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Kapitel 1
Die natürlichen und die ganze Zahlen
Inhalt
1.1 Vollständige Induktion
z.B. 1+ 2 + 3 + ... + n = n(n+1)/2
1.2 Die Peano-Axiome
Ein Axiomensystem für die natürlichen Zahlen
1.3 Die ganzen Zahlen
Z = { ..., -3, -2, -1, 0, 1, 2, 3, ... }, Abzählbarkeit
1.4 Eigenschaften der ganzen Zahlen
Teiler, Division mit Rest, ggT, ...
Kapitel 1: Die natürlichen und die ganzen Zahlen
© Beutelspacher/Zschiegner
April 2005
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1.1 Vollständige Induktion
Prinzip der vollständigen Induktion. Sei A eine Aussage oder eine
Eigenschaft, die von einer natürlichen Zahl n abhängt. Wir
schreiben auch A(n).
Wenn wir wissen, daß folgendes gilt:
(1) Induktionsbasis (Induktionsverankerung): Die Aussage A gilt im
Fall n = 1 (das heißt, es gilt A(1)),
(2) Induktionsschritt: Für jede natürliche Zahl n  1 folgt aus A(n)
die Aussage A(n+1),
dann gilt die Aussage A für alle natürlichen Zahlen  1.
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Erläuterung
Bedeutung der vollständigen Induktion: Um eine Aussage für alle
natürlichen Zahlen (also über unendlich viele Objekte!) nachzuweisen,
muss man nur zwei Aussagen beweisen:
Induktionsbasis: A(1)
Induktionsschritt: A(n)  A(n+1)
Man nennt A(n) auch die Induktionsvoraussetzung.
Die hinter diesem Prinzip stehende “Philosophie” ist die, dass man in
objektiv kontrollierbarer Weise über eine Unendlichkeit (“alle”
natürlichen Zahlen) sprechen kann. Die Bedeutung dieses Prinzips,
wurde zwischen 1860 und 1920 u.a. von Moritz Pasch (Professor in
Gießen) und Giuseppe Peano (Professor in Turin) entdeckt.
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1. Anwendung: Summe der ersten n Zahlen
Problem (C.F. Gauß): 1+2+3 +...+ 100 = ???
1.1.1 Satz. Für jede natürliche Zahl n  1 gilt:
1+2+... + n = n(n+1)/2.
In Worten: Die Summe der ersten n positiven ganzen Zahlen ist gleich
(n+1)n/2.
Konsequenz: Man kann die Summe 1+2+3+...+n ganz einfach
ausrechnen, und es passieren kaum Rechenfehler.
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Beweis durch vollständige Induktion
Beweis durch Induktion nach n.
Die Aussage A(n) sei die Aussage des Satzes, also:
A(n): 1+2+3 +...+ n = n(n+1)/2.
Sowohl bei der Induktionsbasis als auch beim Induktionsschritt zeigen
wir, dass in der entsprechenden Gleichung links und rechts das Gleiche
steht.
Induktionsbasis: Sei n = 1. Dann steht auf der linken Seite nur der
Summand 1, und auf der rechten Seite steht 21/2, also ebenfalls 1.
Also gilt A(1)
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Induktionsschritt
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl  1, und sei die
Aussage richtig für n. Wir müssen A(n+1) beweisen, das heißt, die
Summe 1+2+3+... +(n–1) + n + (n+1) berechnen.
Wir spalten wir diese Summe auf:
1+2+3+... +(n–1) + n + (n+1)
= [1+2+3+... +(n–1) + n] + (n+1)
= n(n+1)/2 + (n+1) (nach Induktion)
= [n(n+1) + 2(n+1)]/2 = (n+2)(n+1)/2.
Insgesamt haben wir die Aussage A(n+1) bewiesen.
Somit gilt der Satz.
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2. Anwendung: Summe der ungeraden Zahlen
1.1.2 Satz. Für jede natürliche Zahl n  1 gilt:
1+3+5 + ... + (2n–1) = n2. In Worten: Die Summe der ersten n
ungeraden Zahlen ist gleich der n-ten Quadratzahl.
Beispiele:
(a) 1 + 3 + 5 = 9
(b) 1 + 3 + 5 + ... + 1999 = 1.000.000
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Beweis mit vollständiger Induktion
Beweis durch Induktion nach n.
Induktionsbasis: Sei n = 1. Dann steht auf der linken Seite nur der
Summand 1, und auf der rechten Seite steht 12 = 1. Somit gilt A(1).
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl mit n  1, und es gelte
A(n). Wir müssen A(n+1) nachweisen.
Wir beginnen mit der linken Seite von A(n+1) und formen diese so
lange um, bis wir die rechte Seite von A(n+1) erhalten:
1+3+5+ ... + (2n–1) + (2n+1) = [1+3+5+ ... + (2n–1)] + (2n+1)
= n2 + (2n+1)
(nach Induktion)
= n2 + 2n + 1 = (n+1)2 .
Somit gilt A(n+1), und damit ist die Aussage bewiesen.
