Steyr-Werken

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Roman Sandgruber
Von der Krise in den Krieg
Fortbildungsveranstaltung
Münzkirchen
12.5.2009
Demokratie
• Mit der Ausrufung der Republik Österreich am 12.
November 1918 war die Ausweitung des Allgemeinen
Wahlrechts auf Frauen und die Änderung von einem
Mehrheitswahlrecht, in welchem in jedem Wahlkreis ein
Abgeordneter ermittelt wurde, zu einem
Proportionalwahlrecht verbunden.
• Parteipolitisch traten sich die Arbeiterbewegung –
repräsentiert durch die Sozialdemokratie – und das
äußerst heterogene bürgerliche Lager – die
Christlichsoziale Partei, die Legitimisten, die
deutschnationalen Parteien, vom Landbund über die
Großdeutschen bis zu den Nationalsozialisten, sowie die
autoritär-faschistisch orientierte Heimwehrbewegung – in
unüberbrückbarem Gegensatz gegenüber.
Revolution, Rätebewegung,
Sozialgesetze
•
„Ende des Feudalismus“: Die Aristokratie war der größte Verlierer des Zusammenbruchs
der Habsburger Monarchie. Mit Gesetz vom 3. April 1919 wurden alle Vorrechte des
Adels abgeschafft. Das Führen von Wappen und Adelstiteln wurde verboten. Die
berühmte Antwort des Grafen Sternberg auf seiner Visitenkarte war: “Geadelt
von Karl dem Großen, entadelt von Karl Renner.”
•
Die Rätebewegung:
–
–
8. März 1917: Russische "Februarrevolution" (= 23. Februar julianischen Kalenders):
7. November 1917: Russische "Oktoberrevolution": Sturm auf das Winterpalais, Sturz der
bürgerlich-republikanischen "provisorischen Regierung"; Ausrufung der "Sowjetrepublik" durch den
II. Gesamtrussischen Kongreß der Arbeiter- und Soldatendeputierten; Bildung einer Regierung unter
der Bezeichnung "Rat der Volkskommissare" (Vorsitzender Wladimir Iljitsch Lenin).
– ungarische Räterepublik (März – Juli 1919)
– bayerische Räte (Frühjahr 1919)
– Österreichische Rätebewegung (Arbeiter-, Bauern-, Bürger-, Schüler-, Konsumentenräte...);
Nationalräte statt Abgeordnete, Betriebsräte statt „Vertrauensmänner“; Wehrverbände...
•
•
Österreichische Sozialpolitik: Achtstundentag, Arbeitslosenversicherung, Arbeiterurlaub,
Betriebsräte, Arbeiterkammern, Mieterschutz, Verbesserung des Kollektivvertragsrechts und des
Jugend- und Frauenschutzes ...
Österreich: Sozialisierung oder Verstaatlichung?
– Drei Sozialisierungsgesetze
– Konzepte der Drittelparität (Staat, Arbeiter, Konsumenten)
Die Parteien der Zwischenkriegszeit
•
•
•
•
•
•
Die größte Partei war die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP). Der
Anstieg ihrer Mitgliederzahlen setzte schon im Krieg ein: nach Kriegsende
erreichte sie über 330000, und 1929, am Höhepunkt, mit mehr als 650000
die weitaus höchste Mitgliederdichte in ganz Europa, dies vor allem in
Wien, dessen Landesorganisation die größte Parteiorganisation der Welt
war. Mit 400000 Parteimitgliedern war etwa ein Viertel der Wiener
Bevölkerung erfasst, 47 Prozent der Wiener Arbeiter waren Anfang der
dreißiger Jahre sozialdemokratisch organisiert, drei Viertel der Mitglieder
waren Arbeiter, mehr als 80 Prozent der Arbeiter wählten
sozialdemokratisch.
Die Christlichsoziale Partei war bereits 1918 stark bündisch orientiert.
Bauernbünde, Christliche Arbeiterbewegung, Teile der katholischen
Beamtenschaft und des Kleingewerbes
Großdeutsche Volkspartei: 1930 etwa 65000 Mitglieder, vor allem unter
Lehrern und Beamten
Landbund für Österreich: nationale Bauern
Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei: nationalen
Gewerkschaften, etwa beim Deutschen Handelsgehilfenverband; Das
Auftreten Hitlers in Deutschland spaltete die österreichische Partei 1926 in
mehrere Richtungen, eine Hitlerbewegung und zwei stärker
österreichische orientierte. Erst in den dreißiger Jahren setzte der
Zuwachs ein
Heimwehr
Der Austromarxismus
•
Der Austromarxismus brachte bedeutende Theoretiker hervor:
– Victor Adler, der am Vorabend der Republiksausrufung verstorben war,
– Rudolf Hilferding, der 1877 in Wien geboren, 1907 bereits nach Deutschland übersiedelte
und 1941 in Paris in Gestapo-Haft umkam,
– Karl Kautsky (1854-1938), der ab 1920 wieder in Wien lebte und 1938 nach Holland
flüchtete,
– Otto Bauer (1881-1938), der wichtigste theoretische Kopf der Sozialdemokratie, der 1934
in die Tschechoslowakei flüchtete und 1938 in Paris verstarb,
– Friedrich Adler (1879-1960), der durch das Attentat auf Ministerpräsident Graf Stürgkh am
21. Oktober 1916 im Hotel Meißl & Schadn zum Helden der internationalen
Arbeiterbewegung aufgerückt war und bis 1940, bis zu ihrer Auflösung, als Sekretär der 2.
Internationale fungierte, dann in die USA ins Exil ging und 1945 nicht mehr nach Österreich
zurückkehrte, und
– Max Adler (1873-1937), der in Verbindung mit dem Neukantianismus eine sozialistische
Lebens- und Kulturlehre formulierte.
•
Was die österreichische Sozialdemokratie kennzeichnete, war der Ernst des
gesellschafts- und kulturpolitischen Auftrags,
– Arbeiterbildung durch Volkshochschulen und Arbeiterbibliotheken
– Fest- und Sportkultur (Arbeitersänger, Arbeitersymphonieorchester),
– Vereinswesen, vom ASKÖ, den Naturfreunden, den Arbeiterabstinenten, den Anhängern
der Freikörperkultur über die Arbeiter-Radfahrer, Arbeiter-Photographen, ArbeiterAmateurfunker und die Organisierung der Frauen, Kinder und Jugend bis zu den
Freidenkern und Anhängern der Feuerbestattung („Die Flamme“) erstreckte. Esperanto,
Schach, Briefmarkensammeln, Kleingärten, Fischen, Flugsport,
Drei Säulen der Sozialdemokratie
• Die Sozialdemokratie stützte sich auf die drei
Säulen
– Partei,
– Gewerkschaft und
– Genossenschaften, auf die
Konsumgenossenschaften und die
Siedlungsgenossenschaften.
