Kognitive Typologie Prof. Wolfgang Schulze © 2009 Institut für Allgemeine und Typologische Sprachwissenschaft Ludwig-Maximilian-Universität München PPT-Version: Robert Schikowski Interaktion Kognition <> Umwelt: Phylogenese Struktur Umwelt Neuronales Netz Sensorik k(Umwelt) Prozess Assimilation Akkommodation Traditionelle Inbeziehungsetzung Sprache <> Kognition Kognition Sprache Umwelt Im Detail (Interaktion zentraler Bereich der Kognition <> Sprache): Umwelt Neuronales Netz Sensorik k(Umwelt) Sprache Top-down (Anti-Whorf) Bottom-up (Whorf) Explanationsebenen der Sprache (traditionell und kumuliert): Kommunikation synchrone Strukur ‚Kultur‘ diachrone Strukur Kognition funktional Sprache (L) formal Kognitives Paradigma Language of Thought (LoT) Universal Grammar (UG) Optimality Theory (OT) Verankerung Kognitiver Typologie • Universal Grammar • Funktion direkt: L = f(Kog) oder Kog = f(L) • Funktion indirekt: zwischem Sprache und Kognition steht vermittelnde Größe wie Kommunikation, Kultur etc. Vermittlung zwischen Sprache und Kognition Kognition Kommunikation Kognition Kultur Kommunikation Kultur Sprache Sprache Top-down (Sprache wird beeinflusst) Bottom-up (Kognition wird beeinflusst; mehr oder weniger stark) Geschichte des Terminus „Kognitive Typologie“ • 1989 wahrscheinlich erstmals erwähnt, parallel in: o o Lakoff, George: „The Invariance Hypothesis: Do Metaphors Preserve Cognitive Typology?” In: Series A, Paper No. 2666,143 Konstantinov, Yulian: Cognitive Typology and the Nature of the Linguistic Sign. Sofia: St. Kliment Ohridski • 1995 erneute Erwähnung (Konferenzankündigung zum Workshop on Metonymics, Uni Hamburg) • schließlich allmähliche Etablierung als eigene Disziplin, als Spezialgebietsangabe z.B. bei David Zubin (Uni Buffalo) und später Olga Fjodorova (Uni Moskau). Geschichte des Terminus „Kognitive Typologie“ • 1993 Erwähnung in anderem Kontext (Modellierung von Handlungsverläufen): Hoc, Jean-Michel: „Some dimensions of a cognitive typology of process and controll“. In: Ergonomics 36/11 • 1995 ähnlicher Kontext auf der Fourth International Conference on Computer-Aided Design and Computer Graphics (Wuhan, China). Beitrag ohne Autor: „Some dimensions of cognitive typology of computer aided design“ • 1996 ähnlicher Kontext auf der Eighth European Conference on Cognitive Ergonomics (Uni Granada). Beitrag: Détienne, Françoise, Jean-François Rouet, Jean-Marie Burkhardt, Catharine Deleuze-Dordon: „Reusing processes and documenting processes: toward an integrated framework”. Auszug aus der Zusammenfassung: „This paper presents a cognitive typology of reuse processes, and a cognitive typology of documenting processes”. Es gehe um „design with reuse and software documenting”, „cognitive models of design”, „cycles of planning, writing and revising” Voraussetzungen Kognitiver Typologie • Gruppierung vergleichbarer Phänomene • Hierzu nötig: tertium comparationis als Semantik der Variable • Findung des tertium comparationis: empirische Entdeckung (induktiv) o theoretische Postulierung (deduktiv) Zentrale Frage: Wie unterscheiden sich o gruppierte Phänomene in der Ausprägung der tertium-comparationis-Variable? Prinzip des typologischen Vergleichs tertium comparationis TC1 Phänomen 1 TC2 Phänomen 2 Typologische Distanz (TD) TC3 Phänomen 3 TC4 Phänomen 4 Anwendung auf Bereich Sprache • Gruppierung sprachlicher Phänomene • Linguistische Typologie setzt sprachliche Varianz voraus (TC!), und zwar o o Varianz zwischen Sprachen oder Varianz innerhalb einer Sprache • Untersuchung von: o o o Distanz zwischen Phänomenen/Sprachen jeweiligem Ausprägungsgrad des tertium comparationis Inhalt des TC Typologischer Vergleich zwischen und innerhalb von Sprachen tertium comparationis Sprache 2 Sprache 1 TC1 TC2 Typologische Distanz zwischen Sprachen TC1a Phänomen 1 TC1b Phänomen 2 TC2a Phänomen 3 Typologische Distanz innerhalb von Sprachen TC2b Phänomen 4 Vergleich als Konstruktion • Der typologische Vergleich ist ein kognitiver Akt, der Ähnlichkeit zwischen Phänomenen konstruiert • Die Definition eines TC und seiner Merkmale konstruiert Gruppen vergleichbarer Phänomene Folge: Keine Typologie ohne Charakterisierung des TC! Erkenntnistheoretischer Status des TC • Option 1: Immanent o o o o Phänomene teilen gewisse Merkmale Anhand dieser Merkmale werden sie vergleichbar TC emergiert über der Menge der gemeinsamen Merkmale Typologischer Raum als Summe der individuellen Distanzen zum TC Immanentes TC TC Familienähnlichkeit TC als struktureller als Gruppierungsfaktor Raum Defaultsetzung A) Quantitativ: Default ist das Objekt, das die meisten geteilten Merkmale enthält. B) Qualitativ: Default ist das Objekt, das die koparadigmatisierten Objekte bedingt. Immanenter qualitativer Default ist Erklärungsbasis für Varianz! Bedingung kann verschiedener Art sein (funktional, diachron, systematisch…). Diese Art der Bedingung ist in der Regel nicht umkehrbar. Erkenntnistheoretischer Status des TC • Option 2: Transzendent o o o o TC wird deduziert oder aus Empirie der immanenten Typologie abgeleitet, ist jedoch nicht im Paradigma gegenwärtig Annahme eines unterliegenden sujet, das die Mitglieder eines Paradigmas vereint Varianz auf der Beobachtungsebene ist entweder zurückzuführen auf Varianz im Sujet (mit direkter, ikonischer Abbildung) oder auf Varianz in dessen Ausprägung Zentrale Frage: Ist Sujet (= Kognition) tatsächlich transzendent, oder besteht ein immanentes Verhältnis zu den Phänomenen (= Sprache)? Antwerpen-Einladung und die Definition Kognitiver Typologie The purpose of this conference Konferenz