050630_Sprachliche_Relativitaet

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Ego- versus Geozentrismus
und sprachliche Relativität
Kultur, Sprache, Kognition oder:
Grundlegende Gedanken über ein
komplexes Wechselspiel
Lena Heinzmann, Melanie Kögel, Kristina Manz
Gliederung
•
•
•
•
Was ist sprachliche Relativität?
Geschichtliche Einordnung der Theorie
Relevanz der Theorie heute
Experimentelle Überprüfungen der Theorie:
– Untersuchung der Theorie anhand
Raumkonzepten der Tenejapa und Balinesen
– Studie zur Dreipunktlokalisation in D und Japan
• Ethnolinguistische Kritik and der
Theorie/Erweiterung der Theorie
Sprachliche Relativität:
Die Sapir-Whorf-Hypothese
The phenomena of language are background phenomena, of
which the talkers are unaware or, at most, dimly aware... These
automatic, involuntary patterns of language are not the same for
all men but are specific for each language and constitute the
formalized side of its language, or its “grammar”…
From this fact proceeds what I have called the “linguistic
relativity principle,” which means, in informal terms, that users of
markedly different grammars are pointed by their grammars
towards different types of observations and different evaluations
of externally similar acts of observation, and hence are not
equivalent as observers, but must arrive at somewhat different
views of the world. (Benjamin Lee Whorf)
Sprachliche Relativität:
Die Sapir-Whorf-Hypothese
1. Die Welt in verschiedenen
Sprachgemeinschaften wird
unterschiedlich erfahren und begriffen
2. Die Sprache selbst bewirkt diese
Unterschiede
Sprachliche Relativität:
Die Sapir-Whorf-Hypothese
Annahme:
Durch das Mittel der Sprache beeinflusst Kultur
unsere Art zu denken (und somit auch unser
Verhalten)
Probleme:
• Was beinhalten „Sprache“/„Kultur“/„Denken“?
• Was ist eigentlich genau unter „beeinflussen“
zu verstehen?
Geschichte der Idee eines
Zusammenhangs von Sprache und Denken
Einflüsse..
• Humboldt: Romantik
• Saussure: Strukturalismus
• Freud: Vorstellung des Unbewussten
• Franz Boas: Kulturrelativismus
• Empirismus
Geschichte der Idee eines
Zusammenhangs von Sprache und Denken
Bis in die 60er Jahre...
• Radikale sprachliche und kulturelle
Unterschiede angenommen, die
tiefgehende kognitive Differenzen
reflektieren
• Ende dieser Phase: Berlin & Kay:
Auffinden der „basic colors“
Geschichte der Idee eines
Zusammenhangs von Sprache und Denken
60er bis 90er Jahre..
• Aufkommen der
Kognitionswissenschaften. Gehirn als
angeborener Mechanismus zur
Informationsverarbeitung →
universalistische und rationalistische
Annahmen.
Geschichte der Idee eines
Zusammenhangs von Sprache und Denken
„Anthropology however remains largely outside
this current of thought: viewed from cognitive
science it is a reactionary output of empiricist
ideas, with an outmoded stress on human
ideational difference and the importance of
environmental learning”
(Levinson 1996: 134)
→ Später: In wie weit ist dies heute noch
gültig?
Geschichte der Idee eines
Zusammenhangs von Sprache und Denken
Heute..
• Mittlere Position. Beachtung von
linguistischen und kulturellen Unterschieden,
aber im Kontext dessen, was man über
Universalien herausgefunden hat
• Dennoch Debatte! Graduelle Frage: „How
deep“?
• Zusätzlich: Erweiterung der Theorie durch
Ethnologen/Ethnolinguisten (→ später)
Erörterung nach
Gumperz/Levinson 1996
1.
Sprachliche Differenz
Languages differ substantially in their semantic structure: both the
intensions (the senses) and the extensions (the denotations) of
lexical and morpho-syntactic categories may differ across languages
2.
Sprachlicher Determinismus
Linguistic categorizations, implicit or explicit, may determine or
codetermine or influence aspects of non-linguistic categorization,
memory, perception or thinking in general.
This is often said to have a “strong” and a “weak” form: under the
strong claim, linguistically uncoded concepts would be unattainable;
under the weak form, concepts which happen to be linguistically
coded would be facilitated or favored (e.g. would be more
accessible, easier to remember..)
Sprachliche Differenz
Wie unterschiedlich sind die semantischen
Strukturen verschiedener Sprachen?
