Einführung in die romanische Sprachwissenschaft IX - UK

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Einführung in die romanische
Sprachwissenschaft IX
07.12.2010
Der Wortschatz
2
LEXIKOLOGIE
3
Lexikologie
 LEXIKOLOGIE –
Definition
=
Zweig der
Sprachwissenschaft, der
sich mit der materiellen
und inhaltlichen
Erforschung und
Beschreibung des
WORTSCHATZES befasst
 Die L. kann SYNCHRON
oder DIACHRON
ausgerichtet sein
4
 EINIGE LEXIKOLOGISCHE
Lexikologie
GRUNDBEGRIFFE
LEXIKON = Gesamtheit der
Wörter einer Sprache, die der
außersprachlichen Wirklichkeit
entsprechen
 LEXEM = LEXEMWORT
(Wortarten: Substantiv, Verb,
Adjektiv, Adverb)
 KATEGOREMWÖRTER
(Pronomina)
 MORPHEMWÖRTER
(Präpositionen und Konjunktionen)

5
Lexemwörter
Bezug zur
außersprachlichen
Wirklichkeit
Die diachrone Lexikologie
DIE ETYMOLOGISCHE ERFORSCHUNG DES
WORTSCHATZES
Der Etymologiebegriff
7
 Die Etymologie (gr. ἔτυμος étymos ‚wahrhaftig‘,
‚wirklich‘, ‚echt‘ und -logie) wird als
Wissenschaftszweig der historischen Linguistik
zugeordnet.
Etymologie
8
 AUFGABEN

Die diachrone Analyse des Wortschatzes
 Der Wortschatz einer Sprache setzt sich aus drei
Teilen zusammen
 Erbwörter
 Innersprachliche
Derivate (Ableitungen und
Zusammensetzungen)
 Lehnwörter
Etymologie…
9
 Aufgaben
 Bestimmung der drei Elemente einer gegebenen Sprache
 Vergleich der Erbwörter mit den Wörtern verwandter
Sprachen und Dialekte
 Zurückverfolgung der formalen und inhaltlichen
Entwicklung bis in die Ausgangssprache
Aufgabe der Etymologie…
10
 AUFGABEN
 Identifizierung von Ableitungen hinsichtlich
ihrer
Bestandteile
Ihres Wortstammes
und der Formantien (Suffixe, Präfixe)
Aufgabe der Etymologie…
11
 Erkennung und Beurteilung von Lehnwörtern
nach
phonetischen
 und chronologischen Gesichtspunkten

Aufgabe der Etymologie…
12
 Für die Beurteilung soziokultureller Hintergründe,
welche die Entlehnung ermöglichten, ist es das
Alter von Lehnwörtern zu bestimmen.
 Hinweise ergeben die Erstbelege oder auch
phonetische Merkmale des Lehnwortes
Bedingungen etymologischer Forschung
13
 1. Umfangreiche Materialsammlung, die im
Idealfall alle erreichbaren Belege umfasst.
 Alle historisch fassbaren Dokumente der
Schriftsprachen und der Dialekte
 Nur auf einer breiten Materialbasis ist in Zeit
und Raum die Vitalität eines Wortes
feststellbar
Bedingungen etymologischer Forschung
14
 2. Genaue Kenntnis der lautlichen Entwicklungen in
den Schriftsprachen wie auch in den Dialekten,
die ermöglicht,
 Wortstamm und Wortbildungselemente zu
erkennen und zu interpretieren
 und Erbwörter von Lehnwörtern zu trennen
Bedingungen etymologischer Forschung
15
 3. Sachkenntnisse und Vorstellungskraft, die
erlauben, von der Wortdefinition aus die
Verbindung mit der außersprachlichen Realität
herzustellen.

