Sechs Fallstricke der Psychosomatik

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FALLSTRICKE
Im Umgang mit
psychosomatischen
Patienten
DR. MED. RENE HEFTI
LEITENDER ARZT PSYCHOSOMATIK
KLINIK SGM LANGENTHAL
INHALTSUEBERSICHT
1. ERWEITERTES BIOPSYCHOSOZIALES MODELL
2. DIE DIMENSION DES KÖRPERS
3. SECHS FALLSTRICKE
4. SCHLUSSWORT
BIOPSYCHOSOZIALES MODELL
Glaube als Ressource
• Krisenbewältigung
• Halt-Wert-Sinn
• Gebet
Glaube als Belastung
• Religiöse Leistungsorientierung
• Belastende Gottesbilder, Dämonologie
ERWEITERTES
BIOPSYCHOSOZIALES MODELL
Religiosität
Spiritualität
VulnerabilitätsStress-Modell
Alexithyme
Persönlichkeit

Live-Events
Soziale Isolation
Psycho -
Psychische
Belastungen
Emotionen
Gehemmte Emotion
Angst, Depression
Sozial
Bio -
Krankheitsbewältigung
BIOPSYCHOSOZIALES
BeziehungsMODELL
Konflikte
Körperliche
Krankheitsprozesse
z.B. Erkältung, DM, HI, Krebs
Nach R.Hefti 2002
DIE DIMENSION DES KÖRPERS
Religiosität
Psycho -
•
•
•
•
•
•
Wichtig !
Sozial
Bio -
Teil der Ganzheit, Individualität
Lebendiger, „beseelter“ Körper
Eigene Gesetzmässigkeit
Halt, Wohnung („Seelenasyl“)
Körpersprache
– Hinweis auf unsere seelische
Befindlichkeit, tiefere Problematik
– Aber auch Abwehr derselben!
• Berührung, Intimität
• Wohnung des Hl. Geistes
FALLSTRICKE
• Für den Therapeuten?
• Für den Betroffenen?
FALLSTRICKE
UEBERSICHT
• Somatisierung
• Psychologisierung
• Somatopsychische Aspekte
• Spiritualisierung
• Gegenübertragung
• Machbarkeit
FALLSTRICK NR. 1
SOMATISIERUNG
45-jährige Patientin
Schmerzsyndrom Schulter-Nacken-Kopf
nach wiederholten „Schleudertraumatas“
„Risse im Hirnstamm“
invalidisierend, nicht mehr in der Lage,
den Haushalt zu bewältigen
Starke Zukunftsängste
FALLSTRICK NR. 1
SOMATISIERUNG
Drängt auf weitere Abklärungen,
obwohl sie in den letzten 3 Jahren schon
mehrfach hospitalisiert war
Psychosoziale Begleitfaktoren lehnte
die Patientin ab, zu Hause gehe es gut,
der Mann kümmere sich liebevoll um sie,
habe viele Aufgaben im Haushalt
übernommen, sei aber nun langsam
auch am Ende
FALLSTRICK NR. 1
SOMATISIERUNG
Fazit:
Die Zuständigkeit und
Verantwortung, die Schmerzen
der Patientin zu verbessern und
ihre Problematik zu lösen, liegt
nun bei mir als Arzt. Ich bin ihre
letzte Hoffnung.
hilflos
aergerlich
keine Lust
Schwierige Situation !
FALLSTRICK NR. 1
SOMATISIERUNG
Religiosität
Psycho -
AUSWEG
Sozial
Bio -
• Somatisierung als mögliche
Bewältigungsform respektieren, Motiv verstehen
• Auf der körperlichen Ebene arbeiten, über die
Körpersprache kommunizieren
• Vertrauen aufbauen, Halt geben, Angst
eingrenzen, punktuell Emotionen ansprechen
• Unnötige Abklärungen vermeiden
• Alternative Bewältigungsformen erarbeiten
FALLSTRICK NR. 2
PSYCHOLOGISIERUNG
45-jährige Patient
Verdachtsdiagnose Reizdarm,
Erschöpfungszustand bei
berufliche Ueberlastung als
Gemeindeleiter
Auffällig: Postprandiale
Bauchschmerzen !
