MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne 13.4. 20.4. 27.4. 4.5. 11.5. 18.5. 25.5. 1.6. 8.6. 15.6. 22.6. 29.6. 6.7. 13.7. Einführung, Beschleuniger Schwerionenreaktionen, Synthese superschwerer Kerne (SHE) Kernspaltung und Produktion neutronenreicher Kerne Fragmentation zur Erzeugung exotischer Kerne Halo-Kerne, gebundener Betazerfall, 2-Protonenzerfall Wechselwirkung mit Materie, Detektoren Schalenmodell, Restwechselwirkung Restwechselwirkung, Seniority Tutorium-1 Tutorium-2 Vibrator, Rotator, Symmetrien Schalenstruktur fernab der Stabilität Tutorium-3 Klausur MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Entdeckung der Kernspaltung und Kettenreaktion 1932 Entdeckung des Kernbausteins Neutron durch Chadwick ( 4He + 9Be → 12C + 1n + γ) (Nobelpreis 1935) 1933 Fermi beschießt systematisch Kerne mit moderierten Neutronen, entdeckt induzierte Radioaktivität (Nobelpreis 1938 und Emigration) Enrico Fermi (1901-1954) Theoretiker und Experimentator Fermistatistik, schwache Wechselwirkung, erster Kernreaktor MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Entdeckung der Kernspaltung und Kettenreaktion 1938 Nachweis der Kernspaltung durch Hahn, Meitner, Strassmann über chemischen Nachweis von Barium (Nobelpreis 1944 ohne L.M.) Otto Hahn (1879-1968) Lise Meitner (1878-1968) (Emigration 1938) Fritz Strassmann (1902-1980) 1939 Nachweis von Spaltungsneutronen, damit Potential zur Kettenreaktion bewiesen (Szilard sah dies 1933 voraus) 1942 Beginn des Manhatten Projektes, Initiator Szilard (Brief 1939 von Szilard, Einstein, Wigner an Roosevelt 1942 Fermi baut Kernreaktor und erreicht erste kontrollierte Kernspaltung 1945 Atombomben (Spaltung von U-235 und Pu-239) über Hiroshima und Nagasaki MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Uran-Zerfall Eine Supernova-Explosion vor knapp 6 Milliarden Jahren hat die Isotope Uran-238 (T1/2 =4,5109 Jahre), Uran-235 (T1/2 =0,7109 Jahre) und Plutonium-239 (T1/2 =24103 Jahre) zu etwa gleichen Anteilen erzeugt. Pu-239 war bald zerfallen, vom U-235 sind heute 0,3 % und vom U-238 sind 40 % übrig geblieben. Uran-Brennelemente erfordern eine U-235 Anreicherung auf mindestens 3 %. Gute Gesteinslagerstätten enthalten 0,3 % Uran und werden mit ca. $50/kg Uran gefördert, die Weltreserven liegen bei 10 Mio Tonnen Natururan. Weitere 100 106 t werden im Gestein mit Abbaukosten bis $300/kg vermutet. Sicher sind 4,2 109 t Natururan im Meerwasser mit Gewinnungskosten von $500/kg. Alpha-Zerfall: U 238 92 Th 234 90 Spontane Spaltung: - Zerfall der natürlich vorkommenden Uranisotope U 140 54 U 142 56 238 92 235 92 Xe 96 38 Sr 2 01n Ba 90 36 Kr 3 01n Uran ist ein silberweiß glänzendes, weiches Schwermetall MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Wiederholung: Energiebilanz e) Energiebilanz der 235 92 U -Spaltung Kernbindungsenergie pro Nukleon als Funktion der Zahl A von Nukleonen Eisen (A=60) und Nachbarn sind am stärksten gebunden Daraus folgt: Energie wird frei bei Fusion von leichten Kernen zu schwereren Kernen bis hin zum Eisen. (Sonne) Energie wird frei bei Zerfall und Spaltung von schweren Kernen in Bruchstücke. Kernenergie ist also analog zu der chemischen Energie: Energie wird frei