein besonders
verantwortungsbewusstes Handeln den
Entscheider grundsätzlich schlechter stellt.
Er kann „bei Strafe des Ruins“ nicht als
Einzelner moralischer handeln. Stimmt
das überhaupt? Ist kollektiv rationales
Verhalten immer mit individuellen
Nachteilen verbunden?
Individuelle und kollektive
Rationalität


Was kollektiv rationaler ist, bspw. Umweltschutz,
kann sich auch betriebswirtschaftlich rechnen,
bspw. energieeffizientere Produktion, weniger
Verpackung, kürzere Transportwege usw.
Selbst bei Zusatzkosten können andere
Marktteilnehmer das kollektiv rationale Handeln
belohnen, bspw. höhere Preise zahlen für
biologische Lebensmittel, mehr Goodwill der
Mitarbeiter bei fairer Behandlung usw.
Fazit

Ohne ein Mindestmaß an Individualmoral bei den
Wirtschaftsakteuren sowie den Gestaltern der Rahmenordnung ist
kollektive Rationalität schwer zu erreichen.

Durch klare Gesetze, schärfere Kontrollen und härtere Strafen sollte
ein Gefangenendilemma für verantwortungsbewusste Unternehmen
vermieden werden. Der Gute darf nicht immer der Dumme sein.

Unternehmen, die gewillt sind sich kollektiv rational zu verhalten,
können dies auch durch kollektive Selbstbindung
(Branchenstandards) unterstützen.

Letztlich können alle Wirtschaftsakteure dazu beitragen, dass
individuelle und kollektive Rationalität harmonieren.
7.4 Kooperative Spiele
Spieler 2
b1
b2
Spieler 1
a1
a,b
c,c
a2
c,c
b,a

a = bestes Ergebnis
b = zweitbestes Ergebnis
c = schlechtestes Ergebnis
Spieltyp: Kampf der Geschlechter
Kampf der Geschlechter
Spieler 2: Mann
Theater
Boxkampf
Spieler 1: Frau
Theater
2,1
-1,-1
Boxkampf
-1,-1
1,2



Eine Frau und ein Mann wollen abends gemeinsam ausgehen. Zwei
Veranstaltungen kommen in Frage: Theater und Boxkampf.
Die Frau präferiert das Theater, der Mann den Boxkampf.
Beide finden es am schlechtesten, getrennt voneinander
auszugehen. Soll die Frau/der Mann im Laufe des Tages eine
Theaterkarte oder eine Karte für den Boxkampf besorgen?
Kooperative Lösung
Tun beide ohne Absprache das, was für
sie selbst nützlicher ist, landen sie bei der
für beide schlechtesten Situation.
 Kooperation mit „Seitenzahlungen“, d.h.
derjenige, der die für ihn ungünstigere
Lösung akzeptiert, wird entschädigt.
 Absprachen ohne Seitenzahlungen.
Entscheidung bspw. durch Münzwurf.

Spiele mit mehr als zwei Personen
Bei Spielen mit mehr als zwei Personen
kommt als zusätzliche Komplikation hinzu,
dass sich verschiedene Koalitionen von
Spielern bilden können, die kooperieren
und gegen andere Koalitionen spielen.
 Der Spielverlauf wird unvorhersagbar.

Was bringt die Spieltheorie?




Betriebswirtschaftlich relevante Konfliktsituationen
können einfach und anschaulich dargestellt werden.
Eine Optimallösung existiert häufig nicht.
Persönlichkeitsbestimmte Größen wie Sympathie und
Antipathie, Verhandlungsgeschick, Versöhnlichkeit,
Vertrauenswürdigkeit usw. spielen eine große Rolle.
Auch Rahmenbedingungen wie Gruppengröße und –
zusammensetzung, Möglichkeiten zum sozialen Kontakt,
Anreiz- und Kontrollsysteme, Unternehmenskultur usw.
haben einen Einfluss auf das Spielverhalten.
Kooperation fördern
Längerfristige Interaktionen zwischen den
gleichen Partnern fördern Kooperation.
 Kleinere Gruppen mit persönlichem
Kontakt sind weniger anfällig gegen
Trittbrettfahrerverhalten.
 Langfristigere Erfolgsperspektiven lassen
die kollektive Rationalität eher erkennen.

Buchtipp

Unterhaltsam und
verständlich ist das
Buch von Avinash K.
Dixit, Barry J.
Nalebuff: Spieltheorie
für Einsteiger,
Stuttgart 1997.
7.5 Entscheidungen in Gruppen




Verschiedene Experten
können ihr Wissen
einbringen.
Betroffene können zu
Beteiligten gemacht
werden. Das erleichtert
die Durchsetzung.
Kreativer bei der Suche
nach Alternativen.
Gegenseitige Korrektur
und geteilte
Verantwortung.
Abgrenzung zur Spieltheorie


Es gibt auch mehrere Aktoren, aber es handelt
sich nicht um eine Konflikttheorie. Die
Gruppenmitglieder sollen/wollen sich auf eine
Entscheidung einigen. Beispiel: Vorstand einer
AG entscheidet über einen Unternehmenskauf.
Abgrenzung ist aber nicht ganz eindeutig, denn
auch innerhalb von Entscheidungsgremien
können sich Einzelne „strategisch“ verhalten und
versuchen, die „Gegenspieler“ zu besiegen.
Typen von
Gruppenentscheidungen

Problemlösung: Die Gruppe teilt gemeinsame Ziele und sucht
einvernehmlich nach der besten Lösung.

Überzeugung: Es gibt gemeinsame Fundamentalziele aber
unterschiedliche Vorstellungen über den Weg der Zielerreichung.
Differenzen können argumentativ überwunden werden.

Verhandlung: Es gibt Interessenkonflikte zwischen den Beteiligten.
Drohungen, falsche Behauptungen, Kuhhandel usw. treten auf. Allenfalls
kann ein (fairer) Kompromiss erreicht werden. (geht Richtung Spieltheorie)

Politik: Es bestehen offene Zielkonflikte und das Entscheidungsproblem ist
unklar. Man sucht sich auch externe Verbündete. (geht Richtung
Spieltheorie)
Probleme auch beim Typ
„Problemlösung“


Bei allen Schritten der Abbildung des
Entscheidungsproblems in einem Entscheidungsmodell
können Divergenzen zwischen den Aktoren auftreten:
Ziele, Zielgewichtung, Alternativen, Ergebnisfunktionen,
Wertfunktionen, Umfeldfaktoren, Risikoschätzung,
Risikobewertung.
Starke Divergenzen sind problematisch, aber auch zuviel
Harmonie führt evtl. zu falschen Entscheidungen, weil
man sich zu schnell und unkritisch auf eine Alternative
einigt und alle Kritik vermeidet (groupthink).
7.6 Zwei Vorgehensweisen


Eine Möglichkeit ist die gemeinsame
Strukturierung des Entscheidungsproblems
durch die Mitglieder Gruppe. Am Ende gibt es
ein gemeinsames Entscheidungsmodell und
eine gemeinsame Entscheidung.
Zweite Möglichkeit: Jeder entscheidet für sich
und man aggregiert die Einzelentscheidungen
zu einer Gruppenentscheidung. Das geschieht
über diverse Abstimmungsregeln.
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