Seminaren 2

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Neuropsych. sem. 2
PTE ÁOK Pszichiátriai Klinika
Das Standardmodell des Zwangssyndroms als
Angststörung
Die Zwangsstörung findet sich sowohl in der ICD 10
(»International Classification of Diseases«, ICD) als auch in
dem DSM IV (Diagnostisches und statistisches Manual
psychischer Störungen, DSM) unter den Angsterkrankungen.
An sich harmlose, möglicherweise jedoch Schädigung, Gefahr
oder andere negative Konsequenzen ankündigende,
diskriminative Stimuli erhalten eine besondere persönliche
Bedeutung.
Da diese Sorgen nicht durch einfaches Flucht- oder
Vermeidungsverhalten reduziert werden können, muss die
durch sie ausgelöste quälende Unsicherheit in anderer Form
neutralisiert werden. Das geschieht in Form genau definierter
gedanklicher oder behavioraler Rituale, die zumindest
kurzfristig zur Reduktion der Schädigungsbefürchtungen
führen.
Die Rituale werden negativ verstärkt und sind somit als Form
»aktiven Vermeidens« (»tue das, sonst ...«) aufzufassen.
Verhaltensneurobiologie der Zwangsstörung
Die Aufrechterhaltung und Ausweitung zwanghafter
Verhaltensweisen werden als eine über operante
Mechanismen gesteuerte Problematik angesehen. Ihr
Auftreten wird durch Angst motiviert und durch
Angstreduktion aufrechterhalten.
Verhaltensbeobachtung
Die systematische Verhaltensbeobachtung von
Zwangspatienten weist auf wichtige Besonderheiten des
Zwangssyndroms hin, nämlich
- die ritualisierte Reaktionswiederholung,
- das aktive Aufsuchen angstrelevanter Stimuli,
- die häufige Abwesenheit von Angst,
- die Angstinduktion und
- die geringe Zahl phylogenetisch relevanter
Reaktionsklassen.
Verhaltensbeobachtung
Die ritualisierte Wiederholung eines Verhaltens oder Gedankens ist das
auffälligste Charakteristikum des Zwangssyndroms. Ausgewählt werden
solche Verhaltenseinheiten, die aufgrund der Erfahrung zum Nichteintreten
oder zur Beendigung eines unerwünschten Zustandes geführt haben.
Das aktive Aufsuchen bedrohungsassoziierter Signalreize stellt eine weitere
Besonderheit des Zwangssyndroms dar. Zwangspatienten tendieren dazu,
ein kritisches Situationsumfeld solange gründlich nach dem möglichen
Vorhandensein bedrohlicher Hinweisreize abzusuchen, bis derartige Stimuli
auch tatsächlich gefunden werden.
Die Angst ist nicht notwendigerweise die Hauptemotion eines Zwangspatienten.
Oft wird gar kein benennbares Gefühl, sondern nur eine diffuse Unruhe,
Erregung oder unspezifische Anspannung berichtet.
Auch ist die Induktion ängstlich getönter Unruhe eine übliche Folge von
Zwangshandlungen und v.a. -gedanken und nicht deren Reduktion
Schließlich ist die relativ geringe Zahl phylogenetisch relevanter
Reaktionsklassen des Ordnens, Kontrollierens und Reinigens sowie anderer
Sicherungen der persönlichen Integrität oder der einer nahestehenden
Person für Zwangsrituale charakteristisch.
Neuropsychologische Befunde I
Tendenz der Zwangspatienten zur Überstrukturierung.
rechtshemisphärische Beteiligung aufgrund solcher Defizite
geschlossen, die mit den in der klinisch-neuropsychologischen
Praxis üblichen visuokonstruktive und visuoräumliche
Funktionen prüfenden Tests erhoben wurde
eine frontalhirnbezogene Zuordnung nahelegen: So zeigten
sich wiederholt Defizite in Verfahren wie den Fluency-Maßen,
dem Stroop-, »Trail Making«, Planungsund »Wisconsin Card
Sorting Test« sowie in unterschiedlichen Prüfverfahren zur
Erfassung von Arbeitsgedächtnisleistungen, der
Umstellfähigkeit und der Reaktionsunterdrückung.