hat Zweck is to bring together researchers Zuwegebringen von Kommunikation from the field of linguistics typology and 1. Bereich (field): Linguistische Typologie from the domain of cognitive approaches to language (broadly defined) 2. Bereich (domain): Kognitive Typologie to reflect on Theorieorientiert? how the typological and the cognitive enterprises in language Forschungsparadigmen interrelate Schnittstellen what they have to offer each other and/or Komplementär? how they can join forces Synergie in view of their shared goal of Gemeinsames Ziel postuliert: achieving an explanatory account of language. Erklärung von Sprache Beispiele für immanentes TC A) Substantiell. Z.B. Sprachen mit Ejektiven: I p’ t’ k’ II c’ f’ s’ III č’ l’ gemeinsames Merkmal/TC = [+Glottisverschluss] Typologische Distanz (TD) = restliche Merkmale Beispiele für immanentes TC B) Kategoriell. Z.B. Sprachen mit Instrumental: INST INST + COM INST + ERG INST + COM + ERG gemeinsames Merkmal/TC = INST TD = COM/ERG Beispiele für immanentes TC C) Strukturell. Z.B. Architektur der Personalpronomina: I SG DU PL II SG DU PL III 1 1 1 2 2 2 3 3 3 SG gemeinsames Merkmal/TC = Struktur der SG-Spalte TD = Struktur der übrigen Spalten DU PL Beispiele für immanentes TC D) Familienähnlichkeiten. Z.B. Kasussysteme: I II III IV NOM + ACC + ACC LOC + LOC ABL ABL Kein allen Objekten gemeinsames Merkmal + GEN Beispiele für Defaultsetzung A) Quantitativ: 70% aller Sprachen haben Kasussystem > Kasussystem ist Default. 100% aller Sprachen haben Laute > Laut ist (insignifikanter) Default. B) Qualitativ: Deixis ist Default, weil es eine Reihe anderer Phänomene bedingt. Deixis > Pronomen > Klitisierung > Personalflexion Deixis > Lokalisierung > Kasus Deixis > Anaphorese > Topik Beispiele für transzendentes TC A) Varianz im Sujet, z.B. kommunikativer Habitus: Kommunikativer Habitus Habitus 1 Habitus 1 Sujet Ikonische Abbildung Stil 1 Sprache Stil 2 Beispiele für transzendentes TC B) Varianz in der Ausprägung, z.B. Lokalisierung: Embodiment: Rücken Sujet (Kognition) Postessiv Sprache Reventiv TC und Kognitive Typologie • Kognitive Typologie lässt grundsätzlich beide Arten von TC zu. • Immanentes TC: Phänomene selbst sind in der Kognition anzusiedeln • Schwierig, da Sprache nicht mit Kognition gleichzusetzen! • Möglich: Vergleich großere Anzahl von Phänomenen, daraus Induktion von Kognition TC und Kognitive Typologie • Transzendentes TC: Kognition ist eines unter vielen Sujets, die Sprache erklären können • Andere Sujets z.B. Kommunikation, Funktion, Sprachwandel, Sprachzustand, taxonomisches Sprachinventar… • Option: Kognition ist das grundlegendste Sujet • Stellung der Kognition innerhalb der Vielfalt von Sujets ist immer zu begründen (empirisch oder deduktiv)! Andere Typologien und ihre TC • Kommunikative Typologie: Kommunikationsaspekte • Funktionale Typologie: Funktionen • Diachrone Typologie: Sprachwandel • Synchrone Typologie: Sprachzustand • Formale Typologie: Sprachinventar (taxonomisch) • … TC und Kognitive Typologie Kognition als zentrales Sujet Sprachzustand Kommunikation Kognition Sprachwandel Form Funktion TC und Kognitive Typologie Kognition als gleichgestelltes Sujet Kommunikation Kognition Sprache Sprachwandel Form Funktion Linguistische Disziplinen in der Kognitiven Typologie • Ist eine der klassischen Unterdisziplinen stärker zu beachten als andere? Jeweilige Verknüpfung: • Semantik > Konzeptualisierung > Kategorisierung • Syntax: MIT oder Construction Grammar bzw. Cognitive Grammar à la Langacker • Morphologie: o o o Kognitive Motivation für Architekturen Kognitive Motivation für Kategorisierung Kognitive Motivation für Morphosemantik und Grammatikalisierung • Phonologie: OT-basierte Hypothesen, aber auch MIT Überblick zur International Conference on Cognitive Typology (Uni Antwerpen, 12.04. – 14.04. 2000) • • • • • • • • • • • • • Balthasar Bickel, On the mutual integration of referents and events: Syntactic typology and cognitive effects Jürgen Broschart, Word class typology and the mathematics of prototype formation Mary Carroll, Typology and information organization Michael Cysouw, Who is who? The division of person space in pronominal paradigms Michael Daniel, The associative approach to plural pronouns (with special reference to 'strange inclusives') Nina Dobrushina, Towards a typology of manipulative speech acts Olga V. Fedorova, The discourse function of demonstratives in Tsakhur Gertraud Fenk-Oczlon, Cognitive economy - cognitive typology Elena Filimonova, Nature, culture, and compromise: Person hierarchy as a cognitive parameter Zygmunt Frajzyngier, A methodology for the typology of functional domains in language Mirjam Fried, The role of affectedness in grammatical patterning Dylan Glynn, She'll fall for sure: The parameters of possibility in the aspect of European love Kaoru Horie, Cognitive foundations of cross-linguistically variable form-meaning mapping: A case study from Japanese and Korean Überblick zur International Conference on Cognitive Typology (Uni Antwerpen, 12.04. – 14.04. 