Lösen von Problemen der Sphärischen Trigonometrie unter Zuhilfenahme von Computeralgebra Parametrisierung und Visualisierung Walter Wegscheider, PI-Hollabrunn (Niederösterreich) Suche nach einem Koordinatensystem Verschiedene Weltbilder (geozentrisch, heliozentrisch) Orientierung auf der Erdkugel – keine 1:1 Übertragung von einfachen rechtwinkeligen Systemen schon frühe (Griechen, Chinesen u.a.) Bestrebungen für Koordinaten auf der Kugel Schließlich durchgesetzt hat sich Breitengrad (Latitude) und Längengrad (Longitude) (und Höhe) Längengrad - Breitengrad Bezugsgrößen: Geogr. Breite Pole, Äquator Sonnenhöchststand Datum / Schiefe der Ekliptik Geogr. Länge Nullmeridian (Greenwich – London), willkürlich Sonnenhöchststand Genaue Uhrzeit Geogr. Breite - Breitenkreise Seit dem späten 15. Jhdt. berechenbar Astrolabium, Jakobsstab, Sextant Auch Parallelkreise genannt Parallel zum Äquator Kleinkreise (außer Äquator) Eckdaten 90° S(üdpol) 0° - Äquator 90° N(ordpol) Abstand eines Punktes vom Äquator Sextant Geogr. Länge - Meridiane Erst seit 1774 berechenbar (der Chronometer – eine genügend robuste und genau gehende Uhr war erfunden worden) Meridiane sind Halbkreise (Großkreise), die die beiden Pole miteinander verbinden Willkürliche Festlegung von Greenwich (London) als Nullmeridian. 180° W (-180°) – 0° (Greenwich) – 180° O Übergang bei Datumsgrenze Probemessung Am 21. Juni messen wir zu Mittag einen Sonnenhöchststand von 53.5° Geogr. Breite 90° - 53.5° + 23.5° (Ekliptik) = 60° Voraussetzung: Nordhalbkugel! Der Chronometer zeigt an, dass dieser Sonnenhöchststand um 14.00 Uhr Nachmittag erreicht wurde. Geogr. Länge: 30° Ost 360° / 24 Stunden 15° pro Stunde Wir sind in St. Petersburg! Visualisierung – 3D Plots Wenn wir versuchen, die Kugel (Modell der Erde) und Großkreise bzw. Meridiane zu visualisieren, bietet sich ein CAS wie DERIVE an. Recht bald zeigen sich aber Schwierigkeiten bei gewohnten Schreibweisen Beispiel 1: Kugel mit Radius 1 DERIVE v01 DERIVE x 2 y 2 z 2 1 z 1 x2 y 2 Beispiel 2: Kreis als Schnitt einer Ebene mit einer Kugel! 2 2 2 x y z 1 DERIVE ?? z0 Koordinatentransformation Statt mit kartesischen Koordinaten rechnen wir mit Kugelkoordinaten! Ein beliebiger Punkt P wird im sphärischen Koordinatensystem durch den Radius r und zwei Winkel (r, a, d) festgelegt. Dabei steht d für den Winkel zur xy-Ebene (geogr. Breite), a für den Winkel innerhalb der xy-Ebene (geogr. Länge). Umrechnungsformeln 1 P x, y, z r Der Ortsvektor zu P hat die Länge r. Somit gilt: r x2 y 2 z 2 P x, y, z a Der Winkel a (analog dazu bei d) kann in der xy-Ebene über trigonometrische Grundbeziehungen beschrieben werden: y y tan a a arctan x x P x, y, z d z z z sin d d arcsin arcsin x2 y 2 z 2 r r Umrechnungsformeln 2 P r ,a , d z z sin d z r sin d r P r ,a , d x Die Projektion von P in die xy-Ebene erhält man über r cos d . - die weitere Projektion auf die x-Achse durch x r cos d cos a r cos d cos a P r ,a , d y Analog dazu ergibt die Projektion auf die y-Achse: y r cos d sin a Beliebiger Punkt auf der Kugel Eine Möglichkeit, einen beliebigen Punkt auf der Kugel zu definieren – alternativer Zugang: Wir betrachten den vertikalen Großkreis der Kugel mit Radius r, der beim Schnitt mit y=0 entsteht (entspricht Nullmeridian – wobei ein