EINLEITUNG: PSYCHOLOGIE ALLGEMEIN Psychologie als Wissenschaft menschlichen Erlebens und (internen und externen) Verhaltens 1 ALLTAGSPSYCHOLOGIE vs. WISSENSCHAFTLICHE PSYCHOLOGIE • Wissenschaftliche Psychologie oft im Widerspruch zu Alltagspsychologie Alltagspsychologie kein kohärentes Wissensgebäude ( Gleich und gleich gesellt sich gern – Gegensätze ziehen sich an ) Oft: Ergebnisse der wissenschaftlichen Psychologie im Gegensatz zu Alltagspsychologie z.B.: Milgram Experiment (1974), dazu Befragung: Wieviele der Teilnehmer werden maximale Schockstärke (450 V) verabreichen? Schätzungen von Nicht-Experten und Psychiatern: 1 von 1000 tatsächliches Ergebnis: ca. 50% Menschen halten wissenschaftliche Ergebnisse im Nachhinein oft für trivial (Hindsight-bias, Fischhoff, 1975) 2 Wissenschaftliche Psychologie oft im Widerspruch zu „Psychologie“ am Psychomarkt Astrologie, Esoterik, Rebirthing, … deren Vertreter haben üblicherweise keine Ausbildung und keine grösseren Kenntnisse in wissenschaftlicher Psychologie Diese Psychologien“ prüfen ihre Annahmen nicht empirisch z.B. sind (schon lange) von wissenschaftlicher Psychologie widerlegt: - Astrologie (Persönlichkeitseigenschaften + Sternbild) - Gesichtsform und Charakter (Esoterische Schulen) (Vgl dazu auch: Lavater, Gall, auch Nationalsozialismus) - Graphologie 3 HISTORISCHES Psychologie als Wissenschaft relativ jung - bietet noch keine einheitliche, abgeschlosseneTheorie - Teilbereiche stehen oft nebeneinander, ohne Integration (z.B. Motivation – Kognition) Beginn der Wissenschaftlichen Psychologie? Kriterien: Beschäftigung mit psychologischen Themen Ägypten, antikes Griechenland, Rom insbes. Aristoteles (384-322): „Gesetze“ der Assoziation von Gedanken: Kontiguität (zeitliche Nähe) Ähnlichkeit Kontrast neuere Philosophen, z.B. Descartes (1596-1650): radikale Unterscheidung Leib/Seele 4 Anwendung wissenschaftlicher Methoden insbesondere Experiment Psychophysik erste Experimente von Ernst Weber (1834), Gustav Fechner (1860) Physiologie insbes. der Wahrnehmung Johannes Müller (1801-1858) Hermann Helmholtz (1821-1894) Biologie Francis Galton (1822-1911) individuelle Differenzen in Intelligenz Charles Darwin (1809-1882) Emotionen, Ausdruck 5 “TECHNISCHES“ Folien Skriptum Folien im Netz über GESTENS Lernfragen 6 LITERATUR Grundlage: Eysenck,M.W. & Keane, M.T.: Cognitive Psychology. A student’s handbook. 5th ed. Hove (UK) and Hillsdale: Erlbaum, 2005 spezielle Kapitel Anderson, J.R.: Cognitive Psychology and its implications. 5th ed. New York: Freeman, 2000 Spada, H. (Hrsg.): Lehrbuch Allgemeine Psychologie. 3.Aufl. Bern: Hans Huber, 2006 7 EINIGE WICHTIGE PSYCHOLOGEN Wilhelm Wundt (Deutschland, 1832-1920): Gründete das 1. psychologische Laboratorium in Leipzig 1879 verschiedene Bereiche der Psychologie (z.B. Emotion) Gustav Fechner (Deutschland, 1801-1887): Psychophysik, einer der ersten Experimentalpsychologen William James (USA, 1842-1910): Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Emotion, u.a. half, wissensch. Psychologie in den USA zu etablieren Hermann Ebbinghaus (Deutschland, 1850-1909): erste systematische experimentelle Untersuchungen zum Gedächtnis Sigmund Freud (Österreich, 1856-1939): Psychoanalyse, Psychotherapie 8 • Alfred Binet (Frankreich, 1857-1911): konstruierte ersten “echten” Intelligenztest • John Watson (USA, 1878 - 1958): Begründer des Behaviorismus, Prinzip der Konditionierung • Ivan Pavlov (Russland, 1849 -1936): klassisches Konditionieren • Jean Piaget (Schweiz, 