Entsprechend wurden diese Defizite im Sinne einer Störung
solcher Regelkreise interpretiert, die von spezifischen
Frontalhirnabschnitten zu den Basalganglien ziehen.
Neuropsychologische Befunde II
Die doppelte Dissoziation Methode
Dabei zeigten Zwangspatienten Defizite in einem »Object
Alternation Test«, der als sensitiv für orbitofrontal vermittelte
kognitive Funktionen angesehen wird, wohingegen
schizophrene Patienten Defizite im WCST produzierten, der
üblicherweise als sensitiv für dorsolateral präfrontal lokalisierte
kongitive Funktionen gilt.
Strategische Defizite
der Aufbau einer adaptiven Lösungsstrategie ist verhindert.
Störungen der kognitiven Inhibition, insbesondere die Unfähigkeit
einer automatischen Unterdrückung von Intrusionen
Mit neuropsychologischen Verfahren lassen sich
Gemeinsamkeiten bei klinisch distinkten Diagnosegruppen
aufdecken
Ergebnisse der Bildgebung
Die Ergebnisse bildgebender Verfahren (PET(Positronenemissionstomographie-)Untersuchung) haben mehrheitlich einen
Hypermetabolismus in den neuronalen Regelkreisen ergeben, die vom
präfrontalen, insbesondere dem orbitofrontalen Kortex zum Neostriatum
ziehen
Im Ergebnis zeigten sich bei diesen Patienten deutliche Hyperaktivitäten in
orbitofrontalen Kortexbereichen sowie im rechten Nucleus caudatus, linken
Thalamus und linksanterioren Gyrus cinguli.
Bei keiner anderen psychischen Störung fand sich derart konsistent eine auf
die Basalganglien, die orbitofrontalen Kortizes und den Thalamus
beschränkte Hyperaktivität.
Zusammenfassend lässt sich aus den Befunden der Bildgebung schließen,
dass der orbitofrontale Kortex zwar die kritische Schnittstelle vieler
Angststörungen zu sein scheint, die Daten bei Zwangspatienten jedoch
offensichtlich sehr viel konsistenter auf eine Überaktivität der vom
orbitofrontalen Kortex zum Nucleus caudatus laufenden Schleife weisen.
Den Basalganglien scheint in diesem Zusammenhang eine besondere
Bedeutung zuzukommen.
Psychopharmakologie: Die Rolle des Serotonins
Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Das Prinzip dieser »selective Serotonin
reuptake inhibitors« (SSRI) besteht in der Blockade eines der
Inaktivierungsmechanismen, mit dem Transmitter und Neuropeptide dem
synaptischen Spalt wieder entzogen werden können
Serotonin und Verhalten. Die Neurone, die den Neurotransmitter Serotonin
verwenden, verfügen im Hirnstamm über besonders viele Kollaterale und
haben von daher eher modulatorische Regulator- als spezifische
Verhaltensfunktionen.
Diese Modulation wirkt zum einen phasisch auf die Steuerung repetitiver
Handlungen und die Umstellung von Verhaltensplänen und zum anderen
tonisch auf die Aufrechterhaltung der Körperposition.
Im einzelnen bewirkt die phasisch feuernde Fraktion serotonerger Neurone
die Steuerung rhythmischer Abläufe wie dem Lecken, Beißen, Kauen,
Kratzen, Gehen und Atmen. Die Aktivität der mehrheitlich tonisch feuernden
Neurone ist dagegen mit der Steuerung der Vigilanz im Tag-Nacht-Zyklus
assoziiert und mediiert auf diese Weise die motorische Aktivitätslage.
Damit ist es an den Verhaltensklassen der Impuls-, Aggressions- und
Stresskontrolle sowie der Affektregulation und der Steuerung der
Kooperativität beteiligt.