Meridian eigentlich nur ein Halbkreis ist!): Funktion q : 0, 2 R 3 r cos t q (t ) 0 r sin t Nun lassen wir den entstanden Kreis um einen beliebigen Winkel s rotieren. Dazu multiplizieren wir q(t) mit der Rotationsmatrix Q. cos s sin s 0 Q sin s cos s 0 0 0 1 Ein Punkt auf der Kugel mit den Koordinaten r, t (geogr. Breite, 0 bis 2 bzw. – bis ) und s (geogr. Länge, 0 bis 2 bzw. – bis ) genügt daher folgender Parameterdarstellung. r cos s cos t Q q t r sin s cos t DERIVE v02 r sin t Visualisierung von Breiten- und Längenkreisen bzw. Raumpunkten Wenn man in der Parameterdarstellung der Kugel einen der beiden Winkel durch einen fixen Wert ersetzt, erhält man Breiten- bzw. Längenkreise! Wenn beide Parameter durch Werte ersetzt werden, erhält man die kartesischen Koordinaten eines Raumpunkts! Beispiele: t ersetzen durch d = 48° (N) – Plot des Breitenkreises s ersetzen durch a = 16° (O) – Plot des Längenkreises Plot des Raumpunkts Wien(6371,16°,48°)! DERIVE v03 Großkreise - Orthodrome Ein Großkreis entsteht durch Schnitt der Kugel mit einer Ebene durch den Kugelmittelpunkt. Ein Großkreis wird daher über die beiden folgenden Gleichungen definiert: 2 2 2 2 x y z r n X 0 Kugelgleichung Ebenengleichung Eine Parameterdarstellung geht von der Darstellung eines Kreises in der Ebene aus: kebene : r cos t , r sin t Im Raum in der xy-Ebene! 1 0 kraum : r cos t 0 sin t 1 0 0 Für die Definition eines beliebigen Großkreises ist also eine entsprechende Orthonormalbasis erforderlich: k grosskreis : r cos t u 0 sin t v 0 In der sphärischen Geometrie interessieren wir uns in erster Linie für Großkreise, die durch zwei Punkte am Kreis definiert sind. Wir müssen also, um eine entsprechende Orthonormalbasis für eine Parameterdarstellung zu finden, die beiden Ortsvektoren zu den Punkten P und Q einbinden! pq p pq … steht normal auf die Ortsvektoren der Punkte P und Q und damit normal auf die Ebene des Großkreises … steht normal auf die Normale des Großkreises, befindet sich also wieder in der Ebene des Großkreises und steht normal auf den Ortsvektor von P Normiert auf Länge 1 erhalten wir p p u0 , p r v0 p p q p pq Und damit den Großkreis mit: k grosskreis : r cos t u 0 sin t v 0 p pq p r cos t sin t p p pq Umgeformt mit p p q p p q und p r k grosskreis : cos t p sin t p pq pq DERIVE v04 Länge der Orthodrome Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten, als Teil eines Großkreises, nennt man Orthodrome (Geradlaufende). Für die sphärische Entfernung zwischen zwei Punkten P und Q gilt: Länge der Seite c PQ: PQ r arc c Wenn man nun mit Hilfe der Meridianbögen durch P und Q ein spärisches Dreieck erzeugt, kann man mit Hilfe der Sätze im Dreieck die Länge von c berechnen! Seiten-Cosinussatz: P r ,a P , d P , Q r ,a Q , d Q cos c sin d P sin d Q cos d P cos d Q cos a Q a P PQ r arccos sin d P sin d Q cos d P cos d Q cos a Q a P Loxodrome - Kursgleiche Sphärische Kurve, die entsteht, wenn auf einer Kugel mit Radius r ein fixer Winkel e zu den Meridianen eingehalten wird! Man spricht auch von einem konstanten Kurswinkel oder Azimut. Die Bedeutung der Loxodrome liegt in der praktikableren Navigation (mit Kompass) – bei speziellen Kartenentwürfen (Mercator) werden Loxodrome als Gerade abgebildet! Wir betrachten zwei knapp nebeneinander