Analyse der rechnergestützten Kodierqualität durch Vergleich mit der konventionellen Krankenakte: Bewertung der klinischen und ökonomischen Qualität GMDS 2002, Berlin, 11. September 2002 Abstract 152 J. Ingenerf*, F. Stellmacher**, J. Stausberg+, B. Seik*, S.J. Pöppl*, H.-P. Bruch**, C. Bürk** * Institut für Medizinische Informatik ** Klinik für Chirurgie, Universität zu Lübeck + Universitätsklinikum Essen Gliederung • Empirische Untersuchung zur Kodierqualität • Auswertung: medizinische versus ökonomische Betrachtung • Kodierqualität: Vorgehensweise, Werkzeuge Ingenerf, Lübeck (2) Empirische Untersuchung zur Kodierqualität Fragestellung: Vergleich der Basisdokumentation, insbesondere Diagnosen- und Prozedurenkodierung chirurgischer Fälle, die einerseits in einem KISSystem rechnergestützt vorliegen und andererseits unabhängig davon aus der konventionellen Krankenakte extrahiert werden, anhand - medizinischer Kritierien, z.B. Variabilität von Diagnosen - ökonomischer Kriterien, z.B. Casemix-Index Stichprobe: 440 im Monat Mai 2001 behandelte Aufenthalte der Klinik für Chirurgie der Uni-Klinik Lübeck, davon waren im Rahmen einer Doktorarbeit 351 konventionelle Krankenakten verfügbar. geplante Kooperation mit Essen: einrichtungsübergreifende Untersuchung des Effektes der Kodierung bei vergleichbaren Behandlungsfällen. Ingenerf, Lübeck (3) Empirische Untersuchung zur Kodierqualität Vorgehensweise: Ohne Kenntnis der im KIS-System verfügbaren medizinischen Falldaten werden vom Doktoranden für alle 351 Fälle in einer Access-Datenbank die Kodierung der Hauptdiagnose und Nebendiagnosen nach ICD-10 2.0 und der Prozeduren nach OPS-301 2.0 anhand der Angaben der konventionellen Krankenakten ergänzt. Die Fälle beider Datenbestände (KIS & Akte) wurden in die AR-DRGs 4.1 gruppiert und statistisch analysiert. Problematik: - Goldstandard - Intra- & Interrater-Variability (Kappa-Maße), ca. 15 % - nicht genügend qualifizierte Experten für das Akten-Studium, u.a. mit Kenntnis der allg. und spez. Kodierrichtlinien Ingenerf, Lübeck (4) Kodierrichtlinien D001a Allgemeine Kodierrichtlinien ... Der behandelnde Arzt ist verantwortlich für - die Bestätigung von Diagnosen, die verzeichnet sind, bei denen sich aber kein unterstützender Nachweis in der Krankenakte findet, und - die Klärung von Diskrepanzen zwischen Untersuchungsbefunden und klinischer Dokumentation. D002a Hauptdiagnose Die Hauptdiagnose wird definiert als: „Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist.” Ingenerf, Lübeck (5) Kodierrichtlinien D003a Nebendiagnosen ... Die Nebendiagnose ist definiert als: „Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt.” Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist: • therapeutische Maßnahmen • diagnostische Maßnahmen • erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand Einer oder mehrere der oben genannten Faktoren werden üblicherweise eine verlängerte Dauer des stationären Aufenthaltes zur Folge haben. Ingenerf, Lübeck (6) Empirische Untersuchung zur Kodierqualität Ergebnisse (mit Blick auf die 351 Fälle) mittl. Anzahl kodierter KIS Akte Diagnosen Prozeduren 3,72 3,19 6,78 3,72 mittl. Anzahl von n.n.bez. Kodes: Hauptdiagnosen: Nebendiagnosen: Prozeduren: KIS 18,1% 29,1% 4,3% Akte 9,9% 21,2% 0,7% Ingenerf, Lübeck (7) Empirische