Legitimation durch Diskussion

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Die Seele der Direkten Demokratie (DD):
Qualifikation und Legitimation durch
Reflexionen und Diskussionen
Wie viel und welche
Konkordanz bringt DD mit sich ?
Diskussionsanstösse für das Institut für
Politikwissenschaften
der Friedrich Schiller Universität Jena
von Andreas Gross (Zürich)
Politikwissenschafter/Lehrbeauftragter
Leiter ADD/National- und Europarat
Jena, den 6. Februar 2007
www.andigross.ch [email protected]
Gliederung:
1.
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4.
5.
6.
7.
8.
Weshalb heute mehr DD ?
Zur Geschichte der DD
Eckpunkte der DD
Das Leistungs- und Anspruchsprofil der DD
Entscheidend dafür: Das Design der DD
Missverständnisse
Reformpotenziale der DD in der CH
Die konkordanten Folgen der DD:
Wie viel muss es sein ?
I. Wir sollten die Banalisierung von
Demokratie und Freiheit überwinden



Demokratie ist ein Menschenrecht: Zur Würde des
Menschen gehört, dass er auf die Entscheidungen
einwirken kann, deren Folgen ihn betreffen.
Freiheit , bedeutet mit anderen zusammen auf
unsere Lebensgrundlagen so einzuwirken können,
dass das Leben kein Schicksal ist, die Zukunft
keine Fatalität
Demokratie ermöglicht die mit Freiheit
natürlicherweise verbundenen Konflikte gewaltfrei
auszutragen
Die repräsentative Demokratie ist ein
integraler Bestandteil der DD.
Die Delegation von Macht ist ein Anfang,
nicht das einzige oder gar das Ende der Demokratie.
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Die indirekte Demokratie erlaubt unsere
Repräsentanten zu wählen. Die DD gestattet
und zusätzlich, diese punktuell, in wichtigen
Sachfragen zu korrigieren, ihnen Anregungen
zu vermitteln, nachzufragen.
Die Direkte Demokratie macht die
repräsentative Demokratie repräsentativer als
diese in der bloss indirekten Demokratie ist.
II. Die DD ist keine Erfindung der Schweiz sie wurde dort erstmals erkämpft und
umfassend angewendet
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Die alte Schweiz war eher
eine Oligarchie als eine Demokratie
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Die Versammlungsdemokratie war und ist
eine vormoderne Form der Demokratie
Die ersten Verfassungsreferenden gab es
im 17.Jh in den Neuenglandstaaten
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Das Gesetzesreferendum erfand 1793 Condorcet
Die Volksinitiative ist ein Gemeindschaftsprodukt
von französischen und rheinländischen
Demokraten
Die DD war erst in der CH und später in den
USA ein Werk von oppositionellen
Volksbewegungen
„Alles durch das Volk,
mit dem Volk und für das Volk“
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Der Schweiz geland 1848 der Aufbau eine der ersten
repräsentativen Demokratien mit oblig Verf’ref
Die Schöpfer der modernen Schweiz
war liberal und elitär
Viele aus dem Volk fühlten sich durch sie schlecht
verrteten
Deshalb verlangten sie nach “dem letzten Wort” in
wesentlichen Fragen
III. Die 5 Eckpunkte der DD
1.
2.
3.
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5.
Geheime Sachabstimmung
per Post, per Mail oder an der Urne; keine
Versammlungs- (“Basis”)Demokratie
Ein Teil/ Minderheit der BürgerInnen entscheidet, ob
alle BürgerInnen entscheiden sollen, kein Plebiszit
Wer teilnimmt, entscheidet; wer nicht teilnimmt,
überlässt die Entscheidungen den Teilnehmenden
Es geht immer um Sachabstimmungen
Es gibt keine qualifizierte (Volks-) Mehrheiten
Die DD ist ein Ensemble verschiedener
entscheidender partizipativer
BürgerInnenrechte
Jede Ebene wählt daraus das passende Set
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Oblig. Verfassungsreferendum (1848)
Fakultatives Gesetzesreferendum (1874)
Verfassungsinitiative (1891)
Staatsvertragsreferendum (1918 ff)
Gesetzesinitiative
Finanzreferenden
Konstruktives Referendum
Einzelinitiative
Volksmotion
IV. Das Leistungs- und
Anspruchsprofil der DD
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Diskussions- und Deliberations-Anstösse schaffen
Lernprozesse ermöglichen
Politik öffnen, anregen, besser verankern
Legitimation und Identifikation ermöglichen
Verschiedene Menschen integrieren
Zynismus und Apathie abbauen
Zum Handeln motivieren
Vertrauen und Selbstvertrauen erneuern
V. Das Design entscheidet
über die Güte der DD
Die Ausgestaltung der DD ist
entscheidend dafür, ob die DD leisten
kann, was sie verspricht.
Jede Ebene benötigt ihr
spezifisches DD-Design
Gutes Design (I):
Freie Unterschriftensammlung
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Es erlaubt allen, Fremde anzusprechen
Es vervielfachen sich überraschende Diskussionen
und substanzielle Begegnungen
Menschen lernen voneinander - korrigieren
vielfache und gegenseitige Vorurteile
Interkulturelle Grenzüberschreitungen
Anonymität wird gewahrt
Effizient und unbürokratisch
Jeder und jede kann aktiv werden
Gutes Design (II):
Ein geringer Unterschriften-%-Satz ist
ausreichend zur Eröffnung eines
kommunikativen Prozesses
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Die DD ist gedacht als demokratisches Instrument
jener ohne grosse Macht
Die DD ist eine Unterstützung für Minderheiten und
für neue Fragestellungen und Alternativen
Der Feuermelder funktioniert mit Plexiglas nicht
Nur so kann die DD Frühwarnsystem und
integrierend sein sowie der Gesellschaft ihr
Gesichtsfeld erweitern
So werden ungelöste Probleme, übersehene
Ungerechtigkeiten thematisiert
Gutes Design (III):
Keine qualitativen
Mehrheitserfordernisse („ Quoren “)
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Die Verfahren müssen zielführend
ausgestaltet werden
Wer sich systemfremd benimmt,
darf nicht belohnt werden
Wer gewinnen will, muss überzeugen und
darf sich nicht verweigern
Wer teilnimmt, entscheidet
Keiner muss teilnehmen, aber jene, die nicht wollen,
dürfen jene, die wollen, nicht behindern
Gutes Design (IV):
Mit dem Parlament,
nicht an ihm vorbei
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DD und ID sind komplementär
Kooperativ, nicht antagonistisch
Nur so entstehen Abfallprodukte, Kompromisse,
Alternativen
Gegenvorschläge erweitern die Optionen für die
Bürgerinnen und Bürger
Verhandlungen erhöhen die institutionellen
Lernchancen und Responsivität
VI. Was die DD nicht ist