Die Pharmakologie der SSRI
beruht beim Zwangspatienten trotz ihrer im Prinzip agonistischen Wirkung im
Wesentlichen auf adaptiven Prozessen, durch die eine bessere
Feinregulation der infrage kommenden Verhaltensmuster bewirkt wird.
In der Frühphase der SSRI-Gabe die Wirkung vermehrt verfügbaren Serotonins
an den postsynaptischen Zellen wird durch präsynaptische Autorezeptoren
antagonisiert. Dabei entfalten sie ihre Wirkung vermutlich nicht direkt,
sondern über die Auslösung bestimmter Hormone (ACTH, Renin, Prolaktin)
und Neuropeptide (Oxytozin, Vasopressin, /?-Endorphin).
Die Fehlregulation beruht darauf, dass bei den Zwangsstörungen die an
Serotoninrezeptoren reichen Strukturen der orbitofrontal-striären
Regelkreise gestört sind. Über die SSRI kann die Dysregulation des
serotonergen Messfühlers zumindest teilweise kompensiert werden.
Damit kommt dem Serotonin für die Zwangs Symptome vermutlich keine
ursächliche Bedeutung zu. Mit Hilfe dieses Transmitters lassen sich jedoch
auch die deregulierten frontostriatalen Regelkreise zumindest teilweise
readjustieren.
Neuroanatomie, Elektrophysiologie und
Neurochirurgie
Die Untersuchungen hirnanatomischer Auffälligkeiten ergaben sehr
uneinheitliche Ergebnisse, nämlich einseitige oder bilaterale
Verkleinerungen der Nuclei caudatii- vergrößerte Volumen des rechten
Caudatus- verkleinerte Volumina beider Caudatii…, beidseitig eine MRTverifizierte Reduktion der Körper des Nuclei caudatus
Die vorliegenden EEG-Untersuchungen lassen sich insgesamt im Sinne einer
Tendenz zur Hyperreagibilität interpretieren
Neurochirurgische Eingriffe stellten einen bereits früh praktizierten Versuch der
Einflussnahme auf irreversible Zwangssymptome dar.Bevorzugt wurden u.a.
präfrontale, transorbitale und anteriore Cingulektomien durchgeführt. Diese
Verfahren trennen Faserzüge der Strukturen des präfrontalen Kortex.
Neurochirurgische Eingriffe werden trotz verfeinerter Operationstechniken
stets eine Ausnahme darstellen. Empfohlen werden sie derzeit nur bei
absolut therapierefraktären Syndromen schwersten Ausmaßes
Physiologische Modelle I
Anatomie.
Zentrale Bedeutung zweier cerebraler Regionen: die Basalganglien und der
orbitofrontale Kortex. Die Kerne der Basalganglien sind über zahlreiche
Regelkreise mit dem Kortex verbunden.Für die Zwangsstörung ist v. a. eine
vom präfrontalen Kortex zu den Basalganglien laufende direkte und indirekte
Verbindung von Bedeutung.
Die direkte Projektion verläuft vom lateral orbitofrontalen Kortex zum
ventromedialen Kopfteil des Nucleus caudatus und von dort durch das
interne Glied des Globus pallidus und der Substantia nigra pars reticulata
über den Thalamus zurück zum präfrontalen Kortex. (O Abb. 11.1).
Demgegenüber hat die indirekte Projektion ihren Ursprung im dorsolateralen
Abschnitt des präfrontalen Kortex. Die Bahnung verläuft zum dorsolateralen
Kopfteil des Nucleus caudatus, geht dann über das externe Pallidusglied
zunächst zum Nucleus subthalamicus und erst von dort über die
Ausgangsstationen der Basalganglien und den Thalamus zurück zum
präfrontalen Kortex.
Physiologische Modelle II
Physiologie.