beim Übergang in einen Zustand mit stärkerer Bindung der Kernbausteine. MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Energiegewinn für 235-U Energiebilanz der 235 92 U -Spaltung Mass data: nucleardata.nuclear.lu.se/database/masses/ Mass (1u=931.478MeV/c2): 236.045562u → 88.917633u + 143.922940u + 3.025995u Energiegewinn: 166.73MeV Binding energy [M(A,Z) - Z·M(1H) - N·M(1n)] : -1790.415MeV → -766.908MeV - 1190.239MeV Energiegewinn: 166.73MeV 1g Uran → Spaltprodukte Mass excess [M(A,Z) - A] : 42.441MeV → -76.725MeV – 71.780MeV + 24.214MeV Energiegewinn: 166.73MeV MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 68 Millionen kJ Spontane Kernspaltung Spaltung wird bei schweren Kernen durch die zunehmende Coulomb-Kraft zwischen den Protonen verursacht. R VC R/21/3 2·R/21/3 Z 2 e2 Z2 0 . 189 1/ 3 A1/ 3 8 1 / 2 r0 A1/ 3 Eexp MeV Z2 0.1071 1/ 3 22.2 A MeV Spaltfragmente sind deformiert Durch die ellipsoidförmige Deformation während der Spaltung ändern sich die Oberflächenenergie und die Coulombenergie. Durch Betrachtungen der beiden Energieterme erhält man, dass Kerne, für die Z2/A ≥ 51 erfüllt ist, spontan spalten. aC Z 2 1 EC Xs 1 2 ES 2 aS A MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Spontane Kernspaltung Spaltbarriere: EF ECoul E0 liquid drop model: EF 0.38 0.75 S ES0 0.83 1 S 3 1/ 3 S 2 / 3 2 / 3 S 1 2 N Z 2/3 E 17.9439 1 1.7826 A A 0 S Z2 E 0.7053 1/ 3 A 0 C Xs 1 EC0 2 ES0 MeV MeV das Verhältnis spielt eine entscheidende Rolle Cohen, Plasil, Swiatecki, Ann. of Phys. 82 (1974), 557 Z2/A ES0 EC0 [MeV] [MeV] XS ΔEF [MeV] 235U 36.02 626.0 967.4 0.773 6.1 238U 35.56 625.9 963.3 0.770 6.4 MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Energiebarriere für die spontane Kernspaltung Bei Kernen mit Z2/A < 51 muss man eine Energie ΔEF zuführen, um die Spaltung zu erreichen. Jedoch ist auch hier noch eine Spaltung durch Tunneleffekt möglich. Die Tunnelwahrscheinlichkeit nimmt mit sinkenden Werten von Z2/A jedoch sehr stark ab, da die Bruchstücke vergleichsweise große Massen haben. MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Energie Doppelte Spaltbarriere 240Pu prompte Spaltung 238U(α,2n)240fPu, 1. 2. Eα=25 MeV Messung von Konversionselektronen t1/2=3.8ns verzögerte Spaltung 2 3.34 keV 2 (Achsenverhältnis 2:1) Superdeformation 2:1 Deformation Hyperdeformation 3:1 Oblate superdeformation 1:2 Oktupole Y31 Oktupole Y30 MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Induzierte Kernspaltung Neutronen müssen keine Coulombbarriere überwinden, so dass auch langsame Neutronen eine Kernspaltung bewirken können. U n 238 92 239 92 U* Compound-Kern: g-u Qfission= [M (238U) + M(1n) – M(239U) ]·c2 = 4.8 MeV Anregungsenergie relativ klein Qfission < ΔEF = 6.4 MeV Spaltung nicht einfach möglich U n 235 92 236 92 U* Compound-Kern: g-g Qfission= [M (235U) + M(1n) – M(236U) ]·c2 = 6.5 MeV Anregungsenergie relativ groß Qfission > ΔEF = 6.1 MeV Spaltung einfach möglich MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Charakteristische Eigenschaften der Kernspaltung MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Charakteristische Eigenschaften der Kernspaltung a) Spaltung asymmetrisch Vielzahl hochangeregter Tochterkerne MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Charakteristische Eigenschaften der Kernspaltung a) Spaltung asymmetrisch Vielzahl hochangeregter Tochterkerne b) Neutronenüberschuss in Töchtern: Z Z A U A A 100 viele -instabile Tochterkerne (oft langlebig) Beispiele: 140 54 99 41 16 s Xe 2, 4 min Nb 140 55 66 s Cs 99 42 140 56 67 a Mo 12,8 d Ba 99 43 2105 a Tc 140 57 40 a La 99 44 140 58 Ce (stabil) Ru (stabil) 1000 verschiedene -instabile Kerne nach Spaltung langlebige -Strahler zusammen mit 239Pu heißen radioaktiver Müll MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Charakteristische Eigenschaften der Kernspaltung c) Bruchstücke hochangeregt & Neutronenüberschuss prompte ( t < 1016s ) Neutronen-Emission Beispiele: n thermisch 235 Y1 Y2 ν n n 92 U ν n 2,42 n thermisch 239 Y1 Y2 ν n n 94 Pu ν n 2,87 Neutronen-Energiespektrum Abdampfen von bewegter Quelle Maxwell-Boltzmann Verteilung dN E ~ E exp dE k T k = 8.617·10-5 eV/0K k·T0 = 0.0253 eV for T0=293.61 0K Wichtig: Etwa 99% der Neutronen werden sofort frei Etwa 1% wird verzögert in der Zeitspanne 0.05s < t < 60s abgegeben → Regelung von Kernkraftwerken MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 E 2 MeV Charakteristische Eigenschaften der Kernspaltung d) Verzögerte Neutronen ( t 0,2 s 60 s ) Kern1 -Zerfall t½ Verzögerung Kern2 Kern 3 n ca. 1% der Neutronen sind verzögert MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Charakteristische Eigenschaften der Kernspaltung e) Energiebilanz der 235 92 U -Spaltung YKlein 100 MeV (Spaltkerne) 8 MeV YGroß 70 MeV (Spaltkerne) 7 MeV nn 5 MeV Neutrinos ( e ) 12 MeV (prompt) 7 MeV gesamt: MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 210 MeV Charakteristische Eigenschaften der Kernspaltung f) Ternäre Spaltung in ca. 1% der Fälle: n Kern Y1 Y2 leichter Kern H, symmetrisch 3 1 4 2 He , große Strahlenbelastung durch Tritium 3 1 H 3 2 E kin,e 18,6 keV He e ν e τ 12,3 a g) Spaltquerschnitte: σ tot E n σ tot n 235U alle Prozesse σ f E n σn 235U nur Spaltung Reaktor funktioniert f tot 1 235U: f tot 1 für En 0 ( thermische Neutronen ) f tot 0 für En 1 MeV ( Spalt-Neutronen ) Thermalisierung der Neutronen durch Vielfachstreuung in einem Moderator ist notwendig MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Absorptions- und Spaltquerschnitte für Neutronen Die bei der Spaltung ausgelösten Neutronen können an einer Reihe unterschiedlicher Reaktionen teilnehmen und für weitere Spaltungen verloren gehen. 0.0253 eV Beispiel: (n,γ) Absorptionsreaktion n + U → U* → U + γ thermisch Für 238U ist der WQ für inelastische Stoßprozesse σ(n,n‘γ) größer als der Spaltquerschnitt σ(n,f). In 238U kann keine Kettenreaktion stattfinden. Eine Kettenreaktion ist nur mit thermischen Neutronen und Spaltung von 235U möglich: → Abbremsen (Moderation) der Neutronen. MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Absorptions- und Spaltquerschnitte für Neutronen Wir beginnen mit thermischen Neutronen, η gibt die mittlere Zahl der Spaltneutronen pro thermischem Neutron an. 0.0253 eV fission fission abs 0.72 f 100 0.72 capture a 100 fission U 99.28 f 100 99.28 235 U a 100 235 U 4.20 b 238 U 3.43 b 238 thermisch Für 235U: σf = 584 b und σa = 97 