Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle

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Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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[28101] Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Modul: MSW_2/1 und MSW_2/2 Kommunikationslinguistik der
russischen/polnischen Sprache
[Kommunikationslinguistik II] 2 LP
Vorlesung, 2 SWS
Prof. Dr. Peter Kosta
Mi 09.15-10.45
1.09.213
18.04.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Stalin - Der Mythos
Stalin-Trilogie, Folge 1
Er wurde zum Übervater aller Sowjetmenschen stilisiert, zum
allwissenden und gerechten Lenker des Volkes. Welche
Verbrechen im Schatten der Verklärung geschahen, blieb den
meisten Zeitgenossen verborgen.
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Stalin - Der Kriegsherr
Stalin-Trilogie, Folge 2
Stalin war keineswegs der unfehlbare militärische Führer, zu dem er
sich stilisierte. Kritiker meinen, dass der Krieg gegen Hitler nicht mit,
sondern trotz Stalin gewonnen wurde.
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Stalin - Der Tyrann
Stalin
Er gilt neben Hitler als der zweite große Mörder des 20.
Jahrhunderts. Mehr als 20 Millionen Menschen haben während
Stalins Gewaltherrschaft ihr Leben verloren.
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Bildnachweise:
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Karikaturen Folie 2-9 in:
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http://www.friedenspaedagogik.de/service/karikatur_der_woche/2006/inter
kulturelle_begegnung_2006
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Propagandaplakate Folie 10 aus:
http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/propaganda/index.html
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Folien 11-13: ZDF. Zeitgeschichte:
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http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/17/0,1872,2035377,00.html
Folie 14: BERWANGER, K. & P. KOSTA (EDS.) (2005): Stereotyp und
Geschichtsmythos in Kunst und Sprache. Die Kultur Ostmitteleuropas in
Beiträgen zur Potsdamer Tagung, 16. –18. Januar 2003, Frankfurt a. M. usw.,
Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften.
http://www.peterlang.com/index.cfm?vID=53154&vLang=E&vHR=1&vUR=2&vUUR=1
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Gliederungsvorschlag:
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1) 18.04.07: Einführung in die Thematik am Beispiel eines
bekannten Stereotyps “Blondinen bevorzugt” (Plenum)
2) 25.04.07: Definition, Genese und Klassifizierung von
Stereotypen und verwandten Phänomenen (Plenum)
3) 02.05.07: Kognitive, psychologische und soziologische
Konzepte der Stereotypisierung (Plenum)
4) 09.05.07: Eigenschaftszuschreibungen,
Wahrheitswertsemantik, Werturteile und Axiomatik,
Generalisierungen, Vor-Urteile (Plenum)
5) 16.05.07: Stereotyp und Mythos als gesellschaftliches
Phänomen (am Beispiel einiger verbaler Stereotype) (Plenum)
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6) 23.05.07: Stereotypen und Kultbildung am Beispiel von Personenkult (Stalin
– Hitler) (Plenum)
7) 30.05.07: Stereotypen und Kultbildung am Beispiel von Personenkult (Stalin
– Hitler) (Plenum)
8) 06.06.07: Die verbalen Mittel der Stereotypisierung: die Tiermetapher und
die Sowjetpropaganda (Plenum)
9) 13.06.07: Die verbalen Mittel der Stereotypisierung: die Tiermetapher und
die Sowjetpropaganda (Plenum)
10) 20.06.2007: Die technischen Mittel der Image-/Gesichtspflege („face-work“)
bei Erving Goffman (Plenum)
11) 27.06.2007: Schlüsselkonzepte des naiven Weltbildes im Russischen
(Zaliznjak, Levontina) (Plenum)
12) 04.07. 2007: Lingua mentalis, Ethnostereotype und naives Weltbild im
Polnischen (Wierzbicka) (Plenum)
13) 11.07.07: Wiederholung und Vorbereitung auf die Klausur
14) 18.07.07: Klausur (2x 45 Minuten)
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Stereotypen als inkorrekte
Generalisierungen, im besten Falle als
Ökonomisierung der kognitiven
Kapazität von Konzepten des Gehirns,
begegnen in verschiedenen Formen im Alltag
und in der Arbeit.
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Sie existieren als fest verankerte
Vorstellungen bzw. Bilder, als
Meinungsbilder, Urteile, ja Vorurteile der
historischen, sozialen, ethnischen,
kulturellen, politischen usw. Wirklichkeit einer
Sprach- und Kulturgemeinschaft.
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1) 18.04.07: Einführung in die Thematik am Beispiel
eines bekannten Stereotyps “Blondinen bevorzugt”
(Plenum)
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„Blondinen bevorzugt“
Frauen mit blonden Haaren hängt seit Jahrhunderten ein bestimmtes Image an:
Sie gelten als sinnlich, verführerisch und erotisch, aber auch als rein, kindlich
und naiv. Woher kommt dieses Klischee und was ist dran am Gerücht, dass
blonde Menschen vom Aussterben bedroht sind?
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Im Rahmen der Wortsemantik lassen sie sich
meist nicht scharf umreißen, sie sind
klischeehaft, vage und/oder mehrdeutig.
Wir werden in der Vorlesung – ausgehend
von den bekannten sozialpsychologischen,
verhaltenspsychologischen bzw. kognitiven
Ansätzen – primär auf die linguistischen
Leistungen und Konzepte der Stereotypenund Prototypensemantik eingehen.
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„Die Blondinen sterben aus!“ Mit dieser Meldung schockten
zahlreiche Boulevardmedien unlängst ihre Leserschaft. Die
WHO habe in einer Studie berechnet, dass in 200 Jahren der
letzte blonde Mensch geboren werde. Zwar stellte sich die
Information als Falschmeldung heraus, aber dennoch war die
Aufregung groß.
Doch woher kommt eigentlich die Faszination für blondes Haar
– oder um es genauer zu sagen: für blondes Haar bei Frauen?
Denn der Satz „Blonde Männer sterben aus“ würde viel weniger
als Schlagzeile taugen. Warum ist blondes Haar bei Frauen so
begehrt, nicht jedoch bei Männern?
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Bereits im antiken Rom hatte man ein Faible für blond. Die
römischen Frauen waren fasziniert vom Kupferblond ihrer
gallischen und germanischen Sklavinnen, ließen sich aus deren
Haaren kunstvolle Perücken anfertigen oder versuchten (mit
mäßigem Erfolg), sich die Haare zu bleichen. In den
darauffolgenden Jahrhunderten hatte die ideale weibliche
Schönheit immer blond zu sein. Ein Streifzug durch die
Kunstgeschichte zeigt es: immer wenn es einem Maler darauf
ankam, eine Frau von perfekter Schönheit zu malen, malte er
eine Frau mit langen, blonden Haaren – sei es die Liebesgöttin
Venus, die Madonna, Eva oder irgendeine Nymphe oder Muse.
Blond galt schon vor Jahrhunderten als das Ideal, selbst (oder
gerade) in Kulturen, in denen die Menschen überwiegend
dunkelhaarig waren.
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So war es beispielsweise auch selbstverständlich, Maria, eine
Frau aus dem Nahen Osten, die mit Sicherheit schwarzhaarig
war, mit blonden Haaren darzustellen. Mit blondem Haar waren
stets auch immer bestimmte Assoziationen verbunden:
Reinheit, Unschuld, Jugend, aber auch Sinnlichkeit oder Erotik.
Als im 20. Jahrhundert Anfang der 30er Jahre die ersten
allgemein käuflichen Haarfärbemittel auf den Markt kamen,
wurde das Blondsein zu einem Massenphänomen. Die
Filmindustrie schürte diesen Trend mit zahlreichen Filmen
blonder Hauptdarstellerinnen oder sogar Filmen, die das Wort
blond im Titel trugen.
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Der berühmteste davon ist „Blondinen bevorzugt“ mit der wohl berühmtesten
Blondine, die von Natur aus eigentlich brünett war – Marilyn Monroe. Sie war
es auch, die wie keine andere das heutige Stereotyp einer Blondine prägte:
verführerisch, sinnlich, schwach, unterwürfig und naiv.
Dieses Stereotyp scheint fest in den Köpfen der Menschen verankert zu sein
und wurde immer wieder in Experimenten zur sozialen Wahrnehmung bestätigt:
Bittet man Versuchspersonen, anhand von Fotos unterschiedliche
Persönlichkeitsmerkmale der abgebildeten Personen zu bewerten, tendieren
sie dazu, Blondinen als schwächer, unterwürfiger und weniger gescheit zu
beurteilen. Für die meisten Sozialpsychologen ist damit der Fall erledigt: Sie
geben dem Phänomen einen wissenschaftlich klingenden Namen – nämlich
„Stereotyp“ – und halten es damit für erklärt. Schließlich impliziert der Begriff
„Stereotyp“ schon, dass alles nur ein Vorurteil sei, an dem selbstverständlich
nichts dran sei. Die Antwort auf die grundsätzlich viel spannendere Frage, ob
an einem Stereotyp vielleicht nicht auch ein Funken Wahrheit ist, bleibt der
Stereotypforscher in aller Regel schuldig.
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Marilyn Monroe – hier links ein Foto aus jungen
Jahren – war von Natur aus brünett
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Eine Ausnahme ist der Psychologe Jerome Kagan, der in einer
interessanten Studienreihe Temperamentsunterschiede
zwischen Personen unterschiedlicher Haarfarbe feststellte. Er
untersuchte Kinder mit hellem Pigment und fand heraus, dass
v.a. Kinder mit blauen Augen und hellen Haaren weit mehr dazu
neigen, schüchtern und gehemmt zu sein als Kinder mit
dunklen Augen und dunklen Haaren. Sie neigen am ehesten
dazu, in neuen Situationen furchtsam zu sein, beim Zugehen
auf andere zu zögern und sich in Gegenwart einer unbekannten
Person still zu verhalten, und sie tendieren am meisten dazu, in
der Nähe der Mutter zu bleiben. Kinder mit braunen Augen und
dunklen Haaren sind hingegen wagemutiger.
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Kagan vermutet, dass es für diese Unterschiede eine
genetische Ursache gibt. Seine These ist, dass blondes Haar,
blaue Augen und Schüchternheit ein biologisches Gesamtpaket
darstellen, das von denselben Genen gesteuert wird. Diese
würden sowohl die Melaninproduktion (die für die
Dunkelfärbung von Haut, Haaren und Iris verantwortlich ist) als
auch die Kortikosteroidmenge im Körper steuern, die als
Nebeneffekt für furchtsameres Temperament verantwortlich sei
(vgl. Etcoff, 2001). Doch all dies ist natürlich nur eine
Vermutung. Blondinen als „reine“, „unschuldige“ Wesen – nun,
Kagans These vom „Gesamtpaket“ klingt jedenfalls
einleuchtend. Doch die eigentliche Frage – nämlich die,
weshalb Männer so sehr auf Blondinen ansprechen, bleibt
damit immer noch unbeantwortet.
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Ein wichtigerer Grund für die Attraktivität von
Blondinen dürfte wohl sein, dass blondes Haar als
Zeichen der Jugend gilt. Dies kommt nicht von
ungefähr. Die meisten Blondschöpfe finden sich bei
Kindern. Doch etwa 14 Prozent von ihnen dunkeln
im Laufe der Zeit nach. Spätestens in der Pubertät
kommt die Kurskorrektur in Richtung dunkel. Auch
bei denen, die ihr blondes Haar behalten, wechselt
meist die Farbe von einem helleren Blond in ein
dunkleres.
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Die Farbe Blond als Attribut von Jugend mag dafür
verantwortlich sein, warum Blond ausgerechnet bei Frauen als
attraktiv gilt, nicht jedoch bei Männern. Der Grund ist, dass
Jugendlichkeit für die Attraktivitätsbewertung von Frauen eine
wesentlich größere Rolle spielt als bei Männern. Nach einer
allgemein akzeptierten Theorie der Attraktivitätsforschung
bevorzugen Männer bei der Partnerwahl junge Frauen, weil
diese mit größerer Wahrscheinlichkeit gesund sind und noch
einer längere Phase der Fruchtbarkeit vor sich haben als ältere
Frauen. In der Entwicklungsgeschichte des Menschen stellte
diese Strategie für Männer einen Fortpflanzungsvorteil dar.
Biologisch ausgedrückt: Die Vorliebe für jung aussehende
Frauen wäre für Männer ein Faktor, der ihre „genetische
Fitness” steigerte.
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Diese Theorie hat Konsequenzen: Wenn Männer
aufgrund ihrer Biologie Frauen bevorzugen, die jung
aussehen, dann sollten auch zugleich solche
Einzelmerkmale die Attraktivität von Frauen erhöhen,
die sie jung wirken lassen. Und so ist es auch: In
Attraktivitätsexperimenten werden solche
Frauengesichter als besonders schön beurteilt, die
Merkmale besitzen, die eigentlich Kennzeichen von
Kindergesichtern (Kindchenschema) sind (vgl.
www.beautycheck.de). Dieses Phänomen
bezeichnet die Attraktivitätsforschung als „Neotenie“.
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Das Kindchenschema
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Vor diesem Hintergrund betrachtet, bekommt auf
einmal die Vorliebe für blondes Haar bei Frauen
einen biologischen Sinn: Da Blond eine Farbe ist, die
am häufigsten in jungen Jahren auftritt, ist blondes
Haar ein Zeichen von Jugendlichkeit – wenn auch
ein eher schwaches. Es fällt damit in dieselbe
Kategorie wie kindchenhafte Gesichtsproportionen
oder eine straffe, faltenlose Haut. Umgekehrt sollten
solche Merkmale des Haars besonders unattraktiv
wirken, die typisch sind für höheres Alter, z.B. graue
oder weiße Haare – und so ist es auch.
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Damit liegt auch auf der Hand, warum blonde Haare bei
Männern nicht attraktivitätssteigernd wirken. Im Gegensatz zu
Frauen ist ihre Fortpflanzungsfähigkeit nicht an ein so relativ
enges Zeitfenster gebunden. Zwar nimmt auch bei ihnen die
Zeugungsfähigkeit mit zunehmendem Alter ab, jedoch können
Männer auch in fortgeschrittenem Alter noch Vater werden.
Deshalb werden äußerliche Zeichen des Alterns bei Männern
als keine so großen Handicaps für ihre Attraktivität bewertet wie
dieselben Merkmale bei Frauen. Es verwundert also nicht, dass
blonde Haare den Männern keinen Attraktivitätsbonus bringen.
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Eher im Gegenteil: Für die meisten Frauen sollte der
Traummann – sofern die Haarfarbe überhaupt
relevant ist – dunkelhaarig sein. Der Prototyp für
einen attraktiven Mann ist eher der südländische,
dunkelhaarige Typ. Die Frau blond – der Mann
schwarzhaarig, ein schönes Paar. Diese
Kombination findet man besonders häufig, wenn
Klischees bedient werden, z.B. der Held und seine
Geliebte im Film, das glückliche, attraktive Paar in
der Werbung oder die Plastikfiguren von Braut und
Bräutigam auf der Hochzeitstorte.
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Blond sein heißt jung sein. Diese These könnte auch
helfen, einige Stereotype der Zuschreibung von
Charaktereigenschaften bei Blondinen zu erklären:
Dass mit Blondinen Eigenschaften wie naiv, rein
oder unschuldig in Verbindung gebracht werden,
könnte daher kommen, dass Kindern dieselben
Eigenschaften zugeordnet werden. Eine
Besonderheit in diesem Zusammenhang ist, dass
Blondinen für glaubwürdiger gehalten werden als
Personen anderer Haarfarbe. Aus diesem Grund
sind auch besonders viele
Nachrichtensprecherinnen im Fernsehen blond.
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Die Assoziation „blond = kindlich“ wäre sogar
eine Erklärung für das Vorurteil, Blondinen
seien dümmer als Nicht-Blondinen, der
Aufhänger für so zahlreiche Blondinen-Witze.
Kindern fehlt es aufgrund ihres geringen
Alters an Lebenserfahrung und Wissen über
die Bedeutung und Zusammenhänge von
Dingen
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Zwei Ikonen der Schönheit: Oben die Liebesgöttin Venus auf einem Gemälde von Rubens,
unten die zur „Sexiest Woman 2004“ gekürte Britney Spears – beide blond und mit
kindlichen Gesichtszügen
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Doch sind alle diese Stereotype über Blondinen
tatsächlich nur auf ihre Haarfarbe zurückzuführen?
An dieser Stelle wird es Zeit, sich klarzumachen,
was wir eigentlich unter einer Blondine verstehen.
Reichen blonde Haare als einziges Merkmal bereits
aus? Eigentlich nicht. Zu einer „richtigen“ Blondine
gehören für die meisten Menschen noch weitere
äußerliche Kennzeichen: Die Haare sollten eher lang
sein (jedenfalls nicht kurz) und die Frau sollte
insgesamt attraktiv aussehen. Attraktivität ist bei
Frauen jedoch – wie bereits oben erwähnt –
gekoppelt an „kindchenhafte“ Merkmale im Gesicht.
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„Richtige“ Blondinen haben daher meist auch kindliche
Gesichtszüge; dadurch werden sie jedoch nur umso mehr mit
den oben genannten Charaktereigenschaften (unschuldig,
schwach, unerfahren, naiv) in Verbindung gebracht.
Ein Blick auf die Gesichter der hier abgebildeten Blondinen
zeigt, dass sie alle „kindchenhafte“ Gesichtsmerkmale besitzen.
Wenn man verstehen will, woher die Klischees über Blondinen
kommen, darf man also nicht nur auf ihre Haarfarbe achten,
sondern muss stattdessen das gesamte Äußere betrachten.“
(Artikel findet sich vollständig in:
http://www.sciencegarden.de/fundstuecke/200405/blondinen/bl
ondinen.php)
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http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.
de/tips/mode/71853/index.html
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B L O N D I N E N W I T Z E 30 von 311
Wie lässt man eine Blondine am besten in den Swimmingpool
fallen? Einfach einen Spiegel auf den Grund legen
Woran erkennt man, dass eine Blondine den Garten angelegt
hat? Die Büsche sind größer als der Rest des Grundstücks
Was sagt die Mutter zur blonden Tochter vor ihrer
Verabredung? Wenn du um 12 noch nicht im Bett bist, komm
nachhause
Was erhält man, wenn man einer Blondine einen Pfennig für
ihre Gedanken bietet? Wechselgeld
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Wie versucht eine Blondine einen Vogel
umzubringen? Sie wirft ihn vom Balkon! Und
wie bringt sie einen Fisch um? Durch
ersäufen
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Warum freut sich eine Blondine so, wenn sie
ein Puzzle nach 6 Monaten fertig hat? Weil
auf der Packung steht: von 2-4 Jahren
Wie beschäftigt man eine Blondine für
mehrere Stunden? Einfach Bitte umdrehen
auf beide Seiten eines Papiers schreiben
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Hausaufgabe:
1) Suchen Sie in dem Text „Blondinen bevorzugt“
nach typischen verbalen Stereotypen und begründen
Sie, warum es hierbei um Stereotypen geht.
2) Wie kann man beweisen, dass die Attribute
„verführerisch“, „sinnlich“, „schwach“, „unterwürfig“
und „naiv“ nicht zum Bedeutungskern des Worts
„Blondine“ gehören.
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2) 25.04.07: Definition, Genese und Klassifizierung von
Stereotypen und verwandten Erscheinungen (Plenum)
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Stereotyp und Ritual
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Der Begriff „Ritual“ wurde primär als rituelle religiöse Handlung
(Vorschrift, Zeremonie) verstanden. Davon zeugt auch die
Etymologie des Wortes aus lat. ritus „religiöse Handlung,
Vorschrift, Zeremonie“ bzw. ritualis „religiöse Handlungen
betreffend“. Der Begriff wurde seit dem XVI/XVII Jh. verwendet,
nämlich als Bezeichnung der Agende, also des Kirchenbuches,
in welchem die religiösen Handlungen, Zeremonien und
Gebete beschrieben werden, derer sich der Messdiener
während der Erteilung der Sakramente zu bedienen hat.
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In der Umgangssprache kann der Begriff „Ritus“
auch Verhaltensweise, Brauch bzw. Gewohnheit
bezeichnen.
In der Verhaltensforschung bezeichnet Ritus den
stets in derselben Weise wiederkehrenden Ablauf
einer Handlung. In diesem Sinne wird der Begriff in
der Sozialpsychologie, der Medizin und den
Sozialwissenschaften gebraucht.
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In der Soziologie lassen sich eine Reihe von
innerhalb einer Gesellschaft oder einer
gesellschaftlichen Gruppe üblichen oder
vorgeschriebenen, meist formalisierten oder
ritualisierten Gruppenverhaltensweisen als Ritus
beschreiben. Solche Riten haben in der Regel eine
identitäts- oder sinnstiftende Funktion und dienen
damit dem Gruppenzusammenhalt oder der
Rollenzuweisung innerhalb einer Gruppe.
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Für das soziale Leben von besonderer Bedeutung
sind z. B. Übergangsriten (z. B. Initiationsriten wie
Taufe, Hochzeitsriten), Reinigungsriten (z. B. vor
einer Heirat oder nach einer Verfehlung), oder
Vergebungsriten (etwa zur Wiederaufnahme eines
Mitglieds in die Gemeinschaft oder zur Versöhnung
verfeindeter Gruppenmitglieder oder Klans).
Kampfritten (z. B. ein Duell) bieten die Möglichkeit
einer geregelten Austragung von
Auseinandersetzungen in ritualisierter oder
symbolischer Form.
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Staatsriten: Krönung eines Herrschers, der
feierliche Einzug des Parlamentspräsidenten,
die Vereidigung des Bundeskanzlers, das
Fahnenzeremoniell, Zapfenstreich – dienen
der Legitimation und Darstellung staatlicher
Macht.
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Religiöse Riten: alle in einer Religionsgemeinschaft üblichen
oder geregelten Praktiken oder Rituale, die der religiösen
Lebensführung oder dem Kult dienen (Gottesdienste,
liturgische und kultische Handlungen aller Art, die Feier
religiöser Feste, Anbetungsgesten und Verehrungspraktiken,
die Rezitation von Gebeten oder Mantras, religiöse Tänze und
Gesänge, Orakelbefragungen, Beschwörungen, magische
Rituale, Heilungsrituale, rituelle Waschungen von Menschen
oder Gegenständen, der Vollzug der Beschneidung, der Taufe
oder sakramentale Handlungen, Opfer-, Reinigungs-,
Segnungs- oder Weihehandlungen u.v.m.
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Kirchliche Riten: Im Christentum wird als Ritus die
historisch gewachsene, der Überlieferung
entsprechende und in der Regel kirchlich normierte
Ordnung der liturgischen Vollzüge und Gottesdienste
in einer Kirche, einer Teilkirche oder einer Gruppe
von Kirchen bezeichnet. In diesem Sinne kann z. B.
die Feier eines Sakraments nach orthodoxem oder
katholischem Ritus durchgeführt werden.
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Stereotyp: aus gr. stereós „fest, haltbar“ und
topos „Gestalt, Muster, Stempel“. Der Begriff
stammt aus dem Druckerwesen und wurde im
J. 1798 durch den frz. Drucker F. Didot
eingeführt als Bezeichnung des Prozesses des
Druckens, der sich fester vorgefertigter
Druckplatten bedient.
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Der Begriff Stereotyp (von griech. στερεός, stereós „fest, hart,
haltbar, räumlich“ und τύπος, týpos „Gestalt, -artig“) tritt in
verschiedenen Zusammenhängen mit unterschiedlicher Bedeutung
auf. Allen Bedeutungen ist gemeinsam, dass ein bestimmtes gleich
bleibendes oder häufig vorkommendes Muster bezeichnet werden
soll, ähnlich der umgangssprachlichen Wendung „Schema F“.
Ein Stereotyp kann als eine griffige Zusammenfassung von
Eigenschaften oder Verhaltensweisen aufgefasst werden, die häufig
einen hohen Wiedererkennungswert hat, dabei aber in aller Regel für
sich genommen den gemeinten Sachverhalt sehr vereinfacht. Somit
steht es in engem Bedeutungszusam-menhang zum Klischee oder
Vorurteil.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Das Stereotyp ist ein interdisziplinär verwendeter Begriff
verschiedener Fachrichtungen (Psychologie, Soziologie, Linguistik).
Am geläufigsten ist die Verwendung des Begriffes in einem
sozialwissenschaftlichen Kontext. Hier sind Stereotype Komplexe von
Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die bestimmten
Personengruppen zugeschrieben werden. Damit grenzen sie sich klar
von Schemata ab, welche nicht primär soziale Informationen
beinhalten (z. B. Prototypen). Stereotype sind des Weiteren (im
Gegensatz zu Soziotypen) vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie
besonders distinkte und offensichtliche Eigenschaften karikierend
hervorheben und z. T. falsch verallgemeinern.
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In die soziologische Literatur eingeführt wurde der Begriff
1922 von Walter Lippmann. Seine Arbeit „Public Opinion
− die öffentliche Meinung“ war bahnbrechend für die
Stereotypenforschung.
Im Gegensatz dazu stehen Vorurteile − einerseits als
abstrakt-allgemeine Vorurteile, andererseits als Einstellung
gegenüber Individuen. Stereotype dagegen bezeichnen
eine Überverallgemeinerung tatsächlicher Merkmale, sie
reduzieren Komplexität und bieten auch
Identifikationsmöglichkeiten
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In der Psychologie übernimmt das Stereotyp
verschiedene Aufgaben, als:
Orientierungsystem (vereinfachte Entscheidung
für eine kognitive Ökonomie)
Anpassungssystem (in einer Gruppe werden
Konflikte verringert)
System zur Aufrechterhaltung des Selbst (zur
Selbstdefinition und Selbstverankerung)
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Außerdem gibt es in Bezug auf Gruppen verschiedene
Theorien:
Komplexitäts-Extremitäts-Theorie: Je mehr Dimensionen
ein Urteilsgegenstand hat, desto weniger extrem ist das
Gesamturteil. Stereotype haben wenige Dimensionen und
fallen deshalb eher extrem aus (positiv oder negativ).
Reizklassifikationstheorie: Beim Zuordnen von
Gegenständen in vorgegebene Kategorien wird der
Unterschied in der Kategorie verkleinert, während er
zwischen den Kategorien größer wird. Da Stereotype auf
einer Urteilsverzerrung beruhen, tritt eben dieser Effekt
auf.
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Theorie der vermuteten Merkmale: Den
Mitgliedern der eigenen Gruppe werden eher
positive, den Mitgliedern anderer Gruppen eher
negative Merkmale zugeordnet. Stereotype heben
die positiven Eigenschaften einer Gruppe noch
hervor (oder auch die negativen).
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Die Eigenschaft des unveränderlichen, dauerhaften
Musters wurde dann in den soziologischen und
psychologischen Disziplinen übernommen, später auch
von der Kognitionswissenschaft und der Linguistik.
Stereotype verstehen sich als schematische, vereinfachte,
verallgemeinerte und daher auch ‚falsche‘ Bilder von
Menschen, Gruppen, gesellschaftlichen oder ethnischen
Gemeinschaften usw.
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theoretischer Ansatz der Erwartungsabweichung: Es gibt bestimmte
Merkmale, die man Gruppenmitgliedern zuschreibt − bei einer
Abweichung ändert man seine Einstellung in die erfahrene Richtung.
Stellt ein Beobachter fest, dass eine andere Person positiv von seiner
Erwartung abweicht, wird er sie noch positiver beurteilen.
Beispiele: Japaner würden sich eher eine Hand abhacken lassen, als
ein schlechtes Wort über ihre Firma zu verlieren. Franzosen sind die
besten Liebhaber. Stolz wie ein Spanier. Temperamentvoll wie
Italiener. Geizig wie Schotten. Polen stehlen. Engländer trinken um 5
immer Tee. Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Jeder Türke
heißt Mohammed, Ali oder Murat.
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In der Literatur kann man sich nicht darauf einigen, wo
Stereotypen zuzuordnen sind: Sind es besondere
Haltungen, Überzeugungen oder verbale Ausdrücke von
Überzeugungen? Einig ist man sich dagegen, was die
Merkmale von Stereotypen anbelangt:
der Gegenstand von Stereotypen sind bestimmte Gruppen
von Menschen, zweitrangig auch die zwischen ihnen
bestehenden Beziehungen
ein Individuum lernt Stereotype als Ausdruck der
öffentlichen Meinung durch die Erziehung der Familie
oder des Milieus, unabhängig von seiner persönlichen
Erfahrung
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in Bezug auf die wertende Funktion des Stereotyps ist es
immer emotional geladen (positiv oder negativ)
ein Stereotyp ist entweder völlig tatsachenwidrig oder
enthält nur partiell Tatsachen, wodurch es den Anschein
erweckt, völlig wahr zu sein
Stereotype sind dauerhaft und resistent gegen
Veränderungen, weil sie unabhängig von der Erfahrung
und emotional geladen sind, vernünftige Argumente
zeigen kaum Wirkung
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die soziale Funktion besteht darin, die von einer
Gruppe/Gesellschaft akzeptierten Werte und
Urteile zu verteidigen (ein Individuum, das dieser
Gruppe angehören möchte, sollte diese Werte als
soziale Norm verinnerlichen)
der Stereotypeninhalt kann durch ein Wort
aktiviert werden
Stereotype sind immer verbal, sie sind
linguistisch immer ein Satz (oder mehrere Sätze)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die Stereotypenforschung der Sozialwissenschaften hat