1896 -1980): Entwicklungspsychologie, insbesondere Entwicklung der Kognition und der Intelligenz • Burrhus Frederic Skinner (USA, 1904 -1990): operantes Konditionieren (Lernen via Belohnung und Bestrafung) • Herbert Alexander Simon (USA, 1916 - 2000, Nobelpreis 1978) Begründer der kognitiven Psychologie 9 EINIGE WICHTIGE THEORETISCHE POSITIONEN DER PSYCHOLOGIE BEHAVIORISMUS ca 1913 (Buch von Watson) - 1960/1970 für Psychologie relevant ausschliesslich physikalische Reize (Stimuli) und beobachtbares Verhalten (Reaktionen) Interne Prozesse sind nicht Gegenstand der Psychologie Prinzip der Black-box (Mensch, Tier, als Black-box) Stimuli Reaktionen SS1 1 R1 R 1 Black-box Black-box SS2 2 R2 R 2 10 zentral: Lernen von Stimulus-Reaktions – Verknüpfungen durch Konditionierung Umwelt zentral für Entwicklung Lernen bei Tieren (Ratten, Tauben,..) ist adäquates Modell des menschlichen Lernens Behaviorismus als generelle theoretische Position heute nicht mehr akzeptiert. Bedeutung für Verhaltenstherapie. 11 TIEFENPSYCHOLOGIE S.Freud (C.G.Jung, A. Adler, E. Fromm, …) drei Aspekte der Tiefenpsychologie: wissenschaftliche Theorie Grundlage einer Form der Psychotherapie: Psychoanalyse kultureller Einfluss (Kunst, Kunstkritik, Kunsttheorie,…) wichtige Prinzipien: Trieb und Triebbefriedigung Unerfüllter Trieb: unangenehme Triebspannung Triebbefriedigung (d.h. Reduktion der Triebspannung) ist lustvoll 12 Aufbau der Persönlichkleit: ES (unbewusst): Triebenergie und vom ICH ins Unbewusste verdrängten Wünsche, Vorstellungen, Erinnerungen, Affekte ICH: Vermittelt zwischen Realität und ES, versucht dabei, den Forderungen des ÜBERICH gerecht zu werden. (z. B. dadurch, dass es “Verbotenes” verdrängt) ICH ist kompromissbereit, funktioniert nach Realitätsprinzip, rational und logisch ÜBERICH: Soziale Gebote, Verbote, Normen, kontrolliert ICH 13 Entwicklung des Triebes in Phasen abhängig von erogenen Zonen, die dem Lustgewinn dienen - z.B.: orale Phase (1.Lebensjahr) sexuelle Triebbefriedigung über Schleimhäute der Mundzone (Saugen, Beissen, Kauen) Erwachsene Persönlichkeit als Ergebnis von Triebschicksalen während der Kindheit Störung in der jeweiligen Phase führt zu entsprechender Persönlichkeit des Erwachsenen (empirisch widerlegt) z.B.: Störung in oraler Phase oraler Charakter (passiv, abhängig, fordernd, selbstbezogen) Rauchen, Drogen, übermässiges Essen Generell als wissenschaftliche Theorie widerlegt und nicht mehr anerkannt. Grosse historische Bedeutung 14 KOGNITIVE PSYCHOLOGIE Beschäftigt sich mit kognitiven Prozessen der Wahrnehmung, des Gedächtnisses, Lernens, Problemlösens, etc. erweitert aber auch auf z.B. Emotionen Informationsverarbeitungsannahme: ( information-processing approach ) Kognitiver Prozess wird in Sequenz von Stufen (Phasen) zerlegt. Jede Phase ist ein wesentlicher Schritt in der Verarbeitung. Repräsentationsannahme: Gehirn (bzw. Gehirnzustände) repräsentiert Aspekte der Welt und verarbeitet diese repräsentierten Aspekte (z.B.: Wörter eines Satzes beziehen sich auf Inhalte, aus Struktur des Satzes ergeben sich Beziehungen zwischen den Inhalten) 15 Beschränkungen der Verarbeitungskapazität: z.B. Kapazität des Kurzeitgedächtnisses Kognitive Psychologie in vielen Bereichen heute der dominierende Ansatz Relevant für andere Bereiche der Psychologie z.B.: soziale Interaktion hängt u.a. ab von gegenseitiger Wahrnehmung, Wissen und Annahmen über Gesprächspartner psychische Störungen können auf fehlerhaften kognitiven Prozessen beruhen (z.B. Fehlinterpretation von Körperempfindungen) 16 EINIGE GEGENSTANDSBEREICHE DER PSYCHOLOGIE ALLGEMEINE PSYCHOLOGIE Wahrnehmung, Gedächtnis, Lernen, Denken, Problemlösen, Entscheiden, Urteilen, Kommunikation, Motivation, Emotion, ... SOZIALPSYCHOLOGIE Mensch als soziales Wesen, soziale Interaktion (inkl. Kommunikation), soziale Strukturen, Einflüsse von Gesellschaft und Kultur ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE Entwicklung des Menschen in Kindheit inzwischen aber: gesamte Lebensspanne insbesondere Alterspsychologie 17 DIFFERENTIELLE PSYCHOLOGIE Unterschiede zwischen Individuen z.B. in Persönlichkeitseigenschaften (z.B. Intelligenz), Einstellungen, Verhalten DIAGNOSTISCHE PSYCHOLOGIE Messung von Eigenschaften bzw. Vergleich mit anderen Menschen (z.B. Schulreife, Ängstlichkeit, Intelligenz) Entwicklung von Messinstrumenten (z.B. Intelligenztest) Diagnostische Entscheidung KLINISCHE PSYCHOLOGIE Diagnose und Behandlung von Störungen Psychotherapie Prävention Gesundheitspsychologie 18 ANGEWANDTE PSYCHOLOGIE Anwendung und Umsetzung psychologischer Kenntnisse in praktischen Bereichen, z.B.: Arbeitspsychologie Berufsberatung Gerontopsychologie Organisationspsychologie Pädagogische Pschologie / Schulpsychologie Verkehrspsychologie…. NEUROPSYCHOLOGIE Verbindung zwischen Verhalten und neurologischen Strukturen z.B. neurologische Unterscheidung unterschiedlicher Gedächtnistypen (Amnesien) Welche Hirnstrukturen werden bei welchen mentalen Aktivitäten aktiviert? 19 Was ist Allgemeine Psychologie? Grundlegende psychische Phänomene, z.B. Wahrnehmung Gedächtnis/Wissensrepräsentation Lernen Denken Problemlösen Entscheiden/Urteilen Kommunikation / Sprache Motivation Emotion 20 Wichtig: Menschliches Handeln ist komplex.Teilbereiche sind nicht unabhängig. (z.B.: Wahrnehmung nicht ohne Gedächtnis, Kognitive Prozesse bei der Emotionsgenese) Überall: Unfähigkeit, perfekt zu funktionieren. 21 Andere Teilbereiche der Psychologie (z.B. Klinische, Organisationspsychologie) setzen diese Grundlagen voraus, behandeln diese Themen nicht grundlegend, behandeln von diesen Bereichen nur die für sie relevanten Aspekte (z.B. spezielle Denkformen von Depressiven) Allgemeine Psychologie eher Grundlagenforschung, aber auch oft: praktische Anwendungen. z.B. Psychophysik: Wie Alarmsignale gestalten, damit sie möglichst gut wahrgenommen werden können? Denkpsychologie: Wie können Denkfehler vermieden werden (z.B. im Umgang mit Risiko)? 22 ZIEL der Vorlesung Grundkenntnisse in den behandelten Teilgebieten der Allgemeinen Psychologie erwerben Die wichtigsten theoretischen Ansätze und ihren empirischen Status kennen In der Lage sein, weiterführende Literatur zu lesen 23 VORSCHAU Wahrnehmung Entdeckung von einfachen Signalen (Psychophysik, Signalentdeckungstheorie) Tiefenwahrnehmung Erkennen des Wahrgenommenen (Objekte erkennen) Aufmerksamkeit Kapazitätbeschränkung -beim Wahrnehmen -beim Handeln 24 Gedächtnis Struktur Ultrakurzzeitgedächtnis Kurzzeitgedächtnis / Arbeitsgedächtnis Langzeitgedächtnis Prozesse Einspeichern Erinnern Vergessen Alltagsgedächtnis Mentale Repräsentation Propositional, verbal, analog? Sprache Kommunikation allgemein Sprachwahrnehmung Sprachproduktion 25 Problemlösen Denken Deduktives Schliessen Induktives Schliessen Analogieschlüsse Konzepte (Begriffe) und Konzeptlernen Wahrscheinlichkeitsurteile Emotion Was sind Emotionen? Emotion und Kognition 26 Vorlesung auf ganzes Studienjahr angelegt (WS+SS) Lernen wird in eigener Vorlesung behandelt 27