• Von den österreichischen Parteien hatte die
SDAP den größten Besitz an Unternehmen:
– Konsumvereine und Großeinkaufgesellschaften, Brotund Papierfabriken, Druckereien, Zeitungen, die
Arbeiterbank.
Ignaz Seipel (18761932)
•
•
•
•
•
Die bedeutendste Persönlichkeit unter den zwölf
Bundeskanzlern, die die Erste Republik in den kaum
zwanzig Jahren ihres Bestehens zählte.
Für seine Gegner der Prälat ohne Milde, für seine
Sympathisanten ein Priester und Sanierer der
Seelen, für wohlwollende politische Beobachter die
bedeutendste Persönlichkeit, die die christlichsoziale
Partei in der Ersten Republik hervorgebracht hatte,
für Kritiker ein gewievter Taktiker.
Sohn eines Wiener Fiakerkutschers und späteren
Hausmeisters, von 1909 bis 1917 als Professor für
Moraltheologie in Salzburg Am 1. 6. 1924 war er
durch das Attentat eines Arbeiters schwer verletzt
worden und vier Monate im Spital. Seit dem 37.
Lebensjahr war er zuckerkrank, eine Kugel des
Attentats verblieb in einem Lungenflügel, 1930
meldete sich die Tuberkulose.
Im Oktober 1918 unter Heinrich Lammasch war er
Minister für Soziale Fürsorge und formulierte für
Kaiser Karl die Abdankungsurkunde. Als
Bundeskanzler führte er fünf Regierungen in den
Jahren 1922-1924 und von 1926-1929. 1930 war er
noch kurzzeitig Außenminister.
Seine wichtigste Leistung war die Sanierung der
österreichischen Währung im Jahr 1922 mit Hilfe
einer Anleihe des Völkerbundes.
Stabilisierung und „Goldene
20er Jahre“ (?)
•
•
Die „Goldenen 20er Jahre“ fanden in Österreich nicht statt
Die Stabilisierung
– Geldstabilisierung von außen abgestützt, auf deren Basis dann eine Steuerreform und
Sanierung des Staatshaushalts durchgeführt werden konnte.
– „Genfer Sanierung“ 1922
– Einführung des Schillings 1924: 1 S = 10000 K
•
Kapitalarmut und Bankenkrise
– Hohes Zinsniveau als Folge der Hyperinflation und Vernichtung der Geldkapitalien
– Die Banken: Beibehaltung der Aktivitäten im Donauraum oder Beschränkung auf
Österreich?
– Liberaler Außenhandel oder Protektionismus?
– Bankenproblematik: Überhang an Banken, Ausdünnung der Eigenkapitalbasis, viele
faule Kredite, kurzfristiges Geld langfristig verliehen.
•
Die Rationalisierung
– Taylorismus, Fließband, Rationalisierung: in Österreich vergleichsweise wenig
durchgesetzt.
– Neue Produkte: Elektrifizierung und Elektrogeräte, Radio und Film, Automobil, Flugzeug,
...
Das Trauma der Weltwirtschaftskrise (1929 38)
•
Die Weltwirtschaftskrise, die sich in Österreich aus strukturellen und aus
wirtschaftspolitischen Gründen als besonders hartnäckig darstellte, als
–
–
–
–
–
•
•
Die Industriekrise
• Arbeitslosigkeit
Die Krise der Bauwirtschaft:
• Wohnbau
• Infrastrukturbauten...
Die Agrarkrise
• Weltweite Überschüsse
• Innerösterreichische Probleme der Agrarproduktion
• Reagrarisierung oder Industrialisierung?
Die Börsen- und Bankenkrise
• Schwarzer Donnerstag: 24. Oktober 1929: New Yorker Börsenkrach
• Bankenkrach: Versuch der Lösung durch Fusionen und Übernahmen: Krise der Bodencreditanstalt
1929; Krise der Credit-Anstalt 1931
• Staatliche Stützung
Die Tourismuskrise
• Kaufkraftrückgang
Die Weltwirtschaftskrise verschärfte die Lagermentalität und die sozialen und politischen
Gegensätze und Gewalttätigkeiten und trieb viele in die Arme der Nationalsozialisten.
Die Weltwirtschaftskrise förderte den Ruf nach dem Führer, dem starken Staat, der
„Demokratie der Tat“...
Finanzkrise 1929/2008
•
•
•
Was wir von den Anfängen der Finanzkrise des Jahres 2008 bislang erlebt haben,
ist recht ähnlich dem, was sich im Jahr 1929 ereignet hat. Beide Male, 1929 und
2008, war die Krise im Oktober, im Finanzbereich ausgebrochen: Wir stehen,
sinnbildlich, erst am Ende des Jahres 1929. Die damalige Wirtschaftskrise
erreichte ihre Höhepunkte im Jahr 1931 und 1932 und dauerte in Österreich
mindestens bis zum Jahr 1937, in den USA oder in Norwegen sogar bis 1939.
Die Aktien an der Wiener Börse stürzten 2008 viel stärker als 1929: Der Wiener
Aktienindex verlor 2008 mehr als 60 Prozent. 1929 reagierte die Wiener Börse
vorerst recht wenig auf die internationale Krise, obwohl mit der Krise der
Bodencreditanstalt am 5. Oktober 1929 die erste große Erschütterung von Wien
ausgegangen war. Der Wiener Aktienindex lag 1928 bei 112,0, im Jahr 1929 bei
109,9, fiel 1930 auf 99,6. Der Tiefststand wurde erst 1933 mit 53,5 erreicht. Dann
ging es langsam aufwärts. 1937 wurde mit 113,8 erstmals das Niveau von 1929
wieder überschritten.
Auf die Realwirtschaft hatte die Krise im Jahr 1929, ähnlich wie im Jahr 2008, noch
recht wenig übergegriffen. Das Jahr 1929 war jenes Jahr in Österreich, in welchem
das höchste Bruttosozialprodukt der gesamten Zwischenkriegszeit erwirtschaft
worden war. Das BIP, das in Österreich 1929 noch um 1,4 Prozent gewachsen war,
nachdem 1928 ein Wachstum von 4,6 und 1927 von 3,0 Prozent erreicht worden
war, sank 1930 um 2,8 Prozent, 1931 um weitere 8,0 Prozent und 1932 noch
einmal um 10,3 Prozent. Erst 1934 konnte wieder ein Wachsrum erreicht werden:
0,9 Prozent. 1937, im Jahr vor dem Anschluss, wuchs die österreichische
Wirtschaft um 5,3 Prozent.
ATX, 1925 bis 1938, März 1938 = 100
140
120
100
80
60
40
20
0
1925
1930
1935
1940
ATX – 1986 bis 2009
Ursachen für die besondere Härte der
Weltwirtschaftskrise
in Österreich
•
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•
Erstens die langfristigen und strukturellen Folgen des Zerfalls des gemeinsamen
Wirtschafts- und Handelsraumes der Habsburgermonarchie mit ihren generell negativen
und für das ehemalige Zentrum der Habsburgermonarchie, die spätere Republik
Österreich, besonders nachteiligen Auswirkungen.