→ Levinson: Schwer zu untersuchen!
• Strukturalismus als methodologischen
Ausgangspunkt: Vergleich überhaupt möglich
ohne Meta-Sprache?
• Semantische Universalien?
Sprachlicher Determinismus
Können semantische Strukturen
konzeptuelle Strukturen beeinflussen?
• „Chunking“: KZD auf ca. 7 Items begrenzt, deshalb
Gruppierung von einzelnen Konzepten zu
komplexeren – genau wie bei lexikalischen
Ausdrücken
Im Bereich der Sprachproduktion (basierend auf Willem
Levelt):
• „Thinking for Speaking“ zum Zeitpunkt des Sprechens
Dan Slobin: „Thinking for
Speaking“
• Um einen Gedankenstrom in Sprache zu
kodieren, müssen konzeptuelle Chunks mit
lexikalischen Einheiten in Übereinstimmung
gebracht werden
→ Gedanken müssen dem verfügbaren
linguistischen Rahmen angepasst werden
• Erfordert bestimmte Art zu Denken zum
Zeitpunkt des Sprechens
Dan Slobin: „Thinking for
Speaking“
Darüber hinaus:
„Thinking for Speaking“ zum Zeitpunkt des Memorierens
• Man muss sich bestimmte Aspekte einer Situation
merken, um später eine Aussage darüber machen zu
können
• Sprachspezifische Unterscheidungen können dazu
führen, dass man bestimmte Eigenschaften der
Umwelt eher wahrnimmt
→ Konsequenzen? Z.B. auf Gedächtnis?
WHORF...
1. Unterschiedliche Sprachen verwenden
unterschiedliche semantische
Repräsentationssysteme, die nicht dieselbe
Information enthalten
2. Semantische Repräsentationen bestimmen Aspekte
der konzeptuellen Repräsentationen
Es folgt..
3. Menschen, die unterschiedliche Sprachen sprechen,
verwenden unterschiedliche konzeptuelle
Repräsentationen
ANTI-WHORF...
1. Unterschiedliche Sprachen verwenden das gleiche
semantische Repräsentationssystem
2. Universelle konzeptuelle Repräsentationen
bestimmen semantische Systeme, d.h. das
semantische Repräsentationssystem ist identisch
mit dem konzeptuellen System („mentalesisch“)
Es folgt..
3. Menschen, die unterschiedliche Sprachen sprechen,
verwenden das gleiche konzeptuelle System
WHORF VS. ANTI-WHORF
• Lösung: Unterscheidung von „atomarer“
und „molekularer“ Ebene, „Deep-“ vs.
„Surface-Structure“?
• Aber trotzdem: Wie weit reichen die
Ebenen? Welche ist fundamentaler?
• Bis zu welcher „Tiefe“ sind
Kognitionsebenen beeinflussbar?
Experimentelle Überprüfung
Überprüfung der Sapir-Whorf Hypothese:
• Lexikalische Einflüsse auf die Kognition
- Farbbegriffe
- Zahlbegriffe
- Raumbegriffe
Überprüfung der Whorf-Hypothese
Um die Hypothese zu überprüfen, müssen Grundbegriffe
geklärt werden:
• "Unterschiede in der Sprache"
- Vgl. einer Sprache, die best. linguistische
Differenzierung aufweist, mit Sprache ohne diese
Differenzierung
- Vgl. der Art und Weise wie zwei Sprachen Konzepte
linguistisch widerspiegeln
• "Unterschiede im Denken"
• "determinieren"
- Starke Form der Hypothese
- Leichte Form der Hypothese
Farbbegriffe
• Codability, definiert als Länge eines Verbalausdrucks:
wenn es ein einziges Wort gibt, um ein best. Objekt
oder Ereignis zu beschreiben, dann ist das "more
codable" als wenn man dafür eine ganze Phrase
benötigt
• Brown: Beziehung zwischen
- Häufigkeit der Nutzung eines Verbalausdrucks,
- Länge (Codability)
- Leichtigkeit
• Beziehung zwischen Häufigkeit der Benutzung eines
Ausdrucks und Länge: Zipf's Law
untersuchte Chinesisch, Latein und Englisch Länge
eines Wortes ist negativ korreliert mit Häufigkeit der
Benutzung
Farbbegriffe: Beziehung zwischen Länge &
Leichtigkeit
• Untersuchung von Brown & Lenneberg (1954)
