Die Patientenverfügung Bedrohung oder Unterstützung für das Gesundheitspersonal? MICHAEL PRUNBAUER / November 2007 Selbstbestimmung Salus versus voluntas Wertevorstellung des Behandlers Wertevorstellung des Patienten „Die Legitimation ärztlichen Handelns kommt nur vom Patienten und nicht von der Krankheit !!!“ 2 Legitimation Rechtliche Situation: Jede medizinische Behandlung bedarf der Zustimmung des Patienten! § 110 StGB Ausnahme: Die Zustimmung kann nicht rechtzeitig eingeholt werden (Gefahr im Verzug) 3 Einsichts- und Urteilsfähigkeit Die Fähigkeit, den Grund und die Bedeutung einer Behandlung einzusehen und seinen Willen danach zu bestimmen. Geschäftsfähigkeit 4 Konsequenzen Einsichts- und Urteilsfähigkeit gegeben: • Aufklärung, Information • Entscheidung ist zu akzeptieren • der Patienten selbst entscheidet!!!! Einsichts- und Urteilsfähigkeit nicht gegeben: • Gefahr im Verzug? Behandlung • • • • • Patientenverfügung Sachwalter (Pflegschaftsgericht?) Vorsorgevollmacht Mutmaßlicher Patientenwille Im Zweifelsfall: Entscheidung pro vita! 5 Das neue Patienten-Verfügungsgesetz Wie kann eine wirksame Patientenverfügung erstellt werden? Patientenverfügung Patientenverfügung Testament • Übertragungsmittel für Informationen • Transportmittel für Patientenwillen • Kommunikationsbrücke Erwartungen: • Klarheit für Helfer • Fokus auf Vorsorge und • Eigenverantwortung der Patienten Stärkt das Vertrauen 7 Warum ein neues Gesetz? Rechtliche Existenz von PV unbestritten. Wesentliche Fragen sind aber offen geblieben! • Formerfordernisse • Einbindung ärztlicher Kompetenz • Gültigkeitszeitraum • Verbindlichkeit/Orientierungshilfe weite Bereiche waren offen für rechtliche Interpretationen rechtliche Grauzone Überforderung der Beteiligten Unsicherheit! 8 PatVG Grundsätzliches Willenserklärung des Patienten, der bestimmte medizinische Behandlungen ablehnt. Patientenanwaltschaft, Notar, Rechtsanwalt. Man muss nicht bereits erkrankt sein. Nicht möglich, wenn verbotene medizinische Maßnahmen verlangt werden. Widerruf jederzeit (auch formlos) möglich. 9 Patientenverfügung Zwei Grundformen von Patientenverfügung verbindliche PV beachtliche PV höhere Formerfordernisse Kein Interpretationsspielraum für den Arzt keine Formerfordernisse Interpretationsspielraum für den Arzt 10 Verbindliche PV Rechtliche Voraussetzungen für die Wirksamkeit ärztliche Beratung und Information (Abschätzung der Folgen!) konkrete Beschreibung der med. Behandlungen, die abgelehnt werden • Wünsche der Patienten? medizinisch indiziert tatsächlich möglich rechtlich erlaubt 11 Verbindliche PV Schriftlichkeit unter Angabe des Datums, vor Patientenvertreter (Patientenanwalt), Notar oder Rechtsanwalt errichtet wurde und Belehrung über Folgen sowie Möglichkeit des Widerrufes. 12 Patientenverfügung Erneuerung spätestens nach fünf Jahren zu erneuern • Einhaltung der Formerfordernisse • ärztliche Aufklärung 13 Beachtliche PV Auch, wenn nicht alle formalen Voraussetzungen erfüllt werden, ist sie dennoch für Ermittlung des Willens beachtlich. Je mehr der Voraussetzungen erfüllt werden, desto beachtlicher: • Empfehlung Schriftlichkeit/Formular ärztliche Beratung/Information 14 Weitere Fragen Nachforschungspflicht? Medizinische Notfälle? Evidenthaltung? • Hinweiskarte • Register • e-card 15 Vorsorgevollmacht? Patient bestimmt im Voraus, wer an seiner Stelle entscheiden soll Patientenverfügung: Patient selbst hält fest, welche Behandlungen er/sie nicht will. 16 Kombination: Vorsorgevollmacht • Vorsorgebevollmächtigte Person Patientenverfügung • konkrete medizinische Behandlungen werden abgelehnt Einschränkung des Handlungsspielraums des Vorsorgebevollmächtigten 17 Aufgaben der Rechtsberufe Belehrung über: Folgen der Patientenverfügung sowie die Möglichkeit ihres jederzeitigen Widerrufs. 