Zweitens die den Krieg und den Zerfall des gemeinsamen Wirtschaftsgebietes
begleitende und seine Folgen verschärfende Hyperinflation mit den nach der Stabilisierung
sich ergebenden extrem hohen Zinssätzen, die die Investitionsbereitschaft lähmten.
Drittens der fast völlige Zusammenbruch des Außenhandels und damit der
außenwirtschaftlichen Arbeitsteilung in Mitteleuropa.
Viertens die nicht abreißende Kette von Bankenzusammenbrüchen und die damit
verbundene Kapitalvernichtung, die die Handlungsspielräume extrem eng machte. Der
drohende Zusammenbruch der Bodencreditanstalt am 5. Oktober 1929 konnte nur durch
eine Fusion mit der Creditanstalt aufgeschoben werden. 1931 brach die mühsam gekittete
Hilfskonstruktion. Die Creditanstalt konnte nur durch staatliche Hilfsmaßnahmen, die der
Höhe nach fast ein ganzes Bundesbudget in Anspruch nahmen, gerettet werden.
Fünftens die Folgen der politisch-wirtschaftlichen Pressionen, die von Deutschland aus
auf Österreich ab dem Jahr 1933 ausgeübt wurden.
Sechstens auch die Auswirkungen der österreichischen Beschäftigungs- und
Wirtschaftspolitik, die kurzfristig wenig Erfolge zeigte und langfristig ihre Bewährungsprobe
nicht antreten konnte.
Siebtens wohl auch der Umstand, dass das Land innenpolitisch nicht zur Ruhe kam und
der Versuch zur Bildung einer Konzentrationsregierung, wozu Ignaz Seipel im Juni 1931
vom Bundespräsidenten beauftragt worden war, fehlschlug und das gegenseitige
Misstrauen der Parteien immer größer wurde.
Erklärungen für die Weltwirtschaftskrise
•
Weltwirtschaftskrise als Folge
– der Destabilisierung der Weltwirtschaft und der österreichischen Wirtschaft durch
den Ersten Weltkrieg
– den Zerfall der Habsburgermonarchie
– die Behinderung des freien Welthandels
•
Weltwirtschaftskrise als Folge der Eingriffe der Politiker in die freie Wirtschaft:
– durch die planwirtschaftlichen Elemente aus dem Weltkrieg,
– die "sozialen Lasten" aus dem "Sozialboom" nach Kriegsende,
– Ausschaltung des Marktes mit entsprechender Starrheit der Löhne nach unten, durch
Subventionen und Zölle...,
– Ruf nach "starken Männern" und nach "starkem Staat", auch und besonders auch von Seiten
der Liberalen, etwa Ludwig von Mises oder Oskar Morgenstern.
•
Weltwirtschaftskrise als Konjunkturphänomen: Zusammentreffen der Abschwungphase eines
Kondratieff-Zyklus und der Abschwungphase eines Juglarzyklus
•
Weltwirtschaftskrise als Strukturkrise des Kapitalismus: Weltwirtschaftskrise als Ausdruck
des „langfristig unausweichlichen“ Zusammenbruchs des Kapitalismus
Strategien der Bekämpfung
•
Liberale Strategien: Krise als "Kalte Dusche", aus der man gestärkt
•
Konservative Strategien: Interventionen, die Gegeninterventionen
auslösten:
hervorgehe: Eine antizyklische Wirtschaftspolitik würde den Wettbewerb
verzerren und den Wiederaufschwung hinauszögern. Es würden die
Symptome, nicht die Ursachen kuriert.
– Abwertung – Abwertungswettlauf
– Zollerhöhungen – Retorsionszölle
– Importbeschränkungen, Reisebeschränkungen...
Devisenbewirtschaftung - Außenhandelsbewirtschaftung,
protektionistische Politik
– nationale Lösungen, Kompensationsgeschäfte, Clearingsysteme:
dramatische Reduktion des Welthandels
•
Staats- und planwirtschaftliche Strategien: Sowjetunion, Französische
•
Keynesianische Strategien: John Maynard Keynes (1883-1946);
1935 erscheint die „General Theory“
Volksfrontregierung
–
–
–
–
–
New Deal, USA;
Japanischer Präkeynesianismus,
Nationalsozialistische Beschäftigungspolitik;
Schwedischer Keynesianismus,
Französische Volksfrontpolitik
Finanzschuld des Bundes 1925 bis 1937
(in % des BIP)
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937
Die
ÖKA
Der neue Hauptbahnhof Linz
1934/36
Tabakfabrik Linz
• Peter Behrens und
Alexander Popp
Linzer Tabakfabrik
Industriekrise in Oberösterreich
•
•
•
•
Der Industrialisierungsgrad Oberösterreichs war noch gering: Nur etwa 10 Prozent der
oberösterreichischen Bevölkerung waren der Industrie zuzurechnen. Von der
österreichischen Industrie entfielen nur etwa 10 Prozent auf Oberösterreich.
Aber in Oberösterreich waren krisenempfindliche Branchen besonders stark vertreten: die
Automobilfabrikation in den Steyr-Werken, der Schiffsbau mit der Linzer Schiffswerft, die
Lokomotiverzeugung mit der Linzer Lokomotivfabrik Kraus. Die mächtige Sensen- und
Sichelindustrie des Landes litt nicht nur unter der Konkurrenz der immer wichtiger
werdenden Mähmaschinen, sondern auch unter dem Wegfall des großen russischen
Marktes, der 1929 von Stalin für österreichische Sensenexporte gesperrt worden war. Die
vielen Granitsteinbrüche und Ziegelwerke spürten den Zusammenbruch der
Baukonjunktur.
Von 1929 bis 1934 verringerte sich die Zahl der Beschäftigten in der oberösterreichischen
Industrie um 41 Prozent.
Der Beschäftigtenabbau bei den Steyr-Werken war dramatisch: von 6648 im Jahr 1929 auf
969 im April 1934. Das Messingwerk Reichraming wurde bereits 1928 stillgelegt. Die
vollständige Verlagerung der Reifenwerke Reithoffer von Steyr nach Traiskirchen und
Wien. Die Linzer Schiffswerft entließ mehr als 500 ihrer 636 Beschäftigten. Die
Lokomotivfabrik Krauß & Co., die nach dem Ersten Weltkrieg durch sehr erfolgreiche
Serien von Elektro- und Dampflokomotiven hervortrat, wurde völlig unerwartet am 1. August
1930 um 9 Uhr früh stillgelegt. Die Lage der Sensen- und Messerindustrie war
verzweifelt, ebenso wie die der gesamten Eisen- und Metallindustrie. Die Liste ist lang: die
Österreichische Bamag-Büttner-Werke AG in Linz, die Baumwollspinnerei Rädler, die
Welser Lederwerke Adler AG der Brüder Falkensammer, die Koloseus-Herdfabrik/Wels,
die Welser Maschinenfabrik und Eisengießerei Ludwig Hinterschweiger & Co, die
Velourhutfabrik Carl Blum, die Büromöbelfabrik Hobeg, die Deckenfabrik Wilhelm
Weinzierl, die "Titania"-Werke und die Seifen-, Kerzen- und Fettwarenfabrik Henry.