den Begriff Stereotyp [griech. stereós ‚fest‘, týpos
‚Gestalt‘] auch in die Linguistik importiert. Im Lexikon
der Sprachwissenschaft von H. Bußmann (Stuttgart
1990:735) versteht man unter diesem Begriff
„Bezeichnung von gruppenspezifischen, durch Emotionen
geprägten, meist unbewussten, stark verfestigten (Vor)Urteilen“.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Wie man unschwer erkennen kann, hat dieser von
Lippmann (1922) aus der Druckersprache in die
Sozialpsychologie übernommene Begriff in den
verschiedenen Nachbardisziplinen unterschiedliche
Ausprägung und Reichweite erfahren, oft auch
entschiedene Revision.
Lipmann betont in seinem Standardwerk „Public Opinion“
(1922/1965), dass stereotypische Repräsentationen
sozialer Gruppen sowohl unvollständig als auch
tendenziös seien. Schauen wir uns dazu einen
Textausschnitt aus einem Lehrbuch von Anfang des 20.Jh.
an:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Alexander Puschkin (1799 - 1837)
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"In ihm spiegeln sich die russische Natur, die russische Seele, die russische
Sprache, der russische Charakter in solcher Klarheit, in solcher reinen
Schönheit, wie sich eine Landschaft in der gewölbten Fläche eines optischen
Glases spiegelt."
Nikolai Gogol, russischer Schriftsteller)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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„Die Volksseele der Russen ist durch Sinnigkeit, Gemütstiefe und
Nationalstolz gekennzeichnet. Wechsel zwischen Munterkeit und Schwermut
sind den Russen eigentümlich. Groß ist ihre Verschmitztheit und Höflichkeit.
Die unbezwingliche Rauheit der Natur hat sie zur Genügsamkeit, Geduld und
Unterwürfigkeit, aber auch zum Fatalismus erzogen, so dass ihnen mit
Ausnahme des großrussischen Stammes der Kosaken die Tatkraft verloren
ging. Der lange Winter regte die Russen zu Handwerkstätigkeit an und erzog
sie zur Handgeschicklichkeit, Handelstüchtigkeit (Hausierer) und praktischem
Sinn, führte sie aber auch zu Trägheit und Trunksucht. Die russischen
Stämme sind Halbasiaten. Ihr Geist ist unselbständig. Wahrheitssinn wird
durch blinden Glauben ersetzt, Forschungstrieb mangelt ihnen. Kriecherei,
Bestechlichkeit, Unreinlichkeit sind echt asiatische Eigenschaften.
E. von Seydlitz, Geographie. Ausgabe B: Kleines Lehrbuch, Breslau
1908, S. 243 f.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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»Dem Deutschlandbild, das sich die Franzosen machen, entspricht
etwa unser Russlandbild«, schreibt Manfred Koch-Hillebrecht in
seiner Studie Das Deutschenbild (1977, S. 248), »dort die Deutschen
der Madame de Staël, die sich in ihren unergründlichen Wäldern die
Märchen der Gebrüder Grimm gegenseitig vorlesen, sich an
Kachelöfen wärmen, Sauerkraut essen und im übrigen die Sitten und
Gebräuche ihrer Vorväter wahren. Hier die geduldige russische Seele,
die den unendlichen Weiten der Ebene entspricht, die schneebedeckte
Tundra, auf der eine Troika mit Glockengeläut vorbeiläuft,
angetrieben von einem gutmütigen Kutscher. Dort Richard Wagners
Opern, die die Gefühle und nicht den Intellekt ansprechen - hier das
Wolgalied und die Donkosaken, die zu Tränen rühren.«
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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In den Beziehungen zwischen den Völkern spielt das Bild,
das sich die eine Nation von der anderen macht oder das
einer Nation bezüglich der anderen suggeriert wird, eine
kaum zu überschätzende Rolle. Bis in den
zwischenmenschlichen Bereich hinein bestimmen solche
Pauschalvorstellungen von den anderen das Klima
zwischen den Völkern, vielfach über sehr lange
Zeitspannen hinweg. Damit überdauern sie tendenziell die
wechselhaften politischen Vorgaben und Programme, auch
wenn diese ihrerseits auf die nationalen Stereotypen
zurückwirken können.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Wer sich vergleichend mit solchen nationalen Stereotypen beschäftigt,
stößt im Rahmen Europas auf eine West-Ost- (wie auch Nord-Süd)Schiene, auf der Urteile sich in aller Regel bewegen. Die
Wahrnehmung des jeweils östlichen Nachbarn als barbarisch (bzw.
natürlich) und des jeweils westlichen als dekadent (bzw. zivilisiert)
macht zweierlei deutlich: Erstens sind die Stereotypen nicht völlig
beliebig, denn ihnen liegen in der Regel Ungleichzeitigkeiten der
jeweiligen national- und regionalgeschichtlichen Entwicklung
zugrunde, aus denen langlebige Unter- und Überlegenheitsgefühle
resultieren. Zweitens steckt in den Vorstellungen, die man sich von
einer anderen Nation macht, indirekt Wesentliches vom nationalen
Selbstbild. Wenn sich z. B. die Deutschen für fleißig und ordentlich
halten, dann liegt es nahe, dieses Selbstbild dadurch auszudrücken,
dass andere Völker - im Osten und Süden - als faul und unordentlich
betrachtet werden.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Gemessen am Leitbild des heroischen Befreiungskampfes, das die
polnische Nationalbewegung seit den blutig niedergeschlagenen
Aufständen von 1830/31, 1848 und 1863 bestimmte, nahmen sich die
Tschechen, die ihre nationale Emanzipation überwiegend mit anderen
Mitteln betrieben, wie ein Volk von Feiglingen aus. Der polnische
Heroismus, der die Bewunderung vieler Liberaler Europas fand, war
indessen großenteils ein Erbe adeliger Werte. Als das stärker
kleinbürgerlich geprägte ›polnische Gemeinwesen‹ in der preußischen
Provinz Posen gegen Ende des 19. Jahrhunderts seinen nationalen
Selbstbehauptungskampf intensivierte, richtete es sich am Vorbild just
der Tschechen auf, die ohne große Worte im gesellschaftlichökonomischen Kleinkampf gegen die deutsch-österreichische
Hegemonie angetreten waren.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Nationale Stereotypen - es klang schon an - sind in der Regel nicht
eindeutig in ihrer Wertung, sondern ambivalent konstruiert, auch
wenn man sagen kann, dass Selbstbilder eher positiv, Fremdbilder
meist eher negativ gefärbt sind. Der russische Publizist Nikolai
Danilewski, dessen Buch Russland und Europa (zuerst 1871) zur
Bibel des Panslawismus wurde, stellte die »Völker des romanischgermanischen Typs«, charakterisiert durch »Gewaltsamkeit« als
Ergebnis übermäßigen Individualismus', den slawischen Völkern mit
ihrer »angeborenen Humanität« gegenüber und sah sich seitens
Wladimir Solowjews, eines seiner schärfsten Kontrahenten, dem
Vorwurf ausgesetzt, das Lehrbuch der Weltgeschichte (1859) des
Deutschen Heinrich Rückert plagiiert zu haben.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die positive oder negative Wertung kann sich also ändern, ohne dass
die alten Klischees aufgegeben werden. Viele der antisemitischen
Topoi lassen sich relativ problemlos philosemitisch umwerten, wie der
geschäftliche und berufliche Erfolg west- und mitteleuropäischer
Juden. Man kann die Verhaltensweisen der Deutschen als diszipliniert
oder als starr und autoritätshörig bezeichnen, die bereits erwähnten
Polen als idealistische, glühende Patrioten oder als
verantwortungslose Abenteurer und Fanatiker. Jede der beiden
Einschätzungen, die positive wie die negative, bezieht sich auf genau
dieselben (vermeintlichen) Eigenschaften, nur in jeweils
unterschiedlicher oder sogar gegensätzlicher Bewertung.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Gegenüber den regelrechten, deklarierten Feindbildern,
die meist begrenzten Perioden und politisch-sozialen
Kräften zuzuordnen sind - sie bündeln negative
Qualitäten, die einer Gruppe angeblich unveränderlich
zugehörig sind und hochgradig affektiv aufgeladen
werden -, verfügen die allgemeineren nationalen
Stereotypen gerade wegen ihrer ambivalenten Struktur
und des Mangels an ideologischer Zielgerichtetheit über
ein größeres Maß an Dauerhaftigkeit und Vielfältigkeit bei
der Verwendung. Denn sie scheinen zeitlos und
unpolitisch.“ [zitiert aus: Peter Brandt: Das deutsche Bild
Russlands und der Russen in der modernen Geschichte].
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Einige stereotypische Eigenschaften von Stereotypen
Stereotype sind sensitiv hinsichtlich individueller
Variabilität innerhalb bestimmter sozialer Gruppen.
Stereotype bestehen fort trotz offensichtlicher
Gegenevidenz.
Die kognitive Leistung von Stereotypen besteht in der
Entlastung und Ökonomisierung der kognitiven Kapazität
von Konzepten des Gehirns
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Lipmann (1922) bezeichnet das Stereotyp als eine
„prägnante Akzentuierung ausgewählter Elemente der
Umwelt in einer einfachen, entscheidungserleichternden
Formel.“
Stereotype bieten kein vollständiges Bild von der Umwelt,
sondern das Bild einer möglichen (imaginierten) Umwelt,
auf das wir uns eingestellt haben, so dass uns jede Störung
dieses festgelegten (oder vorgefassten) Bildes wie ein
Angriff auf deren Grundlage vorkommt.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Bei der Begründung seiner Annahme, dass die „Bilder in
unserem Kopf“ mit der äußeren Welt nicht übereinstimmen müssen, und dennoch das Verhalten im sozialen
Umfeld stärker beeinflussen als die herrschenden
Bedingungen, hat sich Lippmann auf Dewey und James
berufen.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Es wurden zahlreiche Versuche mit VPen durchgeführt.
Rice (1926) legte Studenten einige Zeitungsfotos, auf
denen Personen verschiedener Berufe abgebildet waren,
vor, nannte Berufe und forderte die VPn auf, diese Fotos
zuzuordnen.
Er fand hohe Festigkeit der Zuordnungen und große
Übereinstimmungen zwischen den VPn in den Fällen
falscher Zuordnung, was er als Indiz für die Existenz von
Berufsstereotypen ansah.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Beamtenwitze
Ich habe nichts gegen Beamte. Sie tun ja nichts.
Drei in einem Büro und einer arbeitet. Was ist das?
Zwei Beamte und ein Ventilator.
Was ist der Unterschied zwischen Holz und einem
Beamten? Holz arbeitet.
Ein Beamter zeigt seiner Frau ein Bild von seinen
Kollegen aus seinem Büro. "Hier, schau mal, eine Stunde
belichtet und keiner verwackelt."
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Treffen sich zwei Beamte auf dem Gang. "Na Klaus,
kannst du auch nicht schlafen."
Was ist der Unterschied zwischen Beamten und
Terroristen? Terroristen haben Sympathisanten.
Zwei Beamte sitzen zusammen im Büro. "Was hältst
du davon wenn wir uns ein Aquarium kaufen?"
"Meinst Du nicht das bringt zu viel Hektik ins Büro."
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Ein Beamter wird gefragt warum er einen
verfaulten Apfel isst. Dieser antworten: "Als
ich angefangen habe war er noch gut."
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Wie bringt man einen Beamten ins
Schwitzen? Indem man seinen Bleistift auf
das Fensterbrett legt.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Was ist der arbeitsintensivste Tag für einen Beamten?
Montag. Da muss er gleich drei Kalenderblätter abreißen.
Was macht ein Beamter der in der Nase bohrt?
Er holt das letzte aus sich heraus.
Warum können Beamte nicht tanzen?
Weil keine Band so langsam spielen kann.
Seltene Flüssigkeit mit 14 Buchstaben?
Beamtenschweiß.
Was ist Beamtenmikado?
Wer sich zuerst bewegt hat verloren.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Wie sieht der typische Beamte aus? - Ergebnisse einer
Befragung
55,72 %
13,46 % 6,84 %
4,41 %
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Welche Person ist wahrscheinlich ein Deutscher
Verwaltungsbeamter?
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Insgesamt haben 3218 Personen an dieser Online-Befragung
in den letzten beiden Jahren teilgenommen.
55 % aller Teilnehmer/innen entschieden sich für das Bild
B!
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Aber auch in dem von Ihnen gewählte Gesicht sehen 4,29 %
einen typischen Beamten.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die Stereotypenforschung wurde durch die Untersuchung
von Katz & Braly (1933) maßgeblich geprägt, die die
Begriffe Stereotype und Vorurteile dem
Einstellungsbegriff unterordneten. Danach beschreiben
Stereotype den kognitiven, Vorurteile den affektiven Teil
einer Attitüde zu fremden Gruppen (vgl. Lilli 1982:4).
Die in der sozialpsychologischen Forschung
vorherrschenden Konzepte des Stereotyps bis zu den 80er
Jahren werden in den Arbeiten von Lilli (1982) und
Schäfer & Six (1978) genannt:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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(1) Stereotype als inkorrekte Generalisierungen: in vielen
Fällen ist von falschen Verallgemeinerungen oder
Übergeneralisierungen die Rede. Verallgemeinerungen (z.
B. über die Mitglieder einer Gruppe) können der Richtung
nach inkorrekt sein (wenn einer Person dieser Gruppe eine
Gruppeneigenschaft zugeschrieben wird, die sie als
Individuum nicht hat;
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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meist mit Allquantoren wie alle, jeder oder generischen
Sätzen sprachlich ausgedrückt) und sie können dem
Umfang (Extension) nach inkorrekt sein (z. B: wenn eine
Person die ihr zugeschriebenen Eigenschaften hat, jedoch
nicht in dem behaupteten Umfang).
Viele Autoren dieser Richtung halten das Validitätsproblem für wichtig (z. B. Fishman 1956; Mann 1967),
andere halten eine Validierung für überflüssig (Abata &
Berrien 1967; Brown 1965; Diab 1963), u. a. deshalb, weil
eine Übergeneralisierung selbstevident ist.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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(2) Stereotype als Ergebnis fehlerhafter Denkprozesse:
Manche Forscher, die Stereotype ebenfalls unter dem
Gesichtspunkt von Generalisierungen sehen, stellen die
Frage, wie man eine Abgrenzung zu gewöhnlichen
(validen) Verallgemeinerungen vornehmen könnte. Die
erste Antwort ist, dass es sich bei Stereotypen um
fehlerhafte Denkprozesse handele, die auf einer niedrigen,
nicht-logischen Ebene ablaufen würden (z. B. Bogardus
1950; Fishman 1956).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die zweite Antwort ist, dass der Denkprozess durch
Fehlinformation beeinflusst ist (z. B. zweifelhafte
Quellen; vgl. Lilli 1982:9).
(3) Stereotypen als Kategorisierungen und Konzepte:
In einigen Untersuchungen werden Stereotype als
Verwendung oder Missbrauch (use or misuse) von
Kategorien verstanden, indem die Zugehörigkeit einer
Person zu einer Gruppe oder Ethnie als hinreichend
angesehen wird, dieser Person alle die Eigenschaften
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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(5) Stereotype als Gewohnheiten (habits): Die Analyse
von Stereotypen als „habits“ hat Cambell (1967)
vorgenommen, der unter Verwendung der Hullschen
Lerntheorie Stereotype als Reaktionspotentiale
interpretiert.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Taxonomie der nationalen/ethnischen Stereotypen:
(1) Das S1 → S2 Urteil (das übliche Heterostereotyp):
Ein Deutscher sagt, die Engländer seien voller Humor;
(2) Das S1 → S1 Urteil (Autostereotyp): Ein Berliner sagt, die Berliner
seien schlagfertig;
(3) Das S1 → (S2 → S1) Urteil (vermutetes Heterostereotyp): Ein
Deutscher sagt, die Italiener halten alle Deutschen für aggressiv;
(4) Das S1 → (S2 → S2) Urteil (vermutetes Autostereotyp): Ein
Deutscher sagt, die Amerikaner halten sich für hilfsbereit. (Beispiele
nach Schäfer & Six 1978: 20)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Stereotypen- und Prototypen in der
Wortsemantik
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Zwei der wichtigsten Beiträge zu Grundlagenproblemen der
Wortsemantik stammen von Autoren, die nicht Linguisten,
sondern Vertreter von Nachbardisziplinen sind: wir wollen uns
in diesem Zusammenhang mit den kognitiven Ansätzen der
Psychologin Eleanor Rosch und des Philosophen Hilary
Putnam (Rosch 1977, Putnam 1978) auseinandersetzen.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die Arbeiten sind nicht ohne Konsequenzen, da sie einen
wesentlichen Einfluss auf die lexikalische Semantik ausgeübt
haben. Sie werden uns darüber hinaus eine Abgrenzung zu
dem bisher definierten Begriff des „Stereotyps“ erlauben.
Vor allem im Bereich der vom Strukturalismus geprägten
Wortsemantik (Merkmalssemantik, Komponentialanalyse)
waren die Beiträge von Rosch bedeutsam (siehe Schwarze
1996; Kleiber 1993; Fanselow/Staudacher 1991; Lakoff 1987;
Putnam 1970; 1973; 1975ab; 1979; 1982; Rosch 1973; 1975;
1976; 1978; Schwartz 1977; 1978; 1980)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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zuzuschreiben, die in der Kategorie enthalten sind. In
diesem Sinne sind Stereotype als Konzepte aufzufassen,
die jemand von einer Gruppe hat, der er eine
stereotypische Eigenschaft zuordnet, und die als kognitive
Organisationssysteme fungieren (LILLI, a. a. O.).
(4) Stereotype als Generalisierungen mit Rigiditätscharakter: Stereotype sind „petrifizierte“ Einstellungen,
die sich so gut wie überhaupt nicht ändern lassen (Schäfer
& Six 1978:20)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Rosch: sprachpsychologische Untersuchungen über
Farbkategorien; sie geht davon aus, dass
farbbezeichnende Lexeme eine sog.
Prototypenstruktur haben:
„Color appears to be one domain in which all
evidence – physiology, language, memory, learning,
child development, and information processing
experiments – converge in supporting that the
categories possess an analog prototype structure“
(Rosch 1977: 15)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Damit ist gemeint, dass die Kategorie jeweils um ein
Zentrum organisiert ist, und dass ihre Ausdehnung
nicht durch die Abgrenzung zu einer
Nachbarkategorie, sondern durch den (variablen)
Abstand der Randbereiche zum Zentrum bestimmt
ist. Dieses Zentrum ist ein typischer Vertreter der
Kategorie, z. B. für die Kategorie „rot“ ein ganz
bestimmtes ROT; die Bezeichnung für dieses
Zentrum einer Kategorie ist PROTOTYP.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die grundlegende Idee besteht darin, dass sich die Kategorien
nicht aus Exemplaren zusammensetzen, die im gleichen
Verhältnis zur überdachten Kategorie stehen, sondern dass es
Exemplare gibt, die „bessere Vertreter“ sind als andere. So
ergaben die Antworten der von E. Rosch (1973) befragten
Personen, dass der Apfel das beste Exemplar für die Kategorie
Obst (engl. fruit) darstelle, während die Olive am wenigsten
repräsentativ sei; dazwischen findet man (in der Reihenfolge
absteigender Repräsentativität) Pflaume, Ananas, Erdbeere
und Feige.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Prototyp:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die Ergebnisse hat Rosch dann entsprechend für
geometrische Formen, Gesichtsausdrücke und
konkrete Gegenstände bestätigt gefunden.
Frage: Wenn Menschen ihre Kategorien nach
universell gültigen Prinzipien bilden, wie kann man
dann in Experimenten nachweisbare individuelle
Abweichungen in der Beurteilung der besten
Exemplare einer Kategorie erklären?
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Antwort: Wenn Kategorien von Sprache zu Sprache
und von Kultur zu Kultur verschieden sind, so erklärt
Rosch diese Abweichungen damit, dass einer der
drei Fälle vorliegen:
(1) sie unterscheiden sich nur in den „Rändern“, sind
aber hinsichtlich des Prototyps gleich (dies gilt für
Farben und Formen);
(2) sie beruhen darauf, dass die Welt, in Bezug auf
die die Kategorien gebildet werden, nicht dieselbe ist
(dies gilt z.B. für natürliche Gattungen und Artefakte)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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(3) es bestand für die Bildung bestimmter Kategorien
kein Anlass (Bsp.: geographische und zoologische
Begriffe: Tundra, Steppe, Krokodil…., Realienlexik
wie russ. toská, poln. Żurek, tsch. Švejk, knedlíky)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Stereotyp bei Hilary Putnam
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Während Rosch von Untersuchungen über
Begriffsbildung, Kategorienlernen und
Kategorienzuweisung ausgeht, analysiert Putnam
zeichentheoretische Probleme der Wortsemantik im
philosophischen Diskurs. Seine Grundannahme
sind: zum „Haben“ eines Wortes gehören folgende
Komponenten:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die Kenntnis der syntaktischen Eigenschaft eines
Wortes
Die Fähigkeit, die Kategorie einer bestimmten,
allgemeineren Kategorie zuzuordnen; solche
übergeordneten Kategorien sind z.B. ‚Tier‘,
‚Lebewesen‘, ‚Artefakt‘, ‚Wochentag‘, ‚Zeiteinheit‘ (für
z.B. „Tiger“, „Venusmuschel“, „Stuhl“, „Donnerstag“,
„Stunden“)
Die Kenntnis von Stereotypen, die mit dem Wort
verbunden sind.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Diese Stereotypen bestehen aus denjenigen
Eigenschaften, die einen Prototypen im Rosch‘schen
Sinne zum Prototypen machen, d. h. es sind
Eigenschaften eines typischen Vertreters der
Kategorie. Diese Eigenschaften kommen aber nicht
allen Referenten des Worts in gleicher Weise zu;
Die Kenntnis der Extension (Umfang eines Begriffs).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Syntactic
markers
Mass noun
Semantic
Stereotype
markers
Natural kind colorless
Concrete
liquid
transparent
tasteless
thirst-quentching
Extension
H2O
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Zwei weitere Gedanken:
(1) das „Haben“ eines Wortes muss nach Putnam im
Hinblick auf die ganze Sprachgemeinschaft gelten,
nicht etwa im Hinblick auf den
„Durchschnittssprecher“
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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(2) Wenn die entsprechende Gesellschaft
arbeitsteilig organisiert ist, so schlägt sich dies auch
auf den Sprachbesitz nieder: bei einem Wort wie z.B.
Gold kennt die Masse der Sprecher nur das
Stereotyp Gold, dazu kommen die Spezialisten, die
die Extension von Gold kennen, und unter diesen
sind wieder solche, die darüber hinaus auch
überprüfen können, ob ein gegebenes Muster, das
dem Stereotyp von Gold entsprechen mag, auch in
die Extension von Gold fällt (z.B. Semantiker).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Im Folgenden sei unter einem Prototyp ein typischer
Referent verstanden: so ist z.B. ein besonders
typischer Stuhl ein Prototyp im Hinblick auf die
Kategorie ‚Stuhl‘. Ein Stereotyp hingegen sei die
Menge der Eigenschaften, die einen Prototypen
definieren; so ist z.B. das Stereotyp von Stuhl: ‚dient
zum Sitzen, hat eine Lehne und vier Beine, ist aus
festem Material, bietet Platz für eine Person‘.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Stereotypische Eigenschaften schließlich seien
diejenigen Eigenschaften, aus denen ein Stereotyp
besteht. So ist z. B. ‚hat eine Lehne‘ eine
stereotypische Eigenschaft von ‚Stuhl‘.
Jede stereotypische Eigenschaft gehört analytisch
zum betreffenden Stereotyp
Die Zugehörigkeit eines Objekts zu der um das
Stereotyp organisierten Kategorie setzt die
vollständige Übereinstimmung (Identität) mit dem
Stereotyp nicht voraus.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Deshalb ist eine stereotypische Eigenschaft nicht
eine analytische Eigenschaft aller in die Kategorie
fallenden Objekte. Eine stereotypische Eigenschaft
E kann daher nicht als Implikation einer
Kategorie
K : K (x) → E (x)
dargestellt werden, sondern nur als eine
(revidierbare) Inferenz !
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Stereotypische Eigenschaften können untereinander
hierarchisch geordnet sein: so ist z. B. das Stereotyp
des Vogels wichtiger, Federn zu haben, als singen
zu können. Für das Ethnonym ‚Pole‘ ist es wichtiger,
Angehöriger des Landes Polen zu sein, als ‚Mann‘,
‚Frau‘ oder ‚Kind‘ zu sein.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die an den Rändern der sprachlichen Bedeutung
eines Wortes situierten stereotypischen
Eigenschaften (wie z. B. die Polen sind mutig,
nonkonformistisch; die Tschechen sind
gemütlich…konformistisch) speisen sich aus
verschiedenen (meist wertenden)
Einstellungsoperatoren (Meinungsbildern, Urteilen
und Vorurteilen der historischen, sozialen,
ethnischen, kulturellen, politischen usw. Wirklichkeit)
einer Sprach- bzw. Kuturgemeinschaft und sind
somit als nicht scharf umrissene Kategorien der
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Wortbedeutung fixiert, sondern als klischeehafte
Vorstellungen einer Sprach- bzw. Kulturgemeinschaft
inferiert.
Im Unterschied zu Lakoff (1987:85), der von sozialen
Stereotypen spricht (Beispiele wären Mütter sind
Hausfrauen, Frauen sind schlechte Autofahrer,
Japaner und Deutsche sind fleißig), werde ich im
folgenden für diese klischeehaften Vorstellungen und
Meinungsbilder von Imago-Typen sprechen.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Imago-Typen sind Vorstellungen (wörtlich Bilder)
einer sozialen Gruppe, einer Ethnie oder eines
Kollektivs über eine andere soziale Gruppe, Ethnie
oder ein anderes Kollektiv, die häufig als ständige
Markierung einer Kategorie K der betreffenden
sozialen Gruppe, Ethnie oder des Kollektivs
existieren, selbst aber keine Eigenschaft dieser
Kategorie sind!
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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In der Kommunikation kommen sie oft als
versprachlichte, feste, generalisierte, nicht
wahrheitsfähige bzw. zumindest nicht falsifizierbare
Meinungsäußerungen in Form von einfachen oder
mehrfachen Prädikationen, festen Redewendungen,
Vergleichen, Metaphern, Metonymien,
Sprichwörtern, nicknames (Schimpf- oder
Kosenamen) zum Ausdruck.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Um den Unterschied zwischen stereotypischen
Eigenschaften bzw. Stereotypen (im Sinne der
Prototypen-/Stereotypensemantik) und Imago-Typen
zu verdeutlichen, nenne ich folgenden Belege:
(1) Alle Polen sind Europäer
(2) Alle Polen sind Menschen
(3) Alle Polen sind unordentlich, unpünktlich,
betrügerisch, heldenhaft, mutig, romantisch,
nonkonformistisch…Anarchisten
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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(4) Alle Tschechen sind gemütlich, dick, zynisch,
Biersäufer, geschwätzig, konformistisch,
feige…unverbindlich, unzuverlässig, Musiker,
Schwejks.
Nur die Sätze (1) und (2) sind wahrheitsfähig,
zumindest falsifizierbar, d.h. sie lassen sich auf ihre
Wahrheitswerte überprüfen. Wir können z.B. für (1)
den Wahrheitswert ‚f(alsch)‘ angeben, weil in die
semantische Kategoriebildung der Klasse <Polen>
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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extensional außer den in Europa lebenden Polen auch die
außerhalb Polens lebenden Polen gehören. Der Satz (2) lässt
sich für alle Exemplare der Kategorie <Polen> - also für de
Prototyp <<POLE>> - mit ‚w(ahr)‘ angeben.
Die Aussagen (3), (4) als teilweise bewertende, teilweise
konstatierende Sprechakte lassen sich hingegen nur bedingt
auf ihre Wahrheitswerte überprüfen oder lassen sich zumindest
nicht als in der objektiven Realität für alle Exemplare der
Kategorien >Polen< und >Tschechen< mit den
Wahrheitswerten ‚f/w‘ überprüfen.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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In der nächsten Stunde werden wir uns eingehender
mit dem Problem der ethnischen Imago-Typen vom
Standpunkt der Wahrheitswertsemantik und der
Axiomatik befassen. →
4) 09.05.07: Eigenschaftszuschreibungen,
Wahrheitswertsemantik, Werturteile, Axiomatik und
Konnotation, Generalisierungen, Vor-Urteile
(Plenum)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Durch die Schaffung von Stereotypen wird der kollektive
Narzismus gestützt. Das, womit sich der Mensch identifiziert,
das Wesen der eigenen Gruppe, wird plötzlich gut; das
andere, fremde (…) – schlecht. (T.W. Adorno, W kwestii: co
jest niemiecke, im Sammelband: Po upadku Trzeciej Rzeszy.
Niemeccy intelektualiści a tradycja narodowa, Warszawa 1981,
272) [zitiert nach Kuczyńska 1997: 131]
Die Engländer behaupten, dass das erste Wort des Iren, mit
dem er auf die Welt kommt, „Nein“ heißt (A. Bobkowski, Szkice
piórkem, Warszawa 1995, 445) [zitiert nach Kuczyńska 1997:
133]
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

