Niekes Kulturbegriff

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Konzepte von
Interkultureller
Pädagogik
Vorlesung zu Kapitel 3.2
Theoretisch fundierte
Ansätze interkultureller
Pädagogik
5. Vorlesung
Vier Konzepte
Interkultureller Pädagogik
Differenz
Defizit
Theoretische Fragen:
 Definition von Kultur
 Frage nach dem Dazwischen
(„Inter“)
 Interkulturelle Sozialisation, Lernen
und Bildung
Zwei zentrale Arbeiten:
 Wolfgang Nieke (1995): Interkulturelle
Erziehung und Bildung.
Wertorientierungen im Alltag. Opladen
 Annedore Prengel (1993): Pädagogik
der Vielfalt. Verschiedenheit und
Gleichberechtigung in Interkultureller,
Feministischer und Integrativer
Pädagogik. Opladen
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Biographisches:
geb. 1948,
studierte
Erziehungswissenschaft,
Philosophie, Germanistik,
Psychologie und Soziologie.
promovierte 1976 mit einer
Arbeit zum „DiplomPädagogen“
habilitierte sich 1991.
Seit 1993 ist er Professor für
Allgemeine Pädagogik an
der Uni Rostock
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Niekes Frage:
„Wie kann zu einem verantwortlichen und
vernünftigen Umgang der Angehörigen von
Mehrheit und Minderheiten in einer
Gesellschaft angeleitet werden?“
 Ungleichheit der Macht zwischen Mehrheit
und Minderheiten
 Differenz der Selbst- und Fremddefinitionen
 Schwerpunkt auf „Vernunft“
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Niekes Kulturbegriff:
 „die Gesamtheit der kollektiven
Deutungsmuster einer Lebenswelt
(einschließlich materieller Manifestationen)“
Niekes Lebensweltbegriff (nach A. Schütz):
 „die Gesamtheit der fraglosen Gewißheiten
des Alltags bei der Orientierung in der
physischen und sozialen Umwelt“
Beispiel für fraglose Gewissheiten:
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Wann brechen die fraglosen Gewissheiten
auf?
 Wenn sie ihre Funktionalität verlieren
 Wenn sie mit anderen, gegensätzlichen
fraglosen Gewissheiten (anderer Kulturen)
konfrontiert werden.
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Vorteil von Niekes Kulturbegriff:
 Lebenswelten und ihre Unterschiede werden
auch, aber nicht nur bei ethnischen
Unterschieden relevant.
 Auch andere Differenzen (Schicht, Region,
Geschlecht) können thematisiert werden.
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Individuum und Kultur:
 Individuelles entsteht erst aus der
Auseinandersetzung mit Kollektivem.
 Dies ist eine Frage der „Entwicklung,
Sozialisation und Bildung“.
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Lebenswelt:
 Es gibt in jeder Gesellschaft eine größere
Anzahl von Lebenswelten.
 Insofern müsste Interkulturalität eigentlich
auch jenseits von Einwanderung und
ethnischer Pluralisierung eine Rolle spielen.
 Nieke fokussiert jedoch
Einwanderungsfragen.
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Lebenswelten unter den Bedingungen von Einwanderung:
 Fremdheit: „Der Fremde lebt in Selbstverständlichkeiten,
die mir alles andere als selbstverständlich sind, häufig
nicht nur exotisch, sondern auch falsch vorkommen
müssen, weil sie meinen eigenen Selbstverständlichkeiten
widersprechen. Seine Selbstverständlichkeiten, d. h. seine
Lebenswelt und Kultur, stellen meine
Selbstverständlichkeiten, d. h. meine Lebenswelt und
Kultur in frage; denn beides kann nicht zugleich richtig
sein“
 Konkurrenz: Der Ausländer kämpft „mit den
Einheimischen um die stets und überall zu knappen
Güter“ (ebd.).
