Die Erzählung

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Einführung in die
Literaturwissenschaft
In der ersten Januarwoche fällt die Vorlesung
aus.
Die nächste Vorlesung findet also am 10.1. statt.
Themenübersicht
• Literarizität: Was unterscheidet literarische Texte
von anderen sprachlichen Äußerungen?
• Zeichen und Referenz: Wie stellen literarische Texte
den Bezug sprachlicher Äußerungen auf
›Wirklichkeit‹ dar?
• Rhetorik: Was sind ›sprachliche Mittel‹?
• Narration: Wie entstehen Geschichten?
• Autorschaft und sprachliches Handeln: Wie greift
Schreiben in Wirklichkeit ein?
• Intertextualität und Intermedialität: Wie beziehen
sich literarische Texte auf andere Texte / andere
Medien?
Wie entstehen Geschichten?
1. Grundformen des Erzählens
Es lassen sich Grundformen des Erzählens unterscheiden
(Gattungen), die es ermöglichen, Zusammenhänge von Ereignissen,
das heißt Geschichten herzustellen.
Grundformen des Erzählens, die nicht weiter zurückführbar, nicht
weiter zerlegbar sind, nennt der Literaturwissenschaftler André
Jolles ›Einfache Formen‹.
Für Jolles sind Einfache Formen »jene[] Formen [...], die sich,
sozusagen ohne Zutun eines Dichters, in der Sprache selbst
ereignen, aus der Sprache selbst erarbeiten« (S. 10).
Jolles, »Einfache Formen«: Sprache als Arbeit
›Sprache‹ wird von Jolles als ›Arbeit‹ begriffen. Dabei ist die Tätigkeit des
Dichters, die poetische Werke hervorbringt, nur die letzte von mehreren
produktiven Instanzen.
Die erste Instanz ist die »benennende Arbeit« der Sprache. Sie erzeugt
durch Benennung Sachverhalte.
Die zweite Instanz schafft eigenständige Gestalten, Fiktionen. Dies ist die
Ebene der Einfachen Formen.
Die dritte Instanz gibt Deutungen dieser Fiktionen. Dies ist die Arbeit der
literarischen Werke, die einem Autor zugeschrieben werden können.
Jolles betont immer wieder, daß Einfache Formen wie Legende, Sage oder
Mythe an das Weitererzählen, an mündliche Tradierungen gebunden sind
und daß man sie als Text immer nur in verarbeiteter, reflektierter, in größere
Zusammenhänge eingebundener Gestalt finden kann.
Die Anekdote: eine kleine, aber keine
einfache Form
Legende
Narrativ
des Heiligen
Narrativ
der Historie
Memorabile
Anekdote »Der Griffel Gottes«
Anekdoten beziehen unser Wissen von historischer Wirklichkeit
ein und ergänzen es um Begebenheiten, von denen unklar
bleibt, ob sie authentisch sind oder nicht. Das Beispiel von
Kleist zeigt, daß eine Anekdote aus mehreren einfachen Formen zusammengesetzt sein kann (hier: Legende und Memorabile). Die Anekdote (griech. = »das noch nicht Herausgegebene«) steht an der Schwelle von Mündlichkeit und Schriftlichkeit.
Johann Gottfried Herder (1744-1803)
über den Roman
»Keine Gattung der Poesie ist von weiterem Umfange, als der
Roman; unter allen ist er auch der verschiedensten Bearbeitungen
fähig: denn er enthält oder kann enthalten nicht etwa nur
Geschichte und Geographie, Philosophie und die Theorie fast aller
Künste, sondern auch die Poesie aller Gattungen und Arten – in
Prose. Was irgend den menschlichen Verstand und das Herz
interessiret, Leidenschaft und Charakter, Gestalt und Gegend,
Kunst und Weisheit, was möglich und denkbar ist, ja das
Unmögliche selbst kann und darf in einen Roman gebracht werden,
sobald es unsern Verstand oder unser Herz interessiret. Die
größesten Disparaten läßt diese Dichtungsart zu: denn sie ist
Poesie in Prose.«
In: Briefe zur Beförderung der Humanität. Achte Sammlung (1796)
Die Form des Romans
In der modernen Literatur ist der Roman seit dem 18. Jahrhundert die wichtigste Erzählgattung, die alle möglichen anderen Formen in sich integriert.
