Soldatentod-Vortrag_AFK_2011 - Phil.-So.

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„Eine Rekonstruktion der
Wirkungen des Soldatentods.
Skizze eines
Forschungsvorhabens“
Vortrag auf dem 43. AFK-Jahreskolloquium
Evangelische Akademie Villigst, 8.4.2011
Ulrich Franke (Universität Bielefeld)
Ulrich Roos (Universität Augsburg)
Gliederung des Vortrags
• I. Annäherung an den
Untersuchungsgegenstand:
Forschungsinteresse und Forschungsfrage(n)
• II. Probleme im Kontext der Vorgehensweise
I.
Annäherung an den
Untersuchungsgegenstand:
Forschungsinteresse und
Forschungsfrage(n)
Kontextualisierung des Soldatentods
• Die Bundesrepublik Deutschland als
„postheroische“ Gesellschaft (H. Münkler)
kannte dieses Phänomen bis 1993 nicht
• Veränderte Einsatzrealität der Bundeswehr
• Von den bislang 32 „durch Fremdeinwirkung
gefallenen Soldaten“ der Bundeswehr sind
30 im ISAF-Einsatz (seit 2003) getötet
worden (davor je ein Todesfall 1993 u. 2001)
Kontextualisierung des Soldatentods
• (Wieder-)Einführung der Tapferkeitsmedaille
im Juli 2009
• Einweihung des Ehrenmals der Bundeswehr
im September 2009
Frühere Rekonstruktionen als
Ausgangspunkt weiterer
Forschung
• Verweise auf die Opferbereitschaft der SoldatInnen wirken sich
nicht einsatzbeschränkend aus. Das Konzept der Dankbarkeit
für die Opferbereitschaft der Streitkräfte wird vielmehr zum
Argument, um Kritik an den Einsätzen zu unterdrücken und um
so den Handlungsspielraum der Exekutive zu vergrößern, den
des Parlaments hingegen zu verkleinern. Es findet eine
Verwandlung des Parlamentsvorbehalts in ein Parlamentsplazet
statt, indem das Argument eingeführt wird, die Opferbereitschaft
der SoldatInnen begründe eine Unterstützung der Einsätze
durch das Parlament; die Streitkräfte hätten „einen Anspruch
darauf zu wissen, dass der Deutsche Bundestag diese Aufgabe
unterstützt“ (Struck 2005)
Fortsetzung der Annäherung an
den Untersuchungsgegenstand
• Was bedeutet „Soldatentod“?
• Was genau soll erforscht werden?
Was bedeutet „Soldatentod“?
• Todesfälle von Soldaten in Folge gezielter
Gewalthandlungen durch äußere Kräfte
• Was „Soldatentod“ nicht bedeutet: Todesfälle
von Soldaten in Folge von Unfällen bzw.
Todesfälle des Zivilpersonals der Streitkräfte
Die Forschungsfrage(n)
• Welche Wertebezüge weisen i) militärische,
ii) parlamentarische und iii)
regierungsamtliche Kommunikationen über
den Soldatentod auf, welche Wirkungen
zeitigen diese und wie verändert sich der
Soldatentod-„Diskurs“ im Laufe der Zeit?
Was genau soll erforscht werden?
Zwei Dimensionen des
Forschungsinteresses
• A) Der Soldatentod-„Diskurs“ als Institution
innerstaatlicher Machtverteilung
• B) Der Soldatentod-„Diskurs“ als Institution
zur Bestimmung des außenpolitischen
Möglichkeitenraums
Innerstaatliche Dimension I
A) Der Soldatentod-„Diskurs“ als Institution
innerstaatlicher Machtverteilung
•
Beziehungen von Militär, Exekutive, Legislative
und Gesellschaft werden verhandelt
Innerstaatliche Dimension II
• Unterstützt eine möglicherweise stattfindende ReHeroisierung „der Truppe“ eine ReMilitarisierungstendenz der Gesellschaft?
• Führt das Erleben des gewaltsamen „Kameradentodes“
zu erhöhten Erwartungen gegenüber Gesellschaft,
Parlament und Exekutive und deren Enttäuschung zu
Tendenzen der Abschottung (Vergemeinschaftung „der
Truppe“ vs. Integration der Streitkräfte in die
Gesellschaft) bzw. einer Verselbstständigung der Armee
(stockender Informationsfluss in Richtung Regierung
bzw. Parlament)?
Innerstaatliche Dimension III
• Unterspült der Soldatentod die demokratische Kontrolle
der Streitkräfte? Stichwort: Wandel vom Parlamentsheer
zum Instrument der Exekutive (vgl.
Parlamentsbeteiligungsgesetz) aufgrund „taktischer und
strategischer“ Argumente (Flexibilität der
Einsatzführung, Geheimhaltungsnotwendigkeit aus
Sicherheitsgründen)?
