Familienbande Fachtag des Bielefelder Arbeitskreises „Frauen und Psychiatrie“ 6. Dezember 2006 KiDS & Ko Ein Projekt für drogenabhängige Mütter und ihre Kinder Ist dieses Modell auf die Lebenssituation von Müttern, die von legalen Suchtmitteln abhängig sind, übertragbar? Luise Leßmann, Drogenberatung e. V. Bielefeld Dezember 2006 • Kinder • Drogenabhängigkeit • Schwangerschaft •& • Kooperation Kooperationspartner • Beteiligte an der Kooperation – Evangelisches Krankenhaus Bielefeld gGmbH , • Frauenklinik und Perinatalzentrum • Klinik für Kinder- und Jugendmedizin • Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bethel – Lebensräume e.V. Verein für Betreutes Wohnen und sozialpsychiatrische Hilfen in Bielefeld – Stadt Bielefeld Dienstleistungszentrum Jugend, Soziales, Wohnen – Jugendamt – Drogenberatung e.V. Bielefeld mit Fachstelle für Suchtvorbeugung • • • Zusammenarbeit besteht seit 2002 Ziel: Verabschiedung verbindlicher Kooperationsleitlinien Orientierung an den Kooperationsverträgen Essen und Wesel Zielgruppe • Drogenkonsumierende / substituierte / ehemals drogenabhängige schwangere Frauen • Drogenkonsumierende / substituierte (werdende) Väter • Drogenkonsumierende / substituierte Mütter / Väter / Eltern • Kinder, deren Mütter / Väter / Eltern Drogen konsumieren / substituiert werden Ausgangslage für Kinder aus suchtkranken Familien • In Deutschland wachsen ca. 2 Millionen Kinder und Jugendliche in einer Familie auf, in der eine Alkoholabhängigkeit besteht. • Weitere ca. 40.000 – 50.000 Kinder wachsen in der Obhut von Eltern auf, die illegale Drogen konsumieren. Quelle: Prof. Klein, FH Sozialpädagogik Köln, Forschungs- und Studienschwerpunkt Ausgangslage für Kinder aus suchtkranken Familien • Kinder aus Suchtfamilien weisen ein bis zu sechsfach erhöhtes Risiko auf, selbst abhängigkeitskrank zu werden. • Sie zeigen darüber hinaus mit erhöhter Häufigkeit auffällige Symptome: insbesondere in den Bereichen Angststörungen, Depressionen, Essstörungen, antisoziales Verhalten, Impulsivitätsstörungen und Störungen der Verhaltenskontrolle. Die Quellen sind nicht differenziert dargestellt, es geht hier eher um eine Einordnung, ein Raster möglicher Störungen Ausgangssituation In Bielefeld leben • 1800 bis 2000 Menschen mit einer manifesten Störung durch illegale Drogen (Schätzung der Polizei Bielefeld). • Ca. 30 % dieser Population sind Frauen. • Laut einer Erhebung unter substituierten Personen in Bielefeld im Jahr 2004 sind 33,2% (91) der Befragten (N=274) Eltern eines oder mehrerer minderjähriger Kinder; 48,4% der Eltern leben mit ihren Kindern zusammen. • Seit 1990 wurden 154 Kinder in der Kinderklinik des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld wegen eines Neugeborenenentzugssyndroms behandelt. Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Anzahl jährlich stationär behandelter Neugeborener drogenabhängiger Mütter 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Stand Ende November 2006 Schwangerschaft - Elternschaft • Der Wunsch nach Kindern und nach einer eigenen Familie ist selbstverständlicher auch Bestandteil der Lebensplanung drogenabhängiger Frauen. • Das Thema Schwangerschaft/Kinder und Drogenabhängigkeit ist gesellschaftlich tabuisiert und stigmatisiert. • Es gibt auch geglückte Ausstiege aus der Drogenabhängigkeit über eine Schwangerschaft und es gibt auch erfolgreiche Elternschaft. • Der Fokus liegt häufig auf den Defiziten und Problemen. Schwangerschaft - Elternschaft • Drogenabhängige Frauen sind auf die Belastungen einer Schwangerschaft und Mutterschaft häufig nicht ausreichend vorbereitet. • Häufig wird eine Schwangerschaft erst spät erkannt. • Ein realistisches Problembewusstsein über die tatsächliche Schädigung des ungeborenen oder neugeborenen Kindes durch Drogenkonsum ist nicht ausreichend vorhanden. (Überbewertung statt sachlicher Information) • Scham– und Schuldgefühle schwangerer Frauen und drogenabhängiger Eltern können zur Nichtinanspruchnahme institutioneller Hilfen führen. Kinder aus suchtbelasteten Familien erleben häufig folgende Belastungsfaktoren: • Instabilität – „heute so ,morgen so“ • Atmosphäre von Anspannung, Angst, Unruhe und Ungeborgenheit • Unberechenbarkeit, Unkontrollierbarkeit • Verlusterlebnisse • Erleben extremer