Teil 5

Werbung
Das Entstehen von Arbeitervereinen
und Gewerkschaften

Probleme der vorindustriellen Periode, die industrielle Revolution und
auch die Ideen der französischen Revolution (Gleichheit, Freiheit und
Brüderlichkeit) führten zum Entstehen einer Arbeiterbewegung und von
Gewerkschaften.

I. Die Anfänge in Großbritannien: Diverse lokale
Arbeiterorganisationen zielten schon seit 1829 auf die Gründung von
nationalen Organisationen ab.
 A) Erste Gewerkschaften: 1830 Gründung der „National Association for
the Protection of Labour“ durch John Doherty; 1834 Errichtung der
„Grand National Consolidated Trades Union“ durch Robert Owens; 1842
ver-suchten die Bergarbeiter eine „Miners‘ Association of Great Britain
and Ireland“ zu gründen. Ein dauerhafter Durchbruch zur Bildung
überregionaler Berufsgewerkschaften wurde 1851 mit der Gründung der
„Amalgamated Society of Engineers, Machinists, Smiths, Millwrights und
Pattern-makers“ erzielt.
1
Das Entstehen von Arbeitervereinen
und Gewerkschaften



B) Chartismus: = die erste politische Arbeiterbewegung der Welt.
In der 1836 gegründeten „London Working Men‘s Association“
wurde 1837 die „People‘s Charter“ formuliert. Diese enthielt
sechs Forderungen: 1. allgemeines Wahlrecht für Männer; 2.
geheime Wahlen; 3. Wegfall der Besitzqualifikation für Unterhausmitglieder; 4. Zahlung von Diäten; 5. gleich große Wahlkreise; 6. jährliche Wahlen.
1839: Nationalkonvent der Chartisten in London und Birmingham;
1,3 Millionen Unterschriften wurden dem Unterhaus zur Unterstützung der People‘s Charter präsentiert. Dennoch weigerte sich
das Parlament diese Forderungen zu diskutieren.
Aufstand von Newport in Südwales am 4. November 1839: dies
war der letzte Arbeiteraufstand in der britischen Geschichte.
2
Das Entstehen von Arbeitervereinen
und Gewerkschaften

1848: Nationalkonvent der Chartisten in London: 2 Millionen
Unterschriften für Petition dem Unterhaus vorgelegt (viele
gefälscht). Damit endet die Chartistenbewegung. Geblieben sind
einige wichtige Arbeiterschutzgesetze: 1842 Gesetz über Frauenund Kinderarbeit in Bergwerken; 1847 Gesetz über den
Zehnstundentag.

C) Freihandelsbewegung: 1839 wurde die „Anti Corn Law
League“ errichtet als pressure-group der industriellen
Mittelschichten. Stand unter der Führung von Richard Cobden
und John Bright. Forderung: Abschaffung der Kornzölle. Dies liegt
nicht nur im Interesse der Mittelschichten sondern auch der
Arbeiter, da dadurch die Agrarpreise (Preise für Lebensmittel)
sinken und die Beschäftigung gesichert werde.
1846: Aufhebung der Kornzölle durch das Unterhaus.

3
Das Entstehen von Arbeitervereinen
und Gewerkschaften





II. Arbeitervereine und Gewerkschaften in Österreich:
Allmähliches Zurückdrängen der Zünfte im 18. Jahrhundert durch
Verbot der Gesellenorganisationen. Diese tauchen in die
Illegalität ab, Ausbildung eines Geheimbundsystems.
Vereinzelt entstehen Unterstützungsvereine halb-zünftlerischer
Art wie der Unterstützungsverein der Wiener Buchdrucker (1842).
Im Revolutionsjahr 1848 entstehen einige Arbeitervereinigungen
die jedoch bereits 1849 (oktroyierte Märzverfassung, Beginn des
Neoabsolutismus in Ö) wiederum verboten wurden.
Als einzige Form von Arbeitervereinigungen gestattete man die
katholischen Gesellenvereine nach dem Muster Adolf Kolpings
(seit 1852), die vor allem vom Wiener Erzbischof Anton Josef
Gruscha forciert wurden.
4
Das Entstehen von Arbeitervereinen
und Gewerkschaften

Mit dem Sieg des Liberalismus 1861 entstanden freie
Vereinigungen von Arbeitern, die vielfach noch in zünftischen
Traditionen steckten: lokal strukturiert und jeweils nur auf ein
Gewerbe beschränkt. (Vereine der Schuhmacher, Bäcker,
Nordbahnarbeiter, Weber, Spengler usw.).