- Pbn bekamen 24 farbige Chips, die zuvor
prototypische Farben ausgewählt hatten, und
sollten Farbe der Chips benennen
- av: Reaktionszeit
- Ergebnisse: Farben mit langen Namen wurden mit
Zögerung und Inkonsistenz mit anderen Pbn
genannt. Große Unstimmigkeit zwischen Pbn bei
Farben mit langen Namen
Farbbegriffe: Beziehung zwischen Länge &
Leichtigkeit
• Kulturvergleichende Studie von Berlin & Kay (1969):
- Basic color terms, bestehend aus 1 Morphem, nicht
in anderer Farbe enthalten, nicht auf best. Objekte
beschränkt und hierarchisch geordnet sind
Schwarz
Weiss
Rot
Gelb
Grün
Blau
Braun
Purpur
Rosa
Orange
Grau
Farbbegriffe: Beziehung zwischen Länge &
Leichtigkeit
• Weiterführende Studie von Rosch:
- arbeitete mit Dani, Ethnie aus Neuguinea, die nur
2 Farbbegriffe haben
- Dani und amerikan. Pbn sollten Farbchips
benennen, von denen einige Fokalfarben waren
und andere nicht
- Ergebnisse: zwar waren amerikan. Pbn besser,
jedoch war bei beiden Gruppen Gedächtnis für
Fokalfarben besser als für nicht-fokal Farben
- Studie wurde erweitert: Dani lernten Farbbegriffe
und dabei lernten sie Farbbegriffe für Fokalfarben
schneller als für Nichtfokalfarben
 Rosch interpretierte dies als Gegenbeweis für
Whorf-Hypothese
Aber...
• Lucy und Shweder (1979)
-
Stellen Interpretation, dass Fokalfarben besser diskriminiert
werden als Nichtfokalfarben in Frage
Fokalität ist intrinisches Merkmal der Farbe,
Diskriminationsfähigkeit abhängig von Umgebungsfarben
Wenn Diskrimination kontrolliert wird, keine Unterschiede
zwischen Fokal und Nichtfokalfarben
• Und: Kay und Kempten (1984)
-
vgl. Leistungen von Englischsprachigen mit Pbn, die Tarahumara
(mexikan. Indianersprache), die nur 1 Begriff für blau-grün hat
- Pbn bekamen 3 Farbchips, wovon 1 prototyp. grün war und 1
prototyp. blau, der dritte lag farbl. dazwischen. Sie sollten
bestimmen, ob 3. Farbchip eher blau oder eher grün ist
- Ergebnisse: Englischsprachige machten scharfe Unterscheidung
Tarahumara nicht.
In 2. Studie wurden Pbn angewiesen, 3. Chip blau-grün zu nennen
und der Effekt verschwand.
Fazit: Farbbegriffe
Beziehung zwischen Farbwahrnehmung und
Farberinnerung und linguistischen Begriffen
Linguistische und perzeptuelle Faktoren können nicht auf
einen Faktor reduziert werden, da sie beide die
Farbkognition beeinflussen.
Zahlbegriffe
Wie beeinflussen morphologische Unterschiede in
Zahlbegriffen, wie im Chinesischen und Englischen, die
Konzeptualisierung von Zahlen und mathematische
Leistungen bei Kindern?
• Englisch: relativ komplex, 11, 12 sind nicht mit 1 und 2
morphologisch verbunden...
• Chinesisch: sehr reguläres System, die Namen der
Zahlen zwischen 11 und 99 werden nach Zehner- und
dann Einerstelle benannt
• Bezüglich Zahlen kleiner 10 und größer 99 sind das
chinesische und englische Zählsystem vergleichbar
Zahlbegriffe: Studie von Miura (1987)
- verglich Erstklässler in USA und Japan
- Sollten mit Zahlenklötzen Zahlen legen, d.h. es gab Einserklötze und
Zehnerstäbe
- Aufgabe: Lege 12; es gab 2 Durchgänge
- 3 Ansätze:
- kanonischer Ansatz: wenn mehr als 9 Einserklötze benötigt
wurden, dann wurde ein Zehnerstab gelegt
- nichtkanonischer Ansatz: Kombinatio von Zehnerstäben und
mehr als 9 Einserklötzen
- eins-zu-eins Sammlung: nur Einserklötze werden benutzt
-
Ergebnisse:
Japan. Kinder zeigten doppelt so oft kanonischen Ansatz wie
amerikan. Kinder im 1. Durchgang.
