Oper 19. und 20. Jahrhundert

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Die Oper im 19. und 20.
Jahrhundert
Vorlesung Texte zur Musik
SS 2010
John William Waterhouse: Undine (1878)
E.T.A. Hoffmann/ F. de la Motte Fouqué:
Undine, I.Akt, 4.Szene, Nr. 5 Sextett
Heilmann: Euch segne, der einzig
sehnen kann,
Mit bestem Segen heut und immerdar
Und führe froh hinaus, was froh
begann.Nun küßt Euch beid, Ihr seid ein
bräutlich Paar!
Fischer: Liebt uns auch nicht minder
Jetzt, ihr frohen Zwei!
Fischerin: Seid hübsch wirtlich,
Kinder
Das hält froh und frei!
[…]
Huldbrand: Mußt ja nicht so scheu
Süße Taub erbeben;
Hin fließt unser Leben
Nun in Lieb und Treu!
Undine: Tiefe Lieb und Treu
Wie in mir sie beben,
Neues höhres Leben
Freudig macht‘s, doch scheu
Kühleborn (zum Fenster
hereinnickend):
Menschenvolk närrisches,
Trügrisches, herrisches
Tolles Geschlecht!
Freust dich wohl recht?
Heilmann: Wehe was wanket was
rauschet am Fenster
Weichet von hinnen, ihr nächtgen
Gespenster!
Undine, III. Akt, 5. Szene, Nr. 19,
Finale (Schluß der Oper)
Allgemeiner Chor während der Erscheinung:
Reines Minnen,
Holdes Sehnen,
Wohnt im süßen Widerschein.
Ernstes Sinnen,
Süßes Wähnen,
Schaut voll Andacht da hinein;
Möchte bei Undinen sein.
Gute Nacht
Aller Erdensorg‘ und Pracht.
Der Vorhang fällt.
Carl Maria von Weber: Der Freischütz.
Romantische Oper in drei Aufzügen
Libretto von Johann Friedrich Kind
Uraufführung: 18.06.1821, Königliches
Opernhaus, Berlin
Der Freischütz, I. Akt, 6. Auftritt, Kaspar allein.
Nr. 5. Arie
KASPAR höhnisch Max nachsehend.
Schweig, schweig - damit dich niemand warnt!
Schweige, damit dich niemand warnt!
Der Hölle Netz hat dich umgarnt!
Nichts kann vom tiefen Fall dich retten,
Nichts kann dich retten vom tiefen Fall!
Umgebt ihn, ihr Geister mit Dunkel beschwingt!
Schon trägt er knirschend eure Ketten!
Triumph! Triumph! Triumph! die Rache gelingt!
EINE BRAUTJUNGFER.
Wir winden dir den Jungfernkranz
Mit veilchenblauer Seide;
Wir führen dich zu Spiel und Tanz,
Zu Glück und Liebesfreude!
ALLE einen Ringelreihn um Agathe
tanzend.
Schöner grüner, schöner grüner
Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide!
Veilchenblaue Seide!
EINE BRAUTJUNGFER.
Lavendel, Myrt' und Thymian,
Das wächst in meinem Garten;
Wie lang bleibt doch der
Freiersmann?
Ich kann es kaum erwarten.
ALLE wie oben.
Schöner grüner …
EINE BRAUTJUNGFER.
Sie hat gesponnen sieben Jahr'
Den goldnen Flachs am Rocken,
Die Schleier sind wie Spinnweb'
klar,
Und grün der Kranz der Locken.
ALLE wie oben.
Schöner grüner…
EINE BRAUTJUNGFER.
Und als der schmucke Freier kam,
War'n sieben Jahr' verronnen;
Und weil sie der Herzliebste nahm,
Hat sie den Kranz gewonnen.
ALLE wie oben.
Schöner grüner …
CHOR DER JÄGER.
Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen,
Wem sprudelt der Becher des Lebens so reich?
Beim Klange der Hörner im Grünen zu liegen,
Den Hirsch zu verfolgen durch Dickicht und Teich
Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen,
Erstarket die Glieder und würzet das Mahl.
Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen,
Tönt freier und freud'ger der volle Pokal!
Jo ho! Tralalalala!
Diana ist kundig, die Nacht zu erhellen,
Wie labend am Tage ihr Dunkel uns kühlt.
Den blutigen Wolf und den Eber zu fällen,
Der gierig die grünenden Saaten durchwühlt,
Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen,
Erstarket die Glieder und würzet das Mahl.
Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen,
Tönt freier und freud'ger der volle Pokal!
Jo ho! Tralalalala!
Singspiele des 19. Jahrhunderts
• Heinrich Marschner: Der Vampyr (1828).
