Einführung in die Literaturwissenschaft

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Einführung in die
Literaturwissenschaft
Wolfram Seidler
Sommersemester 2011
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Organisatorisches
 Folgende Termine fallen aus:






14. März 2011 (Rektorstag)
18.April 2011 (Ostern)
25.April 2011 (Ostern)
23.Mai 2011 (Entfall)
6.Juni 2011 (Entfall)
13.Juni 2011 (Pfingsten)
 1. Prüfungstermin: 20. Juni 2011
 2. Prüfungstermin. 4.Juli 2011
 3. Prüfungstermin im September
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Inhalt
 Was ist Literatur?
 Was ist ein Text?
 Grundbegriffe der Literaturwissenschaft




Gattungen (Lyrik, Epik, Dramatik)
Stil und Rhetorik
Epoche
Autor
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Inhalt
 Theoretische Ansätze, z.B.




Hermeneutik
Strukturalismus
Rezeptionstheorie
…
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Lektüre




Terry Eagleton: Einleitung: Was ist Literatur, aus: ders.: Einführung
in die Literaturtheorie. 4., erw. u. akt. Aufl. Stuttgart: Metzler 1997
Rainer Baasner u.a.: Allgemeine Einführung: Grundbegriffe, aus:
dies.: Methoden und Modelle der Literaturwissenschaft. Eine
Einführung. 3. überarb. u. erw. Aufl. Berlin: Schmidt 2005
Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen –
Grundbegriffe. Hg. V. Ansgar Nünning. 2. überarb. u. erw. Auflage,
Stuttgart, Metzler 2001
Heike Gfereis (Hg.): Grundbegriffe der Literaturwissenschaft.
Stuttgart, Metzler 1999 (Sammlung Metzler 320)
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Hegel
 Auf die Frage: Was ist das Itzt? Antworten
wir zum Beispiel: Das Itzt ist die Nacht. Um
die Wahrheit dieser sinnlichen Gewissheit zu
prüfen, ist ein einfacher Versuch hinreichend.
Wir schreiben die Wahrheit auf; eine
Wahrheit kann durch Aufschreiben nicht
verlieren; ebensowenig dadurch, dass wir sie
aufbewahren. Sehen wir itzt, diesen Mittag,
die aufgeschriebene Wahrheit wieder an, so
werden wir sagen müssen, dass sie schal
geworden ist.
Mündlichkeit - Schriftlichkeit
 Schrift als Gedächtnisspeicher
 Abstraktion von der jeweiligen
Gesprächssituation
 Kommunikation auf Distanz
 Wissen ist jederzeit abrufbar
 Urheber immer abwesend – nicht
nachfragbar
 Interpretationsvielfalt
 Trennung von Sprechenden von ihrer Rede
Buchdruck und seine Folgen
 Beeinflussung von Denkstil, Wissensstand
etc.
 Standardisierung (Identität, Wiederholbarkeit)
 Individualisierung – Kombinierbarkeit von
Texten, Tabubruch
 Standardisierung ermöglicht erst Gefühl für
Individualität
 Massenhaftigkeit der Herstellung
 Schaffung von Öffentlichkeit
Was ist ein Text?
 Lat. „Gewebe“
 Schriftlich fixierte Sprache? (Literaturwissenschaft)
 Alle Äußerungen überhaupt, die einer
Mitteilungsabsicht dienen? (Kulturwissenschaft)
 Text als kommunikative Einheit?
 Definitionsversuch:
Ein Text ist eine in gewisser Weise abgegrenzte und in
gewissem Maße geschlossen rezipierbare, in einer
natürlichen oder künstlichen Sprache gefasste
mündliche, schriftliche oder in einem elektronischen
Medium gespeicherte Äußerung, die gegebene
Bedeutung mitteilt und/oder neue Bedeutung erzeugt.
Textedition
Sicherung der Textgrundlage
Entstehungsgeschichte des Textes,
Varianten der Überlieferung
Oder: autorisierte Fassung
3 Typen:
Historisch-kritische Ausgabe
Studienausgabe
Leseausgabe
Was ist ein Text? – Ein zweiter
Versuch?
„Text heißt Gewebe; aber während man
dieses Gewebe bisher immer als Produkt,
einen fertigen Schleier aufgefaßt hat,
hinter dem sich, mehr oder weniger
geborgen, der Sinn (die Wahrheit) aufhält,