Zustände der Eltern (Rausch und/oder Entzug) • Wechsel von Verwöhnung und Vernachlässigung • Gewalterfahrungen, Misshandlung • Finanzielle Probleme, wirtschaftliche Not Legal - Illegal • Lebensbedingungen von Kindern, deren Eltern eine Suchtproblematik zeigen, unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht bezogen auf die Zuordnung des Suchtstoffes als legal oder illegal. • Insbesondere unterscheidet sich der soziale Kontext, in dem sich der illegale Drogengebrauch vollzieht und die Art und Weise wie das Umfeld (Hilfesystem, Arbeitkollegen, Herkunftsfamilie, Nachbarn) auf den Konsum dieser Stoffe reagiert. Legal - Illegal Der Konsum illegaler Suchtstoffe schafft besondere Bedingungen wie z. B.: • Beschaffungskriminalität, Strafverfolgung, Hafterfahrung • Gefahr von Überdosierungen und Vergiftungen • Infektionskrankheiten (z. B. Hepatitis C 70 –80 % der drogenabhängigen Population) • Gesundheitliche Verelendung • Soziale Isolierung • Somatische und psychiatrische Komorbidität (häufig verdeckt) Ziele Eltern und Kinder Ziel des Arbeitskreises ist • „die Schaffung eines interdisziplinären Netzwerks für die betroffenen Kinder, Mütter, Väter und Familien.., • um durch die vertrauensvolle und kooperative Zusammenarbeit aller Beteiligten ein dauerhaftes gemeinsames Zusammenleben von Kindern und ihren Eltern zu ermöglichen. • Die Sicherung des Wohls der betroffenen Kinder, die Optimierung ihrer Entwicklung und die Unterstützung der Mütter und Väter stehen dabei im Vordergrund“ Quelle: Entwurf Kooperationsvereinbarungen KiDS & Ko) Ziele Eltern und Kinder Orientierung der Klienten/innen im Hilfesystem Motivation zur freiwilligen Zusammenarbeit Frühzeitige Inanspruchnahme indizierter Hilfen Transparenz, Zuständigkeit, Grenzen der Hilfen aufzeigen Scham- und Schuldgefühle abbauen Eine klare Sicht auf die eigene Situation gewinnen Selbsteinschätzung und Verantwortungsübernahme der Eltern fördern. Inhalte der Kooperationsvereinbarung Aufgaben • • • • Begleitung während der Schwangerschaft Bearbeitung der akuten Suchtproblematik Vorbereitung auf die Geburt Anmeldung in der Geburtsklinik, Infotermin in der Kinderklinik • Medizinische Versorgung der Kinder nach der Geburt (Entzugsbehandlung des Neugeborenen in der Kinderklinik) • Vorbereitung der Mutter/Eltern auf die Elternschaft Inhalte der Kooperationsvereinbarung Aufgaben • Informationen über und Organisation materieller und psychosozialer Hilfen für die „junge Familie“ • Informationen über und Umsetzung adäquater externer Versorgungsmöglichkeiten der Kinder/Fremdunterbringung • Psychosoziale Begleitung der Eltern nach einer Fremdunterbringung • Suchtprävention für Kinder/Gruppenangebote • „Brückenfunktion“ zu Kooperationspartnern „Instrumente“ der Kooperation KIDS & KO • Ablaufpläne mit unterschiedlichen Interventionsformen für die Jugendhilfe, die Drogenhilfe und die Kinderklinik • Checkliste Basiskriterien • Klärung der Fallverantwortung • Fallkonferenzen • Freiwilligkeit der KlMitarbeit • Verpflichtung zum Datenschutz und Schweigepflicht – außer bei akuter Kindeswohlgefährdung • Teilnahme an den verabredeten 4 Sitzungen pro Jahr • Fallbesprechungen und Evaluation der Ergebnisse im Arbeitskreis Ziele der Kooperationspartner Gute Gründe für ein Zusammenarbeiten Eine (früher) zum Teil unbefriedigende Praxis • unkoordinierte Mehrfachbetreuung,ohne dass die Einrichtungen voneinander wussten oder eine Kooperation bestand nur in Teilbereichen • Keine zuständigen Ansprechpartner • Wechsel der Betreuung • Unterschiedliche Aufträge, Haltungen, gegenseitige Vorbehalte der Institutionen • Unkenntnis über Lebensweise und spezifische Probleme drogenabhängiger Frauen und deren Kinder Ziele der Kooperationspartner Koordinierte und transparente Zusammenarbeit: • Verständigung über gegenseitige Erwartungen und Ziele • Beschreibung von Aufgaben, Aufträgen, Angebotsprofilen und Handlungsmöglichkeiten der beteiligten Einrichtungen • Ausbildung von Vertrauen (als zentrale Herausforderung) • Leitlinien/Vereinbarungen – institutionelle Verankerung sowie der Transfer in die eigene Einrichtung und die Mitarbeiterschaft • Kontinuierliche Überprüfung von Absprachen und Vereinbarungen • Personelle Kontinuität bei der Entwicklung der Kooperationsbeziehungen