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Vier Formen des Umgangs mit Zuwanderern:
1. Assimilation
2. Vertreibung und Vernichtung
3. Segregation
4. Änderung der eigenen Deutungsmuster
und „interkulturelles Leben in der
dauerhaft multikulturellen Gesellschaft“
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Änderung der eigenen Deutungsmuster
und „interkulturelles Leben in der
dauerhaft multikulturellen Gesellschaft“
ist gebunden an die zwei
Grundbedingungen der Ablehnung:
1. Fremdheit
2. Konkurrenz
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Ziel muss daher sein:
1. Änderung der Strukturen (Gleichstellung)
→ Beseitigung von Konkurrenz
2. Änderung der Deutungsmuster
→ Beseitigung von Fremdheit
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und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Änderung der Deutungsmuster impliziert
deren Relativierung.
→ Frage des Kulturrelativismus
Aufgabe 1:
Eine evangelikale Familie weigert sich,
ihren Sohn in den Biologieunterricht der
sechsten Klasse zu schicken, da er dort
sowohl die Evolutionstheorie kennen
lernt als auch Sexualkundeunterricht
erhält. Sie sind der Schulleiter/die
Schulleiterin. Wie gehen Sie mit diesem
Problem um?
Aufgabe 2:
Eine türkisch-muslimische Familie
weigert sich, ihre Tochter auf eine
Klassenreise mitzuschicken, da sie dort
unkontrollierten Umgang mit Jungen
haben könnte? Sie sind Sozialarbeiter/in
in der Schule und werden um Vermittlung
gebeten. Was tun Sie, wie gehen Sie mit
dem Konflikt um?
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und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Kulturrelativismus
Völliger Kulturrelativismus lässt sich nicht aufrecht
erhalten, da man irgendwie handeln – und daher
Präferenzen setzen – muss.
Agnostizistischer Kulturrelativismus geht davon
aus, dass „gegenwärtig kein Maßstab zuhanden
sei, an dem die Kulturen einverständlich und
überzeugend gemessen werden können“.
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und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
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Wege aus dem agnostizistischen
Kulturrelativismus
Konventionalismus
Anthropologischer Universalismus
Evolutionismus
Ethischer Evolutionismus
Funktionalismus
Ethischer Universalismus
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und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Ethischer Universalismus:





Verfahren vernünftiger Kommunikation statt
inhaltlicher Argumentation.
Dieses Verfahren beruht auf formalen Regeln.
Diese Regeln haben zumindest für die an den
Diskursen Beteiligten und die von ihnen
advokatorisch Vertretenen Geltung.
Problematik der advokatorischen Vertretung.
„Virtueller Diskurs“ erfordert hohe
Kompetenzen des/der Pädagogen/in
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Ethischer Universalismus:
 Dennoch gibt es die Gefahr des
Eurozentrismus, da die Verfahrensregeln
vor allem im nordwesteuropäischen
Kulturkreis Geltung hätten.
 Auch die formalen Regeln müssen also
zum Gegenstand der Verständigung
werden.
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Ethischer Universalismus:
 Da auch die Verständigung über die
formalen Regeln selbst ihre formalen
Regeln braucht führt dies in einen
unendlichen Regress.
 „aufgeklärter Ethnozentrismus“
 „situative Begrenzung von Geltung“, z.
B. Begrenzung auf die öffentliche Sphäre
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
Sieben Schritte für den vernünftigen
Umgang mit Kulturkonflikten:
1. „Den Konflikt von allen beteiligten Seiten
her beschreiben.“
2. „Die Deutungen aller Beteiligten ermitteln
und nach allen erforderlichen Stützungen
fragen.“
3. „Die Betroffenen zu Wort kommen
lassen, oder – wenn das nicht möglich ist
– virtuelle Diskurse führen.“
W. Nieke (1995): Interkulturelle Erziehung
und Bildung. Wertorientierungen im Alltag
4. „Die konträren Positionen aus dem
Hintergrund der Deutungen begründen,
und dies immanent, zunächst noch ohne
eigene Wertung“
5. „Eine Lösung des Konflikts suchen und
begründen.“
6. „Die Wertentscheidung der Beteiligten
deutlich werden lassen.“
7. „Lösungsweg: Prinzip der situativen
Geltung von Normen.“
Nächstes Mal:
Der Hintergrund der
klassischen interkulturellen
Pädagogik:
Das Modell der
multiethnischen
Einwanderungsgesellschaft
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