betonen wir jetzt bei dem Gewebe die
generative Vorstellung, daß der Text durch
ein ständiges Flechten entsteht und sich
selbst bearbeitet.“ (Roland Barthes, Die
Lust am Text)
Textverständnis - Hermeneutik
Möglichkeit der Interpretation
Verstehen
Nichtverstehen
Missverstehen
Gegenargumente
Beispiel: Enzensberger
Worum geht es? In der Schule  Maßstab die einzig
richtige Interpretation?
Textverständnis - Hermeneutik
Aber:
Lektüre nicht durch den Text determiniert?
Faktoren unkontrollierbar?
Was geschieht beim Lesen,
Interpretieren?
Gemeinsames Verständnis, individuelle
Unterschiede
Unterschiedliche Lektüren – Spielräume
Damit beschäftigt sich die Hermeneutik
Textverständnis - Hermeneutik
Hermeneutik: Lehre vom Verstehen
Weitgehend automatisierter Vollzug des
Verstehens (von sprachlichen Zeichen – aber
auch anderem)
Interpretation
Regelwerke und Anleitungen
Theologische (Bibelauslegung), juristische
Hermeneutik (Gesetzeskommentare)
Theorie des Textverstehens (ab etwa 1800) 
philosophische Hermeneutik
Textverständnis - Hermeneutik
 F. Schleiermacher: „Kunst, die Rede eines
anderen (...) richtig zu verstehen“
 W. Dilthey: Hermeneutik als
Wissenschaftstheorie der
Geisteswissenschaften (Verstehen vs.
Erklären)
 S. Freud: Tiefenhermeneutik (Traumdeutung
...)
 M. Heidegger und H.G. Gadamer: Begriff des
Verstehens als universale Bestimmtheit des
Daseins
Hermeutik Begriffe
Hermeneutische Differenz
Hermeneutischer Zirkel /
hermeneutische Spirale
Hermeneutik literarisch
„weniger Wörter als Sachen“
Mehrdeutigkeiten, Unschärfen  poetische
Texte machen daraus eine Tugend
Auslegungsspielraum
Abhängig von Wissensstand und
Problembewusstsein, eigene Erfahrung
Verstärkung der Vieldeutigkeit
Gattungswahl
Intertextualität
Gebundene Sprache?
Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht
dadurch voneinander, daß sich der eine in Versen und der andere in Prosa
mitteilt – man könnte ja auch das Werk Herodots in Verse kleiden, und es
wäre in Versen um nichts weniger ein Geschichtswerk als ohne Verse –; sie
unterscheiden sich vielmehr dadurch, daß der eine das wirklich
Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte.
(Aristoteles: Poetik. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von
Manfred Fuhrmann. Stuttgart 1991, S. 29) – Hervorhebung w.s.
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Fiktion
 Sachverhalt od. Geschehen ohne überprüfbare
Referenz (Wirklichkeitsbezug) – nicht wahr, nicht falsch
 „Der Mensch kann sich Dinge. Welche nicht wirklich
sind, vorstellen, als wenn sie wirklich wären“ (Hegel)
 Sprachphilosophisch: Rede, die „keinen Anspruch auf
Referenzialisierbarkeit oder auf Erfüllung erhebt“
(Gottfried Gabriel)
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Fiktionalität
Shakespeare, The Winter‘s Tale
(1611)
„suspension of disbelief“
Samuel Taylor Coleridge (1772-1834)
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Literatur?
Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom
27.1.1968
aus: Peter Handke. Die Innenwelt der
Außenwelt der Innenwelt (1968)
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Rolf Brinkmann
Einen jener klassischen
schwarzen Tangos in Köln, Ende des
Monats August, da der Sommer schon
Einen jener klassischen schwarzen
ganz verstaubt ist, kurz nach Laden
Tangos in Köln, Ende des Monats
Schluß aus der offenen Tür einer
August, da der Sommer schon ganz
dunklen Wirtschaft, die einem
verstaubt ist, kurz nach Laden Schluß
Griechen gehört, hören, ist beinahe
aus der offenen Tür einer dunklen
Wirtschaft, die einem Griechen gehört,
ein Wunder: für einen Moment eine