liegende Punkte P und P1 auf einer Loxodrome und konstruieren mit Hilfe der Meridiane durch P und P1 ein spezielles Dreieck mit einem Hilfspunkt Q am Breitenkreis von P. d ... geogr. Breite e e P1(a+a,d+d) s e P(ad) a ... geogr. Länge Q(aad) Wenn die beiden Punkte P und P1 unendlich knapp nebeneinander gewählt werden, entartet das sphärische Dreieck PQP1 zu einem rechtwinkeligen ebenen Dreieck mit der Hypothenus s! Die Beziehungen in diesem Dreieck lauten (a und d im Bogenmaß, r Radius der Kugel): PQ r cos d da (r cos d ... definiert den Radius des Breitenkreises) QP1 r dd PQ r cos d da tan e r dd QP1 da tan e dd cos d Die Umformung dieser Beziehung liefert folgende Differentialgleichung: DERIVE v05 Wir erhalten damit die Gleichung einer Loxodrome(nschar) mit Kurswinkel e: d C 4 2 a tan e ln tan Für die Berechnung einer bestimmten Loxodrome durch zwei Punkte P(aP, dP) und Q(aQ, dQ) kann man daraus ableiten – die Steigung tan e der Loxodrome beträgt: tan e aQ a P dQ dP ln tan ln tan 4 2 4 2 aQ a P , a P aQ dP tan 4 2 ln dQ tan 4 2 Loxodrome - Parameterdarstellung Die Parameterdarstellung der Loxodrome mit Steigung e tan e lautet: cos e t cosh t sin e t loxodrome(r , e) r cosh t tanh t Die Loxodrome ist ein Spezialfall einer logarithmischen Spirale! Loxodrome - Bogenlänge Für die Berechnung der Länge zwischen P und Q betrachten wir wieder das Dreieck PQP1 und berechnen die Länge von ds. r dd r dd cos e ds ds cos e dQ sBogen s dP r dd r d Q d P cos e cos e Die Bogenlänge der Loxodrome zwischen den Punkten P und Q beträgt: r s dQ d P cos e DERIVE v06 (Vergleich der Längen: Orthodrome, Loxodrome) Kartenentwürfe Bildet man die Erdoberfläche oder einen Teil von ihr auf eine Ebene ab, so entsteht eine geographische Karte! Problem: Längentreue in alle Richtungen ist unmöglich (Beweis durch Euler 1777) Möglich sind Längentreue in bestimmten Richtungen (z.B. entlang der Meridiane, Flächentreue und Winkeltreue) Verschiedenste Entwürfe (z.B. perspektivische, Zylinderund Kegelentwürfe) Abbildungsgleichung allgemein: x f 1a , d y f 2 a , d Mercator-Entwurf, Winkeltreue Der Mercator-Entwurf (Gerhard Mercator, 1512 – 1594) ist eine Zylinderprojektion. Die Erdoberfläche wird auf einen Zylindermantel projiziert, welcher die Erde am Äquator berührt. Der Zylinder wird nach der Projektion längs einer Mantellinie aufgeschnitten und abgerollt. Die Besonderheit gegenüber der klassischen Zylinderprojektion ist die rechnerische Korrektur, um Winkeltreue zu erzielen. Verzerrung bei Zylinderprojektion abhängig von der geogr. Breite d, mit Hilfe der ersten Fundamentalform von Flächen erhält man die dazugehörigen Verzerrungsfaktoren: z r sin d x r d senkrechter Vezerrungsfaktor cos d 1 waagrechter Verzerrungsfaktor cosd Verzerrung bei Mercatorprojektion Idee: Streckung in senkrechter Richtung – für winkeltreue Abbildung muss die Verzerrung gleich sein! Kompensation um: 1 cos 2 d Die neue senkrechte Komponente sei also v = f(d) mit: v 1 z cos 2 d Über mehrere Umformungen kommt man zu folgender Differentialgleichung: dv r dd cos d Die Lösung dieser Gleichung führt zu einer schon bekannten Lösung (vgl. Loxodrome): d v f d r ln tan C 4 2 Eine Loxodrome wird damit in der Mercator-Projektion als Gerade abgebildet! – Bedeutung für Navigation immens!