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Welche Daten, Beschreibungsmethoden bzw. –verfahren
stehen uns Linguisten zur Verfügung, um die Imago-Typen
(Stereotypen) festzustellen? Damit bin ich bei der Fragestellung
einer möglichst exakten wertneutralen Methode angelangt.
Die Möglichkeit einer streng linguistischen bzw.
wortsemantischen Beschreibung ist aus besagten Gründen
limitiert, denn die bereits erwähnten stereotypischen
Eigenschaften als Reflexe von Einstellungsoperatoren
(Meinungsbildern, Urteilen und Vorurteilen der historischen,
sozialen, ethnischen, kulturellen und politischen Wirklichkeit)
einer Sprach- bzw. Kulturgemeinschaft sind als nicht scharf
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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umrissene Kategorien der Wortbedeutung (Konnotationen und
Wertungen) schwer zu fassen (Kosta 2005: 59f.).
Uta Quasthoff, die die linguistische Erforschung von
Stereotypen initiierte (Quasthoff 1988: 184-186; 1987: 789-790)
ist der Meinung, dass die kognitive Funktion der Stereotype
wichtiger sei als die soziale oder emotive. Die kognitive
Funktion von stereotypem Denken ist Resultat von kognitiven
Vereinfachungsprozessen. Diese Vorstellung entspricht
neueren Ergebnissen der kognitiven Psychologie, für die
Vorurteile und Stereotypen Ergebnisse der normalen
Informationsverarbeitung sozialer Wahrnehmungen sind:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