Untersuchung zur Kodierqualität Quantitativer Vergleich der Kodierung der Hauptdiagnosen (HD): - Übereinstimmung 4st. HD zwischen KIS vs. Akte: 53% (187 von 351) - Übereinstimmung 3st. HD zwischen KIS vs. Akte: 68% (239 von 351) Quantitativer Vergleich der Kodierung der Nebendiagnosen (ND) ist schwieriger: - KIS: 907 (399 verschiedene) ND für 351 Fälle - Akte: 2032 (675 verschiedene) ND für 351 Fälle davon stimmen absolut betrachtet 501 4st. kodierte Nebendiagnosen überein, und 660 3st. kodierte Nebendiagnosen überein. Effektivere Analysen sind mit folgenden „ICD-Kapitel“-bezogenen Auswertungen möglich; u.a. fällt der höhere Anteil der fachabteilungsfremden Nebendiagnosen in der Aktenkodierung auf ! Ingenerf, Lübeck (8) Haupt- & Nebendiagnosen Station 15B „Gefäßchirugie“ 1: Infektion 2: Neubildung 4: Stoffwechsel 5: Psyche ... 9: Kreislauf 10: Atmung 11: Verdauung 12: Haut 13: Muskel 14: Urogenital ... 18: Symptome 19: Verletzung 1 2 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Ingenerf, Lübeck (9) Haupt- & Nebendiagnosen Station 45A „Abdominalchirurgie“ 1: Infektion 2: Neubildung 4: Stoffwechsel 5: Psyche ... 9: Kreislauf 10: Atmung 11: Verdauung 12: Haut 13: Muskel 14: Urogenital ... 18: Symptome 19: Verletzung 1 2 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Ingenerf, Lübeck (10) Haupt- & Nebendiagnosen Station 45B „Traumatologie“ 1: Infektion 2: Neubildung 4: Stoffwechsel 5: Psyche ... 9: Kreislauf 10: Atmung 11: Verdauung 12: Haut 13: Muskel 14: Urogenital ... 18: Symptome 19: Verletzung 1 2 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Ingenerf, Lübeck (11) Empirische Untersuchung zur Kodierqualität ökonomisch orientierte Ergebnisse: - Casemix KIS = 729 (CMI=2,07) versus Casemix Akte = 996 (CMI=2,83) - Summe(PCCL) KIS = 477 versus Summe(PCCL) Akte = 668 Ursachen für den Casemix-Unterschied: - weniger Fehler-DRGs beim Nachkodieren, ca. 10 % - Case-Mix-Unterschied im Bereich der Z-DRGs, ca. 40% - Case-Mix-Unterschied im restlichen Bereich, ca. 50% einige Beispiele, demonstriert direkt am Rechner ! Ingenerf, Lübeck (12) Kodierhilfen für den Arzt gezielte Erinnerungshilfen, neben anderen Hilfen wie Kodiersoftware, Schulung usw. ... ... Ingenerf, Lübeck (13) Kodierhilfen für den Dokumentar/Controller/HD-Arzt - zunehmend vorhandene Instrumente zur Sicherstellung der Dokumentations- und Kodierqualität in den klinischen Arbeitsplatzsystemen, z.B. Mahn- und Berichtswesen - zusätzliche, flexiblere Berichts- und Analyse-Instrumente (siehe Vortrag von B.Seik) - die Qualitätskontrolle der Kodierung durch einen „offline“-tätigen Dokumentar/Controller muss zeitnah funktionieren, deshalb sind flexible Filter für wahrscheinliche Kodierfehler über Merkmale wie PPR, Alter und Verweildauer nötig. Ingenerf, Lübeck (14) Fazit - Die mit den klinischen Softwaresystemen erfassten Routinedaten weisen mittlerweile zunehmend weniger Lücken und formale Fehler auf, u.a. Plausibilitätsüberprüfungen, korrekte Schnittstellen (ICD10, OPS301, Beatmungsdauern). - Frage des Goldstandards einer Kodierung (HD, ND, OPs) - Im Sinne der vorliegenden Doktorarbeit wird angestrebt, regelmäßig über definierte Stichproben die Kodierung unabhängig zu überprüfen und die Unterschiede zwischen KIS- und Aktendaten zu diskutieren. Ingenerf, Lübeck (15)