Überraschung, für einen Moment
hören, ist beinahe ein Wunder: für einen
Moment eine Überraschung, für einen
Aufatmen, für einen Moment
Moment Aufatmen, für einen Moment
eine Pause in dieser Straße,
eine Pause in dieser Straße, die niemand
die niemand liebt und atemlos
liebt und atemlos macht, beim
macht, beim Hindurchgehen. Ich
Hindurchgehen. Ich schrieb das schnell
auf, bevor der Moment in der verfluchten
schrieb das schnell auf, bevor
der Moment in der verfluchten
dunstigen Abgestorbenheit Kölns wieder
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
erlosch.
dunstigen Abgestorbenheit Kölns
wieder erlosch.
Abweichung
Einsambkeit
In dieser Einsambkeit / der mehr denn öden wüsten /
Gestreckt auff wildes Kraut / an die bemößte See :
Beschaw’ ich jenes Thal und dieser Felsen höh’
Auff welchem Eulen nur vnd stille Vögel nisten.
Hier fern von dem Pallast; weit von deß Pöbels lüsten /
Betracht ich : wie der Mensch in Eitelkeit vergeh’
Wie auff nicht festem grund’ all vnser hoffen steh’
Wie die vor abend schmähn / die vor dem tag vnß
grüßten.
Die Höell / der rawe wald / der Todtenkopff / der Stein /
Den auch die zeit aufffrist / die abgezehrten bein.
Entwerffen in dem Mut vnzehliche gedancken.
Der Mauren alter grauß / diß vngebaw’te Land
Ist schön vnd fruchtbar mir / der eigentlich erkant /
Das alles / ohn ein Geist / den GOt selbst hält / muß
wancken.
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Andreas Gryphius: Einsambkeit (in:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe
der deutschsprachigen Werke.
Herausgegeben von Marian Szyrocki
und Hugh Powell. Bd. 1: Sonette.
Herausgegeben von Marian Szyrocki.
Tübingen 1963 (Neudrucke deutscher
Literaturwerke; N.F. 9), S. 68)
Terry Eagleton
Jeder Glaube, dass das Studium der Literatur das Studium einer stabilen,
wohldefinierten Entität sei, so wie die Entomologie das Studium der Insekten
ist, kann als Schimäre abgetan werden. Manche Fiktion ist Literatur, andere
nicht; teilweise ist die Literatur fiktional, teilweise nicht; manche Literatur
nimmt sprachlich auf sich selbst Bezug, während andererseits manch
höchstverschlungene Rhetorik keine Literatur ist. Literatur im Sinne einer
Liste von Werken mit gesichertem und unveränderlichem Wert, die sich durch
gemeinsame inhärente Merkmale auszeichnen, gibt es nicht. Wann immer ich
von jetzt an die Wörter 'literarisch' und 'Literatur' im vorliegenden Buch
verwenden werde, habe ich sie gleichzeitig stets mit unsichtbarer Tinte
durchgestrichen, um anzuzeigen, dass diese Termini nicht wirklich
ausreichen, wir im Augenblick aber keine besseren zur Verfügung haben.
(Terry Eagleton: Einführung in die Literaturtheorie)
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Was zählt zur literaturwissenschaftlichen Arbeit?
Literaturwissenschaft
Bibliographie
Arbeit am Text
Edition
Arbeit an den
Kontexten
Textkritik
Theoriebildung
Kommentar
Textanalyse
Wissenschaftsgeschichte
Interpretation
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Literaturtheoretische
Ansätze
textorientiert
Philologie
Formalismus,
Strukturalismus
autororientiert
Rhetorik
Biographische
Literaturwissenschaft
New Criticism
Phänomenologie
Psychoanalytische
Literaturwissenschaft
Semiotik,
Dekonstruktion
leserorientiert
Rezeptionsästhetik
Reader-Response-Criticism
kontextorientiert
Rezeptionsgeschichte
Literaturgeschichte
Marxistische
Literaturwissenschaft
Feministische
Literaturwissenschaft
New Historicism,
Kulturwissenschaft
Vergleichende
Literaturwissenschaft
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Methoden
 1972