Im Unterschied zu den einfachen Formen und deren mündlicher
Überlieferung ist der neuzeitliche Roman schriftgebunden. Ohne die
Erfindung des Buchdrucks wäre seine Entstehung kaum denkbar.
Die Gattung Roman unterliegt – anders als andere literarische Formen (wie
etwa die Tragödie; poetische Formen wie das Sonett; oder die Fabel etc.) –
keiner strengen Gattungspoetik.
Die wichtigste literarische Form der neueren Literatur ist undefinierbar.
Weder gelten formale Kriterien, die für den Roman zwingend sind, noch gibt
es für seine Stoffwahl bindende Einschränkungen. Seine relative Länge
wird oft hervorgehoben, aber das ist ein sehr vages Kriterium. Ein Roman
muß nicht in Prosa sein, denn es gibt auch Versromane – Beispiel:
Christoph Ransmayr, »Der fliegende Berg« (2006).
Ein Roman muß nicht fiktional sein, denn es gibt auch Romane nach
Tatsachen. Oft wird gerade mit dem Roman die Erwartung größerer
›Wirklichkeitsnähe‹ verbunden. Schreibweisen des ›Realismus‹ (Barthes)
entwickelten sich vor allem im Roman.
Wie entstehen Geschichten?
2. Techniken des Erzählens
Nach Gérard Genette (Die Erzählung. 2. Aufl. München 1998)
lassen sich grundsätzlich drei Ebenen unterscheiden:
1.
die Erzählung (discours):
»die narrative Aussage, der mündliche oder schriftliche
Diskurs, der von einem Ereignis oder einer Reihe von
Ereignissen berichtet«
2.
die Geschichte (histoire)
»die Abfolge der realen oder fiktiven Ereignisse, die den
Gegenstand dieser Rede ausmachen, und ihre
unterschiedlichen Beziehungen zueinander«
3.
die Narration
»der Akt des Erzählens selbst«
Edgar Lee Masters: »Spoon River
Anthology« (1916)
Photograph Penniwit
Ich verlor meine Kundschaft in Spoon River,
Weil ich der Kamera meinen Geist aufzwingen wollte,
Um die Seele meiner Modelle einzufangen.
Das beste Bild, das ich jemals gemacht habe,
War das des Rechtsanwalts Somers.
Er saß sehr aufrecht da und bat mich zu warten,
Bis er aufgehört habe zu schielen.
Und als er soweit war, sagte er: »Jetzt!«
Und ich rief: »Die Klage wird abgewiesen!« Darauf verdrehte er
wieder die Augen,
Und ich kriegte ihn so, wie er immer aussah,
Wenn er sagte: »Ich erhebe Einspruch!«
Erzählung – Geschichte – Narration am
Beispiel der »Spoon River Anthology«
Die Geschichte (histoire): Der Photograph Penniwit aus Spoon River
hatte die Angewohnheit, seine Kunden so zu porträtieren, daß ihre
spezifischen Eigenschaften hervortraten, und zwar ohne Rücksicht auf
ihren eigenen Willen. So überlistete er den Rechtsanwalt Somers, um
sein Schielen festzuhalten. Auf diese Weise verlor er allmählich seine
Kundschaft.
Die Erzählung (discours): Ein Gedicht in ungebundenen Versen, ohne
Reim, das die Geschichte vom Ende her erzählt.
Die Narration: Es handelt sich bei dem Gedicht um die Rede eines
Toten, der sich selbst vorstellt. Die »Spoon River Anthology« setzt
sich zusammen aus 214 solcher ›Epitaphen‹ (›Grabinschriften‹), in
denen ›die Toten von Spoon River‹ (so der Titel der dt. Übersetzung)
wechselseitig aufeinander Bezug nehmen. Im Grunde handelt es sich
jeweils um eine spezifische rhetorische Figur, mit der einem Toten
eine Stimme gegeben wird (Prosopopoiia)
Drei Analysekategorien:
Zeit – Modus – Stimme
Die Erzählanalyse basiert sich auf drei Kategorien, die sich jeweils
aus den Verhältnissen zwischen Geschichte, Erzählung und
Narration ergeben.
1.
Zeit. Dies betrifft das Verhältnis der Erzählung zur Geschichte:
Fragen des Verhältnisses von ›Erzählzeit‹ und ›erzählter Zeit‹, z.