2000) • • • • • • • • • • • • Harry Howard, A neuromimetic synchronization account of the distinguishability universal, with illustration from Spanish Elena Kalinina, Motivation for copula presence with nominal predicates Kuniyoshi Kataoka, Deixis and 'world order' in English and Japanese speakers' spatial descriptions Gilbert Lazard, Two-level relationships between language typology and cognitive linguistics Dianyu Li, A cognitive account of Mandarin 'BA' in resultative and 'take-serial' constructions Ekaterina Lioutikova, Compound reflexives: A cognitive-typological approach Juana I. Marín-Arrese, On thematic-subject constructions in English and Spanish: A cognitive perspective Wataru Nakamura, Markedness, syncretism, and case theory John Newman, An experientially-grounded typology of posture verbs Toshio Ohori, Irene Kimbara, Ruetaivan Kessakul, and Kozue Takubo, Discourse framing of motion events: Some typological implications Krista Ojutkangas, Conceptualization models and the grammaticalization of body-part nouns: An example from the Finnic languages Sally Rice, A cognitively based description of Athapaskan lexicalization: Preliminaries to a typology Überblick zur International Conference on Cognitive Typology (Uni Antwerpen, 12.04. – 14.04. 2000) • • • • • • • • • • • • Wolfgang Schulze, The cognitive dimension of clausal organization in Udi Robin Setton, (Simultaneous) translation as a window on cognitive typology Anna Siewierska & Dik Bakker, Person asymmetries in the grammaticalization of agreement Valery Solovyev, Typology of the cognitive mechanisms of marking Leon Stassen, Typology as a reductionist method Christiane v. Stutterheim, Language specific differences in event construction Urmas Sutrop, Basic terms, list task, and a cognitive salience index Sergei Tatevosov, Aspectual asymmetry in the epistemic use of modals expressing possibility: Evidence from Russian Marina Tchoumakina, The semantic map of adverbial clause encoding Linda L. Thornburg & Klaus-Uwe Panther, Conceptual metonymies across languages Svetlana Toldova, The cognitive approach to long-distance anaphora in Daghestanian languages Satoshi Uehara, The speaker's roles in a cross-linguistic perspective: Toward a typology of linguistic subjectivity Linguistische Disziplinen in der Kognitiven Typologie • • • Konzeptualisierung und lexikalische Repräsentation Typologie der Metapher/Metonymie Typologie des blending • • Semantik Diskursanalyse • Kognitive • • • Syntax > Morphosyntax > Konstruktionen Morphosemantik und Grammatikalisierung; Ereignisstrukturen Paradigmatik Grammatik • Phonologie • • • • Kognitive Typologie verschafft Unterdisziplinen der Kognitiven Linguistik Zugang zur Typologie Kognitive Pragmatik (MIT) (S)DRT - (Segmented) Discourse Representation Theory Diskurs und Wissen (textuell, episodisch, enzyklopädisch > Semantik) Cognition-based conversation analysis Paradigmatisierung Oppositionsbildung Regelbasierte Phonologie Lexikalische Phonologie (> Optimalitätstheorie) Linguistische Disziplinen in der Kognitiven Typologie • Grundfrage der Kognitionswissenschaft nach Lakoff (1987:11): „Cognitive science is a new field that brings together what is known about the mind from many academic disciplines […]. It seeks detailed answers to such questions as: What is reason? How do we make sense of our experience? What is a conceptual system and how is it organized?“ • Also in der Linguistik: Wie gibt der Mensch der Welt Bedeutung? Wie spiegelt sich dieser Zuweisungsprozess in Sprache wieder? • Experiental realism: Mentales System (‚Gehirn‘) organisiert Erfahrungen seiner Interaktion mit der Umwelt Folge: Primat der Semantik: Konzeptualisierung > Semantik > Lexikalisierung (> Grammatikalisierung) Primat der Semantik: Ein Beispiel • Körper- und Körperteil-Konzepte häufig source domain für tiefgreifende Metaphern • Zunächst in Einzelsprachen belegt (z.B. bei Lakoff) • Dann Ableitung von Schemata des Embodiment > TC für ähnlich funktionierende Systeme <FIRST> <HEAD> <CHIEF> <ABOVE> <MORE> Unterbereiche der KogTyp 1. Source-Target-Typologie • Welche source domains (SD) werden verwendet, welche target domains (TD) sind betroffen? • Betrachtung bestimmter SDs: Welche TDs können sie bezeichnen? • Betrachtung bestimmter TDs: Durch welche SDs können sie bezeichnet werden? • Wie sind SDs und TDs taxonomisch eingebettet? Unterbereiche der KogTyp 2. Schematisierung link container center : periphery contact part : whole up : down source : path : goal Unterbereiche der KogTyp 2. Schematisierung • Wie stark sind bestimmte Schemata in Sprache ausgeprägt? • Gibt es direkte (ikonische?) Repräsentationen (directly-meaningful symbols bei Lakoff)? • In welchem Umfang greift Sprachsystem in Grammatikalisierung auf (welche) Schemata zu? • Wie interagieren die Schemata in typologischer Hinsicht? Unterbereiche der KogTyp 3. Kategorisierung aristotelisch fuzzy prototypisch Familienähnlichkeit generisch radial Unterbereiche der KogTyp 3. Kategorisierung • Wie stark ist bestimmte Kategorisierungsstrategie sprachlich repräsentiert? • Welche Mittel werden eingesetzt? • Welche Prinzipien der Generierung bestimmter Kategorientypen sind sprachspezifisch (Radialität!), welche universell (Prototypen?)? Unterbereiche der KogTyp 4. Hierarchisierung • • • • • Lexikalisch repräsentierte Hierarchien Grammatisch repräsentierte Hierarchien Strukturell repräsentierte Hierarchien Taxonomie von Hierarchien Typologie der Hierarchiesegmente (Subkategorisierung) Zusammenfassung zur Sondierung der Kognitiven Typologie • KogTyp bevorzugt transzendentes TC (= Kognition) • Typologischer Raum ergibt sich u.a. aus o o o verschiedenen Mustern der Wahrnehmung und sprachlicher Gestaltung verschiedenartiger Ausprägung von basic experimental structures (Lakoff) verschieden starkem Ausprägungsgrad kognitiver Größen in Sprache • Sprachen nehmen Partikularisierung basaler (universeller?) kognitiver Routinen vor • KogTyp verschafft Unterdisziplinen der KogLing Zugang zur Typologie; zentrale Unterdisziplin ist wie dort Semantik • Unterbereiche der KogTyp