Im 2. Durchgang zeigten mehr Kinder kanonischen Ansatz als im 1.
Durchgang. Japan. Kinder nutzten nichtkanonischen Ansatz häufiger
als amerikan. Kinder.
Im Zahlenrange von 11-99 zeigten sich größte Unterschiede.
Zahlbegriffe: Studie und Fazit
Weitere Studien zeigten, dass Chinesischsprachige
Nummern schneller aussprechen als Englischsprachige.
Außerdem besteht eine Korrelation zwischen Schnelligkeit
der Zahlenaussprache und mathematischer Leistung.
Fazit:
Die Art und Weise, wie Sprachen Zahlen repräsentieren
beeinflusst das mathematische Denken.
Raumbegriffe: Warum untersucht man Raum?
Das räumlich Verständnis ist mit eines der ersten
Konzepte, die ein Kind lernt.
Das räumliche Denken beeinflusst unser Denken in vielen
Domänen wie Zeit, soziale Struktur, Mathematik und
Gefühle.
Raumkonzepte stellen eine gute Möglichkeit dar die
kulturelle Relativität zu untersuchen, da räumliche
Konzepte durch die physikalische Welt als auch durch
die menschliche Psychobiologie mit seinem visuellen
System und aufrechten Position beschränkt ist.
Raumbegriffe
Studien von Levinson:
nicht alle Sprachen nutzen die 3 Referenzsysteme:
- absolute Begriffe, Lokalisation eines Objekte im Raum
unabhängig vom Betrachterstandpunkt (Norden)
- relative Begriffe. die Beziehung zwischen Objekt im
Raum und einer Person kennzeichnen (vor mir)
- intrinsische Begriffe, die sich auf Objekte beziehen,
die eine Beziehung zu verschiedenen anderen Objekten
haben (neben der Flasche)
Immanuel Kant among the
Tenejapans
• Kants Grundannahmen:
- alles ist aufgeteilt in links und rechts, dies liegt an
unseren symmetrischen spiegelbildlichen Hälften
- Unterscheidung zwischen der linken und der rechten
Seite unseres Körpers ist verbunden mit der
Fähigkeit, identische aber Spiegelverkehrte Dinge zu
unterscheiden
- Unterscheidung von Uhrzeigersinn/gegen den
Uhrzeigersinn, Ost/West
Kants Grundannahmen
Raum ist nicht ein Objekt äußeren
Empfindens, sondern ein
fundamentales Konzept, welches
ermöglicht Sinneseindrücke
wahrzunehmen
Kants Grundannahmen
- Kant fragte sich was wäre wenn es "Rassen"
gäbe, die diese Unterscheidung nicht treffen
- Fehlt diesen Menschen dann dieser abstrakte
Raumbegriff?
- Haben sie einen Sinn für die Himmelsrichtungen
und den Uhrzeigersinn?
- Wäre dies dann der Leibnizsche Raumbegriff?
Leibnizsche Raumbegriff
- Leibniz ging von einem absoluten
Raumbegriff aus
- Er sah die Welt und auch das gesamte
Universum, im Gegensatz zu Kant nicht
aufgeteilt in verschiedene Ebenen
- Für ihn war die ursprüngliche Hand weder
eine linke noch eine rechte Hand, also eine
Hand die unbestimmt ist zwischen links und
rechts
Universale Soziologische
Unterscheidung nach Hertz
- Die Dominanz zur rechten Seite begriff Hertz als eine
sozial konstruierte physiologische Bevorzugung
- Bsp.: Dualismus, rechts wird mit den starken Geschlecht
assoziiert; linke Hand ist für die Exkremente zuständig
- Rechts- Dominanz als eine sozial konstruierte Dominanz
und nicht unbedingt nur durch die Natur
- Für Hertz hatte diese Gegensätzlichkeit einen
universellen Anspruch
- Frage: Ist die Ausprägung für eine Seite kulturell oder
eine von der Natur gegebene Dominierung?
Gibt es kulturelle Unterschiede in
der Wahrnehmung?
- Spiegelverkehrte Objekte müssen vor
dem geistigen Auge rotieren um
aufeinander zu passen
- Bsp.: Hände schütteln
- Evolutionär gesehen wichtig
Enantiomorphe zu unterscheiden
Ist die Händigkeit angeboren?
• Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist dies nicht der
Fall. Bsp.: eineiige Zwillinge
keine genetische Determiniertheit
• Asymmetrien der der inneren Organe
es gab in der frühen Entwicklung eine
cytoplasmische Neigung zu linken Seite
• Händigkeit entwickelt sich mit ca.6 Jahren
• Lateralisation mit ca. 8 Jahren
• Sinn für rechts und links entwickelt sich in der
westlichen Welt ca. zwischen 5 und 8 Jahren
• Ist die Fähigkeit Enantiomorphe zu unterscheiden
angeboren?
- Dies ist nicht angeboren, Bsp.: Unterscheidung zwischen
b und d bei Kindern
• Ist die Fähigkeit empfänglich zu sein für den
Unterschied zwischen links und rechts angeboren?
- Wahrscheinlich schon, Bsp.: Ratten
- Aber die Benennung von links und rechts ist nicht einfach
für Kinder
- Westliche Kinder zeigen eine relativ langsame Fähigkeit
eine rechts- links Empfänglichkeit zu verbalisieren
Was ist die kulturelle Komponente bei der
links- rechts Unterscheidung?
- Die Kultur taucht an vielen Stellen auf, (siehe
Hertz)
- Durch das lateinische Alphabet lernen wir
Gegensatzpaare zu unterscheiden
- Durch gewisse Vorgaben lernen wir uns in
unserer komplexen Umwelt zurecht zu finden
Ohne die kulturelle Verknüpfung gäbe es
sicherlich nur eine leichte anatomische
Asymmetrie der Händigkeit
Links und rechts bei den
Tenejapan
Ethnographischer Hintergrund
- Die Tenejapa ist eine Maya Gemeinschaft die in den
Bergen von Chiapas in Mexico leben
- Aufgrund eines Apartheidsystems lebte diese
Gemeinschaft lange Zeit sehr isoliert, bis 1951 das
National Indian Institut dort hinkam und die Situation
änderte
- Die Menschen dort waren Analphabeten und wuchsen
einsprachig auf
- Unter den älteren Einwohnern gibt es noch einige die
noch in dieser Abgeschiedenheit leben
• Symmetrie ist das Konzept welches die
materielle Kultur durchdringt, Bsp.: Gefäß
• Gesten sind oft zweihändig
• In ihren Riten sieht es nicht danach aus,
als ob die Himmelsrichtungen oder links
und rechts eine große Rolle spielen
würden
Konzepte von links und rechts
• In Tenepapa Tzeltal gibt es durchaus Wörter für links
und rechts, bei den Wörtern wie linke Hand und
rechte Hand handelt es dich dann um
Nominalzusammensetzungen
• xin k´ab (linker Arm/linke Hand) und xin akan
(linker Fuss/linkes Bein); Beschreibungen für
Körperteile,
• ABER: Körper nicht aufteilbar
• die Benutzung von xin und wa´el kann gut erläutert
werden wenn es mit Piagets 3-Stufen Modell zum
Erwerb von links und rechts verglichen wird.
Piagets 3 Stufenmodell
• 1. Stufe:
Benennen der eigenen linken und rechten Körperhälfte
• 2. Stufe
 das Kind lernt die Rotation von links und rechts um die
Körperhälften des Gegenüber korrekt zu benennen
• 3. Stufe
 das Kind lernt Dinge in Relation zu anderen Dingen zu
stellen, welche nicht behänded sind (Bsp. Die Orange ist
links von der Tasse.)