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Zur Aufrechterhaltung der Orientierung in der Umwelt müssen
die ankommenden Wahrnehmungen geordnet werden. Dies
geschieht so, dass das Wahrgenommene Kategorien
zugeordnet wird, die im Laufe der Erziehung gelernt werden.
Äußere und soziale Unterscheidungsmerkmale wie Geschlecht,
Alter, ethnische Zugehörigkeit etc. bilden gelernte Kategorien,
nach denen Personen und Personengruppen eingeordnet
werden. Diesen Zuordnungsprozess nennt man Attribution: in
ihm werden Personen oder Sachverhalte derjenigen Kategorie
zugeordnet, die als besonders geeignet erscheint. Mit diesen
Kategorien sind Wertungen und Präferenzen verbunden.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Mit Wertungen beschäftigt sich die Axiologie.
Die Axiologie als Wertlehre entwickelte sich laut
Oskar Kraus schon in der altgriechischen
Philosophie. Die moderne Lehre von den Werten ist
die Wertphilosophie (Axiologie, Timologie,
Werttheorie, Wertlehre).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Der wertende Mensch stellt zwischen seinen Maßstab (Wertmaßstab) und
einem Gegenstand Beziehung her, welche den Wert der Sache darstellt. Der
bewertende Mensch fällt somit ein Werturteil, welches seine Bewertung zum
Ausdruck bringt.
Beruht der Wertmaßstab auf einem subjektiven Lustgefühl durch
Bedürfnisbefriedigung, dann entsteht eine psychologische Werttheorie, so
beschäftigt sich u. a. die subjektive Wertethik mit dem Wert an sich als
Forschungsobjekt. Die mannigfaltigen Gefühlsarten und Bedürfnisse der
Menschen führen auch zu gänzlich differierenden Wertungen, - was der eine
hoch erachtet, betrachtet ein anderer wiederum geringschätzig. Ansichten,
welche den Werten an sich nur relative Bedeutung und Geltung zugestehen,
zählen zum Wertrelativismus als besonderer Form des Relativismus. Der
Wertrelativismus erkennt eine Absolutheit der Werte nicht an, sondern knüpft
deren Gültigkeit an bestimmte Menschen, Gemeinschaften, Kulturen (
Kulturrelativismus) oder Epochen. Die Wertpsychologie untersucht die
seelischen Vorgänge der Wertungen. (Wikipedia)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Wer sich die Entwicklung der Sprachphilosophie und
der Sprachwissenschaft der letzten Jahrzehnte vor
Augen führt, wird ein verstärktes Interesse an der
axiologischen Problematik feststellen. (Kosta 1993:
248)
Angefangen mit der konzeptuellen Semantik des
Philosophen Georg Henrik von Wright (1963ab) über
die Metaethik (Pieper 1971) bis hin zu den
kognitivistischen Theorien der Naturalisten (C. I.
Lewis, George Edward Moore) haben sich zunächst
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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die Philosophen und Moralethiker mit der seit
Aristoteles aufgeworfenen Frage befasst
(Nikomachische Ethik). War also bis Anfang der
sechziger Jahre des 20. Jh. die ontologische
Taxonomie einer wie auch immer gearteten
Moralethik gültig, so war es von Wright, der eine
Wende vom ontologischen zum semantischen
Prinzip der Klassifikation vollzog (Arutjunova 1988:
65).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Den Aristotelischen Kategorien des Guten (äußeres,
psychisches und physisches Wohl) bzw. den drei
Typen des Guten bei Hobbes - pulchrum ‚das Gute
in der Überzeugung‘, jucundum ‚das Angenehme‘
und bonum ‚das Nützliche‘ – stellte er ein
differenziertes konzeptuell-begriffliches Modell
gegenüber. Die vier Formen des Guten (forms of
goodness) sind nach von Wright das instrumental
und das technisch Gute (instrumental and technical
goodness), das utilitaristisch-benefaktiv Gute
(utilitarian and beneficial goodness), das medizinisch
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Gute (medical goodness) und das hedonistische Gute (the
hedonic good). (genauer Kosta 1993:249)
Ebenso wie Wertungen und wertende Sprechakte sind auch
Konnotationen wichtige Objekte der Stereotypenforschung.
Wir gehen hier von einem in der lexikalischen Semantik wohl
definierten Begriff der „lexikalischen Konnotation“ bei
Iordanskaja/ Mel‘čuk (1980) aus, die unter Konnotation die
Mitbedeutung eines Wortes verstehen, die neben dem
notionalen Bedeutungskern auch wertende oder assoziative
Komponenten enthält: Betrachten wir hierzu folgende Situation:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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(http://www.ds.unizh.ch/gseiler/GK0405/G
K0405_9.pdf):
Lexikalische Semantik
A. Grundbegriffe: Intension, Extension,
Referenz, Denotation, Konnotation
(1) Wir stellen uns die folgende, stark
reduzierte Welt vor. Es gebe 5 Individuen mit
folgenden Eigenschaften:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Anna: ist eine Frau, studiert Biologie, raucht nicht
Bettina: ist eine Frau, ist Reiseleiterin, raucht nicht
Christian: ist ein Mann, studiert Mathematik, raucht
Daniel: ist ein Mann, studiert Linguistik, raucht nicht
Erwin: ist ein Mann, ist Taxichauffeur, raucht
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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(2) Die Extension eines sprachlichen Ausdrucks ist die Menge
von Sachverhalten in der Welt, auf welche man mit dem
Ausdruck Bezug nehmen kann:
Frau → {Anna, Bettina}
Mann → {Christian, Daniel, Erwin}
Student/in→ {Anna, Christian, Daniel}
Raucher → {Christian, Erwin}
Linguist → {Daniel}
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(3) Die Intension eines sprachlichen Ausdrucks ist dessen
begrifflicher Inhalt, seine deskriptive Bedeutung. Die Intension
eines Wortes kann beispielsweise durch eine WörterbuchsDefinition expliziert werden:
Student/in: eine Person, die an einer Hochschule eine höhere
Ausbildung absolviert.
Raucherin: eine Person, die gewohnheitsmäßig Tabak raucht.
Linguist/in: eine Person, die sich berufsmäßig mit
Sprachwissenschaft beschäftigt.
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(4) Referenz ist die aktuelle Bezugnahme auf ein
oder mehrere konkrete Elemente aus der Menge
der Objekte, die mir die Extension des Ausdrucks
prinzipiell zur Verfügung stellt:
[Angenommen, Christian steht vor dem Eingang des
Institutsgebäudes und raucht. Ich kann mich dann
folgendermaßen auf ihn beziehen:]
Da steht ein Student und raucht.
Der Student dort macht Rauchpause. [etc.]
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Das Verhältnis zwischen Extension, Intension und
Referenz ist also folgendermaßen:
Die Intension ist abstraktes, situationsunabhängiges
Wissen über die Inhaltsseite eines Ausdrucks.
Dieses definiert eine Menge von Objekten, die
Extension, auf welche der Ausdruck prinzipiell
anwendbar ist. Referenz ist die konkrete Auswahl
eines (oder mehrerer) Elemente aus dieser Menge
durch den Sprecher.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die Extension von Student(in) ist {Anna,
Christian, Daniel}. Weil Christian ein Element
dieser Menge ist, kann ich mit dem Ausdruck
Student mich auf Christian beziehen, d.h., ich
kann mit dem Ausdruck Student auf Christian
referieren (aber nicht z.B. auf Erwin, weil
Erwin nicht in der Extension von Student
enthalten ist).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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(5) Manchmal wird gleichbedeutend mit Extension
der Begriff Denotation gebraucht, manchmal wird
differenziert zwischen (i) Extension als einer Menge
von Objekten in der Welt, und (ii) Denotation als die
Relation vom Ausdruck selbst auf seine Extension,
wie in folgender Abbildung. In unserer Mini-Welt
denotiert der Ausdruck Raucher Christian und Erwin,
aber nicht Anna, Bettina, Daniel:
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(6) Nun kann ich über Christian nicht nur aussagen
Christian raucht, sondern auch: Christian qualmt. In
unserer Mini-Welt haben die Ausdrücke x raucht und
x qualmt die gleichen Wahrheitswerte:
Christian raucht, Christian qualmt, Erwin raucht,
Erwin qualmt → wahr
Anna raucht, Anna qualmt, Bettina raucht, Bettina
qualmt, Daniel raucht, Daniel qualmt → falsch
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Somit denotieren zwar rauchen und qualmen die
gleichen Sachverhalte, aber qualmen ist semantisch
spezifischer: In Christian qualmt sage ich nicht nur
aus, dass Christian Raucher ist, sondern auch etwas
über meine Einstellung zu dem Sachverhalt:
qualmen hat eine negative Konnotation, die
rauchen nicht hat. Wir können auch sagen, dass die
Aussage ein negativ-bewertender Sprechakt ist.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die Ergebnisse der Studie über nationale Stereotypen von
Bartminski lässt folgendes Bild der Tschechen durch die Brille
der polnischen Studierenden entstehen:
Heterostereotypen : wie sieht ein Pole einen Tschechen
Demnach sind Tschechen joviale, gemütliche, gesellige,
sanftmütige (friedliche), tolerante, fleißige und begabte
Nachbarn, die nicht übermäßig religiös sind, die ihre Nation
zwar lieben, aber im Zweifelsfalle ihre eigene tschechische
Großmutter für eine Portion Knödel und einen Krug Pilsner
Urquell verkaufen würden. Sie fahren regelmäßig am
Wochenende (das schon am Freitag Mittag beginnt) in die
chata (Wochenendhaus), wo sie dann gerne handwerken.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Das Autostereotyp der Polen enthält im wesentlichen 10
dominante Merkmale: der Pole ist sehr gastfreundlich, gesellig,
patriotisch, er geht beherzt, stolz und fröhlich regelmäßig zum
Gottesdienst, trinkt gerne, was manchmal zu emotionalen oder
gar aggressiven Exzessen führen kann.
Das in der Untersuchung Bartmińskis (1995a) entstandene
relativ positive ethnische Heterostereotyp beweist, dass
Heterostereotypen (also wie eine Nation die andere sieht)
durchaus auch positive und Autostereotypen (wie man sich
selbst sieht) durchaus auch negative und kritische
Attribuierungen und Merkmale enthalten können.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Betrachten wir hierzu nun die konkreten
sprachlichen (verbalen) Mittel am Beispiel von:
Heterostereotypen der Russen bei den Polen und
der Polen bei den Russen:
Die Heterostereotypen des Russen in Polen und des
Polen in Russland sind in den letzten 10 Jahren
häufig Gegenstand von Monographien,
Sammelbänden und Aufsätzen gewesen.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Nach dem berühmten Buch von Andrzej Kępiński
Lach i Moskal. Z dziejów stereotypu (1990) wurden
zahlreiche polnisch-russische Konferenzen und
Tagungen organisiert (Polacy-Rosjanie 1999; Chorev
2000; Chorev 2002), und Artikel publiziert (Tazbir
1996, Koch et al. 2001).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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In allen diesen Untersuchungen wird deutlich, dass
das seit dem XVI. Jh. entstandene polnische Imago
des Russen und das russische Heterostereotyp des
Polen sehr beständig und negativ markiert sind.
Durch den historischen Abstand nehmen sie
stellenweise bereits die Gestalt eines Mythos an.
Kann man diese Stereotypen aufbrechen?
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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1) Bezeichnungen für die Russen bei den
Polen (nicknames):
Rosjanin, pot. Rusek, Ruski, Wielkorus; Moskwicin;
Moskal; Iwan; Wania, Sasza
Charakterisierende Namen: Kacap
Die in der poln. Umgangssprache (język potoczny)
auftretenden Namen Rusek, Ruski, Ruscy, Ruskie
sind negativ bewertende, pejorative Bezeichnungen.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Die negative Bewertung enthält eine abwertende,
aber auch eine ironische Komponente.
Traditionell sind auch die Namen Moskal (im Apoln.
auch Moskwicin) und der Nickname Kacap. Der
Begriff Moskal ist eine abwertende Bezeichnung des
Einwohners des Machtzentrums Moskau und dann
seine pars-pro-toto-Synekdoche für alle Russen.
Der Nickname Kacap enthält im SWJP von Dunaj die
Bedeutung: ‘człowiek ciemny, zacofany, głupi; tępy‘
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Ja się od swojej mamy już nasłuchałam, jacy są
Rosjanie z natury okrutni. Kacap
[kacap:subst:sg:nom:m1] , mówiła, to kacap. Dla
Artura realnymi Rosjanami były ziemniaczane buce z
targowiska na Stadionie Dziesięciolecia, na
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Zwischen einer positiven (scherzhaft) und negativen
(ironisch) Bewertungsskala sind dagegen die
Typennamen: Iwan, Wania, Wańka, Sasza, Tamara
und Wowa einzuordnen.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Weitere, auf die Zeit des Kommunismus
zurückgehende Bezeichnungen des Russen: Sowiet,
bolszewik, czerwony, komunista; towarzysz,
kołchoźnik, człowiek radziecki, meszkaniec republiki
radzieckiej sowie die scherzhaft-ironischen
Bezeichnungen (die auch in anderen
Satelittenstaaten des Warschauer Pakts bekannt
sind): bracia, przyjaciele ze Wschodu. Letztere kann
man auch als Euphemismen bezeichnen.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Ableitungen (Derivation, Wortbildung):

Die weibliche Ableitungsform Rosjanka aus Rosjanin
hat bereits eine starke konnotative Komponente, die
sie selbst zum Stereotyp macht.
Verben/Verbalnomina: rusyfikować, ruszczyć,
rusyfikacja haben in der polnischen Sprache eine
negativ bewertende Konnotation und beziehen sich
auf die Teilungsperiode.

Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Phraseologische (idiomatische) Wendungen:

Vergleiche: uparty jak Rusin (1830), chytry jak Rusin
(1913), czerwony jak Rusin (1900)
Phrasen: Bywszy na Rusi, do domu musi (1913)
Wortverbindungen: ruski miesiąc ‚russischer Monat‘


= „langer Zeitabschnitt“ (bei den katholischen Polen
entstandene Auffassung, dass der Monat länger sei (die
Feiertage bei den Orthodoxen setzen später ein als bei den
Katholiken, da der gregorianische und julianische Kalender sich
um 10 Tage unterscheiden)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Redewendungen/Wortverbindungen:
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ruski dar: dzisiaj dał, jutro odebrał (seit 1632)
ruska dolina ‚rozbrój z pobiciem ofiary‘, kradzież
przez wyrwanie rzeczy z rąk ofiary i ucieczkę‘
ruska narkoza ‚gumowy młotek‘
ruskie perfumy ‚miotacz gazowy‘ (Stępniak
1993:489; Bartmiński et al. 2002:114)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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
Russen im Lichte experimenteller Erhebungen:
Neutrale Konnotation (Bewertung): biedny, uparty,
silny, wytrzymały, lubi kartofle, samogon, śpiew
Positive Konnotation (Bewertung): gościnny,
uczynny, otwarty, szczery, wylewny, serdeczny,
przyjazny, miły, wesoły, prawdomówny, skromność,
pokora, prostota usw.
Negative Konnotation (Bewertung): zacofany,
zastraszony, prymityw, pijak, ograniczony, ciemny,
gruboskórny
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Korpusbelege:
1615: Cztery rzeczy nie do rzeczy: noga w szczudle,
a mysz w pudle, koza w sadzie, Rusin w radzie
[Präsupposition: der Russe ist nicht schlau]
Kto Rusina oszuka, będzie mądr (1632)
[Präsupposition: der Russe ist unstet, sprunghaft]
Z Rusinem gadaj, a w zanadrzu kamień trzymaj
[Präsupposition: dem Russen kann man nicht
trauen, der Russe ist falsch]
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Zusammenfassung (nach Ханзен 2006):
Под стереотипом понимается базирующееся на
убеждении суждение со следующими
признаками:
1. предметами этих суждений являются прежде
всего группы людей (расовые, национальные,
классовые, политические, профессиональные,
половые и т.п.) и связанные с ними отношения
(напр. стереотип революции). Признаки
приписываются целому классу индивидов;
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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2. генезис суждения – социален; суждение
не базируется на обобщении личного
опыта, а передается от поколения к
поколению как часть культурного кода; т.е.
стереотип независим от личного опыта;
3. суждение всегда содержит
эмоциональный – отрицательный или
полoжительный – компонент;
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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4. суждение может или соответствовать
действительности (‚kernel of truth’ = зерно правды)
или быть полностью ложным;
5. так как это суждение не зависит от личного
опыта, оно устоичиво и меняется во временном
плане очень медленно;
6. стереотип имеет социальную функцию защиты
и укрепления ценностей, принятых в одной
группе или в одном обществе;
7. стереотип всегда связан со словом-стимулом.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Weitere Korpusbelege:
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(1) Это сказал проницательный англичанин Альфред
Нокс. [Известия 2003/02/24]
(2) Где вы наберете аккуратных, как немцы, работников?
[Огонек 2001/30]
(3) Джон, как всякий англичанин, безукоризненно
вежлив.[…] Джон, как истинный англичанин, умеет
слушать — внимательно и пытливо. [Звезда
6/2003]
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3.1. Сравнения
При сравнениях названный народ
рассматривается как образцовый носитель
признакa. Сам признак приводится в
большинстве случаев в виде прилагательного или
наречия. В некоторых случаях, однако,
коннотативное значение национального названия
настолько однозначно, что упоминание
Подразумеваемого признака излишне и
сравнение осуществляется без его употребления.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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«как немец»
(4) [...] на который у них купон , чтобы
сэкономить десять центов. Не
потому, что они экономные, как немцы, а
потому, что у них реально нет
этих десяти центов! [Огонек 2000/46]
(5) Ну ты, как немец, - пунктуальный и точный.
[Огонек: 2000/46]
(6) Где вы наберете аккуратных, как немцы,
работников? [Огонек: 2001/30]
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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(7) Это одно из наших самоутешений: вот мы
не такие рациональные, как немцы, зато
добрые, душевные, глубокие, чувствительные.
[Огонек: 2001/33]
(8) Разделились Чехия со Словакией. Но эти,
хоть и славяне, повели себя как немцы. Все
посчитали, потом поделили. [Огонек: 2001/ 48]
(9) [...] и очень боюсь, что наши тины скоро
станут такими же дебилами, как немцы.
[Огонек: 2001/38]
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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«как француз»
(10) [...] в Москве жил быстро вошедший в
моду французский доктор, огромный
ростом, красавец, любезный, как
француз, и, как говорили все в Москве,
врач необыкновенного искусства.
[Толстой: Война и мир]
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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(11) Я уже говорил тебе вчера , но ты все
не понимаешь. Ламберт , ты - ребенок и
глуп, как француз. [Достоевский:
Подросток]
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«как англичанин»
(12) Роскошь нужна была там, за стеной,
где президент Джозеф Макклоски,
чопорный, как английский лорд ,
принимал особо важных персон. [Андрей
Таманцев: Двойной капкан]
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«как итальянец»
(13) Дугони, как все итальянцы, был очень
романтичен, даже поэтичен.
[Лопато: Волшебное зеркало воспоминаний
2002–2003]
«как цыгане»
(14) [...] покупал, как и все, на Серебряном и
Золотом базарах мелкие сувениры
у назойливых, как цыгане, торговцев. [Андрей
Таманцев: Двойной капкан)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Im Anschluss an Putnam haben in den 80er
Jahren Linguisten die Brauchbarkeit von
Stereotyp für eine exakte
Bedeutungsbeschreibung von Lexemen
überprüft. Es stand zunächst als Ziel fest, zu
entscheiden, welche Begriffe überhaupt für
den Stereotypbegriff taugen. Während
Putnam noch
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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den sprachphilosophischen Standpunkt vertrat, dass
alle nicht-intensionalen Bedeutungskomponenten
nicht-analytisch, da revidierbar sind, ist die
linguistische Forschung davon überzeugt, dass die
Bedeutung von Inhaltswörtern kein einheitliches
semantisches Organisationsprinzip zulässt (vgl.
Schwarze 1982; Viehweger 1990;
Fanselow/Staudacher 1991).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