sind: o o o o Typologie von Source-Target Schematisierung Kategorisierung Hierarchisierung Theoretische Grundlagen: Metapher und Metonymie • Ausgangspunkt: Sprache als metaphorisches Wissenssystem (wobei hier Metapher ⊃ Metonymie) • Metapher: Referenz auf ‚Objekt‘ (TD) erfolgt unter Zugriff auf kognitiv direktere Repräsentation eines anderen Objektes (SD), das diesem ähnlich ist. Alternativ: Element einer Kategorie (TD) wird referiert durch Kategorienname (SD). • Metonymie: Referenz auf Objekt (TD) erfolgt unter Zugriff auf Repräsentation eines mit diesem in einer kategoriellen Einheit stehenden anderen Objekts. Alternativ: Kategorie als Kategorienname (TD) referiert durch Element (SD). Theoretische Grundlagen: Metapher und Metonymie • Ähnlichkeit (Metapher) und Einheit (Metonymie) können aufgrund verschiedener Faktoren konstruiert werden: o Kognition (ikonisch), z.B. Rücken > zurück Bild > Vorstellung o Erfahrung (experimental), z.B. Herbst des Lebens Tempo > Taschentuch o Konvention (symbolisch), z.B. Die Welt des Buches kluger Kopf > kluger Mensch o Idiosynkrasie (poetisch), z.B. Fenster feinden (Jakob von Hoddis) Zopf > Mensch Theoretische Grundlagen: Dinge und Namen • „Ein Mann fragte, als er einem Gespräch von Studenten über die Gestirne zuhörte: Ich verstehe, daß es den Menschen mit Hilfe aller möglichen Geräte gelungen ist, die Entfernung zwischen der Erde und den (...) Sternen zu messen (...). Aber ich möchte gern wissen, wie man nur die Namen der Sterne erfahren hat?“ (Wilhelm von Humboldt, nach Vygotskij 1969:308). • D.h.: Das Ding an sich sowie Beziehungen zwischen Dingen haben keine Namen. Folglich ist es nicht möglich, über die Dinge selbst zu sprechen: • „Wir glauben etwas von den Dingen selbst zu wissen, wenn wir von Bäumen, Farben, Schnee und Blumen reden, und besitzen doch Nichts als Metaphern der Dinge, die den ursprünglichen Wesenheiten ganz und gar nicht entsprechen.“ (Friedrich Nietzsche: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne (1872/3), 1(v)) Theoretische Grundlagen: Altes und neues Wissen • „Wenn du etwas weißt, kannst du es nicht lernen; wenn du es nicht weißt, kannst du es auch nicht lernen, weil du nicht weißt, was du lernen sollst.“ (Menon-Paradoxon) • „Even those transcendent parts of new knowledge cannot be completely unrelated to old knowledge, for otherwise they could never be grasped, at least by human beings” (Miller 1987) • D.h.: Die Verarbeitung von Umwelterfahrungen kann nur unter Zugriff auf bereits gemachte Erfahrungen und deren kognitive Repräsentation erfolgen. • Formaler: Die konstruierende Reaktion auf einen Umweltreiz (urα) erfolgt über die simultane Aktivierung von Analogien im Gedächtnis (urμ). Das Neue ist eine gradierte Varianz des Alten. So auch für die Sprache: Die sprachliche Repräsentation einer Umwelterfahrung (‚Objekt’) kann nur unter Zugriff auf bereits vorhandene Repräsentationen erfolgen Theoretische Grundlagen: Altes und neues Wissen • „ποταμοῖς τοῖς αὐτοῖς ἐμβαίνομέν τε καὶ οὐκ ἐμβαίνομεν“ – „In die selben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht“ (Heraklit) • D.h.: Das gegenwärtig Wahrgenommene ist nie dasselbe wie früher Erfahrenes. Der Zusammenhang zwischen den beiden Repräsentationsformen konstruiert sich u.a. aus: o o o o Gestaltähnlichkeitsvermutung Qualitativer Ähnlichkeitsvermutung Quantitativer Ähnlichkeitsvermutung Situativer Analogie • Verbindung zur Metapher: Die Repräsentation einer aktuellen Erfahrung ist die Metapher früherer Erfahrungen Theoretische Grundlagen: Metapher und Arbitrarität • Arbitrarität kann sich nicht nur auf überzeitliche Assoziation von signifiant und signifié beziehen, sondern auch auf Assoziation in konkreten Einzelfällen • Metapherntheorie verneint letztere Art der Arbitrarität, da signfifiant (SD) und signifié (TD) auf Grundlage früherer Erfahrungen, also nicht-arbiträr assoziiert werden • Die Abbildung eines Objekts (TD) erfolgt dabei über die lexikalische Repräsentation der Eigenschaften eines anderen Objekts (SD), gekreuzt mit den spezifischen Eigenschaften der metaphorischen Extension: (O2) (ψ(O1)) φ(O2) Also: In einer Metapher ist die Semantik der metaphorischen Basis (gradiert) enthalten. Theoretische Grundlagen: Funktion von Metaphorisierung • Funktion der Metaphorisierung: Verarbeitung unendlich varianter Erfahrung über ‚reduziertes‘ System der Repräsentation • Beachte aber: Reduktion ist nicht gesetzt, sondern Ergebnis der Konfrontation mit der Varianz der Erfahrung. • Also nicht: Weil Sprache endlich ist, muss sie metaphorisch auf die Unendlichkeit der Objekte reagieren, • Sondern: Weil die Unendlichkeit der Objekte nur endlich verarbeitet werden kann, müssen sie metaphorisch repräsentiert werden. Theoretische Grundlagen: Die metaphorische Basis • Wenn Sprache metaphorisch basiert ist, gibt es eine Art Basislevel, das als SD für sprachliche Strukturen dient? • Wenn ja, ist diese Ebene sprachlich oder vorsprachlich? • Wenn alle sprachlichen Strukturen aus dem repräsentationellen Bereich metaphorisch begründet sind, kann die Basis selbst nur vorsprachlich sein! • These: Kognition basiert auf einer sehr kleinen Zahl von basalen SDs, die in der Wahrnehmung und Erfahrung von Welt aktiviert werden. • Diese SDs werden durch ihre Verwendung in der Interaktion mit Welt angereichert. So können weitere, sekundäre SDs entstehen. • Eine extrem wichtige basale SD ist der menschliche Körper. Seine physiologische und funktionale Architektur sind Ausgangspunkt für zahlreiche Metaphern (> embodiment). • Beispiel: Bewegungserfahrung metaphorisiert