Dabei sind vor allem bei Bezeichnungen von Geräten,
Techniken, Tieren und Pflanzen Fachkenntnisse
erforderlich, auch um eventuell vorkommende
Metaphern oder Übertragungen interpretieren zu
können.
Bedingungen etymologischer Forschung
16
 4. Bisweilen hilft erst eine vertiefte Kenntnis der
untersuchten Sprache oder des betroffenen
Dialekts, ein Lexem in seinen soziokulturellen
Kontext einzuordnen und soziolinguistische
Komponenten oder konnotative Elemente zu
erfassen.
Wichtige Tätigkeiten etymologischer Forschung
17
 Datierung und Feststellen der Erstbelege
 Überprüfen der Erstbelege in ihrem Kontext und
Eruierung ihrer Bedeutung
 Sprachgeographische Interpretation dialektaler
Formen
Etymologie: Beispiele
18
 Lat. apis (Akk. apem)
 Lat. Diminutiv apĭcŭla(m), *apicla > *apecla
 Frz. abeille
 Okz. abelha
 Sp. abeja
 Pg. abelha
 It. ape, pecchia
Etymologie: Beispiele
19
 Lat. apicula(m) führt nicht automatisch zu frz.
abeille, d.h. die Abweichung muss erklärt und
begründet werden.
Vgl. sp. abeja, pg. abelha, kat. abella (vgl. it./tosk.
pecchia)
 Lat. apis / Akk. apem > afrz. ef.
 Weitere mfr. Formen waren avette und mouche à miel

Faktoren wissenschaftlicher Etymologie
20
 Etymologie und lautliche Entwickung am Beispel
von frz. abeille

Nfrz. abeille (vgl. lat. apicula „Bienchen“) kann mittels
lautlicher Kriterien als okzitanisches Lehnwort
identifiziert werden (< abelha)
 Cf. mfrz. aveille
 intervokal. [p] wird im Norden der Galloromania
nicht nur bis zur Stufe [b] sonorisiert (wie im
Okzitanischen), sondern (gesetzmäßig) bis zur
Spirantisierungsstufe [v].
Afrz. Formen für „Biene“
21
22
APIS und APICULA
23
Interpretation
24
 Zunächst „lautgesetzliche Entwickung“ in
Nordfrankreich:
Lat. Akk. apem > ef, é; Pl. apes > és (phonetisch
schwaches Wort), bisweilen auch wés
 Vgl. lat. aucellus „Vogel“ > ézé (Pl. ézés) (lautliche
Ähnlichkeit mit és „Bienen“)
 Ungenauigkeit insbes. in syntaktischen Konstruktionen
wie le vol des és vs. le vol d‘ezés

Interpretation
25
wés „Wespe“ (< lat. vespa) vs. és/wés „Bienen“
(Homophonie)
 In einigen Gegenden Nordfrankreichs wurde és unter
dem Einfluss von wep (< lat. vespa) zu ep, insbes. in der
Gegend um Paris;
 guêpe (< lat. vespa x fränk. wespa)
 Verstärkung oder Ersetzung von é, és, éf, ép etc.
durch mouche („Fliege“) oder mouchette („kleine
Fliege“)
 mouche à miel

Zur Etymologie der frz. Bezeichnungen für „Biene“
26
Zur Etymologie der frz. Bezeichnungen für „Biene“
27
avette
 essaim
 essette
 mouche
 mouchette

<
<
<
<
<
vlat. *apitta (?)
lat. examen
Abl. von es (-ette)
lat. mŭsca
Abl. von mouche
Die lautliche und semantische Entwicklung von lat. ĕxāmĕn

ĕxāmĕn, -ĭnĭs (n) (<
indoeur. *eks-ag-smen „das
Heraustreiben“)
 → examinare „die Waage
ins Gleichgewicht bringen“
→ examinatio „Prüfung“
 → examinator „Prüfer“
28






Schwarm (z.B. ĕxāmĕn apium
„Bienenschwarm“)
„Schar“, „Haufen“, „Menge“
das Zünglein an der Waage
(eigentlich: „das Heraustreiben aus
der Ruhelage“)
Metonymie: „Prüfung“
Mlat. „Urteil“, „Gottesurteil“
Erbwort: mündliches Kontinuum   
ĕxāmĕn
sciame
[ame]
essaim
[es̃]
enjambre
[eambre
]
29
Die lautliche und semantische Entwicklung von lat. ĕxāmĕn
30
 Lat. ĕxāmĕn „Bienenschwarm“