Hans Heilig (1833)
• Albert Lortzing: Zar und Zimmermann
(1837), Der Wildschütz (1842). Der
Waffenschmied (1846)
Richard Wagner: Der fliegende Holländer.
Libretto von Richard Wagner
Uraufführung: 02.01.1843, KöniglichSächsisches Opernhaus (Semperoper),
Dresden
Holländer, I. Akt, Steuermannslied
STEUERMANN.
Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer - mein Mädel,
bin dir nah!
Über turmhohe Flut vom Süden her mein Mädel, ich bin da!
Mein Mädel, wenn nicht Südwind wär,
ich nimmer wohl käm zu dir;
ach, lieber Südwind, blas noch mehr!
Mein Mädel verlangt nach mir.
Hohoja! Hallohoho! Jollohohoho! Heho!
Zwischen Spiel
2. Strophe
Holländer, I. Akt „Szene“
STEUERMANN durch die hohlen Hände.
Ho! Kapitän!
DALAND.
Am Bord bei euch - wie steht's?
STEUERMANN.
Gut, Kapitän! Wir haben sich'ren Grund.
DALAND.
Sandwike ist's, genau kenn ich die Bucht.
Verwünscht! Schon sah am Ufer ich mein Haus,
Senta, mein Kind, glaubt ich schon zu umarmen: da bläst es aus dem Teufelsloch heraus ...
Wer baut auf Wind, baut auf Satans Erbarmen!
Was hilft's? Geduld! Der Sturm läßt nach;
wenn so er tobte, währt's nicht lang.
Er geht an Bord des Schiffes
He, Bursche! Lange wart ihr wach,
zur Ruhe denn! Mir ist nicht bang.
5
4
Holländer, I. Akt, Ballade der Senta
SENTA.
Johohoe! Johohoe! Hojohe!
Traft ihr das Schiff im Meere an,
blutrot die Segel, schwarz der Mast?
Auf hohem Bord der bleiche Mann,
des Schiffes Herr wacht ohne Rast.
Hui! - Wie saust der Wind! - Johohe! Hojohe!
Hui! - Wie pfeift's im Tau! - Johohe! Hojohe!
Hui! - Wie ein Pfeil fliegt er hin,
ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh!
Doch kann dem bleichen Manne Erlösung einstens noch werden,
fänd er ein Weib, das bis in den Tod getreu ihm auf Erden! Ach! wann wirst du, bleicher Seemann, sie finden?
Betet zum Himmel, daß bald
ein Weib Treue ihm halt!
Gegen das Ende der Strophe kehrt Senta sich gegen das Bild. Die Mädchen
hören teilnahmsvoll zu; die Amme hat aufgehört zu spinnen.
Bei bösem Wind und Sturmes Wut
umsegeln wollt er einst ein Kap;
er flucht' und schwur mit tollem Mut:
»In Ewigkeit laß ich nicht ab!« Hui! - Und Satan hört's! Johohe! - Hojohe!
Hui! - Und Satan hört's! - Johohe! Hojohe!
Hui! - Und verdammt zieht er nun
durch das Meer ohne Rast, ohne Ruh!
Doch, daß der arme Mann noch Erlösung fände auf Erden,
zeigt Gottes Engel an, wie sein Heil ihm einst könne werden!
Ach möchtest du, bleicher Seemann, sie finden!
Betet zum Himmel, daß bald
ein Weib Treue ihm halt!
Die Mädchen sind ergriffen und singen den Schlußreim leise mit. Senta
fährt mit immer zunehmender Aufregung fort.
Vor Anker alle sieben Jahr,
ein Weib zu frei'n, geht er ans Land: er freite alle sieben Jahr ...
noch nie ein treues Weib er fand!
Hui! - »Den Anker los!« Johohe! Hojohe!
Hui! - »Die Segel auf!« - Johohe! Hojohe!
Hui! - »Falsche Lieb, falsche Treu!
Auf in See! Ohne Rast! Ohne Ruh!« - -
Senta, zu heftig angegriffen, sinkt in den Stuhl zurück
Wagner: Das Rheingold (1869)
ALBERICH.
Hehe! ihr Nicker!
wie seid ihr niedlich,
neidliches Volk!
Aus Nibelheims Nacht
naht ich mich gern,
neigtet ihr euch zu mir.
[…]
ALBERICH hastig.
Garstig glatter
glitschriger Glimmer!
Wie gleit ich aus!
Mit Händen und Füßen
nicht fasse noch halt ich
das schlecke Geschlüpfer!
Feuchtes Naß
füllt mir die Nase verfluchtes Niesen!
Er ist in Woglindes Nähe angelangt.