Die Projektionen der direkten und indirekten Wege folgen einer komplizierten
seriellen Verschaltung von inhibitorischen und exitatorischen Impulsen. (So
wird die am Eingang des Striatums eintreffende exitatorische Energie zunächst in
inhibitorische Aktivität umgesetzt und die inhibitorisch wirkende Ausgangsstation der
Basalganglien (Globus pallidus internus und Substantia nigra pars reticulata)
abgeschwächt. Dadurch wird die inhibitorische Projektion zum Thalamus gehemmt,
sodass der Thalamus stärker aktiv ist und sein zum Kortex führender exitatorischer
Weg weiter enthemmt wird). Auf diese Weise bewirkt der »direkte Weg« eine
Aktivierung des Kortex über die kurzzeitige Enthemmung des Thalamus.
Den gegenteiligen Effekt hat der indirekte Weg. Dieser nämlich schwächt den
aktivierenden Nettoeffekt des direkten Weges ab. (So führt der indirekte Weg
vom Striatum zunächst inhibitorisch zum Globus pallidus externus. Da dessen
Projektion zum Nucleus subthalamicus ebenfalls inhibitorisch ist, wird dessen
inhibitorische Projektion gehemmt. Im Ergebnis führt die Hemmung der Hemmung
wiederum zu einer Enthemmung, diesmal zu der des Nucleus subthalamicus. Damit
wird der vom Nucleus subthalamicus zu den Ausgangsstationen der Basalganglien
führende exitatorische Weg nicht mehr genügend gehemmt und seine Grundaktivität
steigt weiter an. Auf diese Weise wird der zum Thalamus führende inhibitorische
Ausgang der Basalganglien weiter verstärkt und die exitatorische Projektion des
direkten Weges abgeschwächt).
Physiologische Modelle III
Verhaltenseffekte.
Die Aktivität des direkten Weges wird für die
Aufmerksamkeitsfokussierung bei der Durchführung komplexer
Verhaltenssequenzen verantwortlich gemacht. Der Aktivität des
indirekten Weges wird dagegen eine besondere Bedeutung bei
der Modulation des direkten Weges zugeschrieben, sodass der
Organismus in die Lage versetzt wird, auf alternative
Handlungspläne umzuschalten.
Bei der Zwangsstörung komme es zu einem relativen
Übergewicht des direkten Weges. Aufgrund der relativ
verminderten Kapazität des indirekten Weges, kann von einmal
gestarteten Verhaltens oder Gedankensequenzen nicht mehr
auf adaptive Programme umgeschaltet werden - genau wie es
bei der Symptomatik des Zwangspatienten der Fall ist.
Eine effektive, pharmakologische oder verhaltenstherapeutische
Therapie scheint daher durch eine Stärkung des indirekten
Weges erfolgreich zu sein .
Physiologische Modelle IV
Funktionelle Bedeutung des orbitofrontalen Kortex.
die Aktivität des orbitofrontalen Kortex wird mit der Wiedererkennung der für
Verhaltensprogramme relevanten Stimuli und der Organisation
zielgerichteter Antworten in Verbindung gebracht. Der bei der
Zwangsstörung offensichtlich weniger betroffene dorsolateral-präfrontale
Kortex dient dahingegen Handlungsregulations- und
Entscheidungsprozessen bzgl. kognitiver Basisfunktionen (z. B.
Arbeitsgedächtnis, Umstellfähigkeit) in vorrangig solchen Situationen, in
denen unabhängig vom emotionalen Charakter der Situation die
notwendigen Verhaltensstrategien internal zu generieren sind.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die neurophysiologische Basis
der Zwangsstörungen in einer mangelnden Abschwächung des direkten
orbitofrontal-neostriatalen Weges durch den indirekten
dorsolateral/präfrontal-neostriatalen Weg gesehen wird. Diese mangelhafte
Modulation des exitatorischen Weges führt über die Beteiligung des
orbitofrontalen Kortex zu Beeinträchtigungen der Handlungsregulation in
emotional bedeutsamen Situationen. Durch die vorrangig orbitofrontale
Involviertheit kommt es zu den über Hypervigilanz, Hyperreagibilität,
Automatismenverlust, Perseveration und Disinhibition
handlungsinkompatibler Impulse gesteuerten Symptomen v.a. in persönlich
bedeutsamen Situationen, wohingegen sich die Patienten in den für sie als
neutral deklarierten Zonen völlig unauffällig verhalten können.