> frz. essaim [es̃] (essaim d‘abeilles „Bienenschwarm“)


> it. sciame [ame] „Bienenschwarm“




→ sciamare „(aus)schwärmen“
> sp. enjambre [eambre] „Bienenschwarm“, (fig.) „große
Menge“


→ essaimer „(aus)schwärmen“, „sich zerstreuen“, „Niederlassungen
gründen“
→ enjambrar „schwärmen“, „schwärmende Bienen einfangen“
> kat. eixam „Bienenschwarm“
> okz. eisa „Bienenschwarm“
> pg. enxame „Bienenschwarm“
Buchwort: Entlehnung aus schriftlich
überlieferten Texten 
esame
examen
examen
[
]
EXAMEN
examen
[
]
[eze
]
31
Dubletten
32
Die Darstellung im REW (31935)
33
Formen des sprachlichen Wandels
34
 Lautwandel
 Bedeutungswandel
 Sachwandel (z.B. technischer oder sozialer
Wandel)
Formen des sprachlichen Wandels
35
 1. Möglichkeit (kein Wandel)
 Erhaltung eines Gegenstandes in seiner ursprünglichen
Funktion mit seiner ursprünglichen Bedeutung

z.B. vlat. *MARTELLUS
 > frz. marteau
 > it. martello
 > sp. martillo
 > kat. martell
 > pg. martelo
klat. MALLELLUS
Formen des sprachlichen Wandels
36
 2. Möglichkeit
 Erhaltung eines Gegenstandes in seiner ursprünglichen
Funktion mit Änderung der Bezeichnung

z.B. HABENA „Zügel“
Ohne Fortsetzung in den
romanischen Sprachen
Formen des sprachlichen Wandels
37
 Frage: Warum wurde der Ausdruck aufgegeben?
Formen des sprachlichen Wandels
38
Lösung:
AVENA
HABENA
„Hafer“
„Zügel“
[habena]
wird aufgegeben
Homophonie
[avena]
Spirantisierung
[avena]
it./sp. avena
frz. avoine
[avena]
Formen des sprachlichen Wandels
39
 Lexikalischer Wandel durch Homophonie
GALLU(M)
CATTU(M)
Missverständnis
gask. gat
Substituierung durch
einen Ersatzausdruck
gask. gat
faisan vicaire
Formen des sprachlichen Wandels
40
 Innersprachliche Ersatzform
 Ableitung von RETINERE „festhalten“

RETINA
>
it. redine
> sp. rienda
> pg. redea
> frz. rêne
Formen des sprachlichen Wandels
41
 3. Möglichkeit
 Die technische Neuerung bedingt einen Wechsel der
Bezeichnung

ARATRUM „Pflug“
Formen des sprachlichen Wandels
42
 Technische Neuerung: Einführung des
Nachpfluges
Formen des sprachlichen Wandels
43
 In Mittelbünden (Schweiz):
ARATRUM
„Pflug“
arader
„Vorpflug“
Etymon nicht bekannt
?
fliana
„Nachpflug“
Formen des sprachlichen Wandels
44
 In Gallien/Frankreich
 kelt.-lat. CARRUCA „Wagen mit zwei Rädern“

> „Pflug“
frz. charrue
Formen des sprachlichen Wandels
45
 4. Möglichkeit
 Technische Neuerung unter Beibehaltung der
Ursprünglichen Bezeichnung

kelt-.lat. CARRUS „vierrädriger Lastwagen“
>
pg. carro „Auto“
Sprachlicher Wandel im sozio-kulturellen Kontext
 Tabuvorstellungen und
Aberglauben

Die Bezeichnungen des
Wiesels (klat. MUSTELA)
sind von dieser Angst
geprägt worden
Wiesel als Unglücksbote
 Der Hintergrund: vom Wiesel
können Krankheiten ausgehen