auf Basis der Relevanz der Eigenbewegung Theoretische Grundlagen: Zusammenfassung • • • • • • • Es nicht möglich, über Dinge zu sprechen, sondern nur über Repräsentationen von Dingen. Weil die Dinge unendlich vielfältig sind, ist keine Wahrnehmung jemals identisch mit früheren Wahrnehmungen. Die Möglichkeiten der Repräsentation sind aber eingeschränkt, so dass es nötig wird, das Aktuelle zu reduzieren. Das Mittel hierfür ist die Metapher. Das Aktuelle wird als Metapher des Früheren konstruiert. Je weniger spezifisch eine Metapher auf Welt(erfahrung) reagiert, desto umfassender ist sie einsetzbar. Die Basierung neuen auf altem Wissen setzt ein anfängliches, vorsprachliches Basisinventar von SDs voraus. These ist, dass dieses Basisinventar klein ist und dass der menschliche Körper über embodiment wesentlichen Anteil daran hat. Anreicherung des Basisinventars durch Erfahrung kann zur Bildung sekundärer SDs führen. Dennoch enthält jede TD gradiert Semantik ihrer SD. Varianz in den Sprachen der Welt entsteht durch Unterschiede in: o o o Metaphorisierungswegen Einsatz von SDs Grad der Aktivität von SDs Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz I: Kognition gestaltet Umwelt Ansatz II: Umwelt gestaltet Kognition Ansatz III: Umwelt gestaltet sich in Kognition Ansatz IV: Neurophysiologie der Sensorik gestaltet Umwelterfahrung Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 1: Kognition gestaltet Umwelt • Primat des knower und seiner mentalen Prozesse • Welt ist prinzipiell unzugänglich und nur als gedächtnisbasiertes Konstrukt erfahrbar (daher auch „memory based theories“) • Akkommodation von Welt erfolgt über stetige Erweiterung des Gedächtnisses (‚Scharfstellung‘) • Schemata sind Teil des Verarbeitungsmodus von Erfahrungen (cognitive experimentalism) • Schemata resultieren dabei entweder aus Scharfstellung oder sind (nativistische Lesart) Teil eines angeborenen Inventars, das im Lauf der Evolution entstanden ist Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 1: Kognition gestaltet Umwelt • Bei Annahme von Scharfstellung: Schemata emergieren aus zunehmender Menge von als ähnlich konstruierten Umwelterfahrungen (‚Kondensierung‘ von Erfahrung in Schemata). Sie sind die kognitive Verkörperung von Erfahrung. • Erfahrung und Schemata bauen rekursiv aufeinander auf • Schemabildung abhängig von Vorgaben der Speicherarchitektur: basale Bahnungen entsprechen basalen Schematisierungen, zunähmende Komplexität der Verbindungen ermöglicht zunehmende Komplexität (Metaphorisierung) der Schemata • Kopplung von Kognition und Körper zwingt die Kognition zur Schematisierung von Erfahrungen nach Maßgaben der Körpererfahrung > embodiment. Der Körper ‚spricht’, wie das Individuum denkt (schematische Gestik, Mimik, Körperhaltung…) Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 2: Umwelt gestaltet Kognition • = vulgärer Whorfismus/vulgärer Objektivismus • Primat der Welt als object of knowledge und subject of becoming known; Welt hat eigene Struktur • Kognition als tabula rasa, die von der Struktur der Welt geprägt wird; mentale Prozesse adaptiv • Schemata als erfahrungsbasierte Abbildungen der Welt Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 3: Umwelt gestaltet sich in Kognition • ecological psychology, information pickup theories • Welt und Kognition stehen auf gleicher Höhe: Umwelt prägt das Wissen des Individuums, Individuum bringt Wissen in die Welt ein. Synergetischer Dualismus Animatum (aktiver Organismus) : Umwelt Animatum (d.h. auch Mensch) erfährt Umwelt, indem es sich in ihr bewegt und verhält. Kognition ist Epiphänomen des sich bewegenden Körpers. Perzeption erfolgt auf der Grundlage von Körperfunktion und –position (Propriozeption) > ‚objektive Relativität‘ der Raumerfahrung. Gestalt ist keine Qualität eines Objekts, sondern Ausdruck der (animaten) Zugangsart zu ihm. Bewegung und Perzeption bezwecken sich gegenseitig: • • • „(...) directed behaviors of animals comprise continuous cyclic relations between the detection of information and the performatory and exploratory activities that serve, in significant part, to facilitate that detection and which, in turn, are guided and shaped by it“. (Swenson & Turvey 1991:319) > Perception-Action Cycle (PAC): Perzeption garantiert Energiegewinnung garantiert Perzeption. Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 3: Umwelt gestaltet sich in Kognition • Ausgangspunkt: James Gibsons Trainingsprogramme für Piloten und Autofahrer während 2. Weltkrieg: Invariante Umwelt lenkt Perzeption; Orientierung nach außen anstatt an vestibulärer/kinästhetischer Sensorik • Gesamter Ansatz stark an naturwissenschaftlichen Methoden orientiert (law-based). • Chronologisch sortierte Literaturauswahl: o o o o Gibson, James J. 1966: The Senses Considered as Perceptual Systems. Boston: Houghton Mifflin. Neisser, U. 1976. Cognition and Reality. San Francisco: W.H. Freeman. Gibson, James J. 1977: „The theory of affordances.” In R. Shaw & J. Bransford (Hrsg.). Perceiving, Acting and Knowing. Hillsdale, NJ: Erlbaum. Gibson, James J. 1979: The Ecological Approach to Visual Perception. Boston: Houghton Mifflin. Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 3: Umwelt gestaltet sich in Kognition • Literaturauswahl (Fortsetzung): o o o o o • Turvey, M., & Carello, C. 1981: „Cognition: The view from ecological realism”. Cognition 10: 313-321. Turvey, M. T., & Shaw, R. E. 1979. „The primacy of perceiving: An ecological reformulation of perception for understanding memory”. In: L. G. Nilsson (Hrsg.). Perspectives on memory research: Essays in honor of Uppsala University's 500th anniversary, 167-222. Hillsdale, NJ: Erlbaum. Turvey, M. T., Shaw, R. E., Reed, E., & Mace, W. 1981. „Ecological laws of perceiving and acting: In reply to Fodor and Pylyshyn (1981)”. Cognition 9:23 7304. Lombardo, T. 1986. The reciprocity of perceiver and environment. Hillsdale, NJ: Erlbaum. Rod Swenson & Michael Turvey 1991. „Thermodynamic Reasons for PerceptionAction Cycles”. Ecological Psychology 3(4):317-348. Frühe Ansätze: o o Vernadsky, Vladimir I. 1924: La géochémie. Paris: Alcan Vernadsky, Vladimir I. 1929: La biosphère. Paris: Alcan Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 3: Umwelt gestaltet sich in Kognition • PAC beinhaltet die effiziente Nutzung bereits gewonnener Energie: je weniger Eigenenergie eingesetzt werden muss bzw. je mehr Energie resultiert, desto bessser • Ziel der Reduktion des Energieaufwands (primär für body actions, sekundär für mental actions) motiviert Reduktion von PAC-Tokens zu PAC-Types über prälinguistische Bewegungsschemata • Schemata basieren auf Zugänglichkeit der Umwelt: Kognition schätzt Eigenbewegung in Relation zu Fremdbewegung ein (EnergieHypothese, FORCE). Höherer Aufwand an Eigenenergie konstruiert Objekt als o o o o o • unzugänglicher entfernter beweglicher stärker spezifischer (zusätzlicher kognitiver Akt) Schemata aus PAC motivieren Lokalisierungsschemata: Entfernung = Bewegung • Energie Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 3: Umwelt gestaltet sich in Kognition • Individuum schematisiert seine Zugangsart zur Welt in dem Maße, wie sich die Welt schematisiert zeigt. • Objekt bestimmt durch seine Gestalt Zugangsart zu ihm, z.B.: o o Kugel = rundend/drehend Linie = fortschreitend/fortsehend • Umgekehrt bestimmt Zugangsart die Erfahrbarkeit der Gestalt, z.B.: o o o o aufwärts (mehr Energie) > OBEN abwärts (weniger Energie) > UNTEN langsame Bewegung um Objekt > GROSS schnelle Bewegung um Objekt > KLEIN • Abgleich von Objekten in varianter Perspektive/Motion führt zu Hypothesen über stabile Gestalt > Welt bildet stabilen ground für das Individuum (figure), das sich in ihr mit Hilfe von PAC bewegt Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 4: Erfahrung und Neurophysiologie • Welterfahrung ist entscheidend durch Physiologie der Wahrnehmung geprägt, die selektiert, extrahiert und interpretiert. Beispiele: • Stereopsie basiert u.a. auf binokularer Disparität: Die meisten Punkte werden im linken und rechten Auge auf nichtkorrespondierende Punkte der Netzhaut abgebildet. Je näher ein Objekt ist, desto stärker unterscheiden sich die Positionen dieser Punkte, woraus eine Distanzhypothese aufgestellt werden kann. • Albedo-Hypothese/Helligkeitskonstanz: Albedo (in der Wahrnehmung: Helligkeit eines Objekts) = Anteil von reflektiertem an einfallendem Licht. Helligkeit wird gleichmäßig konstruiert, auch wenn die anderen beiden Faktoren variieren. • Interposition: Nahe Objekte tendieren dazu, ferne Objekte zu überlappen. > Figure-Ground-Wahrnehmung • Elevation: Je näher am Horizont ein Objekt gesehen wird, als desto ferner wird es konstruiert. Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 4: Erfahrung und Neurophysiologie • Stroboskopische Bewegung: Zwischen aufeinander folgenden Zuständen wird Bewegung konstruiert • Phi-Phänomen: Das Wechsellicht zweier Lichtquellen wird als Lichtbewegung zwischen Punkten konstruiert • Motion parallax: Sich bewegende Objekte werden als schneller wahrgenommen, wenn sie sich nahe beim Seher befinden • Vektion: Fremdbewegung wird als Eigenbewegung interpretiert, wenn kein dritter Fixpunkt vorhanden ist • Autokinetischer Effekt: Kleiner Lichtpunkt im dunklen Raum wird als sich bewegend wahrgenommen Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 4: Erfahrung und Neurophysiologie • Invarianz: o o o o Size-Distance Invariance Hypothesis: Größe der retinalen Abbildung eines Objekts steht in Relation zur Distanz: Je kleiner die Abbildung, desto größer die Distanz. Size Constancy: Größe eines Objekts wird gleich konstruiert, auch wenn sich die Größe der retinalen Abbildung ändert Shape-Slant Invariance Hypothesis: Form und Flächigkeit in Bewegung finden Abbildung auf Retina Shape Constancy: Form eines Objekts wird gleich konstruiert, auch wenn sich die Größe der retinalen Abbildung ändert Schnittstelle Umwelt <> Kognition Ansatz 4: Erfahrung und Neurophysiologie • Herkunft von Schemata: • Sensorische Architektur konfiguriert primäre Distanz- und Konstanzhypothesen: o o Distanz (< dī-stāre) ‚Auseinanderstehen’ Konstanz (< cōn-stāre) ‚Zusammenstehen’ • Basale Schemata sind ikonische Reaktionen auf Dynamik der sensorischen Architektur, z.B. im visuellen Bereich: o o o Entfernung = binokulare Disparität, motion parallax Figure-Ground = Interposition Vertikalität = Elevation Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Schemata • Schemata sind komplexe Reaktionsmuster, die aus der strukturellen Kopplung der Architektur von Speicher, Motorik (PAC) und Sensorik entstehen. • Die drei Bereiche sind von unterschiedlicher Wichtigkeit für verschiedene Schemata, d.h. es existieren: o o o primär wissensbasierte Schemata primär motorisch basierte Schemata primär sensorisch (z.B. visuell) basierte Schemata Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Schemata • Verfahren der Bildung primärer Schemata: o o o ikonisch (PAC, Sensorik) pseudosymbolisch (imitativ) profilierend (gestaltend) • Gestalt ist nicht Eigenschaft von Objekten, sondern Ergebnis der Interaktion mit ihnen • Interaktion unter Zugriff auf primäre