Arbeitslosigkeit, Österreich, 1900-1998, in %
30,0
25,0
20,0
15,0
10,0
5,0
0,0
1990
1980
1970
1960
1950
1940
1930
1920
1910
1900
"Täglich kommen 15 bis 20 Arbeitslose in den Pfarrhof betteln“
Pfarrer Anton Pichler, Pfarrchronik von Kollerschlag, 1932.
Das „rote“
Steyr
•
"Das wirtschaftliche Leben dieser
Stadt mit ihren rund
zweiundzwanzigtausend
Einwohnern ist auf Gedeih und
Verderb mit einem einzigen
Unternehmen verknüpft: der
früheren Waffenfabrik, die seit
dem Kriegsende Kraftfahrzeuge
erzeugt! Was Steyr sonst noch an
Unternehmen ausweist, ist völlig
bedeutungslos.“ (Karl Honay,
Sekretär des Deutschösterreichischen
Städtebundes, 1928)
Steyr-Werke, Haupttor
Steyr 200
Steyr Babies
Steyr Waffenfabrik, 1917 bis 1934,
Beschäftigte
14 000
12 000
10 000
80 00
60 00
40 00
20 00
0
19 15
19 20
19 25
19 30
19 35
Erzeugte Autotypen in Steyr
Typ
Stückzahl
Erzeugungsjahre
II
IV
VI Klausen
VI Sport
V
VII
XII
XVI
XX
Austria
30
45 Taxameter
Steyr-Opel
130 = 30 E
230 = 30 S
330 = 30 SL
430
100
120
530
125 = 120 S
200
50/55
220
630
2150
950
60
85
1850
2150
11124
400
2900
3
2200
666
496
343
620
55
1250
2850
1200
456
200
5040
13000
5900
500
1920/24
1921/25
1922/28
1922/26
1924/25
1925/29
1926/29
1928/29
1928/29
1929
1930/31
1930/33
1932
1932
1932
1932/33
1933/35
1934/36
1934/36
1934/36
1936/37
1936/40
1936/40
1937/41
1937/39
RSO
1500 A-Typ
2000 A-Typ
2600
12450
6400
1942/44
1941/44
1944
Wir stammen
Aus einer Waffenfabrik.
Unser kleiner Bruder ist
Der Mannlicherstutzen.
Unsere Mutter aber
Eine steyrische Erzgrube.
Wir haben:
Sechs Zylinder und dreißig Pferdekräfte.
Wir wiegen:
Zweiundzwanzig Zentner.
Unser Radstand beträgt:
Drei Meter.
Jedes Hinterrad schwingt geteilt für sich: wir haben
Eine Schwenkachse.
Wir liegen in der Kurve wie Klebestreifen.
Unser Motor ist:
Ein denkendes Erz.
Mensch, fahre uns!!
Wir fahren dich so ohne Erschütterung
Daß du glaubst, du liegst
In einem Wasser.
Wir fahren dich so leicht hin
Daß du glaubst, du mußt uns
Mit deinem Daumen auf den Boden drücken und
So lautlos fahren wir dich
Daß du glaubst, du fährst
Deines Wagens Schatten.
(Bertolt Brecht)
Automobilbestand, Oberösterreich, 1910 bis 1990
1910
1920
1930
1938
1946, 1.7.
1946, 1.11.
1955
1960
1970
1980
1990
97
190
1394
2935
3829
4776
14682
73063
183593
366487
1269540
Steyr – ärmste Stadt Österreichs
•
•
•
Steyr wurde zum Symbol der Weltwirtschaftskrise. Es war zu einer der "ärmsten
Städte der Republik" geworden. Ende 1931 war rund die Hälfte der Steyrer
Bevölkerung auf Arbeitslosenunterstützung und andere öffentliche Fürsorge
angewiesen. Die politischen und sozialen Gegensätze der Zwischenkriegszeit
prallten gerade hier mit besonderer Härte auf einander.
Vom Jahr 1929 bis zum Tiefpunkt im Jahr 1934 verloren in Oberösterreich mehr als
48000 Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz, davon rund 43000 in Industrie und Gewerbe.
Bei der Volkszählung am 22. März 1934 bezeichneten sich 58870 Personen als
arbeitslos, um 22929 mehr, als zu dieser Zeit als arbeitslos unterstützt wurden und
um 20723 mehr, als vorgemerkt waren. Im oberösterreichischen Durchschnitt waren
Ende März 1934 33 Prozent aller nichtlandwirtschaftlichen Erwerbstätigen ohne
Arbeit, in Linz 26,6 Prozent, in Steyr 41 Prozent.
Die Depression stand im Zeichen eines dramatischen Verbrauchsrückgangs, der sich
am drastischsten am mehr als halbierten Bierkonsum ablesen ließ. Das wirkte sich
auf die Nachfrage nach Most aus: Die Arbeitslosen oder Ausgesteuerten, und nicht
nur diese, tranken im Gasthaus oder bei einem Bauern ”a Seitl Most, dass net vü
kost‘”. Das Hauptproblem waren die sinkenden Masseneinkommen, die hohen Zinsen
und die deflationäre Tendenz, die die Wirtschaft erfasst hatte. Nach 1934 besserte
sich die Lage zwar allmählich. Doch im Jahre 1937 warteten einschließlich der
"Ausgesteuerten", deren Zahl man auf über 20000 schätzte, in Oberösterreich immer
noch etwa 50000 Menschen auf Arbeit.
Steyr
hungert
• "Steyr, das ist heute die
Stadt der Not, des Elends,
der Armut und des bittersten
Jammers. Für einen Großteil
der Bevölkerung ist Steyr
Vaterstadt gewesen, ein
unbarmherziges Schicksal
treibt zahlreiche Steyrer in
die Fremde. Das Gespenst
einer Dauerarbeitslosigkeit
breitet sich über die Stadt ...“
(Der Steyrer Bürgermeister
Sichlrader in seiner
Begrüßungsrede für
Bundeskanzler Schober am
29. März 1930)
Die Folgen der
Wirtschaftskrise
• Der Aufstieg des Nationalsozialismus und
die Anschlussproblematik
– Beschäftigungspolitik oder
Stabilisierungspolitik?
– Deutschland, Italien oder Donauraum?