Kein Quick fix, kein Fastfood
 eigener Zeitbegriff
 Beitrag zum Abbau ,
nicht der Stärkung von Herrschaft
 Weder Umfrage, noch Meinungsbild
 Deliberatives Ergebnis
 E-Demokratie hilft, ist aber noch keine DD
Die DD verändert die politische
Kultur in der Demokratie
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Es wird von mehr Menschen an mehr Orten mehr
politisch nachgedacht und diskutiert
Es wird sachspezifischer und differenzierterer
diskutiert
Es geht weniger um Personen und mehr um immer
auch komplizierte Sachfragen
In dem die Menschen sich als Teil der Entscheidenden angesprochen fühlen, entwickeln sie mehr Gemeinsinn und Verantwortung, sehen, hören und
lernen mehr und integrieren sich besser
VI. Wie die DD in der
Schweiz verbessert werden
könnte
 Öffentliche Parteienfinanzierung
Professionelleres Parlament
 Transparentere und fairere Abstimmungskampagnen
 Kommunale Demokratiehäuser
 Demokratiegerechtere Öffentlichkeiten
 Integration in die EU und deren föderalistisch
demokratische Verfassung

VII. Die systemischen Folgen der DD:
„Opposition“
Für jede Vorlage muss in Regierung, Parlament und Volk eine
eigene Mehrheit gesucht und gefunden werden
•
Von Anfang an wird von allen an das Ende gedacht: Wofür
kann ich mit dem wem wie eine Mehrheit von Volk (und evt.
•
Ständen erreichen ?
• Von vornherein ist keine Partei „Opposition“: Die Sachlogik
bestimmt die Konstellation, keine Parteilogik
• Jeder Sache kann trotz allem im Volk viel Opposition erwachsen
Die systemischen Folgen der DD:
„Konkordanz“ (I)
Die schweizerische Ausprägung der Konkordanz ist eine
Folge der DD
• Um Referenden zu vermeiden, wurden alle grösseren
Parteien in die Regierung integriert: 1893 KK/ 1918 BGB/
1942 SPS
• 1959-2003 bestand die gleiche „Zauberformel“ zur
parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung: 2
FDP/2CVP/2 SPS/1 SVP
• 2003 bekam die jetzt stärkste Partei, die SVP, einen
zusätzlichen Sitz zu Lasten der schwächsten, der CVP
•
Die systemischen Folgen der DD:
„Konkordanz“ (II)
Die schweizerische Konkordanz war immer mehr als eine
mathematische Frage des Regierungsproporzes, sondern
1959 auch Ausdruck einer gewissen inhaltlichen
Konvergenz.
• Diese Konvergenz ist heute absolut minim.
• Es stellt sich deswegen die Frage, ob die grosse, alle
umfassende Konkordanz die Regierungsaufgaben nicht
mehr hemmt als fördert.
• Die Alternative wäre kein „Konkurrenz-Modell“, aber eine
kleine Konkordanz der 3 statt der 4 grössten Parteien.
•
Die systemischen Folgen der DD:
„Konkordanz“ (III)
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Die Konkordanz ist in der schweizerischen politischen
Kultur historisch sehr verankert.
• Dennoch kann Form und Umfang der Konkordanz je nach
historischen Umständen unterschiedlich sein.
• Bemerkenswert ist, dass der konkordante Gehalt
traditioneller Konkurrenzdemokratien in den letzten
Jahrzehnten deutlich zugenommen hat.
• Sogar Gouverneur Schwarzenegger praktiziert in
Kalifornien seit mehr als einem Jahr auf Grund negativer
Solo-Erfahrungen in der DD in den Jahren 2003 und 2004
jetzt erfolgreich eine konkordante Praxis.
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