 1996
Positivistische Methode
Geistesgeschichtliche M.
Phänomenologische M.
Existenzielle M.
Morphologische M.
Soziologische M.
Statistische M.









Formen ‚textimmannenter‘
Analyse
Formalismus u. Strukturalismus
Dekonstruktion
Dialogizität, Intertextualität,
Gedächtnis
Sozialgeschichtliche Zugänge
Diskursanalyse,
Diskursgeschichte
Psychologische Zugänge
Feministische Zugänge –
‚Gender Studies‘
Wirkungsästhetik
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Theorien des Textverständnisses
 Interpretation?
 Hermeneutik




Hermeneuein „aussagen, erklären, auslegen“
Lebenspraktischer Vollzug des Verstehens
Regelwerk(e) und anleitungen
Theorie des Textverstehens
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Namen
 Schleiermacher 1780-1834
 erweitert das Wirkungsfeld der Hermeneutik
auf alle Texte und Produkte des Geistes
 Dilthey 1833-1911
 : theoretische Fundierung der verstehenden in
Abgrenzung zu den rein erklärenden
Naturwissenschaften
 Heidegger 1889-1976
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Namen
 Gadamer 1900-2002
 hebt die Bedeutung hervor, die der historische
Ort des Verstehenden für dessen Verstehen
besitzt
 Habermas 1929
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Celan:
Hölderlintürme
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Rhetorik
Redesituation
Politisch
Gericht
Wirkungsweise
Festrede
informieren unterhalten
Stilebene
hohe
mittlere
niedrige
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
bewegen
Rhetorik
 Elemente der Rede





Themenfindung (inventio)
Gliederung (dispositio)
Ausarbeitung (elocutio)
Einprägung (memoria)
Vortrag (pronunciatio)
 Rhetorische Mittel
 Tropen  Metapher
 Figuren Wortkombinationen innerhalb eines Satzes
(z.B. „veni, vidi, vici“)
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Poetik
 Platon
 Politeia (Der Staat)
 Dichtung ist Lüge (keine Aussage über die Wriklichkeit)
 Aristoteles
 Peri poietikés (Über die Dichtkunst) – 335 v.Chr.
 Ziele, Verfahren und Wirkung der Kunst
 Definition verschiedener Künste (Gattungen - Gattungspoetik)
 Spezifische dichterische Techniken (z.B. Verwendung von
Versen etc.)
 Horaz
 Ars poetica (Über die Dichtkunst) – 20 v.Chr.
 Ästhetik
 prodesse et delectare
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Aristoteles
 Kunst als mimesis
 Nachahmung
 Sprachliche Nachahmung: mythos = Erzählung, Handlung ... Fiktion =
Unterscheidung von wirklich und möglich  erfundene Handlung
 „Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden
sich nicht dadurch voneinander, daß sich der eine in Versen
und der andere in Prosa mitteilt – man könnte ja auch das
Werk Herodots in Verse kleiden, und es wäre in Versen um
nichts weniger ein Geschichtswerk als ohne Verse –; sie
unterscheiden sich vielmehr dadurch, daß der eine das
wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen
könnte. „
(Aristoteles: Poetik. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Manfred Fuhrmann.
Stuttgart 1991, S. 29) – Hervorhebung w.s.
Poetik
 Aristoteles zu den dichterischen Formen:
 System von Gattungen  Gattungspoetik
 Epik, Lyrik, Dramatik  eigentlich erst GoetheZeit, die Aristoteles noch nicht kennt
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Poetik
 Renaissance