Das Konzept der Zwangsspektrumsstörungen I
Historisch-postenzephalitischen Zwangsymptomen.
Klinisch ganz unterschiedlich erscheinende
Erkrankungbilder aus den Bereichen der
Körperschemastörungen (z.B. der Anorexia nervosa), der
Impulskontrollstörungen (z. B. Trichotillomanie) und
neurologischer Erkrankungen der Basalganglien (z.B.
Gilles de la Tourette) wurden zur Metakategorie der
Zwangsspektrumsstörungen zusammengefasst.
Gemeinsam ist diesen Erkrankungen der repetitive
Charakter einzelner Symptome und die Unfähigkeit der
Unterdrückung unangemessener Impulse und
Verhaltenstendenzen.
Für eine solche Zusammenfassung sprachen darüber hinaus
v.a. die Befunde zur Komorbidität, Bildgebung,
Medikamentenwirksamkeit und Neuropsychologie.
Das Konzept der Zwangsspektrumsstörungen II
Alle genannten Störungen sind durch pathologische Veränderungen der
präfrontalen, insbesondere orbitofrontalen Rindenabschnitte und ihrer
zugehörigen Regionen im Striatum gekennzeichnet. Da sich diese
Veränderungen zum einen durch eine Hyper-, zum anderen durch eine
Hypofrontalität auszeichnen und die Metabolismusraten wiederum mit
systematischen Unterschieden in der Kompulsivität und Impulsivität
einhergehen, wurden die Zwangsspektrumsstörungen auf einer Kompulsivitäts-Impulsivitäts-Dimension angeordnet
Am Kompulsivitätspol dieser Dimension ist die durch maximale Hyperfrontalität
und Risikovermeidung gekennzeichnete Zwangsstörung zu finden,
während am Impulsivitätspol die durch ein Maximum an Hypofrontalität und
Risikosuche gekennzeichnete antisoziale Persönlichkeitsstörung lokalisiert
ist. Dazwischen sind von der Kompulsivität zur Impulsivität gehend die
körperdysmorphe Störung, Anorexie, Depersonalitätsstörung und
Hypochondrie angeordnet.
Im mittleren Bereich der Dimension finden sich die Tourette-Störung sowie die
Impulskontrollstörungen und dicht am Impulsivitätspol liegt die BorderlineStörung. Gegen einen allzu breiten Einschluss zu vieler Erkrankungen gibt
es allerdings auch gegenteilige Auffassungen
Das Konzept der Zwangsspektrumsstörungen III
Auch die serotonerge Sensibilität unterscheidet die Pole der KompulsivitätsImpulsivitäts-Dimension. Wie aus Provokationsstudien und
Wirksamkeitsanalysen der SSRI geschlossen wurde, korreliere der
kompulsive Pol mit einer serotonergen Hypersensibilität, während der
impulsive Pol durch eine verminderte serotonerge Sensibilität
gekennzeichnet sei
Allerdings scheinen die SSRI an beiden Polen der Zwangsspektrumsstörungen
unterschiedlich zu wirken: am kompulsiven Pol sprechen sie offensichtlich
später an, wirken dafür aber dauerhafter, während sie am Impulsivitätspol
eine schnellere, dafür aber weniger beständige Wirkung erzielen
In Bezug auf die Neuropsychologie entsprechen die Befundmuster im
Wesentlichen denen der Zwangsstörung, indem vorrangig Ausfälle in
exekutiven Funktionen und visuokonstruktiven Leistungen sowie verbalen
und nonverbalen Gedächtnismaßen festzustellen sind. Darüber hinaus
scheint es entsprechende Zusammenhänge auch mit der körperdysmorphen
Störung sowie in Bezug auf die Impulskontrollstörung für den Kaufrausch
und für die Trichotillomanie zu geben. Für die Spielsucht wird das Konzept
diskutiert. Bezüglich Zwangsstörungen des Kindesalters weist enge
Komorbidität von Tic- und Zwangssymptomen hin.