Auch wenn es etwas zögerlich bei den Tenejapans ist, so
haben sie doch keine Schwierigkeiten bei den ersten
beiden Stufen. Bei der dritten Stufe funktioniert dies
allerdings nicht mehr, denn ihre Wörter für links und
rechts sind grundsätzlich nur Beschreibungen für
Körperteile
• Was man nun daraus folgen könnte wäre,
dass sie nicht in der Lage sind diese
Relationen zwischen verschiedenen
Dingen aufzustellen da kein
übergreifendes kosmologisches
Orientierungssystem zu sehen war
• Bergaufwärts/Bergabwärts
• Die Tenejapans benutzen eine Menge
andere Punkte in der Natur was für sie
links und rechts ersetzt
• Den Tenejapans wurden eine Reihe von Aufgaben
gestellt, mit der Annahme, dass die Wahrnehmung und
die Konzeption von der links- rechts Asymmetrie
einhergeht mit den sprachlichen Ressourcen
• im Großen und Ganzen ging es bei diesen Aufgaben
darum eine links- rechts Unterscheidung zu treffen
• sie konnten diese Unterscheidungen auch gut treffen
wenn es sich um Körperteile handelte, z.B. bei der
Beschreibung „ der Mann steht an der linken Hand der
Frau“, auch wenn sie ein bisschen weiter weg stand
konnte dies noch mit s-xin k´ab beschrieben werden
Toleranzgrenze
• Keine Beschreibung von unbelebten Dingen
• links- rechts Umkehrungen
 für sie waren keine Unterschiede zu sehen und
beschrieben sie mit dem Wort pajal (das
Gleiche), diese Asymmetrie war für sie nicht
sichtbar, oder auch einfach so unwichtig
• Bestimmung dreidimensionalen Objekte
 benutzten ihr absolutes System von
Bergaufwärts/Bergabwärts, und teilen Objekte in
verschiedene Körperteile auf, z.B. der Ast am
Ohr
• Alle diese Verortungssysteme scheiterten aber
wenn die Objekte gleichweit entfernt waren von
der Person
Zusammenfassung
• Kant wäre sicherlich geschockt wenn er feststellen müsste, dass so
etwas wie eine Basisintuition nicht vorhanden ist und es auch
Ethnien gibt, welche nach dem absoluten System, so wie Leibniz es
beschrieb, leben
• Auch wenn sich die Psychologen durchaus der Komplexität der
links- rechts- Unterscheidung bewusst sind, tendieren sie doch dazu
Universalien in der kulturellen Entwicklung zu finden, so wie z.B.
mit dem drei- Stufen- Modell von Piaget
• Trotz all dem, kommt man, sieht man die Lebensweise der
Tenejapans, zu einem anderen Schluss
• Es ist durchaus kein Problem und behindert keines Wegs den Alltag,
ob mit dem absoluten oder dem relativen System, jede Ethnie
findet sich in ihrer Welt ohne Probleme zurecht, und dies ist die
Hauptsache
• Was abschließend noch einmal betont werden sollte, ist, dass eine
links- rechts- Unterscheidung keineswegs angeboren ist und somit
auch nicht das „Natürliche“ ist
Die räumliche Orientierung der
Balinesen
•
•
•
•
•
Fragestellung
Räumliche und spirituelle Orientierung
Rechts und links
Space Games
Diskussion
Fragestellung
• Sind linguistische Unterschiede in Kulturen auf
konzeptuelle Unterschiede zurückzuführen?
• D.h. haben Sprachen, die keine egozentrische
Perspektive einnehmen, die Umwelt anders
repräsentiert bzw. konzeptualisiert?
Mögliche Annahmen: die räumlichen Repräsentationen
sind beeinflusst durch
• Sensorische Informationen (egozentrisch)
• Sprache (muss nicht egozentrisch sein)
Diese Annahmen lassen sich bei indo-europäischen
Sprachen nicht untersuchen, da sens. Information und
Sprache miteinander konfundiert sind (beides egozentrisch).
Räumliche & spirituelle Orientierung in Bali
Ein Richtung ist ein Vektor, der sich nicht nur auf den
physikalischen Raum, sondern auch auf den kulturellen,
religiösen und sozialen Raum bezieht. Die Orientierung
ist ausgerichtet auf den zentralen Berg der Insel:
Gunug Agung
Richtungen:
Topographieabh.
Fixe Achse
• kaja: in Richtung des Berges, ist heilige, pure Richtung
• kelod: in Richtung des Meeres, impliziert etwas unreines
• kangin: Richtung des Sonnenaufgangs
• kauh: Richtung des Sonnenuntergangs
Bezug auf Alltag
• Dörfer sind entlang der kaja-kelod Linie gebaut, d.h.
Tempel sind in Richtung kaja gebaut, der Friedhof
Richtung kelod
• Wenn Balinesen sich nicht orientieren können, bspw.
Wenn sie keine Berge sehen, werden sie angespannt
und sind verwirrt („binging“) und können schwierig
klare Gedanken fassen und deutlich sprechen
Rechts und Links
Balinesen nutzen Begriffe rechts und links im Alltag, um
• Sich auf ihren eigenen Körper zu beziehen
• Sich auf Objekte, die ihren Körper berühren zu
beziehen (wobei hierfür auch häufig absolute Begriffe
genutzt werden)
• Kinder nutzen absolute Beschreibungen meist auch für
Objekte, die sie in der Hand halten
Es gilt als höflicher das absolute Orientierungssystem zu
nutzen, da man sich bei egozentrischen
Beschreibungssystemen selbst in den Mittelpunkt stellt,
statt Teil der sozialen und topographischen Umwelt zu
sein.