FALLSTRICK NR. 2
PSYCHOLOGISIERUNG
Milchzucker- oder
Weizenunverträglichkeit?
Lactosebelastungs-Test:
eindeutige Lactoseintoleranz mit
Völlegefühl, Bauchkrämpfen,
Durchfall, Erschöpfung und
fehlendem BZ-Anstieg nach
Milchzuckergabe !
FALLSTRICK NR. 2
PSYCHOLOGISIERUNG
Fazit:
Nach milchzuckerfreier Diät
und Gabe von Lacdigest
deutliche Besserung der Reizdarmsymptomatik wie auch
des Erschöpfungszustandes.
FALLSTRICK NR. 2
PSYCHOLOGISIERUNG
Religiosität
Bio -
Worum geht es?
Sozial
Psycho -
• Körperliche Symptome/Befunde werden
vorschnell psychologisch gedeutet oder nach
fixen Schemen einer psychischen Problematik
zugeordnet, spez. psychoanalytische Tradition
• Bluthochdruck = Probleme mit den Vater
• Zuckerkrankheit = Liebesstörung (Patient!)
• Folge: relevante körperliche Krankheiten
werden übersehen oder nicht ernst genommen
FALLSTRICK NR. 2
PSYCHOLOGISIERUNG
Religiosität
Bio -
AUSWEG
Sozial
Psycho -
• Kenntnis der körperlichen und
psychischen Störungsbilder (Somatound Psychopathologie)
• Vorsicht mit vorschnellen und einseitigen
psychologischen Deutungen und
Kausalitäten
• Anerkennen, dass wir nur immer einen
Teil der Realität erfassen können
FALLSTRICK NR. 2
PSYCHOLOGISIERUNG
Vorsicht
insbesondere bei:
• Akuten körperlichen
Symptomen (z.B aKS)
• Neu aufgetretenen
Beschwerden
• Herz- / Magendarm- und
Unterleibsschmerzen
FALLSTRICK NR. 4
SPIRITUALISIERUNG
50-jährige Patientin
Mit multiplen körperlichen Beschwerden
und mittelschwerem Erschöpfungszustand
„Die Patientin müsse ihren
Energielevel wieder anheben und
ihre spirituelle Krise
überwinden!
FALLSTRICK NR. 4
SPIRITUALISIERUNG
Religiosität
Spiritualität
Psycho -
BESCHREIBUNG
Sozial
Bio -
• Die körperlichen und seelischen Symptome
werden spirituell oder religiös gedeutet
• Entsprechend werden spirituelle Interventionen
gewählt, wie Freibeten, Chakren-Therapie etc.
• Der Betroffene übernimmt meist ein passive Rolle
und wird zum Objekt der Behandlung
FALLSTRICK NR. 4
SPIRITUALISIERUNG
SEELSORGE
• Es gibt Seelsorgeansätze,
die körperliche und seelische Symptome sehr
einseitig geistlich deuten
• Körperliche Symptome als Anfechtung
• Geist der Müdigkeit austreiben
• Monokausale Schuldzuweisung
FALLSTRICK NR. 3
SOMATOPSYCHISCHE
ASPEKTE vernachlässigen
Worum geht es?
„Wenn mein Körper umkippt, dann kippt
auch meine Seele um“ (und mein Geist)
Die Bedeutung körperlicher Funktionen für
das seelische, religiöse und soziale Befinden
sowie die alltägliche Funktionsfähigkeit
z.B. Banale Erkältung, hypotone Blutdruckwerte
FALLSTRICK NR. 3
SOMATOPSYCHISCHE
ASPEKTE vernachlässigen
„Der Bauch erzählt dem Kopf Geschichten, den
ganzen Tag und die ganze Nacht, ohne dass wir
dies bewusst wahrnehmen. Wenn sich der Darm
zusammenzieht, wenn er Serotonin oder andere
Botenstoffe ausscheidet, wenn Immunzellen zur
Arbeit aktiviert werden, dann werden diese Daten
ins Gehirn weitergeleitet, dort übersetzt und als
Müdigkeit oder Aktivität, Unwohlsein oder
Heiterkeit, Schmerz oder Völlegefühl wahrgenommen. Der Bauch macht also Stimmung!“.
