20.10.04, Lerntechniken, B.Quednow

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Lerntechniken
Tutorium: Medizinische Psychologie
Boris B. Quednow
WS 04/05
Gedächtnissysteme:
zeitlich und qualitativ klassifiziert
• zeitliche Aufteilung:
+ Ultrakurzzeitgedächtnis (ikonisch/echoisch)
+ Kurzzeitgedächtnis / Arbeitsgedächtnis
+ Langzeitgedächtnis (memory in process, Gedächtnisverzerrungen ...)
• qualitative Aufteilung > neuropsychologisch validierbar (Squire, 1991):
+ deklarativ (explizit/verbalisierbar) vs. non-deklarativ (implizit)
+ deklarativ: semantisch (Wissen) vs. episodisch (Erlebnisse)
+ non-deklarativ:
- prozedural (skills = Können)
- Habituation/Sensitivierung
- Konditionierung
- Priming
!
Semantisches Netz
Säuger
Fisch
Hai
Kiemen
Lunge
Wal
ist ein
hat
Beispiel: Epilepsie
• Was wissen Sie spontan?
• allgemeines Schema für Krankheiten auffüllen (Pathologie):
+ Epidemiologie: Wie häufig? Risikogruppen?
+ Ätiologie (Ätiopathologie, Pathophysiologie): Ursachen, Disposition/Auslöser
+ Diagnostik: relevante diagnostische Verfahren und ihre Verwendung
+ Symptomatik: Semiologie epileptischer Anfälle, Anfallsklassifikation, ...
+ Syndrome
+ Therapie: AED, OP, Stimulationsverfahren, Alternativtherapien
+ Evaluation
+ [Medizingeschichte: Epilepsie in Geschichte und Kunst/Literatur]
> allg. Schemata als Checklisten (alles gelernt?), Landkarten und Abrufhilfen
> kann an jedem Knoten unendlich vertieft werden > Lernstoff auswählen!
Medizin als semantisches Netz ( "Fremdsprache") -
Studium = Aufbau einer komplexen Wissensstruktur
Therapien
Objektive "Abweichungen"
(Diagnostik)
• Laborparameter + Genetik
• zellulär: Histologie
• anatomisch: Bildgebung
• Physiologische Messungen f(t)
Diagnosen
Subjektive "Abweichungen"
(Anamnese)
Lerntechniken für effektives Lernen
 Inhalte strukturieren
 Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten suchen, Übersichten lernen dann
mit Details auffüllen
 Aktive Auseinandersetzung mit den Inhalten
 Tabellen, Skizzen anfertigen, Zusammenfassungen und Gliederungen
erstellen
 Interferenzvermeidung
 Massives Lernen ähnlicher Inhalte vermeiden, sinnvolle Reihenfolge des
Lernstoffes erstellen
 Multimodale Informationsaufnahme
 Informationen über verschiedene Sinneskanäle aufnehmen, lesen,
sprechen, hören, Skizzen
Lernzeitstrukturierung
 Studie von Bliesener et al.

Verteiltes vs. Massives Lernen vor der Prüfung



Verteiltes Lernen während des ganzen Semesters oder
massiertes Lernen in den Tagen vor der Prüfung
Beide Lerntypen sind erfolgreich mit einem nur leichten Vorteil
des verteilten Lernens
Verteiltes Lernen bedeutet größeren zeitlichen Aufwand
während des Semesters, aber geringeren Aufwand vor den
Prüfungen und deutlich weniger Stress
Die Vergessenskurve (Ebbinghaus)
Vergessenskurve (Ebbinhaus, 1885)
Ersparnis in %
100
80
60
40
20
0
Start
0,5 Std. 1 Std.
8 Std. 24 Std. 2 Tage 5 Tage
Zeit
1
Monat
Lernzeitstrukturierung
 Studie von Bliesener et al.

Lernzeiteinteilung (chaotische vs. planende Lerner)




Deutlicher Vorteil bei Studenten die ihre Lernzeit einteilten
Beste Leistung erbrachten Studenten die Lerneinheiten zu je
1,5 Stunden durchführten
Aber: Wechsel der Lernstrategie war oft kontraproduktiv und
verschlechterte die Leistung
Empfehlungen:



Kein massiertes Lernen sondern in kleinen Portionen während
des ganzen Semesters
Konsolidierung von Wissen benötigt Zeit, daher Pausen
einplanen
Eigenen Lernplan finden, den idealen Lernplan für jeden gibt es
nicht
Effektiv lernen - was ist das?
• Grundziele: Verstehen (1), Enkodieren (2) und Abrufenkönnen (3)
1. Verstehen = neue Knoten an eigenes semantisches Netz "anknüpfen"
Nicht- oder Falschverstandenes wird niemals richtig abgerufen!
Analogie: Lesen eines fremdsprachlichen Textes
Schritt 1: Vorwissen aktivieren - was wissen Sie? was nicht?
Schritt 2: Überblick gewinnen, Text 2-3 mal zügig lesen!!
Schritt 3: zunächst nur wesentliche Unklarheiten klären (Wörterbuch etc.)
Schritt 4: Systematik entdecken/erzeugen = Gliederung, Überschriften
Schritt 5: exzerpieren > Texte, MindMaps, Lernkarten, usw.
Schritt 6: erst jetzt vertiefen > Details erarbeiten (Normwerte, Kennziffern)
Schritt 7: freie Wiedergabe (z.B. einem virtuellen Freund erklären)
= semantische Verdichtung des Lernstoffs: Kategorien, Cluster usw.
Effektiv lernen - was ist das?
• Grundziele: Verstehen (1), Enkodieren (2) und Abrufenkönnen (3)
1. Verstehen = neue Knoten an eigenes semantisches Netz "anknüpfen"
+ SQ3R-Technik: Survey, Questions, Read, Recite, Review
+ PQ4R-Technik: Preview, Questions, Read, Recite, Review, Rehearse
Gewöhnen Sie sich ein immer gleiches Vorgehen an,
um darüber nicht jedes Mal wieder neu nachdenken zu müssen!
Effektiv lernen - was ist das?
• Grundziele: Verstehen (1), Enkodieren (2) und Abrufenkönnen (3)
2. Enkodieren = Konsolidierung der "Knoten"
- vollautomatischer neurochemischer (langjähriger) Vorgang
- Motivation/Emotion: Gehirn speichert "wichtige" Inhalte eher
- Konsolidierung nicht durch Einspeicherung ähnlicher Inhalte stören:
* Pausen (vgl. Leistungsaufbau im Sport: Trainingspausen!)
* Wechsel der Lerninhalte in angemessenen Intervallen (40-50 min.)
* nach dem Lernen schlafen !
- Diskriminierbarkeit der Gedächtnisspuren steigern
- optimierte Enkodierung: multimodal (Suggestopädie?), "tiefe" Verarbeitung
- Lernen im Schlaf/unter Hypnose? Konsolidieren im Schlaf/unter Hypnose?
Effektiv lernen - was ist das?
• Grundziele: Verstehen (1), Enkodieren (2) und Abrufenkönnen (3)
3. Abrufenkönnen
- free vs. cued recall vs. recognition: Yes/No, n-AFC
- Abruf als Re-Konstruktion (vgl. Feld-/Beobachtererinnerung)
- Abrufen/Erinnern als prozedurale Fertigkeit: Üben, üben, üben ....
- Abrufreize sind immer bereits beim Enkodieren mitgelernt worden !
(z.B. transfer appropriate processing = situativer Kontext als Abrufhilfe)
- mögliche Bedeutung von Lerngruppen (positive Belohnungsstrategie)
- Abruf als Training, aber: Lernstoff muss dann neu konsolidiert werden!
- semantische vs. nicht-semantische Abrufhilfen (Mnemostrategien)
Effektiv lernen - was ist das?
• Grundziele: Verstehen (1), Enkodieren (2) und Abrufenkönnen (3)
3. Abrufenkönnen
spaced retrieval: allmähliche Vergrößerung der Behaltensintervalle
• Prinzip von Lernkarteien
• anfänglich 2-3 Tage täglich wiederholen
• dann nach 2-3 Tagen
• dann nach 1 Woche
• dann nach 1 Monat
• bei Abruffehlern: häufigere Wiederholung
• sehr effektiv, d.h. maximaler Lernerfolg bei minimaler Lernzeit!
Lerntechniken für effektives Lernen
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Vermeidung von Wissenskompartmentalisierung
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Kontextabhängigkeit des Lernens:
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Definition: Wissen über ein und den selben Gegenstandsbereich wird unter verschiedenen
Oberbegriffen getrennt aufbewahrt und nicht miteinander verknüpft
Vermeidung: Wiederholte Behandlung des selben Sachgebiets unter verschiedenen
Aufgabenstellungen und Gesichtspunkten
Informationen werden am besten in der Umgebung abgerufen in der sie auch gelernt wurden
Das betrifft örtliche Gegebenheiten (Raumgröße), aber auch Geräuschkulisse,
Raumtemperatur etc. und physiologische Zustände (Drogen Alkohol)
Daher Lernen möglichst in der Situation in der die Informationen später wiedergegeben
werden müssen – In Lerngruppen Prüfungssituationen nachstellen
Primacy und Recency – Effekte
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Dinge die am Anfang und am Ende eines Lernabschnitts gelernt werden besser behalten als
Dinge aus der Mitte
Daher die Lernabschnitte klein halten
Lerntechniken für effektives Lernen
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Lerngruppen
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Loci-Methode
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Gegenseitige Unterstützung und gegenseitige Ergänzung und Fehlerkontrolle
Möglichkeit zur Präsentation des gelernten Wissens, wichtig vor allem bei mündlichen
Prüfungen
Aber nicht für jeden das ideale, es gibt auch Einzellerner