• Politische Konflikte
– Ruf nach „Führern“, „starken Männern“
und Diktatur („Demokratie der Tat“)
– Ausschaltung des Parlaments und
Einführung der Diktatur
– Bürgerkrieg (Februar 1934) und
nationalsozialistischer Juliputsch (Juli
1934)
– Vaterländische Front - Heimwehr –
Nationalsozialismus
• Der Weg zum Anschluss
Zahl der Streiks, 1918 bis 1937
500
450
400
350
300
250
200
150
100
50
0
36
19
34
19
32
19
30
19
28
19
26
19
24
19
22
19
20
19
18
19
Durch Streik verlorene Arbeitstage
1918 bis 1937
2500000
2000000
1500000
1000000
500000
0
37
19 6
3
19
35
19 4
3
19
33
19 2
3
19
31
19 0
3
19 9
2
19
28
19
27
19
26
19 5
2
19 4
2
19
23
19 2
2
19
21
19 0
2
19
19
19 8
1
19
Opfer politischer Gewalt
(Österreich, 1918 bis 1934)
600
500
400
300
200
100
0
34
19
33
19
32
19
31
19
30
19
29
19
28
19
27
19
26
19
25
19
24
19
23
19
22
19
21
19
20
19
19
19
18
19
Anteil der NSDAP, Wahlen 1930 bis 1933
(in % )
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
Nationalratswahl
1930
Landtagswahlen
Gemeinderat,
1932 (Wien,
Innsbruck, Landeck
Niederösterreich,
1933
Salzburg, Vorarlberg
NSDAP in Oberösterreich
•
•
•
1932 verlegte die gesamtösterreichische Führung der NSDAP ihren Hauptsitz und ihr
Führungszentrum nach Linz. Ihre Aktivitäten verstärkten sich. Der Linzer
Diözesanbischof Johannes Maria Gföllner studierte das Parteiprogramm der NSDAP
sorgfältig und nahm in einem Hirtenbrief vom 21. Jänner 1933 öffentlich gegen den
Nationalsozialismus und dessen Programm Stellung. Dieser Hirtenbrief gilt als erstes
kirchliches Dokument, das eine scharfe und umfassende Verurteilung des
nationalsozialistischen Gedankengutes enthält. Gleichzeitig ist dieser Hirtenbrief
leider auch ein Zeugnis eines tiefgreifenden kirchlichen Antisemitismus.
Die NSDAP erreichte in Oberösterreich bei den Nationalratswahlen 1930 nur 2,5
Prozent der Stimmen und bei den Landtagswahlen 1931 magere 3,5 Prozent und
verfehlte damit sowohl den Einzug in den Nationalrat wie auch in den Landtag. Die
Christlichsoziale Partei hatte 1931 mit 52,4 Prozent der Stimmen ihr bestes
Landtagswahlergebnis in der Zwischenkriegszeit erreicht, während der
austrofaschistische Heimatblock nur 4,1 Prozent erhielt.
Die beiden großen politischen Lager, die Christlichsozialen und die
Sozialdemokraten, zerfleischten sich im Bürgerkrieg. Der Ausweg in die
ständestaatliche Diktatur und die viel zu langsam kommende wirtschaftliche Erholung
begünstigten die Erwartungen an den Nationalsozialismus. Es hatte sich ganz
generell eine radikalisierte Denkweise aufgebaut, die es den Nationalsozialisten so
leicht machte, 1938 für den Anschluss eine so breite Akzeptanz zu erhalten.
•
Der Weg zu Diktatur
und
Bürgerkrieg
Mit diktatorischen Modellen war in allen politischen
Lagern kokettiert und argumentiert worden.
– Die Sozialdemokraten hatten sie als Ausweg in ihrem
Parteiprogramm.
– die Christlichsozialen kokettierten im Ministerrat immer
wieder damit.
– die Heimwehr hatte sich im Korneuburger Eid darauf
eingeschworen.
– und die Nationalsozialisten betrachteten den Weg in die
Parlamente sowieso nur als Umweg, um die Demokratie
zu zerstören.
– Der Völkerbund gab immer wieder Auflagen, die einer
Teilentmachtung des Parlaments gleichkamen.
•
Die politischen Handlungsspielräume
– Abstimmungspatt im Parlament und Rücktritt der drei
Präsidenten als Vorwand
– Ruf nach Neuwahlen als Ausweg oder Verhinderung
von Wahlen angesichts eines möglichen Wahlsieges der
Nationalsozialisten?
– Der Bürgerkrieg am 12. Februar 1934 und die
Perspektiven der Bürgerkriegsgegner
– Auswirkungen für die weitere Entwicklung in Österreich
Fürst Ernst Rüdiger
Starhemberg in
Heimwehruniform
1936
• Rüdiger
Starhemberg
(1899-1956)
Der Bürgerkrieg
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Kein Ereignis der österreichischen und oberösterreichischen Geschichte spaltet die
öffentliche Meinung und auch die der Historiker bis heute mehr als der Bürgerkrieg
vom 12. bis 15. Februar 1934, der in ganz Österreich etwa 300 Todesopfer
forderte. Die Kämpfe wurden auf beiden Seiten mit großer Erbitterung geführt. Die
Justiz der Sieger war mehr von Rache als von Vernunft getragen.
Dem offenen Kampf vorausgegangen war die schrittweise Auflösung der
Demokratie und Zunahme der Gewaltbereitschaft in Österreich. In der im Herbst
1929 mit voller Wucht herein gebrochenen Wirtschaftskrise verschärften sich die
sozialen und politischen Gegensätze. Militante gab es auf allen Seiten, in der
Heimwehr und bei den Christlichsozialen, bei den Sozialdemokraten und im
Schutzbund, vor allem aber bei den Nationalsozialisten. Mit diktatorischen
Modellen war in allen politischen Lagern kokettiert und argumentiert worden.
Der Versuch zur Bildung einer großen Koalition mit den Sozialdemokraten, wozu
Ignaz Seipel im Juni 1931 vom Bundespräsidenten beauftragt worden war, schlug
fehl. 1932 wurde Engelbert Dollfuß Bundeskanzler und Außenminister. Dollfuß war
nie Parlamentarier. Er polarisiert bis heute: Märtyrer oder Arbeitermörder,
Wegbereiter des Untergangs oder erstes Opfer Österreichs im Kampf gegen Hitler,
Diktator oder Utopist, Totengräber der Demokratie oder Erfinder der
Sozialpartnerschaft, großartiger Redner oder kleiner Faschist? Er war wohl von
allem etwas.
Am 4. März 1933 wurde das Parlament durch einen Formalakt ausgeschaltet und
der Sozialdemokratie immer mehr die wirtschaftliche und politische Basis
entzogen.
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Die Auslösung in Oberösterreich
Dass der Bürgerkrieg ausgerechnet in Oberösterreich ausgelöst wurde, ist eigentlich
überraschend. Denn Oberösterreich war jenes Bundesland, das bis 1934 am ehesten von
einem Weg des Konsenses und der Kooperation der großen politischen Lager
gekennzeichnet gewesen war.