Das Verhaltens-Hemm-System I
Die referierte Datenlage lässt sich ebenfalls gut in die
»Behavioural Inhibition Theorie« (BIS) von Gray und
McNaughton (2000) einordnen. Das für Zwangs- und
Angsterkrankungen relevante »Verhaltens-Hemm-System«
werde durch konditionierte »Stimuli für Gefahr, Bestrafung
und Nicht -verstärkung«, »angeborene Angststimuli« und
»novelty« aktiviert und über das Hippokampus-SeptumSystem gesteuert. Dieses System stehe über zahlreiche
Regelkreise mit unterschiedlichsten zerebralen Systemen
in enger Verbindung. Dazu gehören u.a.: orbitofrontaler
Kortex, entorhinaler Kortex, Gyrus cinguli, Basalganglien
und Thalamus.
Der orbitofrontale Kortex projiziert über die entorhinale
Rinde u. a. in den Hippocampus. Die Efferenzen des
Hippokampus ziehen von dessen Ausgangsstation, dem
Subikulum, u. a. in den Nucleus accumbens, der wiederum
massiv in die Basalganglien, nämlich den ventralen
(limbischen) Teil des Striatums und in die medialen
Frontalkortizes projiziert.
Das Verhaltens-Hemm-System II
Nach Gray führt die Wahrnehmung bedrohungsassoziierter Stimuli über
das Hippokampus-Septum-System zur behavioralen Inhibition, die in
einer Erhöhung der Aufmerksamkeit,der Unterbrechung der laufenden
Verhaltensprogramme und einer genauen Evaluation der auslösenden
Stimuli und des kritischen Situationskomplexes besteht sowie über
den funktionellen Einbezug der Amygdala zu einem Anstieg des
allgemeinen Erregungsniveaus führt (O Abb. 11.2).
Dabei wird die kritische Situation derart auf die Abwesenheit von
Bedrohungssignalen überprüft, dass die Wahrscheinlichkeit einer
Identifikation eben dieser, eine mögliche Schädigung signalisierender
Hinweisreize steigt. Dieses steht im Einklang mit der Funktion des
Hippokampus als »mismatch-detector«: Durch die Art der Evaluation
wird gerade der Typ gefahrenrelevanter Hinweisreize generiert, der das
Verhaltens-Hemm-Syndrom initial ausgelöst hat und nun erneut
auslöst.
Der auf diese Weise geschlossene positive Feedback-Kreis stellt für die
Betroffenen eine vollständige Verhaltensblockade dar, der nur noch mit
Hilfe besonderer Hilfstechniken gelöst werden kann. Diese zeigen sich
klinisch als zeitlich begrenzt wirksame Ritualausübungen, die die
Funktion von Sicherheitssignalen erhalten. 
Das Verhaltens-Hemm-System III
Da die der Sicherheit dienenden Rituale wegen des über aktiven
Verhaltens-Hemm-Systems vom gleichen Evaluationsprozess
begleitet werden wie die das initiale Inhibitionssyndrom auslösenden
Stimuli, kommt es zur erneuten Generierung bedrohungsrelevanter
Stimuli.
So wird auch das eigentlich der Sicherheitsförderung dienende Ritual
genauestens im Hinblick auf das Vorhandensein seiner perfekten
Ausübung und dem Nicht-vorhandensein kleinster Abweichungen von
diesen Perfektionsregeln evaluiert - und damit selbst zur Quelle der
Auslösung neuer Rituale.
Denn bei einem an derart strengen Kriterien orientierten
Evaluationsprozess müssen sich stets Hinweise für Ungenauigkeiten
in der Ritualausübung finden.
Das wiederum zieht die Ausweitung des Sicherheitsrituals nach sich - mit
der Folge einer fast endlos wachsenden Zahl von Wiederholungen,
ohne dass Angst als Emotion dabei zwingend notwendig ist
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