Diagnostik der Multiplen Sklerose Fernando Martins Braga Diagnostik der Multiplen Sklerose • Definition – Immunvermittelte Erkrankung des ZNS durch Entzündung, Demyelinisierung und Gliose – Häufigste Ursache von Invalidität im jungen und mittleren Erwachsenenalter Diagnostik der Multiplen Sklerose Diagnostik der Multiplen Sklerose • Stadien und Verläufe: – – – – Klinisch-isoliertes Syndrom (KIS) Schubförmige („relapsing-remitting“ RRMS) Sekundär progrediente (SPMS) Primär progrediente (PPMS) Diagnostik der Multiplen Sklerose • Klinisch-isoliertes Syndrom (KIS) – Das erste demyelinisierende Ereignis – Multifokale MR-Läsionen: erhöhtes Risiko für einen raschen Übergang in eine manifeste MS – Läsionen im MRT: 88% der Patienten haben einen zweiten Schub in den folgenden 14 Jahren – Nur 19% der Bildgebungen sind normal Diagnostik der Multiplen Sklerose • Schubförmige („relapsing-remitting“ RRMS) – Weitere Krankheitsschübe nach klinischer Erstmanifestation – Bei den meisten Patienten: Zurückbildung der Symptome eines Schubes innerhalb von 6-8 Wochen – Die Schübe bilden sich zu Beginn der Erkrankung jeweils mehr oder weniger vollständig zurück – Später hinterlassen sie allerdings zunehmend deutliche Restsymptome Diagnostik der Multiplen Sklerose • Sekundär progrediente (SPMS) – Am Anfang: Schübe – In späteren Phasen schreitet die Behinderung, insbesondere die Spastizität, auch ohne fassbare neue Krankheitschübe fort. Diagnostik der Multiplen Sklerose • Primär progrediente (PPMS) – 10-15% der Patienten – Im Verlauf der Erkrankung: keine Schübe – Die Erkrankung beginnt bereits mit einer schleichenden Zunahme neurologischer Symptome – Es findet sich dann häufig eine über Jahre zunehmende spastische Gangstörung – seltener auch ein progredientes zerebelläres Syndrom – Bei dieser Verlaufsform: deutlich weniger entzündliche Veränderungen in der kranialen MRT Diagnostik der Multiplen Sklerose • Definition eines Schubes – Neue Symptome oder eine Reaktivierung bereits zuvor aufgetretener klinischer Ausfälle Diagnostik der Multiplen Sklerose • Definition eines Schubes – Subjektiv berichtet oder durch die Untersuchung objektiviert – Mindestens 24 Stunden anhaltend – Mit einem Zeitintervall von ≥ 30 Tagen zum Beginn vorausgegangener Schübe auftretend – Nicht durch Änderungen der Körpertemperatur (Uhthoff-Phänomen) oder im Rahmen von Infektionen erklärbar Diagnostik der Multiplen Sklerose • Definition eines Schubes – Einzelne, kurz dauernde paroxysmale Episoden (wie z. B. tonische Spasmen, Trigeminusneuralgie) werden definitionsgemäß nicht als Schub eingeordnet. – Multiple Episoden dieser Art mit einer Dauer von mehr als 24 Stunden können jedoch Ausdruck von Entzündungsaktivität sein und als Schub angesehen werden. Diagnostik der Multiplen Sklerose • Häufigste Erstsymptome Sensibilitätsstörungen Schwäche Visusstörungen Ataxie 34% 22% 13% 11% Diagnostik der Multiplen Sklerose • Andere häufige Symptome im Verlauf der Krankheit Miktionsstörungen Krämpfe Darmprobleme Schwindel Gedächnisstörungen Psychische Probleme Gesichtslähmung Müdigkeit, Fatigue Doppelsehen Dysarthrie Gesichtsschmerzen Kopfschmerzen Hörstörungen Schluckstörungen Diagnostik der Multiplen Sklerose • Diagnosestellung – – – – Fokale neurologische Symptome Mindestens 24 Stunden anhaltend Die weiße Hirnsubstanz betreffend Symptome im Bezug auf Zeit und Ort disseminiert auftretend Diagnostik der Multiplen Sklerose • Diagnosestellung – Symptome nur zeitlich oder nur ortlich disseminiert: „mögliche multiple Sklerose“ – Symptome durch eine andere Krankheit erklärbar: „keine multiple Sklerose“ Diagnostik der Multiplen Sklerose • Diagnosekriterien nach McDonald et al. – Zwei oder mehr Schübe und – Zwei oder mehr objektivierbare klinische Läsionen Diagnostik der Multiplen Sklerose • Diagnosekriterien nach McDonald et al. – Zwei oder mehr Schübe und – Eine objektiverbare klinische Läsion und • Räumliche Dissemination im MRT oder • Positiver Liquorbefund und 2 oder mehr MSTypische Läsionen im MRT oder • Weiterer klinischer Schub