B. der Chronologie, des Erzähltempos usw.
2.
Modus. Dies betrifft wiederum das Verhältnis der Erzählung zur
Geschichte, etwa die Erzählperspektive, das Vorkommen
direkter oder indirekter Rede usw.
3.
Stimme. Dies betrifft entweder das Verhältnis der Narration zur
Erzählung, etwa die Formen der Anwesenheit eines Erzählers in
der Erzählung (wenn etwa innerhalb einer Erzählung wiederum
erzählt wird), oder das Verhältnis der Narration zur Geschichte,
etwa die Frage, ob der Erzähler Teil der Geschichte ist oder
nicht.
›Zeit‹ als Erzählkategorie: Ordnung
Wie verhält sich die Reihenfolge der Ereignisse einer Geschichte zur
Reihenfolge, in die sie erzählt werden? »Mit Prolepse bezeichnen wir
jedes narrative Manöver, das darin besteht, ein späteres Ereignis im
voraus zu erzählen, und mit Analepse jede nachträgliche Erwähnung
eines Ereignisses, das innerhalb der Geschichte zu einem früheren
Zeitpunkt stattgefunden hat als dem, den die Erzählung bereits
erreicht hat« (Genette, Die Erzählung, S. 25)
Bei Edgar Lee Masters ist die Zeile »Ich verlor meine Kundschaft in
Spoon River« eine Prolepse. Es wird vorweggenommen, was erst
nach der Geschichte mit dem Rechtsanwalt passiert.
›Zeit‹ als Erzählkategorie: Dauer
Die erzählte Zeit und die Erzählzeit können sich in ihrer Dauer sehr
verschieden zueinander verhalten. Es gibt verschiedene narrative
Tempi.
Die Erzählzeit kann der erzählten Zeit entsprechen. Dies ist z.B. oft
bei Dialogen der Fall.
Die Erzählzeit kann langsamer sein als die erzählte Zeit. Dies kann
z.B. durch längere deskriptive Passagen verursacht sein.
Die Erzählzeit kann schneller vergehen als die erzählte Zeit.
Bei Edgar Lee Masters etwa wird das ganze Berufsleben eines
Photographen in wenigen Zeilen erzählt. (Dies hängt bei Masters
zusammen mit der Funktion des ›Epitaphs‹.)
›Zeit‹ als Erzählkategorie: Frequenz
Die Häufigkeit von Ereignissen in der Geschichte kann mit der
Häufigkeit ihres Erzählens verglichen werden. Es bestehen drei
Möglichkeiten:
1.
singulatives Erzählen: Was einmal geschieht, wird einmal
erzählt, bzw. was mehrmals geschieht, wird mehrmals erzählt.
2.
repetitives Erzählen: Was einmal geschieht, wird mehrmals
erzählt.
3.
iteratives Erzählen: Was mehrmals geschieht, wird einmal
erzählt.
Bei Masters handelt es sich um ein iteratives Erzählen: Er erzählt
anhand eines Beispiels, wie Penniwit immer photographiert hat.
(Auch eine Grabinschrift, wenn sie erzählt, verfährt in der Regel
iterativ.)
›Modus‹ als Erzählkategorie: Erzählen
von Ereignissen und von Worten
Grundsätzlich läßt sich zwischen einer Erzählung von Ereignissen
und einer Erzählung von Worten unterscheiden. Dabei kommt in
unterschiedlichem Maße das Problem der Nachahmung ins Spiel.
Die Erzählung von Ereignissen kann auf rhetorischem Wege eine
gewisse Lebendigkeit erreichen (Figuren der Evidenz, der
Hypotypose), den Eindruck des Konkreten erzeugen (Jolles,
Memorabile) oder Effekte von Realismus erzielen (Barthes).
Im strengen Sinne mimetisch (nachahmend) verfährt aber nur die
Erzählung von Worten. Beispiel Masters: »Und als er soweit war,
sagte er: ›Jetzt!‹«
Mit Worten (aus denen ja jede Erzählung besteht) ist nur eine
Nachahmung von Worten möglich.
›Modus‹ als Erzählkategorie: Formen der
Erzählung von Worten
1.
2.
