5a. Der radioaktive Zerfall

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„Within a finite period of time past, the earth must have been,
and within a finite period of time to come, the earth must again be
unfit for the habitation of man.”
Lord William Thomson Kelvin
Grundlagen der Kernstrahlung und der
Radioaktivität.
Der radioaktive Zerfall.
Péter Maróti
Professor für Biophysik, Universität Szeged, Ungarn
Lehrbücher:
Biophysik für Mediziner (Herausgeber S. Damjanovich, J. Fidy und J. Szöllősi) Medicina,
Budapest, 2008, Seiten 150-168.
Fercher A.F. Medizinische Physik, Springer, Wien, New York 1992.
Haas U. Physik für Pharmazeuten und Mediziner
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH. Suttgart 2002.
Maróti P., Laczkó G.: Bevezetés a biofizikába, JATEPress, Szeged 1998 (Ungarisch)
P. Maróti, L. Berkes, F. Tölgyesi: Biophysics Problems. A Textbook with Answers. Akadémiai Kiadó,
Budapest 1998 (Englisch).
Themen
• Das Zerfallsgesetz der Radioaktivität
• Die Halbwertszeit
– Geologische Altersbestimmung von Gesteinen mittels der Kalium-Argon
Methode,
– Altersbestimmung der Uran enthaltenden Gesteine
– Radiokarbondatierung archäologischer Funde
• Radioaktive Strahlungen
• Die radioaktiven Zerfallsarten
– Neutronen- und Protonenzahlen stabiler und radioaktiver Nuklide
– Verschiebungssatz nach Soddy und Fajans
• Die natürliche Radioaktivität
• Die Zerfallsreihen in der Natur
• Aktivitätsverlauf eines Mutter-Tochter-Systems
• Radioaktives Gleichgewicht: laufendes- und Dauergleichgewicht
Die drei Typen der radioaktiven
Strahlung im Magnetfeld B
Nach Marie Curies Dissertation aus
dem Jahr 1904.
RS: radioaktive
Substanz
Das Zerfallsgesetz der Radioaktivität
Die Kerne eines radioaktiven Stoffes zerfallen nicht auf einmal. Nur ein bestimmter
Prozentsatz zerfällt jeweils.
Daraus ergibt sich, daβ die Zahl der zerfallenden (-ΔN) und die Zahl der vorhandenen
Atomkerne (N) in jedem Augenblick (Δt) einander proportional sind:
 N
   t
N
Der Bruchteil der in einer bestimmten Zeit zerfallenden Kerne (also das Verhältnis der
zerfallenden zu den noch vorhandenen) ergibt die Zerfalls-oder Umwandlungskonstante
λ:
 N 


N 


t
Wenn N0 ist die Anzahl der zu Beginn des Zeitabschnittes t vorhandenen Kerne, N, ist
die Anzahl der nach Ablauf der Zeit noch unzerfallenen Kerne, t, ist die Dauer des
Zerfallvorganges, λ, ist die Zerfallskonstante und e ist die Euler’sche Zahl (Basis des
natürlichen Logarithmensystems (= 2,71828...), dann gilt nach Integration der obigen
Gleichung
N  N0  e
  t
Umwandlungsgesetz
Die Halbwertszeit
Unter der Halbwertszeit TH versteht man die Zeit, in der die Hälfte der jeweils
vorhandenen Atomkerne zerfällt.
Nach der Definition der Halbwertszeit
N (t = TH) = N0/2,
deswegen zwischen der Zerfallskonstante und der Halbwertszeit besteht die
Beziehung:
TH 
ln 2