Diagnostik der Multiplen Sklerose • Diagnosekriterien nach McDonald et al. – Zwei objektivierbare klinische Läsionen und – Ein Schub und • Zeitliche Dissemination im MRT oder • Zweiter klinischer Schub Diagnostik der Multiplen Sklerose • Diagnosekriterien nach McDonald et al. – Ein Schub (monosymptomatische Präsentation) und – Eine objektiverbare klinische Läsion und • Räumliche Dissemination im MRT oder • Zwei oder mehr MS-Typische Läsionen im MRT mit positivem Liquorbefund und zeitliche Dissemination im MRT oder zweiter klinischer Schub Diagnostik der Multiplen Sklerose • Diagnosekriterien nach McDonald et al. – Kein Schub – Eine objektivierbare klinische Läsion und • Kontinuerliche Krankheitsprogression und zwei der folgenden Punkte über 1 Jahr: – Räumliche Dissemination im MRT – Neun oder mehr T2-Läsionen im Gehirn oder positive VEPs und 4-8 zerebrale MRTLäsionen – Zwei oder mehr Läsionen im Rückenmark – Positiver Liquorbefund Diagnostik der Multiplen Sklerose • Bei Verdacht auf multiple Sklerose – – – – Frühere klinische Ereignisse? Hinweise auf einen früheren Erkrankungsbeginn? Andere Autoimmunerkrankungen? Beeinträchtigung der Lebensqualität? (Fatigue, Konzentrationsstörungen und depressive Verstimmung) – oft symptomatisch gut behandelbar – Detaillierte klinisch-neurologische Untersuchung Diagnostik der Multiplen Sklerose • Klinisch-neurologische Untersuchung – Die Symptomatik des Patienten ist so gut wie möglich zu quantifizieren. – Hinweise für Auffälligkeiten in anderen Funktionssystemen – Patienten mit Einschränkung der Gehfähigkeit: Mindestens 1x jährlich ist die maximale Gehstecke ohne Pause unter Angabe der Hilfsmittel zu bestimmen. Diagnostik der Multiplen Sklerose • Klinische und paraklinische Untersuchungen bei MS – – – – – – Vorgeschichte eruieren Symptome erfragen Neurologische Untersuchung Expanded Disability Status Scale (EDSS) Gehstrecke Multiple Sclerosis Functional Composite-(MSFC-) Skala Diagnostik der Multiplen Sklerose • Klinische und paraklinische Untersuchungen bei MS – – – – – – – Lumbalpunktion Laboruntersuchungen Urinstatus Serologie MRT (kraniell) MRT (spinal) Evozierte Potenziale Diagnostik der Multiplen Sklerose • Laboruntersuchungen in der diagnostischen Phase – – – – – – CRP Differenzial Blutbild Klinische Chemie Blutzucker Vitamin B12 Rheumafaktor Diagnostik der Multiplen Sklerose • Laboruntersuchungen in der diagnostischen Phase – – – – – – Antinukleäre Antikörper (ANA) Anti-Phospholipid-Antikörper Lupus-Anticoagulans ACE Borrelien Antikörper Index im Liquor Urinstatus Diagnostik der Multiplen Sklerose • Weiterführende Laboruntersuchungen – – – – – – – – Anti-Neutrophile cytoplasmatische AK (ANCA) AK gegen Extrahierbare Nukleäre Antigene (ENA) HIV-Serologie HTLV-1-Serologie TPHA Bestimmung langkettiger Fettsäuren Mykoplasmen-Serologie Methylmalonsäure im Serum Diagnostik der Multiplen Sklerose • Patienten mit Blasenfunktionsstörungen (vor Therapieeinleitung) – Miktionsprotokoll – Restharnbestimmung – Urinstatus Diagnostik der Multiplen Sklerose • MRT – – – – T2: hyperintense Läsionen T1: hypointense Läsionen Kontrastmittelaufnahme: 4-6 Wochen Hirn- und Rückenmarksatrophie korreliert mit klinischen Defiziten Diagnostik der Multiplen Sklerose Diagnostik der Multiplen Sklerose • Resumee – Episodische oder progressive multifokale Symptome – Erstmanifestation meist bei sonst gesunden jungen Erwachsenen – Frühsymptome: Sensibilitätsstörungen, Schwäche, Sehstörungen und Gangunsicherheit – Symptome zeitlich und örtlich disseminiert – Diagnose gemäß McDonald-Kriterien – MRT: pathologische Befunde (>95%) Diagnostik der Multiplen Sklerose Referenzen 1. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Diagnostik und Therapie der Multiplen Sklerose. Leitlinien der DGN; 2008. 2. Bruce ACC. Multiple Sclerosis and Demyelinating Diseases. In: Brust, JCM. Current Diagnosis and Treatment – Neurology. New York: McGral Hill; 2007. p. 245-53. 3. Mumenthaler M, Mattle H. Demyelinisierende Erkrankungen. Neurologie. Stuttgart: Thieme; 2008. p. 401-413.