b, <ν>=2.4 Für 238U: σf = 0 b und σa = 2.1 b Effektiver Wert von η = 1.3 für natürliches Uran ist zu klein für Kettenreaktion. → 235U muß auf 3% angereichert werden (η=1.8) MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Wechselwirkung von Neutronen in Materie Abbremsung der Neutronen durch elastische Kernstöße: nE n A K nEn A K Kinematik der Reaktion E v0 AE 10 21 2 m M2 1 cos cm E1 nM n n A 1 m 0 En E n 0,992 E n En E n Mittlerer Energieverlust der Neutronen pro Stoß: Δ En En 1 En En 12 1 AA11 2 Δ En En v1 v2 keine Anregung, kein Einfang, keine Spaltung E E A 1 A 238 Beispiele: M m A2A12 MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Thermalisierung der Neutronen Δ En En Beispiel: Wasser ( H2O ) als Moderator Streuung an Protonen, A 1 A 1 50% Grobabschätzung der Zahl k der Stöße bis zur Thermalisierung: 0,5k E n k BT 1 40 eV k ln12 ln En k BT E n 1MeV k 25 Moderator Mittlere Stoßzahl für eine Abbremsung von 1,75 MeV auf 0.025 eV Neigung zum Einfang thermischer Neutronen in relativen Einheiten Wasserstoff 18 650 Deuterium 25 1 Beryllium 86 7 Kohlenstoff 114 10 MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Weitere Neutronenverluste 238U-Absorption Reaktorgifte, z.B. das Spaltprodukt 135Xe: f ( 235U ) 500 b abs 3 000 000 b Steuermaterialien ( Cd, B ) kontrollierte Neutronen-Absorption Reaktorbrennstoff: tot( 235U ) f( 235U ) MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Steuerung der Kettenreaktion Steuerstäbe: Material mit großer Neutronen-Absorption: B, Cd, In, Ag n 105B 37Li 24He 114 n 113 48 Cd 48 Cd MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Energiekonsum Mensch in Deutschland, Zahlen Angaben in Leistung (Watt) = Energie / Zeit (Joule/sec) pro Kopf, im Jahresmittel Umsatz des Körpers (Nahrung → Wärme) 100 Watt Gesamtverbrauch an Primärenergie (Zivilisation erhöht Verbrauch um Faktor 50 !!!) 5000 Watt Gesamtverbrauch an Endenergie (2005) Elektrischer Stromverbrauch (inkl. Industrie) Private Haushalte Raum- und Wasserwärme 3700 Watt 750 Watt 1000 Watt MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Chemische Energie Chemische Energie ist Atomenergie im wahren Sinn des Wortes. Ursprung chemischer Energie: Veränderung von Bindungen zwischen Atome, den Molekülbausteinen. 12g Kohlenstoff-Verbrennung mit 32g Sauerstoff (O2) Wärmeenergie: 393 kJ ~ 30 kJ/gC Reaktion C + O2 → CO2 + 4.1 eV Wärmeenergie (Q = m·c·ΔT, c = 4180 JK-1kg-1) : 30 kJ können 1 Liter Wasser um 70 Celcius erwärmen. Elektrische Energie (W = Leistung mal Zeit) : 30 kJ können 100 Watt Lampe 5 Minuten lang leuchten. Mechanische Energie (W = Masse · Erdbeschleunigung · Höhe) : 30 kJ können 70kg Masse 43 Meter hoch heben. MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Vergleich mit der Kohleverbrennung Bei der Verbrennung von 1 kg Steinkohle erhält man eine verfügbare Energiemenge von 8.14 kWh. Bei der Kernspaltung von 1 kg Uran erhält man eine verfügbare Energiemenge von 22 700 000 kWh. Kernbindung 200 MeV ist wesentlich stärker als molekulare Bindung 4.1 eV. Uran ist daher als „Brennstoff“ dreimillionenmal wirkungsvoller als Steinkohle Bei Spaltung von 1 kg Uran wird so viel Energie frei wie bei der Verbrennung von 2800000 kg Kohlenstoff