0,693
N (t )  N 0  2


t
TH
Die Halbwertszeiten der Radionuklide liegen zwischen ~10-7 s und ~ 1017 Jahre.
Element
Z
A
TH
Zerfallsart (MeV)
P
15
32
14,3 Tage
β- (1,71)
Co
27
60
5,271 Jahre
β- (1,71), γ (1,33)
Sr
38
90
28,5 Jahre
β- (0,5)
Tc
43
99
6,01 Stunden
γ (0,14)
I
53
123
13,2 Stunden
K-Einfang; γ (0,16)
Th
90
232
1,405·1010 Jahre
α (4,01)
Radioaktivität
Unter der Aktivität eines radioaktiven Präparats versteht man entweder
- die Umwandlungsrate der Stoffmenge (kinetische Bestimmung) oder
- die Häufigkeit mit der sich in einem aus N Atomen bestehenden Präparat
Umwandlungen ereignen (statistische Definition):
dN
a
dt
Da N abnimmt, ist dN/dt < 0; das Minuszeichen in der Definition stellt einen
positiven Zahlenwert für a sicher.
Laut des Umwandlungsgesetzes, N(t) beschreibt eine exponentiellen
Abnahme. Deswegen nimmt die Aktivität eines einzelnen radioaktiven Nuklids
auch exponentiell ab:
a(t )  a(0)  e   t
Geologische Alterbestimmung von Gesteinen
mittels der Kalium-Argon Methode
Weil K in den meisten Mineralien enthalten ist, kann die Kalium-Argon-Methode
zur geologischen Alterbestimmung von Gesteinen benutzt werden.
Im Element K kommt das Nuklid 40K (heute) mit einer relativen Häufigkeit von
0,0117% vor und wandelt sich mit einer Halbwertszeit von 1,23·109 Jahren in
stabiles 40Ar um. Durch die Bestimmung des Verhältnisse der Konzentrationen
von 40K und 40Ar kann das Alter des betreffenden Gesteins bestimmt werden.
Nehmen wir an, daβ das Verhältnis der Konzentrationen von 40K und 40Ar in
einem Gestein genau 1:1 ist. Wie alt ist dann das Gestein?
 K (t )   K  2
 Ar  (t )   K   K (t )
 Ar  (t )   K (t )  2  1
40
 t / TH
40
0
40
40
40
0
40
40
t / TH
Wenn Ar   K  , dann t  TH  1,23 109 Jahre
Alterbestimmung der Uran enthaltenden
Gesteine
Problem: In einem Gestein, das auch Uran enthält, entfällt auf jedes Uranatom
ein Bleiatom. Wie alt ist das Gestein?
Lösung: Das letzte Glied der 238U92 Zerfallsreihe ist 206Pb82,so dass sich das
Blei fortwährend im Gestein anhäuft. Wenn heute ein Bleiatom auf drei
Uranatome fällt , dann ist ein Viertel (¼ ) der Uran Atome (die ursprünglich in
dem Gestein waren) schon zerfallen, und es bleib nur noch Dreiviertel (¾)
übrig. Deswegen:
t

3
 2 TH ( e  t )
4
wo t die Zeit bezeichnet ist seit dem Entstehen des Gesteins und TH ist die
Halbwertszeit des radioaktiven Zerfalls des Urans: TH = 4,51·109 Jahre.
Nehmen wir die Logarithmen (Basis 10) der beiden Seiten: lg(3/4) = -t /TH·lg(2)!
Damit erhalten wir t = 1,87·109 Jahre.
Zur Lösung der Aufgabe annehmen wir an, dass
• das stabile Blei-Isotop ausschlieβlich durch den radioaktiven Zerfall entstand, und
• keinerlei Substanzen aus dem Gestein seit dem Entstehen entweichen konnten (z. B.
Gas-Zwischenprodukte im Verlaufe des radioaktiven Zerfalls).
Radiokarbondatierung archäologischer Funde
Das in höheren Schichten der Atmosphäre entstehende 14C-Isotop (β- -Strahler) gelangt
im CO2 zur Erdoberfläche. Es zerfällt mit einer Halbwertszeit von tH = 5730 Jahren. Da
es laufend nachgebildet wird, stellt sich ein stabiles Verhältnis von 14C zu 12C-Atomen in
der Atmosphäre und damit auch (durch Photosynthese (Assimilation) in den Pflanzen
ein. Über die Nahrungskette gelangt das 14C im selben Verhältnis auch in den
Stoffwechsel tierischer und menschlicher Körper.
Mit dem Tod eines Lebenswesens jedoch endet der Stoffwechsel. Die Zahl der stabilen
12C-Atome bleibt unverändert, die der radioaktiven 14C-Atome nimmt mit t = 5730
H
Jahren ab. Das Alter der zu datierenden Stoffprobe wird aus dem Vergleich der Aktivität
des 14C mit der eines entsprechenden Stoff der Gegenwart ermittelt.
 Ct    Ct  0 2
14
Tod
14