Rückgriff auf Antike
Volkssprache
Regelwerke
Kriterien für die Erfüllung der Regelwerke
(normative Poetik)
 Opitz
 Gottsched
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Gattungsdifferenz
 Inhaltliche Begründung aus der sozialen Hierarchie
 Tragödie: Hoher Stil
 Komödie: niederer Stil
 Ständeklausel:
 Die Ständeklausel ist ein dramenpoetisches Prinzip, das die dramatische
Produktion über mehr als zwei Jahrtausende beeinflusste. Sie geht auf
Aristoteles zurück, der in seiner Poetik die Tragödie für die Darstellung der
Konflikte und Probleme der "guten" Menschen reservierte, die "schlechteren
Menschen" jedoch auf die Komödie verwies, in der sie mit ihren
Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten dargestellt und verlacht werden
sollten. Opitz greift diese Scheidung dann 1624 in seinem Buch von der
Deutschen Poeterey auf und definiert den guten als den adeligen Menschen,
den schlechteren als den Bürger. Auch Gottsched hält mehr als hundert
Jahre später in seinem Versuch einer critischen Dichtkunst vor die
Deutschen an dieser Vorschrift fest. Erst mit Lessing findet ein Umdenken
statt. Er entwickelt das bürgerliche Trauerspiel, eine spezifisch
aufklärerische Form der Tragödie, in der die Bürger mit ihren Problemen
dramatisch präsentiert werden. Es ist kaum noch der Erwähnung wert, dass
die Ständeklausel im 20. Jahrhundert natürlich keine Rolle mehr spielt.
Poetik
 Naturformen der Dichtung (Goethe)
 „Es gibt nur drei echte Naturformen der Poesie: die klar
erzählende, die enthusiastisch aufgeregte und die persönlich
handelnde: Epos, Lyrik und Drama.“
 Romantik: Universalpoesie
 „Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie“
(F. Schlegel)
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Poetik
Aristoteles, Horaz …
Aufklärung
Renaissance, Barock
Martin Opitz
Gottsched
Normative Poetik
Genie-Ästhetik (Sturm und Drang
Hegel
Deskriptive Poetik
Immanente Poetik
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Poetik
 Neueste Entwicklungen
 Ästhetik und Kunstphilosophie (Hegel, Lukács)
 Literaturwissenschaft
 Deskriptive Poetik, d.h. Verzicht auf Normativität
 Autoren-Poetik (d.h. produktions-orientiert)
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Ernst Jandl
 was ein gedicht ist
ich sag das ist ein gedicht
und gefällt es dir auch nicht
ist gefallen ja nicht pflicht
auch mir selbst gefällt es nicht
aber schreiben ist mir pflicht
deshalb schrieb ich das gedicht
sagte gleich dass es eins ist
und wär jetzt wie du dismissed
ging mir nicht wie jedem christ
quäle nie ein tier zum scherz
denn es fühlt wie du den schmerz
außerordentlich zu herz
Literarische Gattungen: Epik
»Die Menge der Erzählungen ist unüberschaubar. Da ist zunächst eine erstaunliche
Vielfalt von Gattungen, die wieder auf verschiedene Substanzen verteilt ist, als ob dem
Menschen jedes Material geeignet erschiene, ihm seine Erzählungen anzuvertrauen:
Träger der Erzählung kann die gegliederte, mündliche oder geschriebene Sprache sein,
das stehende oder bewegte Bild, die Geste oder das geordnete Zusammenspiel all dieser
Substanzen; man findet sie im Mythos, in der Legende, der Fabel, dem Märchen, der
Novelle, dem Epos, der Geschichte, der Tragödie, dem Drama, der Komödie, der
Pantomime, dem gemalten Bild [...], der Glasmalerei, dem Film, den Comics, im Lokalteil
der Zeitungen und im Gespräch. Außerdem findet man die Erzählung in diesen nahezu
unendlichen Formen zu allen Zeiten, an allen Orten und in allen Gesellschaften; die
Erzählung beginnt mit der Geschichte der Menschheit; nirgends gibt und gab es jemals
ein Volk ohne Erzählung; alle Klassen, alle menschlichen Gruppen besitzen ihre
Erzählungen, und häufig werden diese Erzählungen von Menschen unterschiedlicher, ja
sogar entgegengesetzter Kultur gemeinsam geschätzt. Die Erzählung schert sich nicht um
gute oder schlechte Literatur: sie ist international, transhistorisch, transkulturell, und damit
einfach da, so wie das Leben.«
Roland Barthes, Einführung in die strukturale Erzählanalyse
Literarische Gattungen: Epik
Gemeinsamkeiten
Zeichenfolge (Text) – discours, discourse …
Ereignisfolge (Geschichte) – histoire, story …
Zeitdimension
Literarische Gattungen: Epik
Zur Stadt Paris
In Langnau im Emmental gab es ein Warenhaus. Das hieß Zur Stadt
Paris. Ob das eine Geschichte ist?
Sehnsucht
In Langnau im Emmental gab es ein Warenhaus. Das hieß Zur Stadt
Paris. Ob das eine Geschichte ist?
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Literarische Gattungen: Epik
 „… Marianne aber, so glücklich sie mit dem
Jakob, ihren sechs Buben und der kleinen Heidi
geworden ist, konnte die Lichter ihrer
Heimatstadt nie vergessen. Und als sie nach
zwölf Jahren in der Nachbarstadt Seldwyla ein
größeres Geschäft eröffneten, da bestellte sie
beim Malermeister Bichsel ein prächtiges
Ladenschild in Blau, Weiß und Rot, auf dem
stand geschrieben: Zur Stadt Paris. Was meinen
Sie: Ob das nun endlich eine Geschichte ist?“
Literarische Gattungen: Epik