Space Games
• Bilderbeschreibung
• Tiere in einer Reihe
• Steve's Mazes
Space Games: Bilderbeschreibung
• 2 Pbn sitzen durch Schirm getrennt und haben gl.Sets von
Fotografien vor sich liegen. Einer wählt ein Foto aus und
beschreibt es dem anderen. Dieser wählt Foto nach
Beschreibung aus
• Beschreibungen werden nach Auftreten der
- absoluten /geozentrischen
- relativen / egozentrischen
- relativen / intrinsischen Beschreibungen ausgewertet
• Ergebnisse:
Balinesen präferieren absolute Beschreibungen.
Kleine Kinder, die die erste Klasse besuchen, nutzen nur
absolute Beschreibungen. Ältere Kinder und Erwachsene
nutzen absolute und intrinsische Beschreibungen.
• Kohärenz zwischen kulturellem & linguistischem System
Space Games: Tiere in einer Reihe
• 2 Tische stehen in einiger Entfernung voneinander. Von
einem Tisch zum anderen müssen sich Pbn um 180°
drehen. Es werden während der Aufgabe keine verbalen
Erklärungen abgegeben
• N= 28, 4 Altersgruppen
• 5 Durchgänge
• 3 Tierfiguren sind in einer Reihe von kelod nach kaja
aufgestellt, von rechts nach links
• Instruktion: behaltet Arrangement der Figuren im Kopf, ihr
müsst sie später nachstellen
Space Games: Steve's Mazes
• 2 Tische stehen in einiger Entfernung voneinander. Von
einem Tisch zum anderen müssen sich Pbn um 180°
drehen. Es werden während der Aufgabe keine verbalen
Erklärungen abgegeben
• N= 28, 4 Altersgruppen
• 5 Durchgänge
• Auf dem Tisch liegt eine Zeichnung einer Landschaft mit
Häusern, Reisfeldern und Bäumen, auf der in Pfad
eingezeichnet ist, bei dem ein Stück zum Haus fehlt.
• Instruktion: Pbn müssen sich fehlendes Pfadstück merken
• Auf dem zweiten Tisch liegen 3 verschiedene Wegsegmente
(wovon eines egozentrisch, geozentrisch und ein Distraktor
ist) aus denen Pbn korrektes aussuchen müssen
Space Games: Ergebnisse
• Tiere in einer Reihe:
die meisten Pbn zeigten geozentrische Aufstellungen,
keiner zeigte systematisch (d.h. bei 4-5 Durchgängen)
egozentrische Aufstellungen
• Steve's Mazes:
¼ zeigte systematisch geozentrische Entscheidungen
¼ zeigte systematisch egozentrische Entscheidungen
½ zeigte gemischte Entscheidungen (d.h. 3 mal entweder
geozentrische oder egozentrische Entscheidungen)
• Nach den Tests sollten Pbn ihre Entscheidungen
begründen:
den Pbn fiel es einfacher ihre Lösungen bei "Tiere in einer
Reihe" verbal zu beschrieben als bei Steve's Mazes.
Space Games: Diskussion
• Beide Enkodierungssysteme können genutzt
werden, allerdings Präferenz für absolutes System
• Relative Enkodierung ist bei Steve's Mazes
häufiger als bei anderer Aufgabe anzutreffen, die
auch schwieriger verbal zu enkodieren ist und
mehr mit Bewegung in Verbindung gebracht
werden kann
• In der balinesischen Sprache ist das System der
geozentrischen Orientierung so dominant, dass es
nicht nur die Art der Sprache, sondern auch
räumliche Repräsentation und die
Gedächtnisrepräsentation beeinflusst
Space Games: Diskussion
• Exp. deuten Beziehung zwischen sprachspezifischer
verbaler Enkodierung und räumlicher Repräsentation an.