1927 waren innerhalb eines halben Jahres die beiden großen, auf Ausgleich bedachten
Landespolitiker gestorben, der langjährige christlichsoziale Landeshauptmann Prälat Johann
Nepomuk Hauser und der sozialdemokratische Linzer Bürgermeister Josef Dametz. Auch
Hausers Nachfolger als Landeshauptmann Dr. Josef Schlegel war ein entschiedener Vertreter
der Demokratie. Noch am 30. November 1933 war das Landesbudget für 1934 von allen
Parteien einstimmig beschlossen worden. Am 14. Dezember 1933 trat der Landtag zum
letzten Mal in der demokratisch gewählten Zusammensetzung zusammen.
Doch die Polarisierung der politischen Lager war auch in Oberösterreich nicht aufzuhalten.
Das Vorgehen der Heimwehr und der von Wien aus gelenkten Polizei gegen Institutionen der
Sozialdemokratie wurde immer schärfer.
Richard Bernaschek, der Führer des Republikanischen Schutzbundes in Oberösterreich und
stellvertretender Landesparteisekretär, wollte dies nicht weiter hinnehmen. Ohne Wissen des
Landesparteivorstandes, wohl aber nach brieflicher Verständigung der Wiener Parteiführung,
gab er am 11. Feber den Beschluss zum gewaltsamen Widerstand im Falle einer
Waffensuche oder Verhaftung von Vertrauensleuten der Partei oder des Schutzbundes aus.
Die Wiener Parteiführung war entsetzt und befahl, den Einsatzplan aufzuschieben. Der
entsprechende Telefonspruch wurde abgehört.
Als am nächsten Morgen eine Hausdurchsuchung der Polizei in der sozialdemokratischen
Parteizentrale im Hotel Schiff angesetzt war, begann der Kampf. Bernaschek wurde mit
einem Großteil der Führungsgarnitur verhaftet. Ein MG-Schütze des Schutzbundes eröffnete
das Feuer.
Bürgerkrieg in Oberösterreich
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Etwa 6000 bis 8000 Schutzbündlern und Sympathisanten, von denen sich
nur ein kleiner Teil aktiv am Kampf beteiligte, standen in Oberösterreich
etwa 14000 Mann aus Bundesheer, Polizei, Gendarmerie und Heimwehr
gegenüber.
Die Linzer Hauptschauplätze waren neben dem Hotel Schiff das Parkbad,
die Eisenbahnbrücke, der Jägermayrhof, die Spatenbrotwerke, der
Städtische Wirtschaftshof, die Feuerwehrschule, die Polizeikaserne am
Kaplanhof, das Gaswerk, das Südbahnhofgelände und die
Diesterwegschule. Neben Linz waren Steyr und das Hausruck-Kohlenrevier
die Zentren des Aufstands. Kaum gekämpft wurde im Salzkammergut, wo
man an sich mit einem großen Widerstand gerechnet hatte. Überhaupt nicht
gekämpft wurde im Mühlviertel und in Wels.
Die Zahl der Todesopfer variiert je nach Zählung: In Oberösterreich gab es
60 Tote, davon auf Seiten des Schutzbundes 34 (inklusive der zwei
standrechtlich hingerichteten und der vier in Holzleithen ohne Urteil auf
einer Theaterbühne erschossenen Personen). 26 Todesopfer gab es bei
Bundesheer, Polizei, Gendarmerie und Heimwehr. Ca. 200 Personen
wurden verwundet.
Übergriffe
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Auf beiden Seiten passierten schreckliche Übergriffe. In Holzleithen die wilde,
quasistandrechtliche Erschießung von vier Schutzbundangehörigen auf der Bühne des
Arbeiterheimes durch Heimwehrangehörige, in Steyr die Erschießung des Direktors der
Steyr-Werke Dr. Herbst im fahrenden Auto und der wohl privat motivierte Mord an
Johann Zehetner und Josefine Nagelseder, für den Josef Ahrer in einem recht
willkürlich geführten Standrechtsverfahren zum Tode verurteilt wurde. Auch der Tod der
drei Bundesheerangehörigen auf dem Polygon-, heute Bulgariplatz, in Linz hat wenig
mit Kampfhandlungen gemein.
In den Standgerichtsverfahren wurden vier Todesurteile verhängt, von denen zwei, an
dem Linzer Anton Bulgari und dem Steyrer Josef Ahrer, auch vollstreckt wurden. Ein
trauriges Kapitel sind die Begründungen, mit denen Justizminister Kurt Schuschnigg eine
Begnadigung verweigerte, nämlich die Notwendigkeit, ein Exempel zu statuieren, obwohl
sie keinesfalls zweifelsfrei als Haupttäter überführt waren.
Die Linzer Führer Richard Bernaschek, Ferdinand Hüttner und Arthur Bonyhadi, ebenso
Josef Höller und Ferdinand Fageth, die Bergarbeiterführer des Hausruckreviers, wurden
zu langjährige Haftstrafen verurteilt.
Von den Nationalsozialisten aus dem Gefängnis befreit, fand Bernaschek im
nationalsozialistischen Deutschland Zuflucht, wo er sich zu einem recht unklugen Lob für
die Beschäftigungspolitik des Nationalsozialismus und eine Entschuldigung für das
nationalsozialistische Vorgehen gegen die Juden und die Kirchen hinreißen ließ. Noch vor
dem nationalsozialistischen Juliputsch 1934 reiste Bernaschek von Deutschland nach
Moskau. Er spekulierte auf ein Zusammengehen von Nationalsozialisten,
Sozialdemokraten und Kommunisten zu einer „Überpartei“, die die Macht in Österreich
übernehmen könnte.
Bürgerkrieg
Bürgerkrieg
12./16. Februar
1934
Drei Gruppen von Rechts-Regimen in
Europa mit fließenden Grenzen
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Autoritär-Konservative Regime:
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Europäischer Faschismus:
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geführt von autoritären oligarchischen, nationalistisch-konservativen Persönlichkeiten und
Gruppierungen:
Admiral Hórthy (Ungarn),
Marschall Mannerheim (Finnland),
Oberst Pilsudski (Polen),
König Alexander (Jugoslawien),
General Francisco Franco (Spanien).
italienischer Faschismus,
Nationalsozialismus (Deutschland),
Pfeilkreuzler (Ungarn),
Eiserne Garde (Rumänien),
Ustascha des Ante Pavelic (Kroatien),
britische, flämische, holländische, französische faschistische Parteien und Bewegungen:
Mobilisierung der Massen von unten, darwinistischer Rassismus, Führerprinzip,
antimodernistisch, aber modernisierungsfördernd
Organischen Staatsidealen verpflichtete Regime:
–
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–
Antiliberale Tradition der katholischen Kirche, Ausschaltung oder Überwindung des
Klassenkampfes, korporativistische Theorien, berufsständische Vorstellungen
Portugal unter Oliveira Salazar, seine drei F; Österreichischer Ständestaat,
notwendigerweise Gegner stark säkular ausgerichteter, totalitärer faschistischer Bestrebungen...