t
TH
Radioaktivität, radioaktive Strahlungen
Es gibt 3 Arten radioaktiver Strahlung, die einzeln, aber auch gemeinsam
vorkommen.
Die α-Strahlung setzt sich aus α-Teilchen, das sind Kerne des Heliums,
zusammen. Die Teilchen der α-Strahlung bestehen aus zwei Protonen und zwei
Neutronen.
- Weil die α-Teilchen elektrische (zwei positive elementare) Ladungen
mitbringen, wirkt auf sie im magnetischen Feld eine Kraft (LORENTZ-Kraft) ein.
Daher ist die α-Strahlung mit einem Magnet ablenkbar.
- Die Anfangsgeschwindigkeit der α-Teilchen beträgt etwa 107 m/s. Als Maβ für
die Energie der Strahlung dient die Reichwerte der α-Teilchen. Die α-Strahlen
haben in der Luft eine geringe Reichweite (nur einige (sechs) Zentimeter).
Zwischen Reichweite R und der Zerfallskonstanten λ des die Strahlung
emittierenden Nuklids besteht ein Zusammenhang, der durch die GEIGERNUTTAL-Regel beschrieben wird:
log   A  B  log R
A und B sind Konstanten.
Radioaktivität, radioaktive Strahlungen
Die β-Strahlung besteht aus Elektronen groβer Geschwindigkeit. Die
energiereichsten β-Strahlen erreichen etwa 90% der Lichtgeschwindigkeit.
Die β-Strahlen eines Radionuklids haben ein kontinuierliches Energiespektrum,
das von kleinen Energien bis zu einer oberen Grenzenergie reicht. Je grösser
die Zerfallskonstante des strahlenden Nuklids ist, desto grösser ist auch die
Energie der schnellsten vom Element ausgesandten β-Strahlen. Gleichzeitig
mit der β-Strahlung wird eine Neutrinostrahlung emittiert. Die Summe der
Energien des Neutrinos und des zugehörigen Elektrons ist gleich der Energie
der oberen Grenze des Spektrums.
Mit einem Magnet kann die β-Strahlung entgegengesetzt zu den α-Strahlen
durch die Lorenz-Kraft abgelenkt werden. Sie wirkt schwach ionisierend.
Die γ-Strahlung ist eine elektromagnetische Welle mit sehr kurzer Wellenlänge
(noch kürzer als die der Röntgenstrahlen). Die γ-Strahlung tritt meist
gleichzeitig mit der α- oder β-Strahlung auf.
Ein Magnet kann diese nicht ablenken. Weil sie organische Gewebe angreift,
muβ dieses durch dicke Bleiplatten abgeschirmt werden.
Die radioaktiven Zerfallsarten
Jeder natürliche Zerfall eines Atoms beruht auf einem Überschuss an Protonen
oder Neutronen, durch den der Kern instabil wird.
α-Zerfall: 2 Protonen und 2 Neutronen sind zusammenschlossen zu einem αTeilchen). Dadurch verkleinert sich die Massenzahl A um 4 und die
Ordnungszahl Z um 2.
β-Zerfall: besteht aus Elektronen aus dem Kern. Die Elektronen entstehen
wenn ein Neutron zu einem Proton wird:
Neutron → Elektron + Proton + Antineutrino.
Dabei bleibt die Massenzahl A unverändert, die Ordnungszahl Z wächst um 1,
denn die Zahl der Protonen ist gröβer geworden.
Die γ-Strahlung tritt nicht allein auf. Sie ist eine Begleiterscheinung von α- und
β-Zerfall. Nach dem Ausschleudern der Teilchen bleiben die Atome in einem
angeregten Zustand zurück, der sie befähigt, elektromagnetische Wellen
auszusenden. Die Emission einer γ-Strahlung verändert weder die Massenzahl
noch die Ordnungszahl des emittierenden Nuklids.
Neutronen (N)- und Protonen (Z)- Zahlen stabiler
und radioaktiver Nuklide
Mit den leichten Nukliden dominieren Kerne mit N = Z. Ab 40Ca gibt es stabile Nuklide
nur mehr für N > Z, mit zunehmender Ordnungszahl werden die Nuklide –stabil und
radioaktive – immer neutronenreicher. Die relativ zu den stabilen Nukliden
neutronenreicheren Nuklide sind β- -Strahler, die neutronenarmen Nuklide sind β+, oder
α2+ -Strahler oder Elektronen-Einfänger.
Die radioaktiven Zerfallsarten