• Andere Studien zeigten ebenfalls, dass Mitglieder aus
versch. Sprachgemeinschaften diejenige Enkodierung am
natürlichsten finden, die kongruent ist mit der
linguistischen Enkodierung
• Bei Beschreibung von räumlichen Erfahrungen wird
sensorische Info dem Bezugsrahmen angepasst, der in
Kultur dominant ist
• Wenn räumliche Gegebenheiten schwierig durch Sprache
nach dem absoluten Orientierungssystem wiedergegeben
werden können, verliert das linguistisch dominante
Rahmensystem seinen Einfluss und das angeborene
perzeptuelle System stößt hervor
Lokalisieren in
Deutschland und
Japan
Zweipunktlokalisierungen
1. sprecherbezogen („Die Tasse steht
vor mir.“)
2. partnerbezogen („Die Tasse steht vor
dir.“)
3. drittbezogen („Die Tasse steht hinter
dem Teller.“)
Dreipunktlokalisationen
1. sprecherbezogen („Die Tasse steht –
von mir aus – links vom Teller.“)
2. partnerbezogen („Die Tasse steht –
von dir aus- rechts vom Teller.“)
3. drittbezogen („Die Tasse steht – von
ihm aus – vor dem Teller.“)
Der Partner muss erkennen ob der
Sprecher von sich ausgeht oder ob
er den Blickpunkt vom Partner aus
wählt. Im Zweifel, kann man
sagen, ist eher eine
sprecherbezogene Sichtweise zu
erwartet
Hat
die die Äußerung über eine
Lokalisation etwas damit zu tun
was der Partner tun soll, ist es
sehr wahrscheinlich, dass der
Sprecher partnerorientiert
spricht
Auch kann man davon ausgehen,
dass der Partner, benutzt er
mehrere Lokalisationen auf einmal,
bei einem System bleiben wird und
nicht hin und her springt zwischen
einmal partnerbezogen und dann
sprecherbezogen
- die Kosten die der Eine spart, muss der
andere aufbringen
- Geht der Sprecher von einem
partnerbezogenen Bezugssystem aus,
so macht er es dem Partner leicht, denn
dieser muss keine mentale Rotation
durchführen.
Eine experimentelle
Untersuchung
- Experiment von Graf (1989)
- Inwieweit wählen
Versuchspersonen unter
Laborbedingungen
partnerbezogene
Dreipunktlokalisationen
- Versuchspersonen: Studenten/innen der
Universität Mannheim
- AV: Häufigkeit der Dreipunktlokalisation
- 1. UV: Kommunikationspartner
- 2. UV: Geschlecht der Vp
25
20
15
männl. Vp
weibl. Vp
10
5
0
Kind
Professor
Student
Studentin
Japanische Vergleichsstudie
- Bei dem deutschen Experiment hatte
Graf über alle Bedingungen hinweg
62.4% partnerbezogene
Dreipunktlokalisationen erhalten
- Bei der japanischen Studie waren es
71,6%
- Starker Effekt des Kommunikationspartners
- Stärkste Kontraste für die
Partnerbedingungen „Professor“ versus
„Studentin“ und „Kind“ versus „Studentin“
- Einfluss durch den VL
16
14
12
10
männl. Vp
weibl. Vp
8
6
4
2
0
Kind
Professor
Student
Studentin
Ethnolinguistische Kritik...?
Ethnolinguistische Kritik
1. Sprache ist nicht nur linguistisches
System
• Sprache → Sprechen; Handlung!
• Kultureller Kontext wichtig – Gebrauch!
• „Pragmatische Wende“: Erweiterung der
Bedeutungstheorie
• Bedeutung wird auch nonverbal vermittelt!
Paralinguistik, Prosodie
• Relativität der Interpretation
Ethnolinguistische Kritik
→ Erweiterung der These:
1.
2.
Es gibt systematische Unterschiede im
Sprachgebrauch
Wenn man eine Sprache systematisch anders
verwendet, lernt man, anders zu denken
Es folgt...
3. Unterschiede im Sprachgebrauch korrelieren mit
Unterschieden in der Kognition
Ethnolinguistische Kritik
2. Sprachliches Wissen variiert auch
innerhalb einer „Gemeinschaft“
• Konzept der „speech community“ verworfen:
Bezüglich Gebrauch und Interpretation von Sprache
gibt es Netzwerke, die über Grenzen hinweg gehen,
aber auch Unterschiede innerhalb einer Gemeinschaft
• Warum? Bedeutung wird immer in der konkreten
Situation ausgehandelt.
→ lokale linguistische Relativität!
Ethnolinguistische Kritik
Zusammenfassung:
1. Relativität auch im Gebrauch! Dies
führt zu Relativität in der
Interpretation – auf der Seite des
Hörers
2. Relativität auch innerhalb einer
Gemeinschaft
Fazit?!
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