Schemata profiliert Objekte • Aus Profilierungsroutinen entstehen sekundäre (Gestalt-)Schemata Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Schemata • Schema-Überblendung: Schemata können miteinander interagieren, um neuere (auch komplexere) Schemata zu erzeugen • Durch Überblendung Steigerung der Varianz in der Interaktion mit der Umwelt • Beispiel: Interposition + Distanz > Figure-Ground, daraus Charakteristik: Ground: hinten unbeweglich massenartig unbegrenzt groß Figure: vorne beweglich individuiert begrenzt klein Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Schemata • Metaphorisierung von Schemata: Aktivierung eines Verarbeitungsmodus auf Grundlage einer Ähnlichkeitshypothese • Beispiele (SD > TD): o o o o o o o o Raum > Zeitraum PAC > Kraft Bewegung in Zeit (PAC) > Prozess Prozess + Varianz > Relation Autokinetischer Effekt > Eigendynamik Eigendynamik/Figure > Singularität Ground > Eigenschaft F/G > C/E Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Invarianz der Metapher • Lakoff, G. 1993: „The contemporary theory of metaphor”. In: Andrew Ortony (ed.). Metaphor and Thought, 202-251. Cambridge: CUP (hier p.215): „Metaphorical mappings preserve the cognitive topology (that is, the imageschema structure) of the source domain consistent with the inherent structures of the target domain.“ • • > These der Invarianz in Metaphern. Beachte Zusammenhang zu Invarianzen der Wahrnehmung (size-distance und shape-slant invariance hypothesis mit Ableitungen)! Schemata legen bei Metaphorisierung ihre Grundfunktion nicht ab: Diese bleibt stets zu einem gewissen Grad in der TD erhalten. Zeit ist also immer auch Ort, Prozess immer auch Bewegung etc. 229: „Abstract reasoning is a special case of image-based reasoning“ > Basale Schemata sind auch in abstraktem Denken präsent. Annahme, daß ganze Wissensstrukturen bei Metaphorisierungen übertragen werden. Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Selbstähnlichkeit • Grundlage der Invarianz-Hypothese: Selbstähnlichkeit • Selbstähnlichkeit beruht letztlich auf einer Art Spiegelung: Konstruktion eines Eingangsreizes erhält ihre kognitive Gestalt durch die Imitation eines ähnlichen Ereignisses aus dem Gedächtnis • Verbindung zur Fraktalgeometrie (Mandelbrot-Mengen): Wenn die grobe Struktur eines komplexen Systems bekannt ist, ähnelt ihr die Feinstruktur (vgl. Mandelbrot 1982 „The Fractal Geometry of Nature“) • Verbindung zu Markov-Ketten: Sprachliche Reaktion auf Umweltreiz basiert zum einen auf Gedächtnisanteil, zum anderen auf Zufallsanteil (aktuell/situativ). Inflation des Gedächtnisanteils ergibt Repräsentation des aktuellen Reizes Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Fraktale Sierpinski-Dreieck Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Fraktale Mandelbrot-Menge Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Fraktale Drachenkurve Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Inflation/Deflation bei Metapher • Inflation ist Mittel für Metaphorisierung; erfolgt unter dem Prinzip der Selbstähnlichkeit (niedrigere Ebene + X = höhere Ebene) • Deflation ist Mittel für Reduktion komplexer Erfahrung • Beispiel: Deutsch da: LOC > TEMP > CAUS: o o LOC wird über Inflation zu TEMP/CAUS metaphorisiert TEMP/CAUS enthalten Spuren ihrer Vorgänger, die über Deflation sichtbar werden Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Inflation/Deflation bei Metapher CAUS TEMP LOC Da ist der Bahnhof. Da lachte sie. Da er krank war, … Deflation Inflation Schnittstelle Umwelt <> Kognition Synthese: Inflation/Deflation in Perzeption urμ + X urμ Umweltreiz aus Gedächtnis infliert zu aktuellem Reiz urμ + X urμ Vergrößerung von X > Verringerung der Selbstähnlichkeit urμ + X urμ zunehmende Idiosynkrasie > Ausblendung von URμ, „kühne Metapher“ Zusammenfassung: Schemata und Metaphorisierung • 1. Kognition interagiert mit Umwelt über Schematisierung von Umwelterfahrungen. o o 1.1 Erst die Konzeptualisierung der Ergebnisse von solchen Interaktionen führt zur Ausbildung von Schemata. 1.2 Schematisierung geht damit den Schemata voraus. • 2. Schematisierung setzt zwei Komponenten voraus: o o 2.1 Gedächtnis-Komponente. Ohne Rekurs aufs Gedächtnis (‚Speicher-Hypothese‘) kann die Außenwelt nicht als Umwelt erfahren werden, womit auch Interaktion unmöglich wird. 2.2 Unmittelbare Komponente. Das Gedächtnis interagiert in einem unmittelbaren Prozess mit einem Umweltreiz. Zusammenfassung: Schemata und Metaphorisierung • 3. Schematische Interaktion mit Umwelt basiert u.a. auf: o o o o o o Architektur der Sensorik und deren Habitualisierung Inbeziehungsetzung von neuronalem Code und Typ der sensorischen Aktivität, mit Abbildung der Beziehung auf UR motorischem Zugang zu UR (> basale Gestalthypothesen) Bewegungs-/Energie-Hypothesen zur Zugänglichkeit von UR Hypothesen zur Eigen-schaft (counter force) von UR Short-Cut-Prinzip: Interpretation der Gestalt von UR unter Zugriff auf bereits gemachte bzw. disponierte Gestalterfahrungen (> embodiment) • 4. Gestalt = Schematisierung des Prozesses der Interaktion von Kognition und Umwelt (> Gestaltschemata) Zusammenfassung: Schemata und Metaphorisierung • 5. Dynamische Schemata wie auch Gestaltschemata unterliegen der Dialektik von Invarianz und Varianz. o o o o o o 5.1 Schemata sind in ihrer basalsten Form imitative, d.h. ikonische Verfahren 5.2 In jeder schematischen Interaktion beeinflussen sich URμ und UR gegenseitig: URμ wird akkommodiert, UR assimiliert 5.3 Primäre Metaphorisierung von Schemata hat ihren Ursprung in der Dialektik von Akkommodation und Assimilation (Gegenwart als Metapher der Vergangenheit) 5.4 Sekundäre Metaphorisierung tritt auf, wenn ein Schema einen UR erfasst, der bislang über andere Schemata, schwach oder gar nicht erfasst war 5.5 Primäre wie sekundäre Metaphorisierung beinhalten Projektion von Eigenschaften der SD auf TD (Invarianz, Selbstähnlichkeit). Zu jedem über ein metaphorisiertes Schema erfassten UR werden somit zugleich Eigenschaftshypothesen aufgestellt, die auf der SD dieses Schemas basieren. 