α-Zerfall. Diese Zerfallsart findet man für Ordnungszahlen Z > 60 und
Massenzahlen A > 144 und vor allem für die schweren Kerne mit Z > 83.
Das Mutternuklid XM wandelt sich in das Tochternuklid XT um:
A
Z
XM  
A 4
Z 2
XT
Beispiele für α-Strahler sind
226
88
Ra   
222
86
210
84
Po   
206
82
238
92
U  
234
90
Rn   
218
84
Po
Pb
Th
Die α-Teilchen haben diskrete Energien zwischen 1,5 MeV und 10 MeV and
geben einen Hinweis auf diskrete Energieniveaus der Bausteine im Atomkern.
α-Umwandlung, Tunneleffekt
Man findet bei
anderen αStrahlern auch
mehrere, immer
aber genau
eingehaltene
Energien der
emittierten
Teilchen.
238
U234 Th  
Die austretenden α-Teilchen
besitzen sehr präzise ein- und
dieselbe Energie: Eα = 4,8 MeV.
Die α-Teilchen laufen alle mit
ein- und derselben Energie
gegen den Potentialwall im
Innern des Kerns.
r (fm)
Die Schalenstruktur
des Kerns manifestiert
sich.
Potentielle Energie EP eines α-Teilchens im 238U-Kern in Abhängigkeit von der
Entfernung r vom Mittelpunkt des Restkerns 234Th mit dem Kernradius 9,2 fm.
Es gibt prinzipiell zwei Wege für das α-Teilchen aus dem Kern: A) über den
Potentialwall und B) durch den Potentialwall: Tunneleffekt
Die radioaktiven Zerfallsarten
β¯ -Zerfall. Im Kern wandelt sich ein Neutron (n) in ein Proton (p) um bei
gleichzeitiger Emission zweier Teilchen, dem Elektron und dem Antineutrino
(des Elektrons) :
n  p  β  νe
-
Der β¯ -Zerfall tritt bei solchen Kernen auf, die im Vergleich zu ihrer
Protonenzahl zu viele Neutronen besitzen. Dieser Neutronenüberschuss wird
durch den β¯ -Zerfall abgebaut und es entsteht ein Tochternuklid mit gleicher
Massenzahl, jedoch mit einer um eins erhöhten Ordnungszahl:
A
Z
XM 
XT 
A
Z 1
0
0
e e
0
1
Die beobachtete Energieverteilung der β-Teilchen ist kontinuierlich, weil die
gesamte Umwandlungsenergie beim Prozess sich statistisch auf beide Teilchen
(Elektron und Antineutrino) verteilt. Die Energien liegen zwischen wenigen keV
bis zu 14 MeV.
Die radioaktiven Zerfallsarten
β+ -Zerfall (Positronenzerfall) tritt bei solchen Kernen auf, die im Vergleich zu
Neutronenzahl zu viele Protonen enthalten. Der β+ -Zerfall führt daher zum
Abbau des Protonenüberschusses im Kern. Der einer Positronenemission
zugrunde liegende Prozess ist die Umwandlung eines Protons des Kerns in ein
Positron β+ und ein Neutrino:
p  n  β  νe
Ein Nuklid entsteht mit gleicher Massenzahl aber mit einer um eins geringeren
Ordnungszahl:
A
Z
XM 
A
Z 1
XT 
0
1
e  νe
0
0
Die Umwandlung ist nur durch Energiezufuhr möglich. Da die Masse des
Protons kleiner als die des Neutrons und des Positrons ist, d.h. das
Energieäquivalent von zwei Elektronenmassen, die von den anderen
Nukleonen des Kerns aufgebracht werden. Die Energie des Ausgangskerns
muss daher um mindestens 1,02 MeV gröβer sein als die des Endkerns.
Die radioaktiven Zerfallsarten
K-Einfang. Eine Kernumwandlung zu einem Kern mit einer um Eins geringeren
Ordnungszahl kann auch durch den sog. K-Einfang erfolgen. Dabei wird ein
Elektron der Atomhülle, und zwar vorzugsweise aus der dem Kern nahe
liegenden K-Schale eingefangen, um die Energie zur Umwandlung eines
Protons in ein Neutron zu gewinnen:
p  e  n  νe
-
Emittiert wird ein Neutrino und als Folge des Prozesses z.B. ein Röntgenquant
der Atomhülle.
γ-Strahlung. Nach einer Kernumwandlung befindet sich der Tochterkern häufig
in einem angeregten Zustand. Beim Übergang in stabilere Zustände kleinerer
potentieller Energie wird die Energiedifferenz in Form von γ-Quanten
ausgestrahlt. Die Massen- und Ordnungszahl bleiben beim γ-Zerfall
unverändert:

A
A
Z
Z
 X
 Xγ
Die Energien der γ-Quanten liegen zwischen 0,1 MeV und 20 MeV.
Diskretes
Spektrum
Verteilung der
Zahl der
Teilchen
(Quanta) nach
der Energie,
Energiespektra
der
verschiedenen
radioaktiven
Strahlungen
Kontinuierliches
Spektrum
Diskretes
Spektrum
Natürliche Radioaktivität
Die Synthese der Elemente, die es heute auf der Erde gibt, fand vor ca. 5 Milliarden
Jahren ihren Abschluss. Auβer den stabilen Nukliden haben von den ebenfalls
gebildeten radioaktiven Nukliden einige wenige infolge ihrer langen Halbwertszeit bis
heute überlebt. Die in der Natur vorkommenden natürlich radioaktiven Nuklide sind
somit solche,
- deren Halbwertszeit mindestens von der Gröβenordnung des Alters der Erde
abhängen, oder
- die als Folgeprodukte solcher langlebiger Nuklide oder
- auch durch die kosmische Strahlung ständig nachgebildet werden.
Natürlich radioaktive Elelmente der ersten Art werden primordiale Nuklide genannt;
Beispiele sind:
40
19
K
87
37
Rb
144
60
Nd
174
72
Hf
232
90
Th
235
92
U
238
92
U
Die letzten drei genannten primordialen Kerne bilden jeweils die Muttersubstanz einer
radioaktiven Zerfallsreihe, bei der die Folgeprodukte durch sukzessiven α- oder β-Zerfall
gebildet werden, bis schlieβlich ein stabiles (d.h. nicht radioaktives) Endprodukt
entstanden ist.
Verschiebungssatz nach Soddy
und Fajans
Die Nukleonenzahl A und die Protonenzahl Z ändern sich in einer radioaktiven
Umwandlungsreihe nach dem Verschiebungssatz nach Soddy und Fajans:
ΔA
ΔZ
α
-4
-2
β-
0
+1
β+
0
-1
γ
0
0
Die Zerfallsreihen
Beim Zerfall eines radioaktiven Atoms entsteht meist wieder ein
radioaktives Atom. Man kennt 4 ganze Zerfallsreihen. Die bekannteste
ist die Uran-Zerfallsreihe.
Aus den α-, β- und γ-Zerfällen verändert nur der α-Zerfall die
Massenzahl A. Weil die Veränderung ΔA = 4 ist, können wir 4
Zerfallsreihen (Familien) unterscheiden: welche Zahl (0, 1, 2 oder 3)
bleibt, wenn wir die Massenzahl durch 4 dividieren:
• (4k) Familie:
232Th
90
(T = 1,8·1010 Jahr) →...→...→ 208Pb82
• (4k + 1) Familie: 237Np90 (T = 2,14·106 Jahr) →...→...→ 209Bi83. Die