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1.2 Die Peano-Axiome
Erinnerung: Die natürlichen Zahlen sind die Zahlen 0, 1, 2, ...;
die Menge der natürlichen Zahlen wird mit N bezeichnet.
Zur Bedeutung der natürlichen Zahlen schreibt L. Kronecker (1823 1891): „Die ganzen Zahlen (in unserem Sprachgebrauch: die
natürlichen Zahlen) hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist
Menschenwerk.“
Giuseppe Peano (1858 - 1939) hat die natürlichen Zahlen zum erstem
Mal mathematisch präzise beschrieben. Er hat ein System von fünf
Axiomen (Grundsätzen) aufgestellt, um die natürlichen Zahlen zu
charakterisieren.
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Das Axiomensystem von Peano
Die Peano-Axiome für die natürlichen Zahlen lauten:
(P1) 0 ist eine natürliche Zahl.
(P2) Zu jeder natürlichen Zahl n gibt es einen eindeutig bestimmten
Nachfolger n‘ .
(P3) 0 ist kein Nachfolger.
(P4) Verschiedene natürliche Zahlen haben verschiedene Nachfolger.
(P5) Induktionsaxiom: Wenn M eine Teilmenge der natürlichen Zahlen
ist, die 0 enthält und mit jeder natürlichen Zahl n auch ihren Nachfolger
n‘ enthält, dann ist M = N.
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Definition der natürlichen Zahlen
Mit den Peano-Axiomen kann man die natürlichen Zahlen definieren:
1 := 0‘ (= Nachfolger von 0)
2 := 1‘ (= 0‘‘)
3 := 2‘ (= 1‘‘ = 0‘‘‘)
...
Auch die Operation „+“ kann man definieren, z.B.:
n + 1 := n‘
n + 2 := n‘‘
...
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1.3 Die ganzen Zahlen
Die natürlichen Zahlen N sind abgeschlossen bzgl. Summenbildung.
D.h. für je zwei natürliche Zahlen n, m ist auch die Summe n + m
immer eine natürliche Zahl.
Die Differenz zweier natürlicher Zahlen muß jedoch keine natürliche
Zahl sein (z.B. 3 - 5  N). Um eine Menge zu erhalten, die auch bzgl.
Differenzbildung abgeschlossen ist, müssen wir N erweitern.
Wir definieren die Menge der ganzen Zahlen wie folgt:
Z := N  { -n | n  N }.
Dabei ist -n das bzgl. der Addition inverse Element („negatives
Element“) von n, d.h. es gilt -n + n = 0.
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Rechengesetze in Z
Um mit den ganzen Zahlen rechnen zu können, müssen wir auf der
Menge Z noch Rechenregeln definieren.
Wir definieren (wie üblich) für n, m  N:
(-n) + (-m) = - (n + m)
(-n)  (-m) = n  m
usw.
Warum definieren wir die Rechenregeln gerade so?
Mit diesen Regeln gelten die üblichen Gesetze (Beweis als Übung):
Kommutativgesetz, Assoziativgesetz, Distributivgesetz, ...
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Wie viele ganze Zahlen gibt es?
Klar: Es gibt unendlich viele ganze Zahlen. Denn schon N enthält
unendliche viele Zahlen.
Nicht ganz so klar: Gibt es „mehr“ ganze als natürliche Zahlen?
1. Antwort: Ja, denn N ist eine echte Teilmenge von Z.
2. Antwort: Nein, denn die Mengen N und Z sind „gleichmächtig“.
Definition. Zwei Mengen A und B heißen gleichmächtig, wenn es eine
bijektive Abbildung von A nach B gibt.
Wie könnte diese bijektive Abbildung von N nach Z aussehen?
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N und Z sind gleichmächtig
1.3.1 Satz. Die Mengen N und Z sind gleichmächtig.
Beweis. Wir definieren eine Abbildung f von N nach Z wie folgt:
f(0) = 0, f(1) = 1, f(2) = -1, f(3) = 2, f(4) = -2, f(5) = 3, f(6) = -3, ...
Damit wir jeder natürlichen Zahl genau eine ganze Zahl zugeordnet.
Umgekehrt wird auch jeder ganzen Zahl z genau eine natürliche
zugeordnet: Der ganzen Zahl z>0 wird 2z-1  N zugeordnet, z<0 wird
-2z  N zugeordnet, und z = 0 wird 0 zugeordnet. Also ist f surjektiv.
Da aus f(n) = f(m) offensichtlich n = m folgt, ist f auch injektiv.
Also ist f bijektiv, also sind N und Z gleichmächtig.
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Abzählbarkeit
Definition. Eine Menge, die gleichmächtig zu N ist, heißt abzählbar.
Mit anderen Worten: Abzählbare Mengen kann man mit den natürlichen
Zahlen numerieren.
Satz 1.3.1 kann man dann auch wie folgt ausdrücken:
1.3.2 Folgerung. Die Menge Z der ganzen Zahlen ist abzählbar.
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1.4 Eigenschaften der ganzen Zahlen
Wir wiederholen einige Eigenschaften der ganzen Zahlen.
Seien a und b ganze Zahlen.
Wir sagen “a teilt b” (geschrieben a  b), falls es eine ganze Zahl z
gibt mit b = za.