FALLSTRICK NR. 3
SOMATOPSYCHISCHE ASPEKT
FALLSTRICK NR. 3
SOMATOPSYCHISCHE ASPEKTE
Skelett und
Muskulatur
Halt,
Festigkeit
Herz-Kreislauf
Stoffwechsel
Kraft,
Dynamik
Magen-DarmTrakt, Nieren
Wohlbefinden
Geschlechtsorgane, Haut
Nähe,
Intimität
SW-Gefühl
Selbstbild
FALLSTRICK NR. 3
Religiosität
SOMATOPSYCHISCHE
ASPEKTE vernachlässigen Psycho FAZIT:
Sozial
Bio -
Körperliche Prozesse oder Erkrankungen
beeinträchtigen des seelische, religiöse
und soziale Befinden in wesentlicher Weise
und erfordern eine Krankheitsbewältigung
„Wenn mein Körper umkippt, dann kippt
auch meine Seele um“ (und mein Geist)
FALLSTRICK NR. 5
GEGENÜBERTRAGUNG
Worum es dabei geht?
Übertragung
Gegenübertragung
z.B. Hilflosigkeit, Aerger, keine Lust
Schwierige Patientin, passiv-aggressiv, fordernd
BEZIEHUNGSABBRUCH
FALLSTRICK NR. 5
GEGENÜBERTRAGUNG
AUSWEG
• Übertragungsgefühle sowie eigene emotionale
Reaktion = Gegenübertragung wahrnehmen
• Interaktion zum vertieften Verständnis des
Patienten nutzen (Balint, Psychodynamik)
• Innere Distanz gewinnen
• Die eigentliche Not des Patienten erkennen
• Beziehung halten, Patienten aushalten
• Fazit: Supervision (auch für Seelsorger)
FALLSTRICK NR. 6
MACHBARKEITSFALLE
Worum geht es?
• Als Aerzte/Therapeuten haben wir den Anspruch
zu heilen (Heilungsparadigma)
• Dies ist beim psychosomatischen Patienten
meist nicht möglich
• Vielmehr geht es um den besseren Umgang mit
der Symptomatik oder den Problemen
„Die Schmerzsymptomatik besteht immer noch,
aber der Schmerz macht mich nicht mehr so fertig“
FALLSTRICK NR. 6
MACHBARKEITSFALLE
AUSWEG
• Als Aerzte/Therapeuten müssen wir uns von
unserem Heilungsanspruch lösen
• Das primäre Ziel ist nicht die Heilung, sondern
die Beziehung zum Patienten
• Dies ist der Weg von einer arztzentrierten zu
einer patientenzentrierten Medizin
FAZIT
Religiosität
Bio Die Psychosomatik
erfordert einen
kombinierten Zugang!
Sozial
Psycho -
• Aerztlichen: Diagnostik, Medikamentöser
Therapie, Patientenedukation
• Pychologisch-psychotherapeutischen:
Seelische Belastungen und Konflikte,
Biographie, Traumatisierungen
FAZIT
Religiosität
Bio Die Psychosomatik
erfordert einen
kombinierten Zugang!
Sozial
Psycho -
• Sozialtherapeutischen: social support,
Arbeitsplatzprobleme, Gemeinde
• Seelsorgerlichen: : Glaubensressourcen
stärken, Tiefenidentität, Schuldfragen
klären, Psalmen Beten
„Die Medizin ist eine
Beziehungsmedizin oder sie
wird nicht mehr sein“
Thure von Uexküll
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