Fiktional oder faktual?
Wer erzählt den Text?
Zeitgerüst
Wer spricht (außer dem Erzähler)?
Verhältnis zu anderen Texten
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Literarische Gattungen: Epik
 Erzähler: ist nicht der Autor!!
 Auktorial
 Personal
 Ich-Erzähler
 Zeit




Erzählzeit – erzählte Zeit
Erzähltempo
Zeitgerüst
Zeitordnung
Literarische Gattungen: Epik
Rede- oder Gedankenbericht
Erzähler
Personenbericht
Direkte / indirekte Rede
Erlebte Rede, innerer Monolog („stream-ofconsciousness“)
Literarische Gattungen: Epik





Erzählform

Er-Erzähler – Erzähler erzählt die Geschichte anderer Figuren

Ich-Erzähler – erzählendes Ich ist auch handelnde Figur
Erzählverhalten

Auktorialer Erzähler – kommentiert, reflektiert, urteilt

Personaler Erzähler – handelnde Figur, seine Weltsicht

Neutraler Erzähler – außenstehender Beobachter
Erzählhaltung

Z.B. Ironie
Erzählperspektive

Innen- und Außensicht
Erzählzeit – erzählte Zeit
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Er-Ezähler
Ich-Erzähler
Auktorialer Erzähler
Allwissender
Erzählendes Ich
Erzähler erzählt
organisiert bzw.
Raum, Zeit Handlung beurteilt die
Elemente einer
 Klassischer
Geschichte
fiktionaler Erzähler
Neutraler Erzähler
Von außen
beobachtend
Ich-Erzähler erzählt
so, als ob er das
erinnerte Geschehen
von außen
beobachtet
Personaler Erzähler
Aus dem Blickwinkel
einer Person, selbst
handelnde Figur
Erzählendes und
erlebendes Ich fallen
zusammen
 Klassischer IchErzähler
Der Erzähler ist eine fiktive Gestalt aus deren Perspektive dem Leser
eine Handlung erzählt wird – nicht identisch mit dem Autor
Wolfram Seidler, Sommersemester 2011
Ernst Jandl
 was ein gedicht ist
ich sag das ist ein gedicht
und gefällt es dir auch nicht
ist gefallen ja nicht pflicht
auch mir selbst gefällt es nicht
aber schreiben ist mir pflicht
deshalb schrieb ich das gedicht
sagte gleich dass es eins ist
und wär jetzt wie du dismissed
ging mir nicht wie jedem christ
quäle nie ein tier zum scherz
denn es fühlt wie du den schmerz
außerordentlich zu herz
Lyrik
Was ist ein Gedicht?
„Ich sag das ist ein gedicht“ (Ernst Jandl)
Reim
Vers
Segmentierung
wenn rechts was frei bleibt …
Lyrik
 grammatische Abweichung
 Kürze und Dichte des Textes
 Selbstreflexivität
 lyrisches Ich
Ist die Person, deren Gedanken und Gefühle in
dem jeweiligen Gedicht geschildert und
veranschaulicht werden.
 Wiederholungseffekte, bildlicher Ausdruck
(Metapher, Symbolik)
 Sangbarkeit (Nähe zur Musik)
Die Stadt.
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn’ Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Theodor Storm
Die Stadt.
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
a
b
a
a
b
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn’ Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
a
b
a
a
b
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
a
b
a
a
b
Die Stadt.
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn’ Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Alliteration
Wiederholung von
Lauten am Anfang von
Wörtern, Versen oder
Strophen
Die Stadt.
Anapher
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn’ Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Wiederholung von Wörtern
bzw. Wortgruppen am
Anfang von Strophen,
Versen etc.
Epipher
Wiederholung von Wörtern
bzw. Wortgruppen am Ende
von Strophen, Versen etc.
Die Stadt.
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn’ Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x x ´x
x ´x
x ´x x ´x
x ´x x ´x
x ´x
Jambus
x ´x
Trochäus
´x x
Die Stadt.
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x x ´x
x ´x
x ´x x ´x
x ´x x ´x
x ´x
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn’ Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Trochäus
´x x
Die Stadt.
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
x ´x
x ´x
x ´x
x ´x
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Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn’ Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Trochäus
´x x
Auftakt
Die Stadt.
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
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Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn’ Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Trochäus
´x x
Auftakt
Lyrik
 Metrum
 Hebung / Senkung
 Enjambement

Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei
 Reim bzw. reimähnliche Strukturen
 Endreim
 umgreifender Reim
 betonte / unbetonte Endungen („männliche“
„weibliche“)
Lyrik
quantifizierende Metrik
Länge – Kürze
akzentuierende Metrik
Hebung- Senkung
Versfüße
Jambus, Trochäus, Daktylus, Anapäst
Lyrik
 Versformen
Alexandriner (sechshebiger Jambus)
 Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden
Hexameter ( sechs Daktylen)
 Sing, unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung
Blankvers (fünfhebiger Jambus)
 Ich komme langsam dir ein Werk zu bringen
Knittelvers (vierhebiger Vers unterschiedlicher Länge)
 Faust Prolog
Lyrik
Strophenformen
Ode etc. (klassisch …)
Sonett (romanisch …)
Nibelungen-Strophe (germanisch …)
Ghasel (arabisch – persisch …)
Lyrik
 Das Sonett unterliegt einer strengen Form
 Es besteht aus zwei Vierzeilern (Quartetten), die beide gleich
gereimt sind (abba), und zwei Dreizeilern (Terzetten), deren
ursprüngliche Reimfolge cdc dcd war.
 Eine formale Variation hat das englische Sonett
 drei Quartette werden durch einen Zweizeiler abgeschlossen.
Der Zweigliedrigkeit des Sonettaufbaus entspricht meist der
Inhalt. Die Quartette zeigen entweder Gleichartiges oder
Antithetisches auf; die Terzette bringen die gedankliche Lösung.
Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform
italienischen Ursprungs (Robert Gernhardt )
Sonette find ich sowas von beschissen,
so eng, rigide, irgendwie nicht gut;
es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut
hat, heute noch so’n dumpfen Scheiß zu bauen;
allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,
kann mir in echt den ganzen Tag versauen.
Ich hab da eine Sperre. Und die Wut
darüber, daß so’n abgefuckter Kacker
mich mittels seiner Wichserein blockiert,
schafft in mir Agressionen auf den Macker.
Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.
Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:
Ich find Sonette unheimlich beschissen.
Bach Kunst der Fuge
Dramatik
Dramatik
Dramatik
 Mein schönes Fräulein, darf ich wagen
Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?
Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause gehn.
 STRASSE
Faust. Margarete vorübergehend
FAUST: „......................................................................................
....................................................................................................“
MARGARETE: „...........................................................................
.....................................................“ Sie macht sich los und ab.
Dramatik
Unmittelbarkeit des Dramas
Keine Erzählinstanz
Drama vs. Theater
Lesetext vs. Aufführung
Figur vs. Person
Dialog vs. Monolog
Haupttext vs. Nebentext
Dramatik
 3 Einheiten
Handlung, Zeit, Raum
 Handlung: keine Nebenhandlungen, die nicht mit der
Haupthandlung verknüpft sind
 Zeit: Deckung von Spielzeit und gespielter Zeit
 Ort: gleichbleibender Schauplatz
 Aufbau
Dreiaktschema --> Fünfaktschema
 Gliederungseinheiten
Akt, Szene, Auftritt
 Handlung
 Konflikt
Dramatik
Figurenwissen vs. Zuschauerwissen
Botenbericht
Mauerschau
Dramatik
Dramengattungen
Tragödie vs. Komödie
Ständeklausel, Fallhöhe
Tragikomödie
Zieldrama – analytisches Drama
Charakterdrama - Handlungsdrama
Geschlossene, offene Dramenform
Dramatik
Wirkungsdimensionen
Katharsis
Schrecken und Jammer (Aristoteles)
Furcht und Mitleid (Lessing)
Episches Theater (Brecht)
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