Man nennt a einen Teiler von b, und b ein Vielfaches von a.
Beispiele. Es gelten die folgenden Aussagen:
2  10, –3  21, 8  –16, –15  –135, 2000  0.
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Division mit Rest
1.4.1 Division mit Rest. Seien a und b ganze Zahlen (b  0).
Dann gibt es eindeutig bestimmte ganze Zahlen q und r mit
a = bq + r und 0  r  b–1.
Beispiele.
a = 13, b = 4  13 = 43 + 1 (q = 3, r = 1)
a = –13, b = 4  –13 = 4 –4 + 3 (q = –4, r = 3)
a = 13, b = –4  13 = –4 –3 + 1 (q = –3, r = 1)
a = –13, b = –4  –13 = –44 + 3 (q = 4, r = 3).
Bemerkung: Die Eindeutigkeit kommt erst durch beide Eigenschaften
(a = bq + r und 0  r  b–1) zustande.
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Gemeinsame Teiler
Seien a und b ganze Zahlen.
Eine natürliche Zahl d heißt gemeinsamer Teiler von a und b, falls
sowohl d  a als auch d  b gilt.
Beispiele: (a) Gemeinsame Teiler von 6 und 10: 1 und 2.
(b) Gemeinsame Teiler von –24 und 42: 1, 2, 3 und 6.
(c) Gemeinsame Teiler von 0 und 20: 1, 2, 4, 5, 10, 20.
Bemerkungen.
(a) Gemeinsame Teiler sind immer positiv.
(b) Im allgemeinen gibt es mehr als einen gemeinsamen Teiler.
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Teilerfremde Zahlen
Beobachtung: Je zwei ganze Zahlen haben mindestens einen
gemeinsamen Teiler, nämlich die Zahl 1.
Wir nennen zwei ganze Zahlen teilerfremd, wenn sie nur einen
gemeinsamen Teiler haben.
M.a.W.: Zwei Zahlen sind teilerfremd, wenn ihr einziger gemeinsamer Teiler die Zahl 1 ist.
Achtung: “Teilerfremd” bedeutet nicht, dass die Zahlen keinen
gemeinsamen Teiler haben!
Beispiele: 11 und 13, 5000 und 333, 1999 und 2000 sind teilerfremd.
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Größter gemeinsamer Teiler
Seien a und b ganze Zahlen, die nicht beide gleich Null sind.
Der größte gemeinsame Teiler von a und b ist die größte ganze
Zahl unter den gemeinsamen Teilern von a und b.
Beispiele.
(a) 6 ist größter gemeinsamer Teiler von 12 und 18,
denn die gemeinsamen Teiler sind 1, 2, 3, 6;
unter diesen ist 6 ist größte Zahl.
(b) Zwei Zahlen a und b sind teilerfremd,
falls ihr größter gemeinsamer Teiler gleich 1 ist.
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Der ggT
Tatsache/Definition: Zu je zwei ganzen Zahlen a und b, die nicht
beide gleich Null sind, existiert stets ein größter gemeinsamer Teiler;
dieser ist eindeutig bestimmt. Er wird mit ggT(a, b) bezeichnet.
Beispiele. (a) ggT(12, 18) = 6.
(b) ggT(1001, 2001) = 1.
(Denn: Jeder gemeinsame Teiler t von 1001 und 2001 teilt
auch 2001 – 1001 = 1000. Also teilt t auch 1001 – 1000 = 1.)
(c) ggT(–15, –21) = 3.
(d) Für jede natürliche Zahl a gilt: ggT(a, 0) = a. (Klar: a ist der
größte Teiler von a. Da a auch die Zahl 0 teilt, ist a = ggT(a, 0).)
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Berechnung des ggT
1.4.2 Satz. Seien a und b ganze Zahlen mit 0 < b < a. Seien q
und r diejenigen ganzen Zahlen mit
a = qb + r und 0  r < b.
Dann gilt ggT(a, b) = ggT(b, r).
Ist dies ein guter Satz? Ja, denn er führt die Berechnung des ggT
großer Zahlen (a, b) auf die Berechnung des ggT kleinerer Zahlen
(b, r) zurück. Eventuell muss man den Prozess wiederholen.
Beispiel: ggT(2001, 1001) = ?
2001 = 11001 + 1000, 1001 = 1 1000 + 1;
also ggT(2001, 1001) = ggT(1001, 1000) = ggT(1000, 1) = 1.
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Beispiel
ggT(4711, 1024) = ?
4711 = 4 1024 + 615
ggT(4711, 1024) = ggT(1024, 615)
1024 = 1  615 + 409
... = ggT(1024, 615) = ggT(615, 409)
615 = 1  409 + 206
... ggT(615, 409) = ggT(409, 206)
409 = 1  206 + 203
... ggT(409, 206) = ggT(206, 203)
206 = 1  203 + 3
... ggT(206, 203) = ggT(203, 3)
203 = 67  3 + 2
... ggT(203, 3) = ggT(3, 2)
3=12+1
... ggT(3, 2) = ggT(2, 1) = 1.
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