• Verschiebt sich die Loyalitätsstruktur der Streitkräfte von
der Verfassung bzw. dem Parlament hin zum
Dienstherrn (dem Verteidigungsminister bzw. der
Exekutive) oder zum „Kameraden“ bzw. zur „Truppe“
selbst?
Außenpolitische Dimension des
Forschungsinteresses
B) Der Soldatentod-„Diskurs“ als Institution zur
Bestimmung des außenpolitischen
Möglichkeitenraums
•(durch Sinnstiftungen/Zielsetzungen in Form von
Antworten auf die „Wofür“-Frage wird außenpolitischer
Möglichkeitenraum definiert);
Welche Selbstbeschreibungen hinsichtlich der
weltpolitischen Rolle Deutschlands lassen sich aus den
Diskursen rekonstruieren?
Was genau soll erforscht werden?
Die Forschungsfrage
• Welche weiteren politischen Wirkungen werden durch
den gewaltsamen Tod von SoldatInnen ausgelöst?
• Welche Handlungsregeln, Praktiken, Ziele,
Entscheidungen und Begründungen werden dadurch
wahrscheinlicher, welche unwahrscheinlicher?
• Wie verändert sich der politische Möglichkeitenraum?
(vgl. Bundeswehrreform; Loyalitätsstrukturen;
demokratische Kontrolle; Einbettung der Streitkräfte in
die Gesellschaft; neue Einsatzformen; neues
Soldatenbild)
II.
Probleme im Kontext der
Vorgehensweise
Probleme im Kontext der
Vorgehensweise
Drei Ebenen:
• a) Konstitution des Gegenstands
• b) Auswahl der Dokumente/Quellen
• c) Analyse konkret vorliegender Dokumente
Probleme im Kontext der Konstitution
des Untersuchungsgegenstands
• Was ist unser Untersuchungsgegenstand?
 Wirkungen des Soldatentods
• Wie sollen diese Wirkungen erfasst werden?
 anhand von drei Äußerungsformen:
- militärische Kommunikationen
- parlamentarische Kommunikationen
- regierungsamtliche Kommunikationen
 jeweils mit Blick auf Veränderungen von
Wertebezügen
Probleme im Kontext der Konstitution
des Untersuchungsgegenstands
Was verstehen wir unter Äußerungsformen,
Diskurs(en) bzw. Kommunikationen?
• Hauptinspirationsquelle: Sozialtheorie und
Philosophie des amerikanischen
Pragmatismus (C.S. Peirce, W. James, J.
Dewey, G.H. Mead)
•  Handeln aufgrund von Überzeugungen
•  Bedeutung als Wirkung(en) von Handeln
Probleme im Kontext der Konstitution
des Untersuchungsgegenstands
Was sind die methodologischen Implikationen
unseres Kommunikationsbegriffs?
• Hauptkennzeichen aller Lebensäußerungen
(und somit aller potentiellen UntersuchungsGegenstände):
durch Sinn und Bedeutung konstituiert
• „Fixierungen“ dieser Lebensäußerungen als
Bedingung ihrer Analysierbarkeit (Protokoll)
Probleme im Kontext der
Auswahl der Dokumente
Welche Dokumente/Quellen wählen wir aus?
• Unterscheidung von zwei Typen von
Quellen:
- Selbstbeschreibungen der Praxis
(Regierungserklärung, Sitzungsprotokoll)
- durch Zutun der ForscherInnen
entstandene Dokumente (Interview etc.)
Probleme im Kontext der
Auswahl der Dokumente
Welche Dokumente/Quellen wählen wir aus?
• Parlamentsreden, Fraktionsanträge,
Plenumsbeschlüsse, Verlautbarungen des
Wehrbeauftragten
• Kabinettsbeschlüsse, Verlautbarungen von
KanzlerIn und MinisterInnen
• Äußerungen von Bundeswehr-Angehörigen
(Generalinspekteur, Spitzen der Teilstreitkräfte,
Grundwehrdienstleistende)
Probleme im Kontext der
Auswahl der Dokumente
Welche Dokumente/Quellen wählen wir aus?
• Weniger konventionelle Quellen:
- offizielle Beileidsbekundungen an
Hinterbliebene
- Rahmung von Schweigeminuten, Abläufe von
Trauerfeiern, Staatsakten, Gedenktagen
- Inschriften bzw. künstlerische Gestaltung von
Mahnmalen
Probleme im Kontext der Analyse
der konkret vorliegenden Dokumente
Wie sollen die ausgewählten Dokumente
analysiert werden?
• Rekurs auf rekonstruktionsmethodologische
Verfahren wie Grounded Theory und
Objektive Hermeneutik
•  geduldiges „zum Sprechen-Bringen“ der
Dokumente
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