46
Sprachlicher Wandel im sozio-kulturellen Kontext
47
 Benennungsmöglichkeiten
 1. Fortsetzung des klat. Ausdrucks MUSTELA
 2. Mythische Benennungen (Verwandlungssagen)
 3. Verwandtschafts- und Schwägerschaftsnamen
 4. Schmeichelnamen
 5. Beschwörungsformeln
Sprachlicher Wandel im sozio-kulturellen Kontext
48
 1. Beibehaltung (und phonetische Fortentwicklung)
des klat. Ausdrucks




kat. mostella
astur. mustuliella
leon. mostolilla
frz. mustele
Wortgeschichte im sozio-kulturellen Kontext
49
 2. Mythische Benennungen
 it. donnola (< vlat. DOMNULA, Abl. von DOMINA „Herrin“)
 3. Verwandtschafts- und Schwägerschaftsnamen
 sp. comadreja (< lat. COMMATER)
 4. Schmeichelnamen
 gask. dauno bero (< vlat. DOMINA BELLA)
Die Entwicklung der lat. Farbbezeichnungen
50
 Das Schicksal der klassischen lat.
Farbbezeichnungen
Die Entwicklung der lat. Farbbezeichnungen
51
> it. nero
> sp. negro
> frz. noir
Lehnwort
it. fulvo
> it. fosco
„dunkel“
→ it. foschia
„Dunst“
> sp. hosco
„düster“
Die Entwicklung der lat. Farbbezeichnungen
52
vlat.
*SMERAUDUS
> it. smeraldo
> it. livido
„blauer Fleck“
Lehnwort
sp./it. glauco
> it. verde
> sp. verde
> frz. vert
Die Entwicklung der lat. Farbbezeichnungen
53
Abl. RUBEUS
> frz. rouge
> it. rosso
> sp. rojo
> it. oro
> sp. oro
> frz. or
Die Entwicklung der Farbbezeichnungen
54
Lehnwort
> it. purpureo
Die Entwicklung der lat. Farbbezeichnungen
55
 Innovationen
 Entlehnungen aus dem Germanischen und Arabischen
Die Entwicklung der Farbbezeichnungen
56
arab. (lazaward >) *lazurd
frz. azur
it. azzurro
Pers.
sp. azul
Die Entwicklung der lat. Farbbezeichnungen
57
mlat. blavus
fränk. *blao
dt. blau
frz. bleu
it. blu
kat. blao
okz. blau
it. biavo
Die Entwicklung der Farbbezeichnungen
58
germ. brun
frz. brun
dt. braun
it. bruno
Die Entwicklung der lat. Farbbezeichnungen
59
germ. blank
frz. blanc
it. bianco
sp. blanco
Die Entwicklung der Farbbezeichnungen
60
fränk. gris
„grau“
frz./sp. gris
dt. Greis
niederl. grijs „grau“, „alt“
it. grigio
Die Entwicklung der lat. Farbbezeichnungen
61
lat. AMARUS
„bitter“
lat. GALBINUS
„grün-gelb“
Frz.
[ga]
It.
[ga]
[d
]
lat. AMARĔLLUS
afrz. jalne
[]
[ga]
it. giallo
sp. amarillo
frz. jaune
Bedeutungserweiterung
62
„gelb“
it. giallo
„Krimi“
?
Kulturhistorischer Hintergrund
63
 1929: Mondadori beginnt mit der Herausgabe
von engl. und amerik. Kriminalromanen (mit
gelbem Einband – I libri gialli)
Verwandtschaftsbezeichnungen
FILIUS