zu 10.2 Millionen kg Kohlendioxid!!! MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Kernreaktor (Funktionsprinzip) Reaktorkern enthält → Brennstoff angereichertes Uran mit ca. 3% U-235 (Vergleich: Anreicherung bei Bombe: 80% U-235) → Moderator Wasser unter hohem Druck (150 bar), zur Abbremsung der Neutronen (erhöht Spaltwahrscheinlichkeit) und zur Kühlung (Spaltenergie geht in kinetische Energie der Staltprodukte, die den Brennstoff erwärmt) Bewegliche Kontrollstäbe (B, Cd, Gd) zur gesteuerten Absorption von Neutronen, so dass k=1 (kritisch) zur Aufrechterhaltung der Kettenreaktion → Absorber Ein Brennstab und Uranoxid-Pellets, der Brennstoff der meisten Leistungsreaktoren. MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Von der Brennstofftablette bis zum Reaktorkern Brennstoff in Form von Brennelementen, ca. 200 davon, jedes individuell wassermoderiert u. ~gekühlt. Jedes Element enthält 20-30 Brennstäbe, jeder Brennstab enthält 200 Uranoxidtabletten Grösse einer Tablette: 1 cm hoch, 1 cm Durchmesser. MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Neutronenbilanz in einem Reaktor Start: MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Reaktordynamik Neutronenlebensdauer: thermischer Reaktor: ~ 20 μs schneller Reaktor: ~ 0.5 μs Vermehrungsfaktor (Reaktivität): keff Neutronenproduktionsrate Neutronenverlustrate k<1 Reaktor fährt runter k=1 konstante Leistung k>1 Reaktor fährt rauf Wie wird ein Reaktor stabil betrieben? Annahme: k=1.001 nach 1 s: 50000 Generationen Leistungsverstärkung pro Sekunde: 1.00150000 5 10 21 Wieso explodiert der Reaktor nicht? MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Reaktordynamik Wie wird ein Reaktor stabil betrieben? 0.5% der Neutronen aus 235-U treten verzögert um ca. 10 s aus den Spaltbruchstücken aus k<1: unterkritischer Reaktor 1<k<1+β: verzögert kritischer Reaktor k>1+β: prompt kritischer Reaktor Beispiele für die Änderung der Reaktivität im Betrieb: Abbrand von Kernbrennstoff Konversion (“Brüten”) durch Neutronenbeschuss U n 239U 239Np 239Pu 238 Th n 233Th 233Pa 233U 232 Zerfall von Spaltstoffen Zugabe von Neutronengiften (z.B. Bor im Wasser, Regelstäbe) Änderung von Moderator-Brennstoff Verhältnis Dichteänderung von Wasser (Temperatur) Blasenbildung (pos./ neg. Reaktivitätskoeffizient) Wasserverlust Reaktivitätsminderung durch Dopplerverbreiterung der Reaktionsquerschnitte bei hoher Temperatur MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Reaktordynamik Beispiele für die Änderung der Reaktivität im Betrieb: Xenon-Berg: 135Xe ist Neutronengift 135 J 135Cs Xe n 136 Xe Beim Reduzieren der Reaktorleistung entsteht ein Überschuss von 135Xe (Neutronengift), der die Reaktivität noch weiter runterfährt und erst nach vielen Stunden wieder verschwindet. 