Bedeutungen setzen sich demnach aus
stereotypen, begrifflich-notionalen,
relationalen und wertenden Komponenten
zusammen.
In der wortbezogenen Semantikforschung
kann man demnach folgende
Klassifizierungen vorfinden:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Klassifikation von Stereotypen (wortbezogen)
nach Zybatow (1995:54)

A
Stereotypen:
B
C
D
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A : Bedeutungsstereotyp: sie bestimmen den Inhalt
der Ausdrücke für natürliche Arten und Artefakte:
z. B. Wasser, Tasse, russ. vodá, čaška
B : Assoziationsstereotypen: sie verbinden sich
assoziativ mit Ausdrücken, die ein Kategoriemitglied
bezeichnen, oft Vertreter sozialer Gruppen,
Institutionen oder geografischer bzw. politischer
Entitäten, aber auch natürlicher Arten und Artefakte:
z.B. Deutscher, Ausländer, Russland, russ. cygan,
intelligencija, ženščina, dom, mašina
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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C: Interpretationsstereotyp: sie bestimmen die
bevorzugte Lesart soziokultureller Begriffe. Z.B.
Freiheit, svoboda, perestrojka, civilizacija
D: Abbildungsstereotyp: sie bestimmen durch
metaphorische Grundmuster geprägte stereotype
Sichtweisen, z. B.: Evropa als obščeevropejskij dom,
zemlja als mat‘
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

23.05.07: Stereotypen und Kultbildung am
Beispiel von Personenkult (Stalin – Hitler)
(Plenum)
Die vergleichende faschistisch-kommunistische
Diktaturforschung hat durch die Kontroverse um das
<<Schwarzbuch des Kommunismus>> (Courtois/Werth/Panné
et al. 1998) einen neuen Auftrieb erhalten. Wie die Arbeiten von
Daniel Weiss zum Propagandadiskurs in Stalinismus und
Nationalsozialismus (Weiss 1998; 2000; 2000ab; 2003; 2006)
zeigen, wird die Frage nach Sinn und Unsinn eines solchen
Vergleichs heute intensiver denn je erörtert.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Dabei stellt sich auch die Frage nach dem Beitrag der
Stereotypenforschung (Weiss 2006) von neuem. Strittig ist
dabei nicht nur das Ob, sondern auch das Wie eines solchen
Vergleichs, insbesondere aber seine zeitliche und
geographische Eingrenzung (kann etwa oder soll sogar das
NS-System nur mit der stalinistischer Phase, mit der gesamten
Sowjetgeschichte, mit jener anderer
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

sozialistischer Staaten (z. B. der DDR, oder gar wie im
Schwarzbuch mit Volksrepublik China bzw. dem Roten Khmer
in Bezug gesetzt werden?), die Anwendbarkeit des
Totalitarismusbegriffs, die Gewichtung der personalistischen
Komponente (Hitler vs. Stalin) oder aber des jeweiligen
Herrschaftsapparats und der Einheitsparteien (NSdAP bzw.
KPdSU), die Rolle des Führerkults, des Terrors, die Grenzen
des Herrschaftsanspruchs usw. (Weiss 2003:309).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


An dieser Stelle sei auf den Stalinkult im Vergleich
mit dem Hitlerkult kurz eingegangen. Wir stützen uns
dabei vor allem auf die Arbeiten von Daniel Weiss
(2000; 2000ab; 2003)!
In der Porträtierung stimmt mit Hitler der meist
militärisch schlichte Dress überein, der allerdings
später (v. a. in der Phase des Generalissimus) weiß
gehalten wird. Die Feldherrnattitüde ist auch Stalin
nicht unbekannt, daneben figuriert er auf Plakaten
als Lokführer oder als Kapitän des Staatsschiffs:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Die Rolle des Planers und des Initiators
gehört bei beiden ins Repertoire; während
Hitler sich gerne vor Autobahnbauten und
Architekturmodellen ablichten ließ, figurierte
Stalin z. B. vor der Karte Südrusslands, auf
der die großen Wasserkraftprojekte
eingetragen waren, oder setzte seine Hand
auf den Schalthebel bei der Einweihung
eines Großkraftwerks.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Ein signifikanter Unterschied betrifft hingegen
den Gesichtsausdruck: anders als der
verbiesterte Hitler zeigt sich Stalin oft
lächelnd entspannt, was noch akzentuiert
wird durch das Attribut der Pfeife:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Adolf Hitler bei seiner ersten Rundfunkrede
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Auch die Bergeinsamkeit ist nicht Stalins Ding,
hingegen wacht er gerne als Personifizierung der
bditel‘nost‘ „Wachsamkeit“ als einziger im
Kremlstübchen über die Geschichte seiner
schlafenden Nation, ein Motiv, das auch Eingang ins
sowjetische Wiegenlied findet: „Za drevnej
kremlevskoj stenoju / Ne spit on poroju nočnoju / V
trude ne sčadit svoi sily / čtob v radosti ros ty / moj
milyj“ (Zitat nach Weiss 2003:348)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Der Flut an begleitenden Warenprodukten im
Dritten Reich hatte der Stalinismus nichts
Ebenbürtiges entgegenzusetzen. Hier nur
einige Werbeprodukte:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Seltener sieht man Stalin privat, anders als
dies bei Hitler der Fall war:
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Im verbalen Medium hingegen nähern sich
die beiden Kulte einander wieder an, die
Palme gebührt aber wohl Stalin.
Stellvertretend für viele andere Textsorten sei
hier auf den Mythenschatz der Stalinlieder
(Ščerbinina 1998) hingewiesen: der vožd‘ ist
der Aar aus den Bergen („Kak orel sredi
orljat, / Samyj pervyj deputat“)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Er ist die Sonne („Za mostami ot zastavy /
Vschodit solnyško vo mgle, / Vmesto s
solncem vstanet rano / Stalin – solnyško v
Kremle“), der geniale Lehrer, Vater- , aber
auch Mutterersatz („Kak učit otec različat‘
dobro, / Tak na zastavljal terpelivo Stalin. /
Kak mat‘ neustanno rastit synovej/, Rastiš‘ ty
geroev na divo, Stalin.“)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Der Name Stalin bedeutet nichts weniger als
den Lebensquell: „Eto imja chranit nas ot
gorja i bed“, „Esli ot gorja nečem dyšat‘, /
Proiznesi tol‘ko slovo Stalin- / I k podvigam
budeš‘ gotov opjat‘“) (vgl. Weiss 2003:348)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


Bei Hitler ist die Gartenflora und das
Schöpfungsmythos (Schaffer und Schöpfer,
Erhalter), bei Stalin die Metapher von dem
mächtigen Lebensbaum belegt:
„Er [Hitler] ist der Schaffer und Erhalter unseres
herrlichen Deutschen Reichs, damit der Erhalter
auch meines kleinen Stückchens Erde, meines
Gartens. / Jede Blume, die hier blüht, blüht ihm zum
Dank, jeder Apfel, der reift, reift ihm zum Dank.“ [H.
G. Schulzendorf 1939, zitiert nach Weiss 2003:347)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation



Vnedrjajas‘ v počvu pročnymi kornjami, / Sijaja
blagodatnoju listvoj, / Nas osenjaja moščnymi
vetvjami, / Ty – drevo žizni, Stalin, vožd‘ rodnoj…
(zitiert nach Weiss 2003:349)
Das höchste aller Gefühle besteht dann in der
Kumulierung möglichst unterschiedlicher Rollen:
Živi i slav‘sja, vožd‘ , otec narodov, - / Ty, stavšij nam
bliže i rodnej, / Generalissimus proslavlennych
pochodov, / Velikij Stalin – solnce našich dnej!
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Fügen wir zu dieser Blütenlese jetzt noch
Helden aus dem Zaubermärchen und den
edlen Recken aus der Byline, ob dessen
Gebrüll der Feind schon die Waffen aus der
Hand fallen lässt (vgl. Weiss 1998:474;
Weiss 2003:349), so scheint insgesamt die
Vermutung begründet, dass Stalins
Rollenrepertoire um einiges reichhaltiger als
jenes Hitlers ausfällt.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation



Vor allem aber ist das Verhältnis der Untertanen zum
Stalin, vožd‘ rodnoj… von einer weitaus wärmeren
Emotionalität geprägt: die ausschlaggebenden
Attribute lauten: blizkij, rodnoj, ljubimyj und sind alle
noch steigerungsfähig:
„On živet v našem serdce navek, / Samyj mudryj i
samyj ljubimyj, / Samyj blizkij dlja nas čelovek!“
Solche Volksnähe bietet fürwahr einen extremen
Kontrast zu dem vor den Massen in die Bergwelt
entrückten Hitler!
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


„Wird nicht die Aufgabe des leitenden Staatsmannes
… vielmehr nur in der Kunst gesehen, die Genialität
seiner Entwürfe einer Hammelherde von Hohlköpfen
verständlich zu machen, um dann deren gütige
Zustimmung zu erbetteln?“
„…dass es ihm nicht gelingt, die Mehrheit eines
durch mehr oder minder saubere Zufälle zusammen
gebeulten Haufens für eine bestimmte Idee zu
gewinnen?“
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


„Ist nicht jede geniale Tat auf dieser Welt der
sichtbare Protest des Genies gegen die Trägheit der
Masse?“
„Glaubt man aber, dass der Fortschritt dieser Welt
etwa aus dem Gehirn von Mehrheiten stammt und
nicht aus den Köpfen einzelner?“ [Mein Kampf, 8587] (zitiert nach Weiss 2003:350)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Daniel Weiss (2003) charakterisiert den entscheidenden
Gegensatz zwischen dem Personenkult Hitlers und Stalins wie
folgt:

„Stalins Personenkult konnte dem kollektivistischen
Prinzip zumindest verbal nicht völlig entraten, Hitlers
Führerkult dagegen verrät einen durchgängig e l i t
ä r e n Anspruch, die Massen waren für ihn nicht
nur in der Praxis wie bei Stalin, sondern eben auch
expressis verbis bloß eine geistig hoffnungslos
unterlegene Manövriermasse, die er offen
verachtete.“ (a. a. O.: 349)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Die kommunikativen Praktiken um den
«Führer des Weltproletariats» lassen sich in
indirekte (Symbole, Rituale, Inszenierungen)
und direkte (Telegramme, Briefe, persönliche
Begegnungen) teilen.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


Der Stalin-Kult wurde im sozialistischen Block vor
allem Produkt der symbolischen Politik und einer
inszenierten Kommunikation.
Die Macht versuchte, jeden Menschen der offiziellen
Gestalt Stalins ständig begegnen zu lassen: im
Alltag bei der Arbeit und zu Hause, bei Partei- und
Sportveranstaltungen, im Bereich des Verbrauchs
und der Unterhaltung.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Die Gestalt Stalins wurde zum Symbol der
Propaganda des Sozialismus, der neuen
Gesellschaft und des neuen Menschen als deren
Mitglied. Porträts auf Postkarten und Briefmarken,
nach Stalin benannte und seine Darstellung
tragende Straßen, Plätze und Städte, Schulen und
Industriebetriebe translierten die herrschende
Ideologie und bezogen den Menschen in ein auf den
ersten Blick unsichtbares Spinngewebe der
Interaktionen ein.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
"Stalin as an Organiser of the October Revolution" by Karp
Trokhimenko (1885-1975). Painted in the 1940s. It is an oil on canvas,
of size 85 x 117 cm.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


"Stalin as an Organiser of the October Revolution" was painted
during World War II, when Josef Stalin was at the height of his
power, and implementing his cult of personality. During the
early years of the war, when the Soviet Union was being beaten
back, people began to question Stalin's organisational and
strategic skills. To both restore his own credibility and restore
the morale of the nation, Stalin commissioned numerous
portraits of himself as a young man organising the Bolsheviks,
despite the fact that his role in the actual October Revolution
was limited.
Contrast "Roses for Stalin", which portrays him as a benevolent
man who loves children.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


Museum of Communism
The Museum of Communism is situated on na Přikopé Street, just a
block from Václavské náměstí (Wenceslas Square). There is a
MacDonalds restaurant on the main floor and the Museum shares the
second floor with another symbol of capitalism: a Casino. The entry
hall includes life-size bronze statues of Karl Marx and Vladimir Lenin.
One exhibit room contains objects from a 1950's machinist shop, an
elementary school classroom, and some military equipment. Another
room contains political propaganda posters from the 1950's and
1960's. Political cartoons at that time depicted Czech citizens as
pawns in a global chess game.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Die Grundlage der Verehrung war nicht so sehr der fanatische
Glauben an Stalin wie vielmehr die Möglichkeit der
Verwirtschaftung und Erhöhung des symbolischen Kapitals der
Kommunikationsteilnehmer. Zum Beispiel wurden dem
Adressaten die Verbesserung der Wohnverhältnisse, die
Schaffung von Arbeitsplätzen, die Erhöhung des Niveaus von
Bildung und Kultur, Erholung und Unterhaltung, Verbrauch und
Versorgung versprochen. Auf diese Weise eröffnete die
Kommunikation mit dem «Führer» einen illusorischen Weg zu
den materiellen Wohltaten des Sozialismus.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Die Partei- und Staatsrituale und -feste konstruierten einen
symbolischen kommunikativen Raum, dessen Ziel nicht nur die
Manipulierung der Massen war, sondern auch ihre
Heranziehung zur Mitbeteiligung und Mitarbeit am Aufbau der
«neuen demokratischen Ordnung». Stalins Geburtstage (21.
Dezember) und praktisch der ganze Zyklus der sowjetischen
Feiertage (1. Mai, Tag des Sieges bzw. Tag der Befreiung,
Internationaler Frauentag) dienten als Vorwand, Stalin in seinen
verschiedenen mythologischen Erscheinungsformen zu
präsentieren, und als Mittel, die Gesellschaft in den Zyklus des
sozialistischen Lebens einzuschalten.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Durch Teilnahme an Massenritualen erhielt der
Mensch die Möglichkeit, seine Zugehörigkeit zum
Sozium zu empfinden, der Ziele von Partei und Staat
teilhaftig zu werden und die Begrenzung der
individuellen Ressourcen durch Auflösung seiner
Persönlichkeit im kollektiven Schicksal zu
überwinden. Nicht von ungefähr war die Rhetorik der
völligen Identifizierung der Bevölkerung mit dem
«sowjetischen Führer» die am meisten verbreitete
Variante der Herstellung der symbolischen
Verbindung: «Stalin ist unser Führer!», «Dein Name
ist in unserem Mund, dein Herz in unseren Herzen!»
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Eine Ergänzung zur psychotherapeutischen Wirkung
der Herstellung der Identität mit der charismatischen
Persönlichkeit waren die im Rahmen eines Rituals
erlebbaren Emotionen von Begeisterung,
Optimismus und Courage. Der Stalin-Mythos bot
dem Verbraucher einen Satz von positiven
Empfindungen an, nämlich: Er formierte das Gefühl
der Dankbarkeit für die Befreiung von der
faschistischen Gefahr, das Gefühl des Stolzes auf
die Zugehörigkeit zum starken «Lager des Friedens
und der sozialen Gerechtigkeit», zur künftigen
«Gesellschaft von Glück und Überfluss».
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

An zentraler Stelle stand die Anerziehung der Liebe
zum Staat, zur Partei und zum «Führer». Einerseits
gab das dem Individuum das Gefühl einer relativen
Sicherheit dank der paternalistischen Bevormundung
durch die Macht. Andererseits war die Manipulierung
von kollektiven Emotionen für den Staat von Vorteil,
denn er war direkt an der Mobilisierung der
Gesellschaft und der Erfüllung der Wirtschaftspläne
interessiert.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Ein markantes Beispiel des kommunikativen Aktes
der Unterstützung des Personenkultes war die groß
angelegte Spendung von Geschenken zu Stalins
Geburtstagen in der DDR. Die Propaganda servierte
die Geschenke, die in ihrer Mehrheit in Moskauer
Museen ausgestellt wurden, nicht anders als einen
«Ausdruck der Liebe des ganzen Volkes» und einen
anschaulichen Beweis für den Triumph der Ideen
des Sozialismus.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Das Gästebuch einer Ausstellung der Geschenke enthielt, wie
die Direktorin der Ausstellung A. Tolstichina in einem der
Berichte schrieb, «eine kolossale Anzahl von Eintragungen,
worin die Besucher dem Genossen Stalin für das glückliche
Leben danken». Und weiter: «Jede davon wendet sich
unmittelbar an den großen Führer und Lehrer...». Mittels der
Geschenke konnten die gesellschaftlichen Organisationen,
Betriebe, einzelnen Menschen am Prozess der
Mythologisierung, des Zelebrierens des Kultes teilnehmen und
die eine oder andere Rolle der Figur Stalins unterstützen.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Ausdruck der Unterstützung und Beweis der
Integration des Mythos ins Bewusstsein der Massen
war die Volkskunst: Malen von Gemälden, Schreiben
von Gedichten, Liedern und Hymnen, Meißeln von
Büsten. Die Übernahme von kollektiven und
individuellen Verpflichtungen zu Stalins
Geburtstagen und anlässlich anderer sozialistischer
Feiertage, die Massencharakter trug, bestätigt ein
übriges Mal die Funktion der sozialen Mobilisierung
der Gesellschaft vermittels der Gestalt des
«Führers».
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

LIED ÜBER STALIN
Text: M. Injuschkin
Musik: Ferencz Szabo
Deutscher Text: Erich Weinert
Es schwingt über Gipfel und Täler und Auen
mit Schwingen des Adlers ein herrliches Lied.
Das Lied über Stalin, dem alle vertrauen,
zu dem wir in Liebe und Freundschaft erglühn.
Wir lassen mit Stolz unser Sturmlied erklingen.
Wir führen zum Siege den Stalinschen Plan.
Wenn wir unser glückliches Leben besingen,
wir wissen, mit wem wir das Tagwerk getan.
Es schwingt über Gipfel und Täler und Auen,
wo Flieger sich grüßen in Wolken und Wind,
das Lied über Stalin, dem alle vertrauen,
dem alle wir treu und verantwortlich sind.

Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Als Kanäle der direkten Kommunikation dienten
Briefe an den «Führer». In privaten Briefen an Stalin
(Briefe mit Treuebekenntnissen, Beichtbriefe,
Bittschreiben, Sühnebriefe, Briefe mit
Dankesbezeigungen oder Denunziationen,
Beschwerdebriefe, Fragebriefe) fand die
Gesellschaft eine unter den Bedingungen der
Diktatur seltene Chance, die eigenen Bedürfnisse,
Vorstellungen von der Gegenwart und Zukunft zu
artikulieren.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


Die Bevölkerung unterstützte das Propagandabild des
«Führers», weil sie darin die Möglichkeit sah, die eigenen
Probleme zu lösen, die materiellen Bedürfnisse und
persönlichen Ambitionen zu befriedigen, und eine Chance zu
haben glaubte, auf sozialer Leiter aufzusteigen (Karriere,
Privilegien, sozialer Status). Demnach lag der Kommunikation
eine Symbiose von Irrationalem und Pragmatischem zugrunde.
Quellen: Alexej Tichomirov, Pädagogische Universität,
Jaroslav: Kulturgeschichte des Stalinismus. Stalinkult im
Ostdeutschland: Transfer, Anpassungsstrategien und
soziale Perzeption (1945-1961)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


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Wie der totalitäre Diskurs und Argumentationsstil
Stalins in den frühen Phasen ausgesehen haben,
beweisen u. a. Antworten auf kritische Briefe aus
den 30er Jahren. Ich zitiere hier nach der
Internetausgabe seines Werks: "Stalin"
Werke
Band 13
BRIEF AN GENOSSEN SCHATUNOWSKI
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


Genosse Schatunowski!
An Ihren ersten Brief (über Liebknecht) erinnere ich
mich nicht. Den zweiten Brief (über Kritik) habe ich
gelesen. Natürlich ist Kritik notwendig und
unerlässlich, jedoch unter einer Bedingung: Sie darf
nicht fruchtlos sein. Leider kann man von Ihrer Kritik
nicht sagen, dass sie fruchtbar wäre. Ich gehe nun
auf die einzelnen Punkte Ihrer Kritik ein.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

1. Es ist nicht richtig, dass vor der Revolution nur
Kulaken Boden kauften. In Wirklichkeit kauften
Boden sowohl Kulaken als auch Mittelbauern. Wenn
man die Bauernwirtschaften, die Boden gekauft
haben, nach sozialen Gruppen gliedert, so zeigt
sich, dass auf die Mittelbauern eine größere Anzahl
Wirtschaften entfällt als auf die Kulaken; betrachtet
man die Sache jedoch unter dem Gesichtswinkel der
Menge des gekauften Bodens, so liegt das
Übergewicht auf Seiten der Kulaken. In meiner Rede
[7] sprach ich natürlich von den Mittelbauern.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

2. Die Bemerkung, dass diejenigen, die
Torheiten begangen haben, auf die
leninistischen Positionen zurückkehren
sollen, drückt mit anderen Worten den
Gedanken aus, dass sie sich von ihren
Fehlern lossagen sollen. Ich denke, das ist
klar und einleuchtend. Ihre „kritische“
Bemerkung hierzu ist geradezu ergötzlich.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

3. Unrecht haben Sie auch, was die Verwendung
von Roggen als Schweinefutter betrifft. Es handelt
sich bei mir nicht darum, ob Roggen auch als
Schweinefutter geeignet ist. Es handelt sich bei mir
hinsichtlich des. Roggens um die
Überproduktionskrise [8]. die eine Erweiterung der
Anbauflächen für Roggen unvorteilhaft werden lässt
und die Kapitalisten (wegen des Preisverhältnisses)
veranlasst, den Roggen durch ein besonderes
chemisches Verfahren zu verderben, so dass er nur
noch zur Schweinemast taugt (derartiger Roggen ist
für die menschliche Ernährung untauglich). Wie
konnten Sie diese „Kleinigkeit“ übersehen?
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

4. Noch mehr im Unrecht sind Sie, wenn Sie
behaupten, die Fäulnis des Kapitalismus schließe
ein Wachstum des Kapitalismus aus. Lesen Sie
Iljitschs „Imperialismus“ [9], und Sie werden
begreifen, dass die Fäulnis des Kapitalismus in
einzelnen Wirtschaftszweigen und Ländern ein
‘Wachstum des Kapitalismus in anderen
Wirtschaftszweigen und Ländern nicht ausschließt,
sondern voraussetzt. Wie konnten Sie diese
„Kleinigkeit“ bei Lenin übersehen? Bitte kritisieren
Sie, aber kritisieren Sie vom Leninschen Standpunkt
aus, und nur von diesem Standpunkt, wenn Sie
wollen, dass Ihre Kritik fruchtbar sei.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

5. Sie haben ferner Unrecht, wenn Sie unser Land
als ein Land „vom Typ kolonialer Länder“
bezeichnen. Kolonialländer sind im Wesentlichen
vorkapitalistische Länder. Unser Land jedoch ist ein
nachkapitalistisches Land. Die ersteren haben die
Stufe des entwickelten Kapitalismus noch nicht
erreicht. Das zweite ist über den entwickelten
Kapitalismus hinausgewachsen. Das sind zwei
grundsätzlich verschiedene Typen. Wie kann man
diese „Kleinigkeit“ außer acht lassen, Genosse
Kritiker?
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

6. Sie wundern sich darüber, dass nach Stalins Auffassung die neuen
Wirtschaftskader in technischer Hinsicht erfahrener sein müssen als
die alten [10]. Warum eigentlich? Stimmt es etwa nicht, dass sich
unsere alten Wirtschaftskader in der Wiederherstellungsperiode
herangebildet haben, in der Periode der Ausnutzung der alten
Betriebe, die technisch rückständig waren und in denen man daher
keine großen technischen Erfahrungen sammeln konnte? Stimmt es
etwa nicht, dass die alten Wirtschaftskader in der
Rekonstruktionsperiode, wo neue, moderne technische Anlagen in
Betrieb genommen werden, völlig umlernen und dabei nicht selten den
neuen, technisch geschulteren Kadern Platz machen müssen? Wollen
Sie etwa bestreiten, dass die alten Wirtschaftskader, die sich in der
Zeit der Ausnutzung und Inbetriebnahme der alten Betriebe
herangebildet haben, nicht nur der neuen Technik, sondern auch
unserm neuen Tempo oft geradezu hilflos gegenüberstehen?
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

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

7. Ich übergehe die übrigen Punkte Ihres Briefes, die geringfügiger
und unwesentlicher, wenn auch nicht weniger fehlerhaft sind.
8. Sie sprechen von Ihrer „Ergebenheit“ mir gegenüber. Mag sein,
dass Ihnen diese Worte nur zufällig entschlüpft sind. Mag sein...
Sollten Ihnen aber diese Worte nicht zufällig entschlüpft sein, so würde
ich Ihnen raten, das „Prinzip“ der Ergebenheit gegenüber Personen
über Bord zu werfen. Das ist nicht bolschewistische Art. Seien Sie der
Arbeiterklasse, ihrer Partei, ihrem Staat ergeben. Das ist notwendig
und gut. Aber verwechseln Sie diese Ergebenheit nicht mit der
Ergebenheit gegenüber Personen, mit diesem hohlen und unnützen
intelligenzlerischen Phrasengeklingel.
Mit kommunistischem Gruß
J. Stalin
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation


06.06.07:
Die Tiermetapher als Stereotyp (am
Beispiel der Sowjetpropaganda)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

Definition der Metapher (allgemeine
Vorbemerkungen):

„Es gehört schon eine gehörige Portion Mut, um nicht zu sagen
Leichtsinn, dazu, wenn man sich heute noch ohne längere
Vorbereitungsstudien zum Problem der Metapher äußern will“
(Markiewicz 1983; zitiert nach Kosta 1987:485)
(1) Metapher als Form ‚semantischer Anomalie‘ (Todorov 1966;
Hörmann 1971; Stierle 1975) oder ‚semantische Inkompabilität‘
(Dubois et al. 1974)
Semantische Anomalie bestimmt sich nach den Gebrauchsnormen der
Lexeme in der sogenannten ‚Normalsprache.‘



Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


(3) Verstoß gegen die ‚normalsprachliche
Isotopie‘
(4) Metapher = „Funktion eines Kontextes,
der dadurch gesichert ist, dass er eine
Erwartung erfüllt, die durch die
pragmatischen Bedingungen einer Textart
vorgegeben ist.“ (Stierle 1975:152; zitiert
nach Kosta 1987:487)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


(5) Metaphorik als Gegensatz von pragmatischen
(sachbezogenen) vs. poetischen (fiktionalen)
Texten?
(6) Dichtersprache = Polyfunktionalität: Das
Zerbrechen des Sprachsystems selbst, nicht nur das
Überschreiten der Sprachnorm zur vollen
Ausschöpfung aller Kommunikationsmöglichkeiten,
bedeute zugleich das Zerbrechen des Schemas der
Kommunikation und damit die Aufhebung der
Bedingungen, unter denen Metaphorik überhaupt
möglich ist (Stierle 1975:184)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

(7) Je kühner sich eine Metapher gibt
(Weinrich 1963), umso weiter entfernt sie
sich von der derzeit gültigen Metaphernorm,
die ja als Teil der Sprachnorm, nur eine
begrenzte Zahl an
Realisierungsmöglichkeiten eröffnet.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Definition:
Erscheinung der Bezeichnungsübertragung
aufgrund von Ähnlichkeitsbeziehungen
zwischen den Denotaten der außersprachlichen Wirklichkeit, infolgedessen es zu
Bedeutungsübertragung von Primär- auf
Sekundärsignifikat kommt. (Kosta 1987:488)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Metapher und Vergleich:

Metapher als verkürzter Vergleich (Quintilian)
Metapher
Vergleich







Direkte Übertragung der Bedeutung
unterschiedliche Tiefenstrukturen
Einheit (monistisch)
verdichtet-synthetisch
ambivalent (ambig)
+ semantisch anomal
keine Bedt.-Übertragung
2 Oberflächenausdrücke
Dualität (dualistisch)
erklärend-analytisch
univok (unisemisch)
- semantisch anomal
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


13.06.2007:
Erforschung der sowjetische
Propagandasprache und die Zoolinguistik
(Weiss 1986; 1998a; 2000; 2006)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Untersucht wurde: (1) das Lexikon der natürlichen
Sprache Russisch, in dem die dem so genannten
naiven Weltbild des Durchschnittssprechers
zugehörigen Begriffe wie Wolf, Hund, Hai, Adler
mitsamt ihren Konnotationen, wertenden
Komponenten, ihrer Polysemie (wörtliche vs.
metaphorische bzw. metonymische Bedeutung), den
entsprechenden Phrasemen und eventuell
vorhandenen Synonymen, Hyperonymen u.ä.
verankert sind, (2) der kulturspezifische Fundus
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


(z.B. über Sprichwörter oder literarische Zitate), der
weitere tierische Stereotype beisteuert, und (3) die
spezifisch propagandistische Umwertung bestimmter
Tiersymbole in Wort und Bild.
Kaum eine Rolle spielte das zoologische
Fachwissen, eben sowenig wie die Fachsprachen
der Jäger, Fischer, Imker, Viehzüchter etc.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Tiermotive (Parameter):

Ontologischer Status: real existierende vs. fiktive Tiergattungen
Oberkategorien:
Land
Vierbeiner: životnye. zveri
Kriechtiere u. ä. : gady
Wasser
Fische u. ä.
Luft
Vögel u. ä.







Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Beziehungen zum Menschen:
–
–
–
Wild vs. zahm (Haustier)
Nutztier vs. Schädling
Emotional, z. B.
Bewunderung vs. Verachtung
Rührung
vs. Ekel
Hoffnung
vs. Furcht
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Beziehung zu anderen Tieren
–







Raub- vs. Beutetier
Semantik: wörtliche vs. figurative Bedeutung
Konnotationen: Basis
Alltagserfahrung
Volks- und Aberglaube
antike oder christliche kulturelle
Tradition
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation







Lexikon vs. Text
freie vs. gebundene phraseologische
Fügung
± literarische Tradition
Textuelle Funktion
Referenz vs. Prädikation (nominal vs.
verbal)
individuelle vs. generische Referenz
Vergleich vs. Metapher
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Nonverbale Kodierung (Kodes):
–
–
Heraldik (Wappen, Fahnen, Flaggen, etc.)
Bilder und Plakate
–
–
Horizontal (links vs. rechts)
Vertikal (oben vs. unten)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Politische Axiologie
–
–
Freund „wir/die Eigenen“ (my, svoi) (good guys) vs.
Feind (oni/drugie) „die anderen“ (bad guys) Schemata
Konstant vs. singulär
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

In der Sprache der sowjetischen kommunistischen
Propaganda springt sofort eine fundamentale
Asymmetrie ins Auge: Auf der einen Seite der svoi
bzw. der „Eigenen“ sind nur gerade Adler (als Stalins
persönliches Sinnbild) und Falke (als Logo der
stalinskie sokoly, d. h. der Piloten der sowjetischen
Luftwaffe) vertreten.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation







Demgegenüber ist das Bestiarium der gegnerischen Seite mit einer
Vielzahl von figurativ zu interpretierenden Bewohnern bestückt, die
allen erdenklichen Biotopen entstammen und sowohl Haus- als auch
Wildtiere umfassen:
Zveri:
volk, tigr, obezjana
Domašnie životnye:
pes/sobaka, svin‘ja,
kurica, dojnaja korova, ovca,
Kriechtiere, Schädlinge,
Ungeziefer (vrednye nasekomye):
zmeja, krysa, pauk, truten‘
(Drohne, Faullenzer)
voš‘, klop (Wanze), blocha,
mucha …
Ryby:
akula (Haifisch), sprut (Krake)
Pticy:
stervjatnik (Aasgeier)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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
An fiktiven Bestien steuert die frühe Sowjetpropaganda
zumindest den Drachen (zmej) und die Hydra bei, später (v. a.
in der Zeit des 2. Weltkriegs) die erwähnten Humanoiden,
hauptsächlich mit Beimengung von Primaten und Schweinen;
der Hitlerkopf wurde aber auch mit Pferden, Schlangen und
Kühen gekreuzt.
Unter den Hyperonymen des naiven Weltbilds sind zumindest
die folgenden nachgewiesen: chiščnik (Raubtier), zver‘,
gad(ina) (Reptil, gemeiner Mensch), nečist‘ (Teufelspakt).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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
Hyponyme: Affen – martyška (Meerkatze)
Hund – mos‘ka
Axiologie: neben der wertenden Bedeutung kennen
auch viele Tiermetaphern ihre wertneutrale
Bedeutung, v. a. in Vergleichen, so das Pferd als
Zugtier und Fortbewegungsmittel; allgemein sind
wörtlich interpretierte Nutztiere als Gegenstand etwa
der Reden Chruščevs noch nicht axiologisch gepolt.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Ferner sind gewisse Tiere insofern mittelbar der Gegenseite
zugeordnet, als sie metonymisch auf Tod und Untergang des
Feindes verweisen, so z. B. der Rabe und die schwarze Katze
als Begleiter von Unheil, Andererseits wird der Glaube an
solche tierischen Vorzeichen in der frühen Propaganda eher als
Zeichen der mentalen Rückständigkeit gegeißelt.
Die Katze taucht auch als Objekt tierquälerischer Neigungen
junger Deutscher auf, vgl. :
„Šalovliv byl junyj Fric, Rezal košek, vešal ptic“
„Unartig war der junge Fritz, er schlachtete Katzen und hängte
Vögel auf“
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Das Tierquälerei-Motiv kann allerdings auch gerade
gegenläufig eingesetzt werden, vgl. Abb. 1: Hitlers
Vegetariertum und Abneigung gegen Tierquälerei
(„mne zarezannych oveček / I baraškov očen‘ žal‘“)
mit seinen menschenschlächterischen Neigungen
(„ne nužna mne krov‘oveč‘ja, a nužna mne
čeloveč‘ja!“) kontrastiert (zum MenschenfresserMotiv in der Sowjetpropaganda vgl. Weiss 2000:251;
Weiss 2006:431)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Tiermetaphern – Nutztiere
Tiermetaphern – wilde Tiere und Raubtiere
Tiermetaphern – Kriechtiere, Insekten
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Konnotationen: siehe Bild
Treue
- Hund
Arglist - Schlange
Weisheit – Eule (West-/Mitteleuropa, nicht Russland)
Diebische Elster
Raubgier Raubkatze (Panther, Puma?)
Elternliebe Pelikan (?)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Korova ‚Kuh‘ – direkte Bedeutung ‚Fleisch-, Milchlieferant‘
(1) Ot každoj korovy nadoeno po 3112 kilogrammov moloka,
togda kak v srednem po kolchozam i sovchozam respubliki
nadoj moloka sostavil 1520 kilogrammov. Konečno, armjanskie
rukovoditeli mogut skazat‘: sejčas 1520 kilogrammov, a sem‘ let
tomu nazad v srednem udoi byli vsego po 300 kilogrammov ot
korovy, a emu vse malo (Oživlenie v zale) Da, malo! Ne mne
malo, vam malo, potomu čto rastet respublika, rastet ee
chozjajstvo, rastut ee ekonomika, kul‘tura, rastut petrebnosti
naroda. (Aplovdismenty) To, čto bylo sdelano za sem‘ let, za
eto blagodarili. Za poslednie gody my uveličili proizvodstvo
produktov životnovodstva v 2 – 3 raza i vyše. (Kommunizm –
mir v sčast‘e narodov 1, 91) [zitiert nach Weiss 2006:432f.]
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Schwein – metaphorische Bedeutung ‚Feind‘

(2) Pod rukovodstvom mužestvennogo patriota i revoljucionera
Fidelja Kastro kubincy bystro razgromili amerikanskich
naemnikov, sbrosili ix v zaliv Kočinos, čto po-russki označaet
„Zaliv svinej“. Tuda im i doroga! (Smex v zale. Burnye
aplovdismenty) (Kommunizm – mir i sčast‘e 2:24) [zitiert nach
Weiss 2006:436]
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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
(3) Esli oni posmejut sunut svoi svinye ryla v naš
sovetskij ogorod (1951, zitiert nach Weiss, a.a.O.)
(4) V rečach našich voždej neizmenno zvučalo, čto
my gotovy dostojno vstretit’ vraga, otvetit’ udarom na
udar, pust’ tol’ko posmeet „sunut svinoe rylo v naš
sovetskij ogorod“. Nas ubeždali, čto vrag budet
razgromlen na svoej territorii.
(www.chrab.chel.su/10-08-04/3/A132185.DOC.html)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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20.06.2007:
Erving Goffman: Interaktionsrituale. Über
Verhalten in direkter Kommunikation
Techniken der Imagepflege (S. 10-53)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Verhaltensstrategie
Image
'Der Terminus Image kann als der positive soziale Wert definiert
werden, den man für sich durch die Verhaltensstrategie erwirbt,
von der die anderen annehmen, man verfolge sie in einer
bestimmten Interaktion. Image ist ein in Termini sozial
anerkannter Eigenschaften umschriebenes Selbstbild - ein Bild,
das die anderen übernehmen können.' (S. 10)
– falsches Image
– gar kein Image
– Selbstachtung
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
–
'Ein Aspekt des Regelsystems jeder sozialen
Gruppe besteht in dem Konsens darüber, wie weit
jemand gehen sollte, um sein Image zu wahren.
Hat jemand erst einmal eine Vorstellung seiner
selbst, die durch sein Image zum Ausdruck
gebracht wird, angenommen, dann wird von ihm
erwartet, dass er auch danach lebt.' (S. 14)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Rücksichtnahme
'So wie vom Mitglied jeder Gruppe erwartet wird,
Selbstachtung zu zeigen, so wird von ihm erwartet,
einen bestimmten Standard von Rücksichtnahme
aufrecht zu erhalten; man erwartet von ihm, dass er
sich bis zu einem gewissen Grad bemüht, die
Gefühle und das Image anderer Anwesender zu
schonen, und zwar freiwillig und spontan auf Grund
emotionaler Identifikation mit den anderen und ihren
Gefühlen.' (S. 15)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

gegenseitige Anerkennung von
Verhaltensstrategien
'Die doppelte Wirkung der Regeln von
Selbstachtung und Rücksichtnahme besteht
darin, dass jemand sich bei einer Begegnung
tendenziell so verhält, dass er beides wahrt:
sein eigenes Image und das der anderen
Interaktionspartner.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