Halbwertszeit ist kurz und deswegen sind die Mitglieder der Familie alle
schon aus der Natur verschwunden. Sie entstehen nur künstlich.
• (4k + 2) Familie: 238U92 (T = 4,51·109 Jahr) →...→...→ 206Pb82
• (4k + 3) Familie: 235U92 (T = 7,04·109 Jahr) →...→...→
207Pb
82
A = 4k
232Th
Z
Np
U
Pa
Th
Ac
Ra
Fr
Rn
At
Po
Bi
Pb
Tl
208Pb die Thorium-Reihe
→
90
82
93
92
91
90
89
88
87
86
85
84
83
82
81
β-Zerfall
α-Zerfall
206
210
214
218
222
226
230
234
238 A
A = 4k + 1
237Np
Z
Np
U
Pa
Th
Ac
Ra
Fr
Rn
At
Po
Bi
Pb
Tl
209Bi die Neptunium-Reihe
→
93
83
93
92
91
90
89
88
87
86
85
84
83
82
81
β-Zerfall
α-Zerfall
206
210
214
218
222
226
230
234
238 A
A = 4·k +2
Z
Np
U
Pa
Th
Ac
Ra
Fr
Rn
At
Po
Bi
Pb
Tl
238U
206Pb die Uran-Radium-Reihe
→
92
82
93
92
91
90
89
88
87
86
85
84
83
82
81
β-Zerfall
α-Zerfall
206
210
214
218
222
226
230
234
238 A
A = 4k + 3
235U
Z
Np
U
Pa
Th
Ac
Ra
Fr
Rn
At
Po
Bi
Pb
Tl
207Pb die Uran-Aktinium-Reihe
→
92
82
93
92
91
90
89
88
87
86
85
84
83
82
81
β-Zerfall
α-Zerfall
206
210
214
218
222
226
230
234
238 A
Gleichgewichtszustände in Zerfallsreihen:
Mutter-Tochter-System
Wir wollen die Gleichgewichtseinstellung für den wichtigen Spezialfall der Bildung eines
Radionuklids (Tochternuklids) aus einer Muttersubstanz berechnen. Die Halbwertszeiten
(Umwandlungskonstanten) des Mutterkerns und des entstehenden Tochterkerns seien
TM (= (ln2)/ λM) bzw. TT (= (ln2)/ λT).
M
T
N M 
 N T 
...
Mutter
Tochter
Die Änderung der Zahl der Nuklide des Mutterelements ergibt sich aus:
dNM  M  NM  dt
Die Änderung der Zahl der Nuklide des Tochterelements ergibt sich aus:
dNT  M  NM  dt  T  NT  dt
wo der erste Summand die Zahl der Teilchen angibt, die sich in der Zeit dt von der
Muttersubstanz in die Tochtersubstanz umwandelten, und der zweite Summand die Zahl
der Nuklide der Tochtersubstanz darstellt, die in der Zeit dt zerfallen.
Mutter-Tochter-System
Die Zeitabhängigkeit der Zahle der Mutter- und Tochtersubstanzen ergibt sich
durch Integration der zwei kinetischen Gleichungen mit den Bedingungen
NM = NM,0 und NT = 0 zur Zeit t = 0:
Dominiert, wenn λM < λT und t →∞