Wiener Arbeiterbildungsverein (1867) war der erste branchenübergreifende Arbeiterverein. Rechtsgrundlage: Vereinsfreiheit in
der Dezemberverfassung 1867. Arbeiterbildungsvereine breiteten
sich in der Folge über das ganze Land aus. Durch große Demonstrationen (1869) erkämpften sich die Arbeiter das Koalitionsrecht
als wichtige Voraussetzung für die Durchführung von Arbeitskämpfen.
5
Das Entstehen von Arbeitervereinen
und Gewerkschaften

Da sich Wiener Arbeiterbildungsverein an der I. Internationalen
Arbeiter-Assoziation (1864 in London gegründet) beteiligte und
Vertreter zur Eisenacher Tagung der Sozialdemokratie entsandte,
wurde der Verein 1870 verboten und gegen dessen Führer Anklage wegen Hochverrat erhoben. Wegen heftiger Proteste
musste jedoch eine Neugründung gestattet werden.

Durch die wirtschaftliche Depression ab 1873 verlieren die
Arbeitervereine massiv an Mitgliedern und Einfluss. Bestehen
blieben vor allem kleingewerbliche Vereinigungen. Tendenz zur
zunehmenden Radikalisierung, zahlreiche Terroranschläge. 1884
Verhängung des Ausnahmezustandes in mehreren Ländern
Österreichs.
6
Das Entstehen von Arbeitervereinen
und Gewerkschaften

Erholung der Konjunktur ab Ende der 1880er-Jahre. (Neu-)Aufleben von gewerkschaftlichen Organisationen. 1888/89 sozialdemokratischer Einigungsparteitag von Hainfeld. 1893 erster
gesamtösterreichischer Gewerkschaftstag.

In den 1890er-Jahren entstanden neben den sozialdemokratischen auch christliche Arbeitervereine. Ab 1902 „Reichsverband der nichtpolitischen Christlichen Arbeitervereine
Österreichs“.

1908: 447.000 sozialdemokratisch organisierte Arbeiter und
84.000 christlich organisierte Arbeiter in Zisleithanien.
7
Das Entstehen von Arbeitervereinen
und Gewerkschaften




III. Exkurs: Das Entstehen der Kammern als Zwangsorganisationen:
1848: Im Oktober wurden provisorische Bestimmungen über die
Errichtung von Handelskammern erlassen, denen im Dezember
das einschlägige Gesetz folgte. Haben die Aufgabe als öffentlichrechtliche Interessensvertretungen der Wirtschaft zu fungieren. Bestanden aus 21 Mitgliedern, die aus dem Kreis der
Industriellen und Handelstreibenden gewählt wurden.
1850: Schaffung einer gesamtösterreichischen Kammerorganisation. Eine Handelskammer pro Kronland, in der Steiermark
zwei.
1868: Handelskammern erhielten das Recht der Gesetzesbegutachtung in einschlägigen Materien; wurden eine eigene Kurie im
Abgeordnetenhaus des Nationalrates; Kreis der Wahlberechtigten
wurde vergrößert durch Herabsetzung des Wahlzensus.
8
Das Entstehen von Arbeitervereinen
und Gewerkschaften







Die Organisation der Handelskammern wurde fortan zum Vorbild
für viele andere Berufsgruppen. So werden im frühen 20. Jahrhundert (noch in der Monarchie) folgende berufliche Interessensvertretungen mit Selbstverwaltungscharakter eingerichtet:
Notariatskammern
Rechtsanwaltskammern
Ärztekammern
Apothekerkammern
Ingenieurskammern
Erst in der Ersten Republik wurden Landwirtschaftskammern und
Arbeiterkammern nach dem Vorbild der Handelskammern
eingerichtet.
9
Herunterladen