Mnemotechnik zum Erlernen von Listen etc.
Begriffe werden mit Wegpunkten auf einem bekanntem Weg assoziiert
Beim gedanklichen Ablaufen des Weges werden dann die Listenelemente erinnert
Chunking
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Ebbinghaus fand heraus, dass das Kurzzeitgedächtnis 7±2 Informationseinheiten sog.
chunks aufnehmen kann
Ein Chunk kann nur eine einzelne Ziffer enthalten aber auch eine mehrstellige Zahl
Durch Zusammenfassen von Informationen zu Chunks wird die Kapazität des KZG
gesteigert
Beispiel: Erinnern von Telefonnummern
Lerntechniken für effektives Lernen
 Eselsbrücken
 Die Planeten
 Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten
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Die Hirnnerven:
Oma Oben Ohne Tanzt Tropfnass Aber Froh Vor Groß-Vater Alberts Haus
Ohne ordentliche Organisation treibt Trotzki Agitation für verbesserte
gesellschaftliche Verhältnisse auf Haiti
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1. Nn. Olfactorii 2. N. opticus 3. N. oculomotorius 4. N. trochlearis 5. N. trigeminus
6. N. abducens 7. N. facialis 8. N. vestibulocochlearis 9. N. glossopharyngeus 10.
N. vagus 11. N. accessorius 12. N. hypoglossus
Knochen der Schädelbasis
Stines sieben Keiler sind hintersinnige Schleimer
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Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto
Stirnbein, Siebbein, Hinterhauptsbein, Schläfenbein
http://www.thieme.de/viamedici/lernen/eselsbruecken/
Die PQ4R-Methode
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Preview = Vorschau (einen Überblick gewinnen): Zunächst verschafft sich der Leser lediglich
einen groben Überblick über den Inhalt des Textes. Dazu studiert er das Inhalts- und
Stichwortverzeichnis sowie Graphiken, Abbildungen und Zusammenfassungen. Sie vermitteln
erste wichtige Anhaltspunkte und Informationen.
Question = Fragen (texterschließende Fragen formulieren): In einem zweiten Schritt formulieren
Sie Fragen, die der Text bei Ihnen hervorruft und zu deren Beantwortung der Text eine Hilfe sein
könnte.
Read = Lesen (den Text durcharbeiten): Nunmehr lesen Sie den gesamten Text aufmerksam,
um die an den Text gestellten Fragen beantworten zu können. Gegebenenfalls formulieren Sie
neue Fragen, die sich aufgrund des Textstudiums ergeben. Sie sollten wichtige Textpassagen
markieren und Schlüsselbegriffe notieren, was zu einer schnelleren Orientierung im Text verhilft.
Reflect = Nachdenken (über den Text hinausgehen): Eine Vertiefung der erarbeiteten
Informationen erreichen Sie dadurch, daß Sie Assoziationen zu Schlüsselbegriffen oder
Kernaussagen bilden und Beispiele zu dem theoretisch Erörterten suchen bzw. die dargestellte
Praxis weitergehend reflektieren.
Recite = Wiedergeben (den Text fragebezogen zusammenfassen): Jetzt sollten Sie, ohne dabei
Ihre schriftlichen Aufzeichnungen zu verwenden, die an den Text gestellten Fragen beantworten.
Auf diese Weise werden die Hauptgedanken mit Ihren eigenen Worten wiedergegeben.
Review = Rückblick (die Textarbeit und ihren Ertrag bewerten): Fassen Sie den gesamten Text
noch einmal zusammen und überprüfen Sie ihn kritisch. Versuchen Sie dann, das Ergebnis der
Arbeit in Ihren eigenen Wissens- und Erfahrungsschatz zu integrieren.
Effektiv für sehr breiten Wissenserwerb und für Verständnisfragen aber sehr aufwendig
Lerntechniken für effektives Lernen
 Karteikarten – Technik I
 Die Lerninhalte in Teilgebiete unterteilen
 Für jedes Teilgebiet eine Zusammenfassung schreiben
 Dann für jedes Teilgebiet eine Karteikarte mit komprimiertem Inhalt
anlegen
 Auf eine kleinere Karteikarte übertragen und weiter reduzieren
 Fortsetzen bis sich auf einer sehr kleinen Karteikarte nur noch
Stichworte befinden
 Durch die permanente Beschäftigung mit dem Lernstoff wird dieser
sehr gut behalten und man kann zu einem Stichwort ein sehr
breites Wissensnetz aufbauen

Effektiv zum Erwerb von breitem Wissen und zum Aufbau von
Verknüpfungen aber sehr aufwendig
Lerntechniken für effektives Lernen
 Karteikarten – Technik II
 Fragen zum Text formulieren und diese zusammen mit den Antworten auf
Vorder- und Rückseite von Karteikarten schreiben
 Mit 5 Karteikästen arbeiten
 Sich die Fragen stellen und beantworten
 War die Antwort richtig, wandert die Frage einen Karteikasten weiter
 Sind alle Fragen in einem Karteikasten alle, fängt man im nächsten
Karteikasten von vorne an
 Wird eine Frage falsch beantwortet, fällt die Frage in den ersten
Karteikasten zurück
 Wenn eine im fünften Karteikasten richtig beantwortet wurde wird sie aus
der Lernliste genommen
 Auch als Computerprogramm verfügbar

Sehr effektive Technik um schnell viele Fakten zu lernen aber
Zusammenhänge werden nur schwer erfasst
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