N M  N M, 0  e
 M t

T
N T  N M ,0 
 e 
T  M
Das Tochternuklid läuft parallel
mit dem Mutternuklid, wenn t→∞.
M t
 e T t

Die Zahl des Tochternuklids
ändert sich nach der Funktion des
Doppelexponenten: am Anfang,
die Umwandlung ist schnell, die
Zahl erreicht ein Maximum zur

Zeit
ln T
M
t max  0,69 
T  M
und klingt später zusammen mit
den Mutternukliden ab.
Aktivitätsverläufe in speziellen Fällen
„laufendes (zeitabhängiges)
Dauergleichgewicht
Gleichgewicht”
T
aT (t ) 
 aM (t )
T  M
aT  aM
Ist die Umwandlungskonstante des Mutternuklids
ist deutlich kleiner als die des Tochternuklids,
dann sind im radioaktiven Gleichgewicht die
Aktivitäten von Mutter- und Tochtersubstanzen
gleich:
a1 (t  )

a2 (t  )
 ...
1  N1 (t  )  2  N 2 (t  )  ...
Wenn die Umwandlungskontanten
von Mutter- und Tochternuklids
etwa gleich groβ sind, dann ist in
„laufendem Gleichgewicht” die
Aktivität der Tochter gröβer als die
Aktivität der Mutter.
Weitere Erläuterung des radioaktives
Dauergleichgewichts
In einer Zerfallsreihe entsteht durch den Zerfall eines Radionuklids wieder ein Radionuklid, das
weiter zerfällt. Die Glieder (Isotope) einer Zerfallsreihe haben unterschiedliche Halbwertszeiten. Es
stellt sich ein radioaktives Gleichgewicht ein. Die Bedingung dafür ist, daβ die Anzahl ΔN der
Atome, die im Zeitintervall Δt zerfällt, von der Muttersubstanz durch deren Zerfall nachgeliefert wird.
Für eine Zerfallsreihe mehrerer Tochternuklide muss somit gelten:
ΔN1 = ΔN2 = ΔN3 = ...
Die Indizes bezeichnen die Glieder der Reihe. Auf Kosten des ersten Gliedes der Reihe wird das
letzte Glied erzeugt und die Zahl (Aktivität) der anderen Glieder (Zwischenprodukte) der Kette wird
sich im Gleichgewicht nicht ändern.
Das Gleichgewicht einer Zerfallsreihe stellt sich erst nach hinreichend langer Zeit ein.
3
1
2
N1 
N 2 
N 3 
...
Verlust durch Zerfall :
N1  N 2

N 3
1  N1  2  N 2  3  N 3  ...
a1 
a2

a3
was aber nachgeliefert wird;
ausgenommen das erste Glied
der Reihe.
 ...
Die beschriebenen Zusammenhänge zwischen den Aktivitäten spielen eine wichtige
Rolle bei Mutter-Tochter-Systemen in der Nuklearmedizin.
Beispiel: wieviel kg Urangestein (Rohstoff) muβte das Ehepaar
Curie mindestens zur Verfügung haben, um 1 g Radium herstellen
zu können?
Das Element Radium ist ein Übergangsprodukt der 238U-Zerfallreihe. Die
Halbwertszeit des 238Urans (Mutterelement) ist TU = 4,51·109 Jahre und die
Halbwertszeit des Radiums (Tochterelement) ist TRa = 1602 Jahre.
In der ersten Näherung nehmen wir an, dass das Gestein nur die Nuklide
dieser zwei Elemente (238U92 und 226Ra88) enthält. Die Masse des Endproduktes
ist 1 g Radium, d.h. das Endprodukt muβ NRa = (1/226) ·6·1023 = 2,65· 1021
Radiumkerne enthalten.
Die Zahl der Urankerne beträgt: NU = TU/TRa ·NRa = 7,46·1027.
Die Masse (gemessen in individualler Einheit mol) so vieler Urankerne ist: mU =
7,46·1027/6·1023 mol = 12,4 kmol, was zu 12,4·103· 238 g = 2960 kg entspricht.
Zur weiteren Näherung können wir den Effekt der anderen Glieder der UranZerfallsreihe hinzurechnen, aber der Effekt ist winzig klein: der früher berechnete Wert
wird sich nur im vierten Digit ändern. Die erste Näherung war somit eine sinnvolle
Annahme. Das Ehepaar muβte aber viel mehr Rohstoff verarbeiten, weil das
Urangestein auch andere Elemente enthielt, die nicht zur Zerfallreihe gehörten. Diese
sind beider Kalkulation auβer Acht zu lassen.
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