135 Beim Betrieb wird 135Xe durch Neutronenbeschuss kontinuierlich abgebaut In Tschnobyl wurden alle Regelstäbe herausgefahren um ein Abschalten des Reaktors durch den Xe-Berg zu verhindern. Dann stieg die Leistung plötzlich so schnell, dass die Stäbe nicht schnell genug wieder reingefahren werden konnten. Der positive Blasenkoeffizient ließ die Reaktivität weiter ansteigen. Erst das explosionsartige Herausschleudern des Brennstoffs machte den Reaktor unterkritisch. MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Energieumwandlung in einem Kernkraftwerk • Freisetzung der Kernbindungsenergie bei der Spaltung • Die Umwandlung dieser Energie in Bewegungsenergie der erzeugten Spaltprodukte. • Wärmeenergie durch das Abbremsen der Teilchen (Neutronen) im festen Kernbrennstoff • Nutzen der Wärmeenergie durch Erhitzen und Verdampfen eines Kühlmittels (Wasser) • Wasserdampf wird auf Turbine geleitet • Umwandlung der Bewegungsenergie der Turbine in elektrische Energie über den Generator • Einspeisung der Elektrizität in das Verbundnetz • Die Abwärme muss entweder direkt (z.B. an einem Fluß) oder indirekt (z.B. über Kühltürme in die Luft) an die Umwelt abgegeben werden. MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Energieumwandlung bei einem Siedewasserreaktor MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Energieumwandlung bei einem Druckwasserreaktor MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Siedewasser-Druckröhrenreaktor von Tschernobyl Der mit Graphit moderierte Siedewasser-Druckröhrenreaktor von Tschernobyl. (Kann natürliches Uran verwenden) Brennelemente hängen in ca. 1660 Druckröhren in senkrechten Bohrungen im Graphit, 210 Steuer- und Absorberstäbe. MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Nachzerfallswärme Durch Zerfallsenergie glühendes Pellet aus Plutoniumdioxid. Nachzerfallswärme als Anteil der Nennleistung nach Schnellabschaltung, berechnet nach zwei verschiedenen Modellen: Retran ohne Berücksichtigung eines vorherigen Betriebs und Todreas unter Annahme von 2 Jahren Betrieb vor Abschaltung. (WIKIPEDIA) MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Nachzerfallswärme nach 11 Monaten Betrieb Wird ein Reaktor für die Dauer T0 [s] mit der Leistung P0 betrieben, so ist die Nachzerfallsleistung P zum 0.2 2 0.2 Zeitpunkt t [s] nach dem Abschalten des Reaktors Pt P0 6.22 10 t T0 t Zeit nach Abschaltung Nachzerfallswärme in Prozent Thermische Leistung bei 4000 MW vor Abschaltung 10 Sekunden 3,72 % 149 MW 100 min 1 Minute 2,54 % 102 MW 146 min 1 Stunde 1,01 % 40 MW 6h 1 Tag 0,44 % 18 MW 14 h 3 Tage 0,31 % 13 MW 20 h 1 Woche 0,23 % 9 MW 26 h 1 Monat 0,13 % 5 MW 49 h 3 Monate 0,07 % 3 MW 89 h Zeit für die Erwärmung von 2500 m³ Wasser von 15 °C auf 100 °C MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Abklingbecken Bei einem Leck oder Ausfall der Kühlung kann das Abklingbecken auslaufen bzw. das Wasser verdampfen und (teilweise) trockenlaufen. In diesem Fall können sich die dort gelagerten Brennelemente übermäßig erhitzen. Ist im Becken dabei noch Wasser vorhanden, kann bei ca. 8000 C das Zircaloy der Hüllenrohre mit dem Wasserdampf in einer exothermen Redox-Reaktion zu Zirconiumoxid und Wasserstoff reagieren und sich in kurzer Zeit ein explosives Knallgasgemisch bilden. Bei kompletter Trockenlegung der Brennstäbe können diese in Brand geraten, was eine Zerstörung der Brennelemente zur Folge hat. MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012 Welt Kernenergie 443 Kernreaktoren in 30 Ländern (Jan. 2006) ~16% der Welt Energie Produktion (2003) 24 Reaktoren sind im Bau MP-41 Teil 2: Physik exotischer Kerne, SS-2012