18 Aufgaben Verständliche Formulierung • • § 4. In einer verbindlichen PV müssen die medizinischen Behandlungen, die Gegenstand der Ablehnung sind, konkret beschrieben sein oder eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang der Verfügung hervorgehen. Aus der Patientenverfügung muss zudem hervorgehen, dass der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt. § 2. Eine PV im Sinn dieses Bundesgesetzes ist eine Willenserklärung, mit der ein Patient eine medizinische Behandlung ablehnt…. Anforderungen des Gesetzes entspricht • • § 3. Der Patient muss bei Errichtung einer PV einsichts- und urteilsfähig sein. § 5. …Der aufklärende Arzt hat die Vornahme der Aufklärung und das Vorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten unter Angabe seines Namens und seiner Anschrift durch eigenhändige Unterschrift zu dokumentieren und dabei auch darzulegen, dass und aus welchen Gründen der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt . 19 Weitere Aufgaben Überprüfung der Identität Dokumentation des Vorganges der rechtlichen Überprüfung • Akt wird angelegt • Kopie der Patientenverfügung wird aufbewahrt 20 Unwirksamkeit von PV Ausstiegsszenarien durch (formlosen auch konkludenten) Widerruf des Patienten „Eine Patientenverfügung verliert ihre Wirksamkeit, wenn siewirksam, der Patient „Eine Patientenverfügung ist letztlich dann nicht wennselbst sie der und selbst wenn die Patientenverfügung: widerruft zu erkennen gibt,hat dass sie Patient widerruft oder selbst oder zu erkennen gegeben oder nicht wirksam sein soll.“Irrtum, gibt, dassfrei er daran mehrmehr gebunden sein will. nicht undnicht ernstlich erklärt oder durch Der Patient kann die von ihm getroffene Verfügung jederzeit – formfrei List, Täuschung oder physischen oder – widerrufen. Dabei ist es – anders als nach allgemeinen Regeln Zwang wurde, – psychischen nicht erforderlich, dass veranlasst er noch einsichtsund urteilsfähig ist. Widerruf kann nicht nur ausdrücklich (schriftlich oder ihrDerInhalt strafrechtlich nicht zulässig ist oder mündlich), sondern auch durch ein schlüssiges Verhalten (d. h. durch der Stand medizinischen Wissenschaft sich im Handlungen, dieder eindeutig als Widerruf anzusehen sind) erklärt Hinblick den Inhalt der Patientenverfügung werden. Hier auf ist z.B. an die Vernichtung der Verfügung durch deren Zerreißen zu denken. seit ihrer Errichtung wesentlich geändert hat. 21 Der Weg zur Erstellung einer verbindlichen PV Patientenanwaltschaft Erstkontakt Mündl. Beratung Übermittlung Unterlagen Hausarzt Ärztliche Beratung Patientenanwaltschaft Erstüberprüfung Neuformulierung Änderungen Patientenanwaltschaft rechtl. Beurkundung Rechtliche Abschlusskontrolle 22 Was zeigt die Praxis? Negatives Feedback zu Kosten • Was soll (darf) die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes kosten? einige (viele?) Ärzte f. Allgemeinmedizin verrechnen nichts • Unterstützungsmöglichkeiten der PA unterschiedlich Informationsbedarf sehr groß • bei Gesundheitspersonal und Patienten • einige PV konnten nicht „beurkundet“ werden 23 Erste Erfahrungen Aufteilung Alter 35 30 25 20 15 10 5 0 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 62 % Frauen, 38% Männer 70-79 80-89 90-99 24 Motive: PV Motive Angst vor Abhängigkeit Negative Erfahrung (Fam.) Sterben in Würde Religion 1 Nicht zur Last fallen wollen Eigene Erkrankung Kein verlängertes Leiden bei Aussichtslosigkeit Leben abgeschlossen 0 10 20 30 40 50 60 25 Hilfsmittel/Unterstützung Arbeitsmappe • Formular empfohlen von Ministerien, ARGE PA, Hospiz, Caritas, Notariatskammer, Rechtsanwaltskammer, Ö Ärztekammer… • Ratgeber Erklärungen, Fragen-Antworten • Arbeitsbehelf Formulierungshilfen, Textbausteine • Hinweiskarte • Patientenverfügungs-Gesetz 26 Formular Kostenlose Anforderung: NÖ Patientenund Pflegeanwaltschaft (027 42) 9005 - 15575 [email protected] 27 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 28