(Casus obliquus)
(Casus rectus)
64

FILIU(M)
it. figlio
frz. fils sp. hijo
frz. père
 
PATRE(M)
MATRE(M)
frz. mère
it./sp. padre

FILIA(M)
frz. fille
it. figlia
sp. hija
it./sp. madre
Verwandtschaftsbezeichnungen
65
PATRUUS
„Onkel“
AVUNCULUS
Verwandtschaftsbezeichnungen
66
„Onkel“
(AV)UNC(U)LU(S)
Synkope
Prokope
Aphärese
Apocope
dt. Onkel (17. Jh.)
frz. oncle
(wird aufgegeben)
PATRUUS
Bedeutungserweiterung
(Abl. von PATER „Vater“)
AVUNCULUS
„väterlicherseits“
„mütterlicherseits“
(Abl. von AVUS
„Großvater“)
Verwandtschaftsbezeichnungen
67
AMITA
„väterlicherseits“
„Tante“
„mütterlicherseits“
MATERTERA
Verwandtschaftsbezeichnungen
Synkope
afrz. antain
tante
ante
AMITA
Pro(s)these
„väterlicherseits“
„Tante“
(Abl. von MATER „Mutter“)
engl. aunt
„mütterlicherseits“
MATERTERA
afrz. ante
(Casus rectus)
AMITAM
ANTA
Bedeutungserweiterung
AM(Ĭ)TA
(Nominativ)
(Casus obliquus) (Akkusativ)
68
dt. Tante (17. Jh.)
frz. tante
(wird aufgegeben)
Verwandtschaftsbezeichnungen
Galloromania
Italo- und Hispanoromania
Sprachökonomie
Entlehnung aus dem Griechischen
AVUNCULUS
> oncle
gr. THIOS
> it. zio; sp. tío
> tante
gr. THEA
> it. zia; sp. tía
PATRUUS
AMITA
MATERTERA
69
Verwandtschaftsbezeichnungen
70
AVUS
AVIA
„Großmutter“
sp. abuelo
afrz. aive
*AVIŎLA
„Großmütterchen“
kat. avia
kat. avi
„Großvater“
sp. abuela
Analogiebildung
Diminutiv
„Großvater“
*AVIŎLUS
„Großväterchen“
Ursprüngl. nur
mütterlicherseits;
in der klassischen
Latinität wurde bereits
nicht mehr zw. mütterl.
und väterl. unterschieden
Verlust der Diminutivbedeutung
Die sprachliche Entlehnung
IM SOZIOKULTURELLEN KONTEXT
Die sprachliche Entlehnung
72
 Sprach- und Kulturkontakt
 Formen der sprachlichen Entlehnung
 Bedürfnislehnwörter
 Luxuslehnwörter
Formen der Entlehnung – formale Kriterien
73
Lehnwortschatz
vs.
Lehnwort (lexikalisch)
Fremdwort
Beutewort
(nicht assimiliert)
(assimiliert)
Lehnprägung (semantisch)
Lehnbildung
Lehnformung
(Glied für Glied)
Lehnbedeutung
Lehnschöpfung
(formal abhängig)
Lehnübersetzung
Erbwortschatz
(formal unabhängig)
Lehnübertragung
(frei)
Die Theorie der sprachlichen Entlehnung - Grundbegriffe
74
 Lehnwort
 Ein Lehnwort ist das Ergebnis einer sprachlichen
Entlehnung, bei der ein Wort aus einer Sprache
(Gebersprache, Quellsprache) in eine andere Sprache
(Nehmersprache, Zielsprache) übernommen wird.
Quellensprache
Wort
Zielsprache
Die Theorie der sprachlichen Entlehnung - Grundbegriffe
75
 Die Gebersprache/Quellensprache ist bei Entlehnungen
nicht notwendig diejenige Sprache, in der das Wort
ursprünglich entstand (Ursprungssprache), sondern sie
kann auch eine vermittelnde Sprache
(Vermittlersprache) sein.
Ursprungs
-sprache
Vermittlersprache
Zielsprache
BEISPIELE
Quechua
Germanisch (Fränkisch)
Indisch
Spanisch
Französisch
Englisch
Italienisch
Italienisch
Italienisch
Die Theorie der sprachlichen Entlehnung
76
 Warum werden Wörter entlehnt?
Die Theorie der sprachlichen Entlehnung
77
 Gründe der Entlehnung
 Die Wortentlehnung folgt der Sachentlehnung
(Bedürfnislehnwörter)
 Dinge erhalten nicht ohne Not neue Bezeichnungen
 Größeres Prestige der Spendersprache
Die sprachliche Entlehnung:
Fallstudien
BEDÜRFNIS- UND LUXUSLEHNWÖRTER
Sach- und Wortentlehnung am Beispiel der
Kartoffel und ihrer Bezeichnungen
79
 Der historisch-
kulturelle Kontext