D.h., dass die von jedem Teilnehmer eingeschlagene
Strategie sich meist durchsetzen und jeder
Interaktionsteilnehmer die Rolle übernehmen darf,
die er für sich selbst gewählt zu haben scheint. Ein
Zustand, wo jeder temporär die Verhaltensstrategie
jedes anderen akzeptiert, ist erreicht. Diese Art
gegenseitiger Anerkennung scheint ein
grundlegendes strukturelles Merkmal von Interaktion
zu sein, besonders der Interaktion von direkten
Gesprächen.' (S. 17)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Techniken der Imagepflege
'Mit Techniken der Imagepflege möchte ich
Handlungen bezeichnen, die vorgenommen werden,
um all das, was man tut, in Übereinstimmung mit
seinem Image zu bringen. Techniken der
Imagepflege dienen dazu, "Zwischenfällen”
entgegenzuarbeiten - das sind Ereignisse, deren
effektive, symbolische Implikationen das Image
bedrohen.' (S. 18)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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

charakteristische Repertoires an Praktiken zur
Wahrung des Images von Menschen, Subkulturen,
und Gesellschaften
defensive Orientierung (im Hinblick auf die Wahrung
des eigenen Images) vs. protektive Orientierung (im
Hinblick auf die Wahrung des Images anderer)
drei Typen von Bedrohungen des Images
argloses Handeln
boshaftes, gehässiges Handeln
zufällige Beleidigungen
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Die grundlegenden Arten der Techniken
der Imagepflege
Der Vermeidungsprozess
–
–
–
Vorbeugung von Zwischenfällen
defensive Manöver vs. protektive Manöver
Nichtbeachtung von Zwischenfällen
Verheimlichung von Zwischenfällen
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Der Korrektive Prozess
'Wenn die Interaktionsteilnehmer dem Auftreten eines
Ereignisses, das expressiv unvereinbar mit gültigen sozialen
Werturteilen ist, nicht vorbeugen können, und wenn das
Ereignis schwerlich zu übersehen ist, dann werden sie ihm
wahrscheinlich den anerkannten Status eines Zwischenfalls
zugestehen, um diesen als eine Bedrohung zu ratifizieren, die
direkte öffentliche Aufmerksamkeit verlangt. Dann gehen sie
dazu über, die Wirkung des Zwischenfalls zu korrigieren. Zu
diesem Zeitpunkt befinden sich ein oder mehrere Beteiligte in
einem Zustand rituellen Ungleichgewichts oder einem Zustand
der Missachtung, und es muss nun der Versuch gemacht
werden, einen befriedigenden rituellen Status
wiederherzustellen.' (S. 24 f.)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Ausgleichshandlung
Wiederherstellung des rituellen Gleichgewichts
Phasen des Korrektiven Prozesses → Modell interpersonellen,
rituellen Verhaltens
Herausforderung
Angebot (einer Neudefinition der Handlung/ einer
Entschädigung/ einer Selbstbestrafung)
Akzeptieren
Dank
Abweichungen vom Modell
Emotionen als Handlungsschritte
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Pluspunkte sammeln - die aggressive Verwendung von
Techniken der Imagepflege Aggressive
Ausgleichshandlungen
'Handhabt jemand die Techniken der Imagepflege nicht so,
dass er sich auf ihre Ausführung vorbereitet, sondern rechnet er
damit, dass die anderen sie ausführen oder annehmen, dann
wird eine Begegnung oder ein Unternehmen weniger eine
Szene gegenseitiger Rücksichtnahme sein als eine Arena von
Wettkämpfen oder Spielen. Das Ziel des Spiels ist, die
Strategie eines jeden vor einem unentschuldbaren Widerspruch
zu bewahren, wobei man freilich möglichst viele Minuspunkte
für seinen Widersacher sammelt und möglichst viele
Pluspunkte für sich selbst.' (S. 30 f.)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation



"Spitzzüngigkeit”
'In aggressiven Ausgleichshandlungen glückt es dem
Gewinner nicht nur, günstige Informationen über sich
und ungünstige über andere anzubringen, sondern
er demonstriert zugleich, dass er mit sich als
Interagierendem besser umgehen kann als seine
Gegner.' (S. 31)
Gegenschläge und Erwiderungen
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Die Wahl angemessener Techniken zur
Imagepflege 'Bei einem Zwischenfall kann
derjenige, dessen Image bedroht ist,
versuchen, die rituelle Ordnung mit einer
bestimmten Strategie wieder aufzurichten,
während die anderen Interaktionspartner
eine andere Technik wünschen, oder
erwarten können.' (S. 32)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Kooperation in den Techniken der Imagepflege
'Ist ein Image bedroht worden, müssen Techniken der
Imagepflege angewendet werden; aber ob dies nun in erster
Linie von demjenigen initiiert und durchgeführt wird, dessen
Image bedroht worden ist, oder vom Täter oder einfach von
einem Zeugen, ist oft von zweitrangiger Bedeutung. [...]
Da jeder Interaktionsteilnehmer, wenn auch aus
unterschiedlichen Gründen, bemüht ist, sein Image und das der
anderen zu wahren, entsteht wie selbstverständlich eine
stillschweigende Kooperation, so dass alle Interaktionspartner
ihre gemeinsamen, aber unterschiedlich motivierten Ziele
erreichen können.' (S. 34 f.)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

A. Takt hinsichtlich der Technik der
Imagepflege
'Man verteidigt nicht nur sein eigenes Image
und schützt das Image anderer, sondern
handelt so, um es den anderen möglich und
sogar leicht zu machen, Techniken der
Imagepflege für alle Anwesenden
anzuwenden. Man hilft ihnen, damit sie sich
und einem selbst helfen.' (S. 36)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

B. gegenseitige Selbstverleugnung
'Oft hat jemand keine klare Vorstellung von einer
richtigen oder annehmbaren Verteilung von
Beurteilungen während der Interaktion, und damit
beraubt oder entwertet er sich freiwillig, während er
gegenüber den anderen nachsichtig und
schmeichelhaft ist. In beiden Fällen geht er in seinen
Beurteilungen über das hinaus, was gerade richtig
ist. Günstige Beurteilungen lässt er sich von anderen
geben, ungünstige über sich selbst sind sein eigener
Beitrag.' (S. 37)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

'Verwendet jemand Techniken der Imagepflege,
verbunden mit stillschweigender Zustimmung,
anderen dabei zu helfen, die ihren zu gebrauchen,
zeigt er seine Bereitschaft, an den Grundregeln
sozialer Interaktion festzuhalten. Hierin liegt das
Kennzeichen seiner Sozialisation als
Interagierender.' (S. 37)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation



Die rituellen Rollen des Selbst
Doppelte Definition des Selbst
das Selbst als ein Image vs. das Selbst als
ein Spieler
Ritueller Kodex, Beziehung der beiden
rituellen Rollen zueinander
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Sprachliche Interaktion
konventionelle Organisation sprachlicher Interaktion
'Immer wenn die konkrete Möglichkeit sprachlicher
Interaktion auftaucht, kommt offensichtlich ein
System von Praktiken, Konventionen und
Verfahrensregeln ins Spiel, das als ein Mittel
fungiert, den Verlauf der Mitteilungen zu regeln und
zu organisieren.' (S. 40)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

'Die Konventionen, die die Struktur von
Gesprächssituationen betreffen, stellen eine
wirksame Lösung des Problems der Organisation
der Anzahl sprachlicher Mitteilungen dar. Will man
herausfinden, wie diese Konventionen als Leitfaden
der Handlung aufrechterhalten werden, findet man
Hinweise dafür, die eine funktionale Beziehung
zwischen der Struktur des Selbst und der Struktur
sprachlicher Interaktion vermuten lassen.' (S. 43)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Wahrung des Images → Aufrechterhaltung der Interaktion
'Der sozialisierte Interagierende wird sprachliche Interaktionen
wie jede andere behandeln, wie etwas, das mit ritueller Sorgfalt
vermieden werden muss. Durch zwangsläufiges Appellieren an
das Image weiß er deshalb, wie er sich selbst im Gespräch zu
verhalten hat. Er stellt sich wiederholt und zwangsläufig die
Frage,: "Wenn ich in dieser Weise handele oder nicht, werden
dann ich oder andere das Image verlieren?”, und entscheidet
so in jedem Moment, bewusst oder unbewusst, wie er sich zu
verhalten hat.' (S. 43)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


A) Eintritt in ein Gespräch
B) Gesprächszustand (Gefahr von unpassenden
Pausen, Unterbrechungen und
Unaufmerksamkeiten)
Aufrechterhaltung einer oberflächlichen
Übereinstimmung
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
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
C) Ausstieg aus einem Gespräch

'Im allgemeinen bestimmt man selbst, wie man sich während
einer Gesprächssituation zu verhalten hat, indem man die
potentiell symbolische Bedeutung seiner Handlungen an den
vorhandenen Selbstbildern testet. Dadurch unterwirft man sein
Verhalten beiläufig der herrschenden expressiven Ordnung und
trägt zum richtigen Ablauf der Mitteilungen bei. Das Ziel ist, sein
Image zu wahren, und die Folge davon ist, die Situation zu
wahren. Vom Standpunkt der Wahrung des Images aus
gesehen, ist es gut, dass sprachliche Interaktion ihre gegebene
konventionelle Organisation besitzt. Vom Standpunkt der
Aufrechterhaltung eines ordentlichen Ablaufs von Mitteilungen
aus gesehen, ist es gut, dass das Selbst eine bestimmte rituelle
Struktur besitzt.' (S. 46)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

'Der rituelle Kodex selbst erfordert Feingefühl und kann leicht
von jedem, der ihn zu eifrig oder nicht eifrig genug einhält, aus
dem Gleichgewicht gebracht werden, gemessen an den
Standards und den Erwartungen seiner Gruppe.' (S. 47)
'Trotz dieser der Organisation des Gesprächs inhärenten
"Pathologien” ist die funktionale Entsprechung zwischen dem
sozialisierten Individuum und sprachlicher Interaktion eine
lebensfähige und praktikable. Die Orientierung eines Menschen
am Image, besonders am eigenen, ist der Punkt, wo die rituelle
Ordnung Einfluss auf ihn hat, außerdem ist gerade in die
Gesprächsstruktur das Versprechen eingebaut, rituelle Sorge
für sein Image zu tragen.' (S. 48)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Image und soziale Beziehung
'Wenn jemand eine mittelbare oder unmittelbare Begegnung
beginnt, dann steht er in irgendeiner Art von Sozialbeziehung
zu den anderen Beteiligten, und er erwartet, nach Beendigung
dieser Begegnung in einer bestimmten Beziehung zu ihnen zu
stehen. Dies ist natürlich eine Art, in der soziale Kontakte auf
die Umwelt übergreifen. Ein Grossteil der Aktivität während
einer Begegnung kann als die Bemühung eines jeden
verstanden werden, die Situation und alle nicht antizipierten
und nicht intendierten Ereignisse, die die Interaktionsteilnehmer
in ein schlechtes Licht setzen könnten, zu bewältigen, ohne die
Beziehungen der Teilnehmer zu stören.' (S. 48)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

'Es scheint eine wesentliche Verpflichtung vieler
Sozialbeziehungen zu sein, dass jedes der
Mitglieder die Garantie liefert, in einer gegebenen
Situation ein vorhandenes Image für die anderen
Teilnehmer zu unterstützen. Um Störungen dieser
Beziehungen zu verhindern, muss jeder Teilnehmer
die Beschädigung des Images anderer vermeiden.
Gleichzeitig veranlasst gerade die Sozialbeziehung
zu anderen jemanden dazu, an bestimmten
Begegnungen mit ihnen teilzunehmen, wo er zufällig
in ihre Abhängigkeit geraten kann, um sein Image
wahren zu können.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Darüber hinaus werden in vielen Beziehungen die
Teilnehmer dazu kommen, ein gemeinsames Image
zu haben, so dass in Anwesenheit dritter eine
unpassende Handlung eines Teilnehmers Ursache
akuter Verwirrung der anderen wird. Eine
Sozialbeziehung kann also als ein Weg betrachtet
werden, wie man mehr als gewöhnlich gezwungen
wird, seinem Selbstbild zu vertrauen und dem Takt
und dem guten Benehmen anderer zu begegnen.'
(S. 49 f.)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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
Die Natur der rituellen Ordnung rituelle
Ordnung (Image) vs. andere Arten sozialer
Ordnung (Gerechtigkeit)
universelle menschliche Natur und
Gesellschaft
Ritual als Mittel der Gesellschaft, ihre
Mitglieder dazu zu bringen, selbstregulierend
an sozialen Begegnungen teilzunehmen
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Excerpt Collins, Randall: Theoretical
Continuities in Goffman’s Work.
In: Drew, P./ Wootton, A. (Ed.): Erving
Goffman. Exploring the Interaction Order.
Oxford 1988. S. 41-63
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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

Zusammenfassung:
Zitate: ''=GOFFMAN; "”=COLLINS
"His [Goffman's] intellectual lineage is usually assumed to be symbolic
integrationists. [...] It was natural to assume that Goffman was merely
continuing the themes of Mead, Thomas and Blumer. [...] Goffman was
in fact an enemy of any glib processualism or reality constructionism in
everyday life. He always asserted the primacy of structural constraints,
and one might say that his originality was to push this social
determination down to the micro level as far as it could go, even willing
to dissolve the self in the face of the structured situation. [...]
I am asserting that the deepest layer in Goffman's works, his core
intellectual vision, is a continuation of the Durkheimian tradition.”
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation



GOFFMAN´S EARLY DURKHEIMIANISM
Durkheimian tradition:
Social reality is at its core a moral reality. Society is
held together by feelings of right and wrong,
emotional sentiments that impel people towards
certain action , and into righteous revulsion against
certain others.
→ The mechanism by which these moral sentiments
are produced and shaped into specific social forms
is the ritual.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Ritual
–
–
–
–
–
1. face to face assemblance of the group
2. mutual focus of consciousness (arbitrary)
3. common emotional mood (arbitrary)
4. intensification
"I would suggest that both (2), the mutual focus of
consciousness and (3), the common emotion, feed back
upon themselves and upon each other, so that a successful
ritual progresses over time to become a kind of socially
induced trance as well as an encompassing emotion.”
5. production of moral sentiments in the participants
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

"The consequences of such ritual interactions are to
shape the subsequent behaviour, thought and
feelings of those, who take part in them. The social
pressure which exists in its most intense form during
a ritual is impressed upon the consciousness and
the emotions of the individual. Rituals thus produce
(and reproduce) moral sentiments in individuals.
Whatever the content of the ritual, arbitrary though it
may have been initially, it becomes a symbol of the
experience in which it originated.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

It carries a charge of emotional energy and a sense of the
interpenetrating consciousness that was manifested in the
mutually aware focus of attention during the ritual. The physical
and mental world, in short, becomes populated with objects that
symbolize society. Internalized and carried around in the minds
of individuals, these symbols become the steering mechanisms
by which people recognize co-members. By means of these
symbols people feel where to gravitate for support, where are
the centres of power they must respect. On the negative side,
they recognize the boundaries of their groups by the lack of
respect for their own sacred symbols; and they feel the impulse
to punish deviants within their groups who demean them
symbolically.”
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Interaction Ritual and the Cult of the Self
"For Goffman, the self is not so much a private,
individual attribute, as a public reality, created by and
having its primary existence in public interaction.”
On face work: an analysis of ritual elements in social
interaction, 1955
The nature of deference and demeanour, 1956
Durkheim’s theory of the soul
'face work' in conversation
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

ritual codes require individuals to maintain a consistent face
and also to help others in maintaining their own faces (ritual cooperation)
"Interaction is a process of exchange between ritually enacted
selves. Each person defers [defer: sich fügen, nachgeben, sich
beugen] to the other's demeanour [demeanour: Benehmen,
Verhalten, Haltung] self, and in return receives deference
[deference: (1) Ehrerbietung, Achtung; (2) Nachgiebigkeit,
Rücksich(nahme)] which helps them to uphold their own
demeanour. One's personal self is partly based on other's
reactions via deference to one's demeanour. Each individual
relies on others to complete one's picture of one's self.”
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Das nächste Mal werden wir das Kapitel
Über Ehrerbietung und Benehmen (S. 54-105) aus Erving Goffman
„Interaktionsrituale“ behandeln!
In diesem Zusammenhang wird auch die Höflichkeitstheorie von
Brown/Levinson (Brown, P. & Levinson, S. (1987). Politeness: Some
universals in language usage. Cambridge: Cambridge University
Press.) sowie
Goffman, E. (1967). ‘On facework: an analysis of ritual elements in
social interaction’, in Jaworski, A.,and Coupland, N. (eds.) The
Discourse Reader, London, Roterledge, pp. 306-321. sowie
Mills, S. (2003). Gender and politeness. Cambridge: Cambridge
University Press.
Behandelt.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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27.06.07:
1. Über Ehrerbietung und Benehmen (S.
54-105) aus Erving Goffman
„Interaktionsrituale“
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Über Ehrerbietung und Benehmen (S. 54-105)
Durkheim (54): The Elementary Forms of the
Religious Life
Persönlichkeit des Individuums als eine Verteilung
des kollektiven Mannas
Riten gegenüber dem Individuum selbst
"Heiligkeit” des Individuums, die in symbolischen
Handlungen entfaltet und bestätigt wird
Ehrerbietung und Benehmen
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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
Einleitung
Verhaltensregeln
Regelverletzungen
Wirkung von Verhaltensregeln auf das Individuum
–
–

als Verpflichtungen, die das Verhalten des Individuums
selbst erzwingen
als Erwartungen, die das Verhalten dem Individuum
gegenüber moralisch verpflichtend festlegen
erwünschte Verhaltensregeln (Rechte, Privilegien)
vs. unerwünschte Verhaltensregeln
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Verhaltensregeln ↔ Selbstbild

'Hält jemand eine bestimmte Regel aufrecht, dann wird er
vermutlich an ein bestimmtes Selbstbild gebunden. Hinsichtlich
seiner Verpflichtungen wird er für sich und andere zu
jemandem, der dieser bestimmten Regel folgt und von dem
man selbstverständlich erwartet, dass er entsprechend handelt.
Hinsichtlich seiner Erwartungen nimmt er an, dass andere ihre
Verpflichtungen ihm gegenüber genau erfüllen, denn ihr
Verhalten drückt eine bestimmte Vorstellung von ihm aus.' (S.
58)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

'Im allgemeinen finden wir also, wenn eine
Verhaltensregel gebrochen wird, zwei Leute,
die Gefahr laufen, diskreditiert zu werden:
den einen mit einer Verpflichtung, der sich
von der Regel hätte leiten lassen müssen,
den anderen mit einer Erwartung, der in
einer bestimmten Weise hätte behandelt
werden sollen. Beide, Handelnder und
Empfänger, sind bedroht.' (S. 58)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

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
Verhaltensregeln ↔ Kommunikation
'So verwandeln Verhaltensregeln Tätigkeit wie Untätigkeit in
Ausdruck, und gleichgültig, ob man an den Regeln festhält oder
ob man sie bricht, es wird sicher etwas Bedeutsames zum
Ausdruck gebracht.' (S. 59)
Teilnehmerstatus wir verstehen, dass er in gewisser Hinsicht an
ihnen nicht als ganze Person teilnimmt, sondern eher in Bezug
auf spezielle Eigenschaften oder einen bestimmten Status,
kurz: in Bezug auf ein spezielles Selbst.' (S. 59)
symmetrische Verhaltensregeln vs. asymmetrische
Verhaltensregeln
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Unterscheidung zwischen Substanz und Zeremonie
'Eine inhaltliche Regel bestimmt das Verhalten gegenüber
Dingen, die an und für sich schon Bedeutung haben, und zwar
unabhängig von der Bedeutung, die die Verletzung oder
Aufrechterhaltung für das Selbst der engagierten Individuen
hat.' (S. 60 f.)
'Eine zeremonielle Regel bestimmt das Verhalten gegenüber
Dingen, die für sekundär oder bedeutungslos gehalten werden,
deren hauptsächliche Bedeutung aber jedenfalls offiziell ein
konventionalisiertes Mittel der Kommunikation ist, durch das
man seinen Charakter zum Ausdruck bringt oder seine
Einschätzung anderer Teilnehmer in der Situation übermittelt.'
(S. 61)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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inhaltlicher Kodex (Recht, Moral, Ethik) vs. zeremonieller
Kodex (Etiquette)
inhaltliche Handlungsfunktionen vs. zeremoniellen
Handlungsfunktionen
zeremonielles Idiom
'Alle Symbole, die von einer bestimmten sozialen Gruppe fuer
zeremonielle Zwecke verwendet werden, kann man als ihr
zeremonielles Idiom bezeichnen.' (S. 63)
Ehrerbietung und Benehmen als Komponenten zeremonieller
Handlungen
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
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Ehrerbietung
'Mit Ehrerbietung soll die
Handlungskomponente bezeichnet werden,
durch die symbolisch die Wertschätzung des
Empfängers dem Empfänger regelmäßig
übermittelt wird oder die Wertschätzung
dessen, wofür dieser Empfänger als Symbol
oder Repräsentant gilt.' (S. 64)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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"Statusrituale”, "interpersonelle Rituale”
'Jemand kann sich Ehrerbietung wünschen, sie
erwerben und verdienen, aber im allgemeinen darf
er sie sich nicht selbst erweisen, sondern ist
gezwungen, sie von anderen zu erstreben. Wenn er
wünscht, dass sie ihm von anderen
entgegengebracht wird, dann ist er besonders
motiviert, mit anderen in Kontakt zu treten. Dadurch
bekommt die Gesellschaft eine zusätzliche Garantie,
dass ihre Mitglieder miteinander interagieren und in
Beziehung treten können.' (S. 65)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Elemente der Ehrerbietung
Gefühl der Achtung des Handelnden vor dem
Empfänger
Versprechen des Handelnden, den
Empfänger bei der nächsten Begegnung
entsprechend zu behandeln
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