WOGLINDE lachend.
Prustend naht
meines Freiers Pracht!
ALBERICH.
Mein Friedel sei,
du fräuliches Kind!
Wagner: Tristan und Isolde (1865)
ISOLDE.
Frag ihn denn selbst,
den freien Mann,
ob mir zu nah'n er wagt?
Der Ehren Gruß
und zücht'ge Acht
vergißt der Herrin
der zage Held,
daß ihr Blick ihn nur nicht erreiche,
den Helden ohne Gleiche!
Oh, er weiß
wohl, warum!
Zu dem Stolzen geh,
meld ihm der Herrin Wort!
Meinem Dienst bereit,
schleunig soll er mir nah'n.
BRANGÄNE.
Soll ich ihn bitten,
dich zu grüßen?
ISOLDE.
Befehlen ließ
dem Eigenholde
Furcht der Herrin
ich, Isolde!
Richard Strauss: Elektra. Tragödie in einem
Aufzuge
Libretto von Hugo von Hofmannsthal
Uraufführung: 25.01.1909, KöniglichSächsisches Opernhaus, Dresden
Textbuch, Gestaltung
Lovis Corinth
Szenenbild aus der
Uraufführung von Elektra
Dresden Hofoper 1909.
Rechts Elektra, in der Mitte
Klytämnesta
Gemeinsame Werke von
Hofmannsthal und Strauss
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Elektra. Dresden 1909
Der Rosenkavalier. Dresden 1911
Aradne auf Naxos. Stuttgart 1912
Die Frau ohne Schatten. Wien 1919
Die ägyptische Helena. Dresden 1928
Arabella Dresden. 1933
Die Liebe der Danae – Joseph Gregor
nach Hofmannsthal. Salzburg 1952
ERSTE MAGD ihr Wassergefäß aufhebend.
Wo bleibt Elektra?
ZWEITE MAGD.
Ist doch ihre Stunde,
die Stunde, wo sie um den Vater heult,
daß alle Wände schallen.
Elektra kommt aus der schon dunkelnden Hausflur gelaufen. Alle drehen sich
nach ihr um. Elektra springt zurück wie ein Tier in seinen Schlupfwinkel, den
einen Arm vor dem Gesicht.
ERSTE MAGD.
Habt ihr gesehn, wie sie uns ansah?
ZWEITE MAGD.
Giftig,
wie eine wilde Katze.
DRITTE MAGD.
Neulich lag sie da
und stöhnte ERSTE MAGD.
Immer, wenn die Sonne tief steht,
liegt sie da und stöhnt.
DRITTE MAGD.
Da gingen wir zu zweit
und kamen ihr zu nah ERSTE MAGD.
sie hält's nicht aus,
wenn man sie ansieht.
DRITTE MAGD.
Ja, wir kamen ihr
zu nah. Da fauchte sie wie eine Katze uns an. »Fort,
Fliegen!« schrie sie, »fort!«
VIERTE MAGD.
»Schmeißfliegen, fort!«
DRITTE MAGD.
»Sitzt nicht auf meinen Wunden!«
und schlug nach uns mit einem Strohwisch.
VIERTE MAGD.
»Schmeißfliegen, fort!«
DRITTE MAGD.
»Ihr sollt das Süße nicht
abweiden von der Qual. Ihr sollt nicht schmatzen
nach meiner Krämpfe Schaum.«
VIERTE MAGD.
»Geht ab, verkriecht euch«
schrie sie uns nach. »Eßt Fettes und eßt Süßes
und geht zu Bett mit euren Männern«, schrie sie,
und die –
DRITTE MAGD.
ich war nicht faul VIERTE MAGD.
die gab ihr Antwort!
DRITTE MAGD.
»Ja, wenn du hungrig bist«, gab ich zur Antwort,
»so ißt du auch«, da sprang sie auf und schoß
gräßliche Blicke, reckte ihre Finger
wie Krallen gegen uns und schrie: »Ich füttre
mir einen Geier auf im Leib.«
ZWEITE MAGD.
Und du?
DRITTE MAGD.
»Drum hockst du immerfort«, gab ich zurück, »wo
Aasgeruch dich hält, und scharrst nach einer alten
Leiche!
Bert Brecht / Kurt Weill: Aufstieg und Fall der
Stadt Mahagonny
Uraufführung Leipzig 1939
Brecht
Finale des Songspiels Mahagonny, Uraufführung Baden-Baden 1927
Gründung von Mahagonny. „Sie soll sein wie ein Netz, das für die
essbaren Vögel gestellt wird“. (Leipzig 1930)
„Und wenn einer tritt, dann bin ich es“ (Berlin 1977)
Mahagonny, II. Akt
Erstens vergesst nicht, kommt das Fressen,
zweitens kommt der Liebesakt, drittens
das Boxen nicht vergessen, viertens
Saufen laut Kontrakt. Vor allem aber
achtet scharf, daß man hier alles dürfen
darf, vor allem aber achtet scharf, daß
man hier alles dürfen darf.