3.
berichtete Rede (direkte Rede). Diese Form liegt bei Masters
vor. Beispiel: »Ich rief: ›Die Klage wird abgewiesen!‹« Zur
berichteten Rede zählt auch der innere Monolog.
narrativisierte oder erzählte Rede. Z.B. wenn man Masters so
umformuliert: »Ich verwendete eine Formel, die bei Gericht
zur Abweisung von Klagen gebraucht wird.«
transponierte Rede, die als indirekte Rede (style indirect)
auftritt, wobei der tatsächlich zugrundeliegende Wortlaut
unklar bleibt (z. B.: »Er saß sehr aufrecht da und bat mich zu
warten bis er aufgehört habe zu schielen.«), oder auch als
erlebte Rede (style indirect libre) (z. B.: » Er saß sehr aufrecht
da. Ich sollte gefälligst warten bis er aufgehört hatte zu
schielen.«)
›Modus‹ als Erzählkategorie:
Fokalisierung
Erzählungen können durch einen Fokus bestimmt werden, der die Auswahl dessen bestimmt, was erzählt wird (die Sichtweise, die Perspektive).
Die Fokalisierung bestimmt sich im Verhältnis von Erzähler und Figur. Drei
Konstellationen sind denkbar. Sie lassen sich in folgenden Formeln und
Begriffen ausdrücken:
Erzähler > Figur
Nullfokalisierung: Der Erzähler sagt mehr als
irgendeine der Figuren weiß (ein ›allwissender‹ oder
›auktorialer‹ Erzähler).
Erzähler = Figur
interne Fokalisierung: Der Erzähler sagt nicht mehr,
als eine Figur weiß (ein ›personaler‹ Erzähler). Die den
Fokus bestimmende Figur kann innerhalb der
Erzählung wechseln.
Erzähler < Figur
externe Fokalisierung: Der Erzähler sagt weniger, als
die Figur weiß. (Dies ist z.B. bei manchen Detektivgeschichten der Fall, wenn der Detektiv seine Einsichten
erst am Ende verrät).
›Modus‹ und ›Stimme‹
Das Gedicht von Edgar Lee Masters ist eine Erzählung mit
Nullfokalisierung.
Es gibt darin zwei Figuren, den Photographen und den Juristen. Der
Erzähler sagt mehr als beide Figuren wissen (nämlich daß der Photograph
seine Kundschaft verlieren wird). Also liegt keine Fokalisierung vor.
Daß es im Gedicht einen Ich-Erzähler gibt, scheint nahezulegen, daß der
Erzähler und die Figur des Photographen identisch sind. Man muß aber
unterscheiden zwischen dem Photographen, der seine Kundschaft (und
sein Leben) erst noch verlieren wird, und dem Toten, der spricht.
Die Frage, ob es sich um eine Ich-Erzählung oder um eine Erzählung in
der dritten Person handelt, hat mit dem Problem der Fokalisierung gar
nichts zu tun. Generell muß unterschieden werden zwischen der Frage
Wer sieht? (Modus des Erzählens) und der Frage Wer spricht? (Stimme
des Erzählens).
›Stimme‹ als Erzählkategorie:
narrative Ebenen
In Bezug auf die Instanz des Erzählens, die Stimme, lassen sich verschiedene Ebenen der Narration unterscheiden, die man ›extradiegetisch‹,
›intradiegetisch‹ und ›metadiegetisch‹ nennt (von griechisch diegesis =
Erzählung).
3. Erzählung
2. Erzählung
1. Erzählung
extradiegetisch
intradiegetisch
metadiegetisch
›Stimme‹ als Erzählkategorie:
Beziehungen zum Erzählten
Im Hinblick auf die Stimme des Erzählers läßt sich fragen, ob sie als eine
Person betrachtet werden kann, die selbst an dem, was sie erzählt,
partizipiert.
Wenn der Erzähler zugleich als Protagonist im Erzählten auftritt, nennt
man die Erzählinstanz ›homodiegetisch‹. Dies wird durch ein Erzählen in
der 1. Person angezeigt, wobei sich das ›Ich‹ auf einen Protagonisten
bezieht.
Wenn der Erzähler nicht zugleich als Handelnder im Erzählten auftritt,
spricht man von einer ›heterodiegetischen‹ Erzählinstanz. Auch hier ist
ein Erzählen in der ersten Person möglich, aber das ›Ich‹ bezieht sich
dann nur auf den Erzähler und nicht auf einen Protagonisten (Beispiele:
»Ich bitte den Leser um Verzeihung«, »Ich wende mich nun einem
anderen Schauplatz des Geschehens zu« etc.).