'Im Folgenden müssen wir immer im Auge behalten,
dass ehrerbietiges Verhalten sehr oft nicht allein
Ausdruck einer einzigen Beziehung zweier
Individuen auf Grund eines einzigen
Eigenschaftspaares ist, sondern eine Vielzahl von
Ausdrucksweisen, die den verschiedenen
Beziehungen zwischen Handelndem und Empfänger
entsprechen, von denen keine ausschließlich und
dauernd zeremonielles Verhalten determinieren
kann.' (S. 70)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Vermeidungsrituale (avoidance rituals) ← negative
Riten (nach Durkheim)
'Der Begriff Vermeidungsrituale kann in Bezug auf
Formen der Ehrerbietung gebraucht werden, die der
Handelnde anwendet, um vom Empfänger Distanz
zu wahren, damit die Sphäre nicht verletzt wird, die
den Empfänger umgibt und die Simmel [Georg
Simmel: Psychologie der Diskretion. 1906] die
"ideelle Sphäre” nennt [...]” (S. 70)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Vertrautheit vs. Nichtvertrautheit, Respekt
zeremonieller Distanz Û andere Arten
sozialer Distanz
Regeln für die Einhaltung von Distanz
Regelverletzungen
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

ehrerbietige Zurückhaltung vs. selbstschützende
Zurückhaltung
'Es scheint allgemein so zu sein, dass man eine
Person hohen Rangs aus Ehrerbietung meidet, eine
Person niedrigeren Rangs dagegen aus
selbstschützendem Interesse. Vielleicht kann die
soziale Distanz, die manchmal sorgfältig zwischen
sozial Gleichen aufrechterhalten wird, gegenseitig
beide Arten von Zurückhaltung enthalten.' (S. 78)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Zuvorkommenheitsrituale (presentational rituals) ←
positive Riten (nach Durkheim)
'Ein zweiter Typus, Zuvorkommenheitsrituale,
umfasst Handlungen, durch die das Individuum den
Empfängern zeigt, was es von ihnen hält und wie es
sie in der beginnenden Interaktion behandeln wird.
Regeln für diese rituellen Praktiken beinhalten
spezifische Vorschriften, nicht spezifische Verbote.
Während Vermeidungsrituale angeben, was nicht
getan werden sollte, geben
Zuvorkommenheitsrituale an, was getan werden
sollte.' (S. 79)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Begrüßungen, Einladungen, Komplimente,
kleinere Hilfsdienste

→ Konflikt zwischen Vermeidungsritualen
und Zuvorkommenheitsritualen
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

'Als eine Implikation dieses Dilemmas müssen wir es
betrachten, dass sozialer Umgang ein ständiges dialektisches
Verhältnis zwischen Zuvorkommenheitsritualen und
Vermeidungsritualen beinhaltet, wobei eine eigentümliche
Spannung aufrechterhalten werden muss, da diese
gegensätzlichen Verhaltensanforderungen irgendwie
auseinandergehalten und dennoch beide in derselben
Interaktion verwirklicht werden müssen. Die freundschaftlichen
Gesten, die einen Handelnden einem Empfänger nahebringen,
müssen gleichzeitig ausdrücken, dass die Dinge nicht zu weit
getrieben werden sollen.' (S. 85)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Benehmen 'Mit Benehmen werde ich jenes zeremonielle
Verhaltenselement bezeichnen, das charakteristischerweise
durch Haltung, Kleidung und Verhalten ausgedrückt wird und
das dazu dient, dem Gegenüber zum Ausdruck zu bringen,
dass man ein Mensch mit bestimmten erwünschten oder
unerwünschten Eigenschaften ist. In unserer Gesellschaft hat
derjenige, der sich "gut” oder "richtig” benimmt, folgende
Eigenschaften: Diskretion, Aufrichtigkeit, Bescheidenheit sich
selbst gegenüber, Fairness, Beherrschung von Sprache und
Motorik, Selbstbeherrschung hinsichtlich Emotionen,
Neigungen und Wünschen, Gelassenheit in Stresssituationen
usw. [...]
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Es soll noch einmal festgehalten werden, dass Benehmen
Eigenschaften beinhaltet, die eigentlich Interpretationen anderer über
das Verhalten einer Person im sozialen Umgang sind. Jemand kann
sich solche Eigenschaften nicht selbst zuschreiben, etwa durch die
bloße Beteuerung, sie zu besitzen, obwohl er manchmal unbesonnen
genug sein kann, dies zu versuchen. (Er kann es jedoch schaffen, sich
so zu verhalten, dass andere in sein Verhalten die Eigenschaften
hineininterpretieren, die er in ihren Augen gern besäße.) Im
allgemeinen baut jemand durch Benehmen ein Bild von sich selbst
auf, doch genaugenommen gilt dieses Bild nicht für seine eigenen
Augen. Wir sollten deswegen aber nicht die Tatsache übersehen, dass
jemand, der sich gut benimmt, sich deshalb so verhalten kann, weil er
beträchtlichen Wert auf sich selbst legt, und dass jemand, der sich
falsch benimmt, "mangelnder Selbstachtung” und Geringschätzung
seiner selbst beschuldigt werden kann.' (S. 86 f.)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Ehrerbietung und Benehmen
Komplementäre Beziehung zwischen Ehrerbietung
und Benehmen
'Trotz dieser Verknüpfung von Ehrerbietung und
Benehmen ist die analytische Beziehung zwischen
ihnen die der "Komplementarität und nicht die der
Identität. Das Image, das jemand vor anderen
aufrechterhalten muss, ist nicht identisch mit dem
Image, das diese anderen von ihm haben müssen.
Ehrerbietung weist auf die Gesellschaft außerhalb
der Interaktion hin und damit auf die Position des
Individuums in der Hierarchie der Gesellschaft.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Benehmen weist auf Eigenschaften hin, für die jede soziale
Position ihren Trägern die Möglichkeit gibt, sie zu entfalten, weil
diese Eigenschaften eher zum Ausdruck bringen, wie das
Individuum seine Position handhabt, als den Rang dieser
Position in Relation zu anderen sozialen Positionen.
Darüber hinaus ist das Selbstbild, das das Individuum mit
seinem Verhalten anderen gegenüber aufrechterhalten muss,
eine Art Rechtfertigung und Kompensation für das Bild, das
andere von ihm durch ihre Ehrerbietung zum Ausdruck bringen
müssen. Jedes dieser beiden Bilder kann tatsächlich jeweils als
eine Garantie und Kontrolle über das andere fungieren' (S. 91
f.)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

'Es gibt noch eine weitere komplementäre Beziehung zwischen
Ehrerbietung und Benehmen. Wenn jemand meint, er sollte richtiges
Benehmen zeigen, um sich damit Ehrerbietung zu sichern, dann muss
er in der Lage sein, sich dementsprechend zu verhalten. Es muss ihm
z.B. möglich sein, solche Aspekte seiner selbst zu verbergen, die ihn
vor den Augen anderer unwürdig machen, und er muss sich vor ihnen
verbergen, wenn er in einem unwürdigen Zustand ist, sei es in
Kleidung, Stimmung, Pose oder Haltung. Die Vermeidungsrituale, die
andere ihm gegenüber ausüben, geben ihm einen Spielraum und
machen es ihm möglich, nur das Selbst zu zeigen, das der
Ehrerbietung würdig ist. Gleichzeitig machen es ihnen diese
Vermeidungsstrategien leichter, festzustellen, ob ihre Ehrerbietung
angemessen ist.' (S. 93 f.)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Zeremonielle Entweihungen
'Es gibt viele Situationen und viele Möglichkeiten, in denen Zeremonie
nicht richtig ausgeführt wird. Manchmal empfindet man, dass man in
unangemessener Weise Ehrerbietung erwiesen bekommt, unabhängig
davon, ob diese Fehleinschätzung ihn höher oder niedriger einstuft,
als er es für richtig hält. Andere Male hat man das Gefühl, man werde
zu unpersönlich und zu wenig zeremoniell behandelt, und diese
Behandlung sollte durch Akte der Ehrerbietung mehr unterstrichen
werden, selbst wenn dadurch die Aufmerksamkeit auf den eigenen
untergeordneten Status gelenkt würde.' (S. 94)
spielerische Entweihungen
vom Empfänger ignorierbare Entweihungen
direkte rituelle Entweihungen
Selbstentweihung
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Schlussfolgerungen
'Die Verhaltensregeln, die den Handelnden und den Empfänger
miteinander verbinden, sind die Bindungen der Gesellschaft.
Aber viele Handlungen, die durch diese Regeln geleitet
werden, werden selten durchgeführt oder bedürfen lange Zeit
zu ihrer Durchführung. Möglichkeiten, die moralische Ordnung
und die Gesellschaft zu bejahen, könnten deshalb selten sein.
Hier haben zeremonielle Regeln ihre soziale Funktion, da viele
der Handlungen, die von diesen Regeln bestimmt werden,
jeweils nur einen kurzen Augenblick dauern, keinen inhaltlichen
Beitrag verlangen, und in jeder sozialen Interaktion
durchgeführt werden können.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Unabhängig von einer bestimmten Handlung und ihrer
möglichen entweihenden Instrumentalität kann jede Handlung
viele Gelegenheiten für kleinere Zeremonien liefern, solange
andere Leute anwesend sind. Durch diese Einhaltung
zeremonieller Verpflichtungen und Erwartungen wird ein
ständiger Strom von Gunstbezeugungen über die Gesellschaft
gebreitet, in dem andere Anwesende ständig das Individuum
daran erinnern, dass es sich gut benehmen und die geheiligte
Aura dieser anderen bejahen muss. Diese Gesten, die uns
manchmal leer erscheinen, sind vielleicht die inhaltsreichsten
überhaupt.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Es ist vielleicht wichtig zu erkennen, dass das Selbst zum Teil ein
zeremonielles, geheiligtes Objekt ist, das man mit angemessener,
ritueller Sorgfalt behandeln muss. Als Mittel zur Etablierung dieses
Selbst benimmt sich das Individuum angemessen im Kontakt mit
anderen und wird von ihnen mit Ehrerbietung behandelt. Man muss
sich aber darüber im klaren sein, dass der Boden dafür vorbereitet
werden muss, dass dieses geheiligte Spiel stattfinden kann. Die
Umwelt muss garantieren, dass das Individuum für sein gutes
Benehmen nicht einen zu hohen Preis zu zahlen hat und dass ihm
Ehrerbietung gewährt wird. Verhaltenspraktiken für Ehrerbietung und
Benehmen müssen institutionalisiert werden, damit das Individuum
befähigt wird, ein lebensfähiges und geheiligtes Selbst zu entwerfen,
und in dem Spiel eine angemessene Grundlage hat.' (S. 100 f.)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

2. Höflichkeitstheorie von Brown/Levinson
(Brown, P. & Levinson, S. (1987). Politeness:
Some universals in language usage.
Cambridge: Cambridge University
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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
Mit dem Begriff der Höflichkeit ist in den letzten
Jahrzehnten ein Schlüsselkonzept der Pragmatik
verbunden (Kreß 2007:105)
Höflichkeit wird in der Höflichkeitsforschung als das
Mittel der Konfliktvermeidung dargestellt (vgl. u. a.
Leech 1977, 19; Leech 1983, 105; Valtl 1986, 205;
Held 1995, 60).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Die zentrale Theorie der Höflichkeit als face-work ist
von Brown/Levinson (1987) und von Leech (1983)
entwickelt worden. In beiden Theorien ist der Begriff
der Höflichkeit mit zwei unterschiedlichen Maximen
belegt worden: Taktmaxime (tact maxim) bei Leech
(1983) und Höflichkeitsmaxime (maxims of
politeness) erklärt.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Der Ansatz von Brown/Levinson, in dem der Begriff
des face aus dem Ausdruck losing face abgeleitet
wird, soll im folgenden hinsichtlich seiner
Anwendung auf den hier vorliegenden
Untersuchungsgegenstand adaptiert worden, wobei
zunächst auf die Kritik eingegangen werden soll.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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Der face-Begriff gehört zu den zentralen Momenten
der Höflichkeitstheorie.
Das Kooperationsprinzip aus Grice (1975) wird um
eine weitere Maxime erweitert: politeness principle.
Die Höflichkeitskonzepte der letzten Jahrzehnte
schließen die traditionell mit Höflichkeit assoziierten
Regeln, Etikette und Rituale zwar nicht aus, gehen
jedoch weit darüber hinaus.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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
Gegenüber Goffman nehmen Brown/Levinson eine
Umwertung des face als Rollenspiel vor, sie
redefinieren ihn als want (Willen, Bedürfnis):
Negative face: the want of every ‘competent adult
member’ that his actions be unimpeded by others.
Positive face: the want of every member that his
wants be desirable to at least some others.
(ebd.: 62)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Hierbei muss der rationale Sprecher abwägen
zwischen dem Wunsch, seine Intentionen möglichst
effizient zu verwirklichen und der Gefahr, hierbei das
face des Gegenüber in der Weise zu verletzen.
Der Prozess zwischen der Wahrung des eigenen
Selbst und der Wahrung des face des Anderen heißt
face-threatening act / FTA !
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Interessant ist die Feststellung, dass die negative
Höflichkeit in den westeuropäischen Kulturen
ausgeprägter, während die positive Höflichkeit in den
osteuropäischen Kulturen typischer sei:
„When we think of politeness in Western cultures, it
is negative politeness behaviour that springs to
mind. In our culture, negative politeness is the most
elaborate and the most conventionalized set of
linguistic strategies for FTA redress; it is the stuff that
fills the etiquette books (…).“ (BL 1987:129)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation
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
Renate Rathmayr (1996:17) charakterisiert die beiden Typen
der Höflichkeit wie folgt:
„Ausgehend von Goffmans Konzept splitten Brown, Levinson
(1987) Höflichkeit in positive und negative auf, wobei die
positive Höflichkeit der Stärkung des positiven Images dient:
Der Adressat wird als jemand behandelt, dessen Wünsche und
Charakterzüge man kennt, den man mag, mit dem man
Gemeinsamkeit und Solidarität bekundet, auch wenn in der
konkreten Situation ein potentiell imagebedrohender Akt
unternommen wird.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Interessenbekundung, Komplimente, Markierungen der
Gruppenzugehörigkeit, Suche nach Übereinstimmung und
Vermeidung von Nichtübereinstimmung,
Reziprozitätsunterstellung u. ä. gehören zu den
Realisierungsmustern positiver Höflichkeit.“
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Negative Höflichkeit stärkt das negative Image, das Bedürfnis
nach einem unangetasteten Territorium, und beruht im
wesentlichen auf Vermeidungsverhalten, wobei der Sprecher
dem Adressaten vermittelt, dass er nicht oder nur minimal in
seinen Handlungsraum eindringen wird. Negative
Höflichkeitsstrategien beinhalten Selbstzurücknahme,
Formalität und Beherrschung, potentielle Imagebedrohungen
werden durch Entschuldigungen und Überleitungen,
Modalpartikeln, Abschwächungen, Indirektheit (Fragen anstelle
von Aufforderungen etc.) und ähnlichen Strategien entschärft.“
(Rathmayr 1996:17)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

Wierzbicka (1985) nimmt an, dass die relative
Gewichtung von positiver und negativer Höflichkeit
kulturspezifisch unterschiedlich sei, und Kulturen, in
denen wie in Japan, China oder auch Polen der
Individualismus einen weniger hohen Stellenwert hat
(dies galt für die Zeit vor dem Fall des eisernen
Vorhangs, Anm. P.K.), messen auch der negativen
Höflichkeit weniger Bedeutung bei, als die meisten
westlichen Kulturen, in deren Tradition unter
Höflichkeit insbesondere die negative Höflichkeit
verstanden wird (vgl. Rathmayr 1996:17).
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

„In den europäischen Gesellschaften gehört es zu
den durch das Gesetz bzw. durch moralische
Gebote geschützten Bereichen, die Person des
anderen, sein Eigentum und seine Privatsphäre zu
achten und unangetastet zu lassen, und es ist ein
Gebot der Höflichkeit, ihm diese Achtung auch
explizit zum Ausdruck zu bringen.“ (Rathmayr,
a.a.O.)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


Brown/Levinson (1987:65-68) machen Höflichkeit an einzelnen
Sprechakten fest und bezeichnen die direktiven Sprechakte
generell als unhöflich, Akte des Entschuldigens generell als
höflich.
Renate Rathmayr (1996) macht in ihrer Kritik an dieser
Konzeption deutlich, dass Sprechakte nie inhärent höflich oder
unhöflich sein können, sondern stets in Abhängigkeit von
pragmatischen Parametern (wie Status, Kontext,
Kommunikationssituation usw.) auf der Höflichkeitsskala eine
jeweils unterschiedlichen Bewertung erhalten. Eine Bitte
gegenüber einem Vorgesetzten kann durchaus in bestimmten
Situationen weniger höflich sein als ein Befehl gegenüber
einem Kind.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

„Wenn Entschuldigungen für geringfügige Anlässe
aufgrund der Antizipation einer negativen Reaktion
des Interaktionspartners oder der
Interaktionspartnerin im Sinne einer positiv zu
bewertenden Beziehungsarbeit vollzogen werden,
sind sie Ausdruck von höflichem Verhalten, mit dem
man einander „entgegen-“ oder „zuvorkommt“ (vgl.
Held 1989), liegen hingegen schwerwiegende
Anlässe in ihrem Fokus, ist Höflichkeit keine
adäquate Beschreibungskategorie.“ (Rathmayr
1996: 18)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation


In der Terminologie von Brown/Levinson (1987:68; 187; 286)
werden Akte des „Sich-Entschuldigens“ für den Sprecher als
imagebedrohend (face-theatening) betrachtet, während sie für
den Adressaten zur Imagepflege beitragen (face-saving). Dem
Sprecher verursacht die Entschuldigung Kosten, während sie
für den Adressaten einen Nutzen darstellt.
Rathmayr (1996:18) weist darauf hin, dass Entschuldigungen
für Bagatellvergehen nicht nur der Imagepflege des
Adressaten, sondern auch der des Sprechers dienen können.
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle
Interkommunikation

„Bei versehentlichem Körperkontakt präsentiert sich
der Sprecher mit seiner Entschuldigung als höflicher
Mensch, der die Würde des Adressaten mit der
Unachtsamkeit keineswegs antasten wollte.
Entschuldigt er sich in einem solchen Fall nicht,
könnte der Eindruck entstehen, er fände es nicht der
Mühe wert, vgl. das in den öffentlichen
Verkehrsmitteln oft gehörte „Wenigstens
entschuldigen könnten Sie sich!“ (Mogli chotja by
izvinit‘sja) (Rathmayr 1996:18)
Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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Leistungsbewertung: Klausur
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