Die Spanier lernten in
der ersten Hälfte des
16. Jhs. von den Inkas
die papa (Quechua:
pápa) kennen.
1556: Übersendung
einer Kiste Kartoffeln
an den span. Hof.
Sach- und Wortentlehnung am Beispiel der Kartoffel und
ihrer Bezeichnungen
80

Es wurden drei Sorten von Knollengewächsen
aus Amerika eingeführt.
 Die Kartoffel (solanum tuberosum) (dial.
auch Erdäpfel)
 Rosskartoffel (Topinambur) [Erdbirne (in
Südbaden auch Ross-Erdäpfel genannt, weil
sie Pferden verfüttert wurden)
 Süßkartoffel (Batate)
Sach- und Wortentlehnung am Beispiel der Kartoffel und
ihrer Bezeichnungen
81
 Die Ähnlichkeit zur Batate führt zur
Vermischung der beiden Begriffe, so dass ab
dem 17. Jahrhundert beide Pflanzen (und ihre
jeweiligen Früchte) in Italien als patata
bezeichnet werden.
 Erst ab dem 18. Jahrhundert wird wieder
zwischen der Kartoffel (spanisch: patata in
Spanien und papa in Hispanoamerika) und der
Batate (spanisch: batata) unterschieden
Die Bezeichnungen der Kartoffel
(Spanisch – Französisch - Italienisch)
(quechua)
(Haiti)
batata
pápa
sp. papa [ca. 1540]
sp. batata [1519]
sp. patata
it. patata [1525]
pomme de terre
frz. patate [1525]
82
Die Kartoffel in Frankreich
83
 Die ersten Kartoffeln sollen nach Frankreich
durch den Franziskaner Pierre Sornas
gekommen sein, der 1540, also nur etwa fünf
Jahre nach der erstmaligen Entdeckung der
Kartoffel durch Europäer.
 Im 17. Jahrhundert wurde die Kartoffel dann
auch in der Dauphiné, in le Forez, in le Velay, in
einem Teil der Auvergne und in einigen anderen
Provinzen Frankreichs angebaut.
Die Kartoffel in Frankreich
84
 Abgeleitet von der italienischen Trüffel wurde
die Knolle truffole oder trifola genannt.
 Die Kartoffelbauer erhielten sogar – nicht
vergleichbar mit irgendwelchen anderen
Anbaugegenden in Europa – eine eigene
Bezeichnung – truffoliers.
Die Bezeichnung der Süßkartoffel (Spanisch)
85
camote
batata
papa dulce
boniate
Die Bezeichnungen der Süßkartoffel (Italienisch)
86
patata
dolce
patata
americana
batata
Die Bezeichnungen der Süßkartoffel (Französisch)
87
patate douce
Die Kartoffel in der spanisch-italienischen
Lexikographie (17. Jh.)
88
Exkurs zu den romanischen Einflüssen auf die
deutschen Bezeichnungen
 Die Kartoffel wurde 1600
von Olivier de Serres in
seinem Werk Le théâtre
d’agriculture et mesnage des
champs beschrieben:
Olivier de Serres (1539-1619)
http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k738381
89
Exkurs zu den romanischen Einflüssen auf die
deutschen Bezeichnungen
90
Trüffel (it. tartuffolo)
Kartoffeln
frz. cartoufle
it. tartuffolo
?
dt. Kartoffel
[t] > [k]
Dissimilation
Exkurs zu den romanischen Einflüssen auf die deutschen
Bezeichnungen
91
 1. Phase:
Mit der neuen Sache wird ein
neues Wort aufgenommen.
Fremdwort
it. patata
 2. Phase:
Das neue Wort erhält
Konkurrenz durch
einheimische Bezeichnungen.
it. tartuffo vs. it. patata
Lehnbedeutung
 3. Phase:
Entweder das Fremdwort oder
die Lehnprägung setzt sich durch.
it. patata
setzt sich durch
 Denkbar sind auch semantische Unterschiede zwischen zwischen
Fremdwort und Lehnprägung.
 Bisweilen bleiben fremde oder einheimische
 Bezeichnungen nur in Dialekten erhalten.
Bleibt aber in
Deutschland
als Entlehnung
erhalten.
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