Der tödliche Boxkampf. (Berlin 1977)
Untergang Mahagonnys „Können uns und euch und niemand helfen“
(Leipzig 1930)
Mahagonny, Schluß
Siebenter Zug mit einer Riesentafel:
FÜR DEN FORTBESTAND DES GOLDENEN
ZEITALTERS
Können wohl von seinen großen Zeiten reden
Können seine große Zeit vergessen.
Können einem toten Mann nicht helfen.
Alle Züge:
Können uns und euch und niemand helfen
Untergang Mahagonnys (Leipzig 1930)
Opern-Zusammenarbeit
bedeutender Komponisten und
Literaten
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Wolfgang Rihm / Heiner Müller: Die Hamlet-Maschine. 1987
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Wilfried Hiller / Michael Ende: Der Goggolori. 1985
Wilfried Hiller / Michael Ende: Der Rattenfänger. 1993
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Hans Werner Henze / Wolfgang Hildesheimer: Das Ende der Welt. 1953
Hans Werner Henze / Ingeborg Bachmann: Der Prinz von Homburg. 1960
Hans Werner Henze / Ingeborg Bachmann: Der junge Lord. 1965
Hans Werner Henze / Hans-Ulrich Treichel: Das verratene Meer. 1990
Hans Werner Henze / Hans-Ulrich Treichel: Venus und Adonis. 1997.
Henze/Bachmann: Der junge Lord. 6. Bild
Luise: Wo bin ich denn geblieben?
Was fühl ich noch, was nicht?
(Lord Barrat umrundet sie und gibt ihr eine Rose. Sie sticht sich an den
Dornen)
Luise: Blut. Ja ich blute – und fühl keinen Schmerz.
Ich könnt’ noch mehr erleiden.
Lord Barrat: Ein bedeutend ernst Geschick waltet übers Leben
Luise: Mein Geschick ist Ihr Geschick,
ernst und bedeutend – es erschreckt mich nicht.
Lord Barrat: Bleibe guter Geist euch hold, der im stillen lehret.
Luise: Ob guter Geist, ob nicht
Es soll Ihr Geist mich lehren.
Lord Barrat: Der im Stillen lehret, waltet übers Leben
Luise: Ihr Wesen, unbegreiflich
Macht unbegreiflich mich.
Lord Barrat: Was von Menschen nicht gewußt
Oder nicht bedacht Luise: Weiß ich’s auch nicht, hab ich’s auch nie bedacht –
Lord Barrat: Ich weiß es besser, wandelt in der Nacht
Luise: Oh, sprechen sie! Sprich immer weiter zu mir.
Henze/Bachmann: Der junge Lord. 6. Bild
Oberjustizrat Hasentreffer: Eine gewisse Roheit ist Lord Barrat nicht
abzusprechen.
Ökonomierat Scharf: Aber sie steht ihm vorzüglich.
Der Bürgermeister: Natürlich vorzüglich, dünkt mich, dünkt uns alle.
Sekretär: Jugend kennt keine Tugend.
Ältere Damen und Herren: Jugend kennt keine Tugend.
Sekretär: Es ist nicht sein geistiger Mutwille, es sind seine körperlichen Zufälle
(d.h. Anfälle)
Professor von Mucker: Ich darf nir ein Urteil bilden: Seine Lordschaft hat
gelehrt mit uns gesprochen, so manches Mal.
Frau von Hufnagel: Mir hat er oft seine Gedichte vorgelesen.
Damen: Oft hat er bei uns zu Mittag gespeist
Ökonomierat Scharf: In der Politik, wie in der Wirtschaft, hat er die freieste
Meinung.
Professor von Mucker: er widerspricht, aber mit Tiefe und seltnem Verstand.
Damen: Nun entführt er uns das schönste Mädchen
[…]
Henze/Bachmann: Der junge Lord. 6. Bild
Alle: Er war die Zierde unsrer Residenz,
der frische Ton,
der frische Tau,
das neue Element.
(Lord Barrat wirft dem Musiker die Trompete an den Kopf)
Frau von Hufnagel: (nervös) Treibt der junge Mensch heute
nicht des Guten zuviel?
Baronin Grünwiesel: Mes amis, das Glück versetzt ihn in
Trance,
Sekretär: Jugend kennt keine Tugend
[…]
Schöne Ferien!
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