Admiral Hórthy
Antonio Salazar
Marschall Mannerheim
Benito Mussolini
Oberst Pilsudski
General
Francisco Franco
Das misslungene Experiment
„Ständestaat“
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Organisches Staatsideal, explizit christliche
Orientierung, religiöser Antisemitismus
Antikommunismus und Antiliberalismus
Stützung auf alte Eliten, keine wirkliche
Massenbasis, unvollkommenes
Führerprinzip
Technikfeindschaft und Antikapitalismus
Autoritäre Diktatur, patriarchalisches Prinzip,
überparteiliche Gewerkschaften
Österreich-Patriotismus, aber fehlende
nationale Identität (besserer deutscher
Staat?)
Vorliebe für Aufmärsche, äußerliche
Imitation des Nationalsozialismus (Lieder,
Uniformen, Grußformen etc.)
1. Ständestaat oder Austrofaschismus?
Autoritärer Ständestaat
• Technikfeindschaft und
Antikapitalismus
• Antikommunismus und
Antiliberalismus
• Vorliebe für Aufmärsche, Äußerliche
Imitation des Nationalsozialismus
• Stützung auf alte Eliten
• Explizit christliche Orientierung,
religiöser Antisemitismus
• Patriarchalisches Prinzip
• Überparteiliche Gewerkschaften und
ständische Ordnung
• Österreich-Patriotismus und
fehlende nationale Identität
• Keinerlei imperialistische Absichten
Nationalsozialismus
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Technikbegeisterung /
Modernisierung / Gigantismus
Antikommunismus und
Antiklerikalismus
Massenmobilisierung
Stützung auf neue Aufsteiger
Antiklerikale Orientierung;
Rassismus und rassischer
Antisemitismus
Führerprinzip
Überhaupt keine Gewerkschaften
(bzw. Deutsche Arbeitsfront:
Arbeitnehmer + Arbeitgeber)
Deutschnationalismus +
nordische Herrenrasse
Imperialismus
Die Vaterländische
Front
• Die Vaterländische Front wurde 1933 unter
Berufung auf das 250-Jahr-Jubiläum des
Siegs über die Türken gegründet, mit dem
alten Motto „Österreich über alles, wenn es
nur will“.
• Eine Massenorganisation war sie nicht. Die
drei Millionen Mitglieder im November 1937
standen auf dem Papier. Die Realität war
eine andere. Die Meinung Schuschniggs zu
Anfang 1938, dass ein Viertel der
Österreicher hinter ihm, ein weiteres Viertel
hinter Hitler stünde und 50 Prozent
politisches Treibholz seien, die dem
jeweiligen Sieger zufielen, mag recht
realistisch gewesen sein.
• Der Versuch, sich vom Nationalsozialismus
abzugrenzen, indem man ihn in Appellen,
Feierstunden und Aufmärschen nachahmte,
konnte nicht gut ausgehen:
“Ihr Jungen, schließt die Reihen gut,
ein Toter führt uns an.
Er gab für Österreich sein Blut,
ein wahrer deutscher Mann.”
(Dollfuß-Lied)
“Die Fahne hoch,
die Reihen dicht geschlossen!
SA marschiert
mit ruhig festem Schritt....”
(Horst Wessel-Lied)
Kruckenkreuz statt Hakenkreuz, Dollfußlied statt
Horst Wessel-Lied,
Front-Heil statt Heil Hitler,
Ostmärkische Sturmscharen (OSS) in Österreich
statt Schutzstaffel (SS) in Deutschland,
„Neues Leben“ in der „Vaterländischen Front“ statt
„Kraft durch Freude“ in der „Deutschen
Arbeitsfront“,
ein „Sturmkorps“ der Vaterländischen Front
(gegründet am 17. Juni 1937) in seinem der SS
ähnlichen Erscheinungsbild, in Breechhosen,
Schaftstiefeln und Sturmkappen, allerdings
dunkelblau statt schwarz,
die „Vaterländische Front“ und deren Definition als
„Bewegung“.
Hitlers Kampf gegen Österreich
• Erstens in einem Wirtschaftskrieg. Mit der am 1. Juni 1933 in Kraft
getretenen 1000-Mark-Sperre sollte die österreichische
Fremdenverkehrswirtschaft ins Mark getroffen werden, eine Drosselung der
Importe von Holz, Obst, Vieh sollte die österreichische Exportwirtschaft
nachhaltig schädigen und mit einem Boykott österreichischer Rauchwaren
und entsprechend unterstütztem Schmuggel aus Deutschland sollte dem
Staat eine wichtige Steuerquelle geraubt werden.
• Dazu kamen eine beispiellose Propaganda- und Hetzkampagne,
• ein landesweit organisierter Terrorismus (mit bis zu 140 Bombenattentaten
pro Monat zwischen Juni 1933 und Juli 1934, gezielten
nationalsozialistischen Mordanschlägen, zweimal auf den Bundeskanzler,
der zweite tödlich, auf den Vizekanzler, den Justizminister, den
Sicherheitsminister, Landesrat Steidle und andere Persönlichkeiten),
• die Bildung einer bewaffneten Eingreifgruppe aus geflüchteten
österreichischen NS-Aktivisten (die Österreichische Legion, die eine
Stärke von 15000 Mann erreichte) und
• der Versuch einer internationalen Isolierung Österreichs.
Der „Anschluss“
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Das Treffen Schuschnigg-Hitler, das am 12. Februar 1938 am
Berghof in Berchtesgaden stattfand, erwies sich für Österreich als
verhandlungstaktisches Fiasko. Schuschnigg musste sehr
weitgehende Zugeständnisse machen und Parteigänger der
Nationalsozialisten in die Regierung nehmen.
Als Schuschnigg am 9. März für den 13. März 1938 eine
Volksabstimmung mit der Frage „für ein freies und deutsches,
unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges
Österreich. Für Friede und Arbeit und Gleichberechtigung aller, die
sich zu Volk und Vaterland bekennen“ ankündigte, musste er unter
dem Druck der deutschen Einmarschdrohung zurücktreten.
Am 11. März wurde Schuschnigg vom Deutschen Reich ultimativ zur
Absage der Volksbefragung aufgefordert. Dr. Arthur Seyß-Inquart
bildete ein nationalsozialistisches Kabinett.
Deutsche Truppen rückten der Nacht vom 11. auf den 12. März in
Österreich ein.
Am 12. März trat Hitler seine Fahrt über Braunau und Linz nach Wien
an, die sich auch für Hitler überraschend zu einer Triumphfahrt
gestaltete.