Im Falle von Masters‘ Gedicht handelt es sich um homodiegetische
Erzählinstanz. Das ›Ich‹ bezieht sich auf Penniwit als Protagonisten.
›Stimme‹ als Erzählkategorie:
Kombinationen von Ebenen und Beziehungen
Ebene
extradiegetisch
Beziehung
heterodiegetisch
homodiegetisch
Photograph
Penniwit
intradiegetisch
›Stimme‹ als Erzählkategorie: Polyphonie
Edgar Lee Masters’ »Spoon River Anthology« läßt nicht nur ein
›Ich‹ zu Worte kommen, sondern viele. Die Frage Wer spricht? ist
für jedes seiner Gedichte anders zu beantworten. Dabei bildet der
Name des jeweiligen Ich zugleich den Titel des Gedichts – hier:
»Photograph Penniwit«. In einem Anhang zum Gedichtzyklus findet
sich ein alphabetischer Index aller Namen, den man nutzen kann
wie ein Telefonbuch, um zu erfahren, wie man die einzelnen
Stimmen ›erreichen‹ kann.
Mit seiner Polyphonie (Vielstimmigkeit) nähert sich Masters’
Gedichtzyklus dem modernen Roman.
Einer These des russischen Literaturwissenschaftlers Michail
Bachtin zufolge ist Polyphonie ein generelles Charakteristikum des
modernen Romans. Darin kommt nicht zuletzt der Umstand zum
Tragen, daß der Roman alle möglichen Gattungen und Formen in
sich zu vereinen vermag (vgl. das Zitat von Herder).
Masters: The Spoon River Anthology
Richter Somers
Wie kommt es, sagt mir
Daß ich, der tüchtigste aller Juristen,
Der Blackstone und Coke beinah auswendig kannte,
Der die prächtigste Rede hielt, die je
Der Gerichtshof gehört hat, und der eine Klagschrift
Verfaßte, die selbst Richter Breese gerühmt hat,
Wie kommt es, sagt mir,
Daß ich hier liege, unbeachtet, vergessen,
Während Chase Henry, der Stadt-Trunkenbold,
Seinen Marmorblock hat, mit einer Urne darauf,
In die – spöttischer Einfall! – der Wind
Ein blühendes Unkraut gesät hat?
Masters: »The Spoon River Anthology«
Wie sind die unterschiedlichen Stimmen der Toten von Spoon River
beschaffen?
Im Gedicht »Richter Somers« etwa ›spricht‹ das Ich hauptsächlich von
seiner Eloquenz, seiner Redegewandtheit vor Gericht. Sein Text ist eine
einzige rhetorische Frage, und er prangert die Ungerechtigkeit an, die
ihm mit seiner schmucklosen Grabstätte widerfahren ist.
Das Gedicht »Photograph Penniwit« dagegen handelt vom Jetzt! der
Auslösung der Kamera. Die exemplarische Erzählung von der besten
Photographie faßt das ganze Leben Penniwits gleichsam in einer
Momentaufnahme zusammen.
Beide Stimmen sind in der Art und Weise ihrer Rede durch ein
spezifisches Tun gekennzeichnet. Die Narration ereignet sich in ihnen
jeweils auf andere Weise.
Narration: Resümee der Grundbegriffe
(klausurrelevant)
Anekdote
Einfache Form
Legende
Memorabile
Roman
Erzählung (discours) – Geschichte
(histoire) – Narration
drei erzählanalytische Kategorien:
Zeit / Modus / Stimme
Prolepse / Analepse
Erzählung von Ereignissen /
Erzählung von Worten
berichtete Rede (direkte Rede,
innerer Monolog)
narrativisierte oder erzählte Rede
transponierte Rede (indirekte
Rede, erlebte Rede)
Fokalisierung (Nullfokalisierung,
interne Fokalisierung, externe
Fokalisierung)
Dauer (Erzählzeit/erzählte Zeit)
extradiegetisch / intradiegetisch /
metadiegetisch
Frequenz: singulatives, repetitives,
iteratives Erzählen
homodiegetisch /
heterodiegetisch
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