5.6 Varianz findet sich in Gestaltung basaler Schemata Blending basaler Schemata Aktivierungsgrad von Source-Schemata in der Metaphorisierung ‚Auflösungsgrad‘ von Umweltreizen qua Diärese Zusammenfassung: Schemata und Metaphorisierung • 6. Konzeptualisierung = Speicherung eines Erfahrungskomplexes als eigenständig verarbeitbare Einheit. Schemata aller Art können in unterschiedlichem Maße konzeptualisiert werden. • 7. Konzeptualisierte Schemata werden indexikalisiert/ symbolisiert und ermöglichen so Versprachlichung der Interaktion von Kognition und Umwelt. o o 7.1 Sprachliche Schemata emergieren aus allgemeinen Schemata, die mit KoKo-Routinen gekoppelt sind. Sie können eigenständig metaphorisiert und symbolisiert werden. 7.2 Sprachliche Schemata gestalten sekundär rekursiv den schematischen Zugriff auf UR und damit die Umwelterfahrung. Schemata und Sprache • Ausgangsvermutung: Sprache verhält sich wie schema-basierte Interaktion von Kognition und Umwelt, ist also schematisch aufgebaut • Sprache benötigt Konzepte, d.h. Schemata, die durch wiederholte Aktivation (Engrammierung) als eigenständige Größe interpretiert werden • Schema-Repräsentation basiert auf graduellem Symbolisierungsprozess Schemata und Sprache Engrammierung • Grundlage: Hebb, Donald Olding [1904-1985] 1949: The Organization of Behavior: A neuro-psychological theory. New York: Wiley „Groups of neurons which tend to fire together form a cell-assembly whose activity can persist after the triggering event and serves to represent it“ (in Zusammenfassung durch Milner, P. M. (1986): „The mind and Donald O. Hebb.” Scientific American 268, 124-129). • Oder einfacher: The neurons that fire together wire together“ (Hebb 1949:7) Schemata und Sprache Engrammierung Schemata und Sprache Symbolisierung • Zellverband (cell-assembly) bildet URμ-Komplex dauerhaft ab und ist damit primitive Form (‚neuronale Plastik‘) einer Repräsentation • Voraussetzung: Kortex ist Konstruktionsergebnis bidirektionaler ‚plastischer‘ Prozesse (E. Bates): o o Gene → Struktur Erfahrung → Struktur • Basis sprachlicher Schemata ist die Metaphorisierung schematischer Strukturen • Diese werden zunächst strukturnah (ikonisch) konstruiert • Je stärker die Bahnung, desto eher kann es später zu Symbolisierung kommen: Ein auf Konzeptualisierung beruhendes kognitives Ereignis wird als von seiner Struktur unabhängiges Informationssegment interpretiert. • Sobald Zellverband den motorischen Bereich der Artikulation integriert, entsteht eine artikulierte Repräsentation Schemata und Sprache Zugriff auf Schematisierungsverfahren (linguistic profiling) • • Schematisierungsverfahren können strukturell oder substantiell repräsentiert werden. Strukturell: Abbildung des Verfahrens analog zur Struktur des Schemas. Beispiele: o o o o • Substantiell: Abbildung des Verfahrens unter teilweisem oder durchgängigem Zugriff auf metaphorisch gewonnene konzeptuelle Analogien. Beispiele: o o o • Relationalität Bewegung (trotz Zenons Paradoxon > stroboskopische Bewegung) Distanz daraus inferierte Eigenschaften von Nähe/Ferne Anfang/Ende Veränderung (> Prozess) Transformationen: o o Strukturelle Beziehung kann in substantielle transformiert werden Substantiell repräsentierte Schemastruktur kann in strukturelle Repräsentation transformiert werden Schemata und Sprache Abbildungsarten abnehmende Invarianz • Bei der Abbildung von Schematisierungsverfahren kann deren Struktur in unterschiedlichem Ausmaß erhalten bleiben: Grundmuster X → Y I vollständiger Strukturerhalt X’ →’ Y’ IIa teilweiser Strukturerhalt [X→]’ Y IIb teilweiser Strukturerhalt X [→Y]’ III Strukturüberlagerung [X→Y]’ Schemata und Sprache Sprachliche Auflösung • • • • • Für Abbildung mit Strukturerhalt müssen die Strukturkomponenten für eigenständige Konzeptualisierung zugänglich, d.h. symbolisiert sein Folge: Sprachliche Auflösung schematischer Strukturen setzt Konzeptualisierungsbasis für mögliche Komponenten voraus (schwacher Whorfismus) Auflösungsgrad wird durch Parameter der Diärese und primäre Gestalteigenschaften der Schemata bestimmt und ist selbst ein Parameter für Varianz Auflösung und Gestaltgewinnung können rekursiv aufeinander folgen: X → Y > X’ [→Y]’ > X’ → Y’ Konzeptualisierung eines komplexen Schemas kann o o o auf primärer Auflösung beruhen auf sekundärer Auflösung beruhen, wobei auf adäquate strukturelle/substantielle Repräsentationen zugegriffen wird (Export) durch sekundäre Verschmelzung aufgelöster komplexer Schemata erfolgen (Import) Schemata und Sprache • Zwei Arten der Beziehung zwischen Schemata und sprachlichen Segmenten, die deren Metaphorisierung repräsentieren: o o Invarianz: Segment bildet vollständigen Skopus der Metaphorisierung einschließlich der schema-internen Varianz ab Varianz: Segment beschränkt sich in der Abbildung auf (basalen oder higher level) Source-Bereich eines Schemas bzw. ist durch diesen motiviert. Gilt analog für metaphorische Ebene. • Variante Segmente verfügen über eigenständiges Metaphorisierungspotential, das durch nichtschematische Aspekte sprachlicher Praxis bzw. sprachlichen Wissens motiviert ist