13. März „Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem
Deutschen Reich“
Am 15. März meldete er vom Balkon der Hofburg einer frenetischen
Menschenmenge am Heldenplatz die „Heimkehr seiner Heimat ins
Deutsche Reich“.
nachträgliche Volksabstimmung am 10. April 1938 mit 99,6 %
Zustimmung der zur Wahl Zugelassenen sanktioniert werden sollte.
Etwa 300000 Österreicher waren vom Stimmrecht ausgeschlossen.
NSDAP in Oberösterreich
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Neben Kärnten und Steiermark galt Oberösterreich als Hochburg der illegalen
NSDAP.
In der Nacht zum 11. März war es in Linz zu Schießereien zwischen dem
Vaterländischen Sturmkorps und nationalsozialistischen Demonstranten gekommen.
Während des Tages war die Stimmung sehr nervös. „Erst grüßte man noch mit ‚Hitler
Heil’ (Man wusste nicht, ob die Polizei ‚Heil Hitler’ erlauben würde). Aber bald grüßten
schon die ersten Polizisten mit dem Hitlergruß. Der Hauptplatz füllte sich mit 40000
Menschen.“
In der Nacht auf den 12. übernahm August Eigruber handstreichartig die
Landesregierung. Heinrich Gleißner wurde in Schutzhaft genommen. Neben
verschiedenen Behörden wurde auch das Gebäude des Katholischen Pressvereins
von Nationalsozialisten besetzt.
Das deutsche Konsulat in Linz berichtete am 12.. die Machtergreifung in Linz sei am
11. März gegen 20 Uhr 30 „schnell, reibungslos und ohne Blutvergießen
unterbegeisterter Zustimmung der Bevölkerung“ erfolgt. Auf den meisten Häusern
wehten Hakenkreuzfahnen. Wo das noch nicht der Fall war, sei es bloß die
Unmöglichkeit gewesen, so schnell genug Hakenkreuzflaggen zu beschaffen.
Formationen, das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied singend, zogen durch
die Stadt.
So wie in Linz war es in vielen oberösterreichischen Orten, in Enns, in Wels, in
Aistersheim…
Anschluss in Oberösterreich
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Der von Arthur Seyß-Inquart am 11.3. gebildeten Bundesregierung gehörten vier Oberösterreicher
an: Dr. Edmund Glaise-Horstenau als Vizekanzler, Dr. Franz Hueber, der Schwager Görings, als
Justizminister, Dr. Ernst Kaltenbrunner, für Polizei und Sicherheit, Ing. Anton Reinthaller als
Landwirtschaftminister.
Noch in der Nacht vom 12. zum 13. März 1938 übernahm August Eigruber, der Gauleiter der
illegalen NSDAP-Organisation, auf Weisung von Hitlers Sonderbeauftragten Wilhelm Keppler das
Amt des Landeshauptmanns. Es kam sofort zu zahlreichen Morden, Verhaftungen, Entlassungen
und Zwangspensionierungen.
Am Abend des 12. März wurde Hitler in Linz von Bundeskanzler Dr. Seyß-Inquart, Vizekanzler
Edmund Glaise-Horstenau und Heinrich Himmler begrüßt. Am Hauptplatz hatten sich etwa 60000
Menschen versammelt.
Am Abend des 13. März wurde in Linz das Reichsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs
mit Dem Deutschen Reich unterzeichnet, nachdem zuvor die österreichische Bundesregierung ein
entsprechendes Bundesverfassungsgesetz unterzeichnet hatte und Bundespräsident Wilhelm
Miklas zurückgetreten war.
Der Einmarsch deutscher Truppen und der "Anschluß" Österreichs an das Deutsche Reich, den
Hitler am 13. März 1938 in Linz vollzog, wurden von vielen Menschen begrüßt. Gleichzeitig setzte
die Verfolgung von Mitbürgern aus politischen und rassischen Gründen ein. Der Linzer
Polizeidirektor und drei Polizeibeamte sowie der Direktor des Zuchthauses Garsten wurden kurz
nach dem Einmarsch ermordet.
Im Jänner 1933 hatte die NSDAP in Oberösterreich 690 Mitglieder gezählt. Im Februar 1938
waren es 2128, im November 2922. Bis 1941 schnellte die Zahl der Parteimitglieder auf 59671
hinauf und erreichte 1942 mit 87210 ihren Höchststand.
Hotel Weinzinger, Linz
• 12.
März
1938
Die Volksabstimmungen
Heimatgau des
Führers
• 1939, inklusive
steirisches
Salzkammergut,
Krummau und
Kaplitz und
Münichholz und
Hinterberg
Prominente Oö. Nationalsozialisten
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Dr. Ernst Kaltenbrunner, (* 4. Oktober 1903 in Ried im Innkreis, Oberösterreich; † 16. Oktober
1946 in Nürnberg), der zum Leiter des Reichssicherheitshauptamtes aufstieg,
Karl Adolf Eichmann (er hatte zwar die Jugend zwischen in OÖ verbracht, nachdem seine Eltern
nach Linz übersiedelt waren, war aber nie österreichischer Staatsbürger)
August Eigruber (* 16. April 1907 in Steyr; † 28. Mai 1947 in der Justizvollzugsanstalt Landsberg)
Die Oberösterreicherin Maria Mandl (1912-1948), geboren in Münzkirchen, Lagerführerin des
Frauenlagers in Auschwitz-Birkenau, sie wurde im Rahmen der ersten polnischen
Nachkriegsverfahren zum Tode verurteilt und 1948 in Krakau hingerichtet.
Der hohe SS-Offizier Dr. Ferdinand von Sammern-Frankenegg (17. März 1897 in Grieskirchen; †
20. September 1944 bei Banja Luka)
Franz Stangl (* 26. März 1908 in Altmünster; † 28. Juni 1971 in Düsseldorf)
Franz Langoth (* 20. August 1877 in Linz; † 17. April 1953 ebenda)
Edmund Glaise von Horstenau (* 27. Februar 1882 in Braunau am Inn; † 20. Juli 1946 im Lager
Langwasser bei Nürnberg)
Ing. Hermann Neubacher, 1938 bis 1940 Wiener Bürgermeister (Nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges wurde Hermann Neubacher in Jugoslawien im Jahr 1951 zu 20 Jahren Gefängnis
verurteilt, jedoch bereits nach wenigen Monaten schwer krank entlassen. Hermann Neubacher
kehrte zurück nach Österreich und war vor allem als Bauunternehmer in Salzburg tätig).
Dipl.Ing. Anton Reinthaller (* 14. April 1895 in Mettmach, Oberösterreich; † 6. März 1958 ebenda)
Die beiden österreichischen Baumeister Walter Dejano und Fritz Ertl, die für die Errichtung der
Krematorien in Auschwitz-Birkenau verantwortlich zeichneten, wurden 1972 in Österreich vor
Gericht gestellt. Die Geschworenen zweifelten ihre Schuld an. Sie wurden frei gesprochen.
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