Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Soziale Entwicklung • • • • Es wird immer mehr Zeit mit Peers verbracht. Peers teilen gemeinsame Interessen, hohe Ähnlichkeit. Jugendliche fühlen sich von Peers verstanden. Es bilden sich intensive Freundschaften, deren wichtigste Merkmale Intimität und Loyalität sind. • Verschiedene Gruppierungen entstehen (Cliquen). Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Funktionen von Peer-Beziehungen 1. Spaß haben, wichtig für emotionales Wohlbefinden 2. Übungsfeld zum Lernen sozial-kognitiver Fähigkeiten 3. Steigbügelhalter-Funktion für neue Intimitätsbeziehungen 4. Raum zum Ausprobieren von Identitäten, Erwerb einer provisorischen Identität 5. Lernen von „Beziehungsfähigkeit“ (Bindung, Fairness, Verantwortlichkeit, Intimität) 6. Einüben prosozialer Motivation Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Cliquenbildung Clique – besteht aus 5-6 Mitgliedern, meist gleichen Geschlechts, die gemeinsam etwas unternehmen, enge Kontakte Cliquen basieren auf Ähnlichkeit • altershomogen, bedingt durch altersgetrennten Schulunterricht • geschlechtshomogen („sex cleavage“) in früher und mittlerer Adoleszenz, bedingt durch unterschiedliche Interessen, geschlechtsspezifische Sozialisation • homogen in Bezug auf soziale Schichtzugehörigkeit • homogen in Bezug auf kulturelle Zugehörigkeit • ähnliche Einstellung gegenüber Schule, Leistung und Bildungszielen • ähnliche Orientierung gegenüber der Jugendkultur Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Wahl von Bezugspersonen (12. - 16. LJ) Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Eltern und Peers im Vergleich • • • • • Eltern bleiben Ansprechpersonen bei wichtigen Lebensfragen Eltern bleiben wichtiger emotionaler Rückhalt. Es wird zunehmend mehr Zeit mit Peers verbracht. Peers sind Ansprechpersonen für jugendtypische Themen Jugendliche wählen überwiegend Freunde, die von ihren Eltern akzeptiert werden. • Gegen Ende der Jugend werden gegengeschlechtliche Partner/ Partnerinnen zu „Enthüllungspartnern“ Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Generationen-Konflikt? • Eltern und Jugendliche haben heute ein positives, eher kameradschaftliches Verhältnis • Aber Jugendliche sehen in ihre Eltern keine Personen mehr, an denen sie sich reiben können • Konflikte kreise um alltägliche Reibereien, während die grundlegenden Werte relativ hoch übereinstimmen. • Hauptstreitpunkt sind die Zuständigkeiten Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Eltern-Kind-Konflikte im historischen Vergleich (Shell-Studie) • 50er Jahre: Unpünktlichkeit, sich richtig waschen, naschen, Taschengeld, Jungenbekanntschaften • 80erJahre: Unordentlichkeit, viele Dinge kaufen wollen, Schminken, Frisur, schlechter Umgang, Fernsehen Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Entwicklungsaufgaben von Familien mit Jugendlichen • Bewahrung der familialen Verbundenheit • Umgestaltung der Eltern-Kind-Beziehung in eine symmetrische Beziehung • Zugestehen höherer Autonomie gegenüber den Jugendlichen, Zurücknahme elterlicher Kontrolle Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Stadium der formalen Operationen Jugendliche können über Möglichkeiten nachdenken. Jugendliche können über die Zukunft nachdenken. Jugendliche können über Tatbestände nachdenken, die möglich oder wahrscheinlich sind (Hypothesen) und daraus vernünftige Folgerungen ziehen. Jugendliche können über Konventionen hinaus denken. Jugendliche können ihr eigenes Denken analysieren. Jugendliche können sich eigene Realitäten konstruieren, die über ihre momentane Existenz hinausgehen. Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Identität - Definition Identität bezieht sich allgemein auf die einzigartige Kombination von persönlichen unverwechselbaren Daten des Individuums; im engeren psychologischen Sinn ist Identität die einzigartige Persönlichkeitsstruktur, verbunden mit dem Bild, das andere von dieser Persönlichkeitsstruktur haben. Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Identitätsfindung (Erikson, 1973) Identität: Wahrnehmung der Selbstgleichheit und Kontinuität der eigenen Existenz in Raum und Zeit; begründet die Einheitlichkeit und Unverwechselbarkeit der eigenen Person Rollendiffusion: unzusammenhängendes, unverbundenes unvollständiges Selbstgefühl Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Identitätszustände (Marcia, 1980) Keine Krise Krise Keine persönliche Entscheidung Diffuse Identität Aufgeschobene Identität Persönliche Entscheidung Übernommene Identität Geleistete Identität Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Untersuchtes Merkmal Diffuse Identität Moratorium Übernommene Identität Erarbeitete Identität (keine Festlegung für Beruf oder Werte) (gegenwärtige Auseinandersetzungen mit beruflichen oder sonstigen Wertfragen) (Festlegung auf Beruf oder Werte, die von den Eltern ausgewählt wurden) (Festlegung auf Beruf und Wertpositionen, die selbst ausgewählt wurden) Selbstwertgefühl niedrig hoch niedrig (männl.) hoch (weibl.) hoch Autonomie extern kontrolliert internale Kontrolle autoritär intern. Kontrolle Kognitiver Stil impulsiv, extreme kogn. Komplexität reflexiv, kognitiv komplex impulsiv, kognitiv simpel reflexiv, kognitiv komplex Intimität stereotype Beziehungen fähig zu tiefen Beziehungen stereotype Beziehungen fähig zu tiefen Beziehungen Soziale Interaktion zurückgezogen, fühlen sich von den Eltern nicht verstanden, hören auf Peers und Autoritäten frei, streben intensive Beziehungen an, wetteifern ruhig, wohlerzogen, glücklich zeigen nichtdefensive Stärke, können sich für andere ohne Eigennutz einsetzen Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Selbst bzw. Selbstkonzept • zwei Hauptkomponenten: 1. affektive Komponente: Selbstwertgefühl (self-esteem) und Selbstvertrauen (self-assurance) 2. kognitive Komponente: Wissen, das eine Person von sich hat und die Selbstwahrnehmung Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Selbstwert und Selbstkonzept • Allgemeines Selbstwertgefühl: Bewertung der eigenen Person • Selbstkonzept: beschreibende Dimension Vier Bereiche: Schulische Leistungen Soziale Akzeptanz Aussehen Physische Fähigkeiten Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Differenzierung der Selbstbeschreibung (Pinquardt & Silbereisen, 2000) • Konstruktion kontextspezifischer Selbsts • Stärkere Trennung vom Realbild und Idealbild • Trennung von authentischem und unauthentischem Selbst • Lernen, sich aus der Sicht anderer zu sehen • Einbeziehung der Zeitdimension Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Veränderungen des Selbst im Jugendalter (nach Pinquardt & Silbereisen, 2000) • Zunahme der Selbstbeschreibungen mit psychischen Begriffen • Zunahme der Begründetheit der Selbstbeschreibung • Zunahme der Differenziertheit der Selbstbeschreibung • Zunahme der Organisiertheit der Selbstbeschreibung • Zunahme der Abstraktheit der Selbstbeschreibung Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Einflussfaktoren auf die Selbstachtung (nach Pinquardt & Silbereisen, 2000) • Hormonelle Schwankungen • Zunehmende Bedeutung von Gleichaltrigen • Freiräume für die Lebensgestaltung • Mangelnde Integration widersprüchlicher Informationen Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Definition von „patchwork- Identität“ ...“ durch geschickte Informationsaufnahme und -verarbeitung an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten jeweils ein( e) andere( r) zu sein, d. h. sich flexibel an die einmaligen Erfordernisse von Situationen und Beziehungen anpassen können“ (Stork, 1995, S. 47) Einführung in die Entwicklungspsychologie – PD Dr. Christiane Papastefanou – WS 2002/2003 Formen von Diffusion (Marcia, 1989) • Entwicklungsdiffusion • sorgenfreie Diffusion • Störungsdiffusion • kulturell adaptive Diffusion