Wirkungen ionisierender Strahlung auf den Menschen • Erfahrungen in der Geschichte: Wirkungen ionisierender Strahlung beim Menschen → Strahlenexposition im Bergbau → Strahlenexposition in der Industrie z.B. Knochentumore durch Ra-226 bei Ziffernblattmalerinnen → Strahlenexposition in der Medizin z.B. Leukämie bei Röntgenärzten → Strahlenexposition in der Forschung z.B. Unfall bei Bestimmung von kritischer Masse des Pu → Strahlenexposition durch Atombomben z.B. Hiroshima und Nagasaki → Strahlenexposition nach Unfällen z.B. Sellafield, Brasilien, Tschernobyl, usw. • Begriffe Strahlenexposition • Dosis: Wirkung ionisierender Strahlung • Energiedosis (Absorbed Dose) • Energiedosis - Ionendosis Quantifizierung der Strahlenexposition: Dosisbegriffe • Äquivalentdosis • Effektive Dosis • Dosis - Wirkung ionisierender Strahlung • Inkorporation und Dosiskoeffizient • Strahlenexposition des Menschen Erfahrungen in der Geschichte: Wirkungen ionisierender Strahlung beim Menschen • Strahlenexposition im Bergbau 1556 Georgius Agricola in "De Re Metallica" Beschreibung der Arbeitsbedingungen im Bergbau bei Joachimsthal Bergsucht 1770 C. L. Scheffler, Bergphysikus, Annaberg: beschreibt Symptome der Bergsucht und gibt Ursachen an: Einatmen von arsenhaltigem Staub und "bösen Schwaden" 1879 F. H. Härting, W. Hesse, diagnostizieren Bergkrankheit als "Schneeberger Lungenkrebs" etwa zur gleichen Zeit in Joachimsthal: ähnliche Erfahrungen, aber es fällt auf, in Gruben außer halb des Erzgebirges mit arsenhaltigem Staub tritt Erhöhung der Lungenkrebshäufigkeit nicht auf. Erfahrungen in der Geschichte: Wirkungen ionisierender Strahlung beim Menschen • Strahlenexposition im Bergbau 1929 A. Pirchan, Chefarzt am Joachimsthaler Ra-Institut: Zusammenhang zwischen Inhalation von Rn- und n-Zerfallsprodukte haltiger Staub und dem um ca. 15 Jahre verzögertem Auftreten von Lungenkrebs. 1942 B. Rajewsky, E. Schraub: endgültige Bestätigung dieses Befundes. 1879 F. H. Härting, W. Hesse (Bergärzte), diagnostizieren Bergkrankheit als "Schneeberger Lungenkrebs" Begriffe: Strahlenexposition Ionisierende Strahlung ist so energiereich, dass sie, wenn sie Materie trifft, aus den Atomen oder Molekülen, Elektronen aus dem Atom- bzw. Molekülverband entfernt und dadurch chemische Veränderungen erzeugen kann. Die Einwirkung ionisierender Strahlung auf den menschlichen Körper nennt man Strahlenexposition. Quelle ionisierender Strahlung außerhalb des Körpers äußere oder externe Strahlenexposition Quelle ionisierender Strahlung im Körper innere Strahlenexposition. g-Strahler können innere und äußere Strahlenexposition verursachen. niederenergetische b-Strahler verursacht im wesentlichen innere Strahlenexposition. a-Strahler verursacht praktisch nur innere Strahlenexposition. Dosis - Wirkung ionisierender Strahlung ionisierende Strahlung, die ohne physikalische Wechselwirkung ein Objekt durchdringt, kann in diesem keine Änderung verursachen Physikalische Phase der Strahlenwirkung ► Übertragung von Energie ► Bildung von Ionen Aufgabe der Dosimetrie: Entwicklung von Methoden zur Messung der Dosis bei radioaktiven Stoffen: Radioanalytische Methoden Dosiskonzept Schematische Darstellung der schädlichen Auswirkungen ionisierender Strahlung auf den Menschen. Übertragung der Strahlungsenergie auf Atome und Moleküle ß Bildung von chemischen Verbindungen im Körper (z. B. Radikale, Zellgifte) ß Veränderung von Biomolekülen ß Veränderung des Zellstoffwechsels (Schädigung der Zelle) Reparatur durch körpereigene Mechanismen Zelltod fehlerhaft fehlerfrei Krebs, Mißbildungen Tod des Menschen bei großer Dosis: ³ einige Sv Keine feststellbaren Auswirkungen bei £ 0,4 Sv Tod des Menschen keine Auswirkungen Quantifizierung der Strahlenexposition: Dosisbegriffe Definition der Energiedosis (Absorbed Dose): "Absorbed dose of any ionizing radiation is the energy imparted to matter by ionizing particles per unit mass of irradiated material at the place of interest." ICRU 1957. "Die absorbierte Dosis irgend einer ionisierenden Strahlung ist die Energie, die an Materie durch ionisierende Teilchen pro Masseneinheit des bestrahlten Stoffes an der interessierenden Stelle abgegeben wird." Voraussetzung: → die ionisierende Strahlung tritt in homogene Materie ein → die ionisierende Strahlung hat eine räumliche konstante spektrale Energiefluenz → die Energiedosis ist eine überall eine stetig differenzierbare Funktion nach Raum und Zeit Energiedosis WD = Win - Wex + WQ WD: Die durch ionisierende Strahlung auf das Material in einem Volumen übertragene Energie Win: Summe der Energien (ohne Ruheenergien) aller direkt und indirekt ionisierenden Teilchen, die in das Volumen eintreten. Wex: Summe der Energien (ohne Ruheenergien) aller ionisierenden Teilchen, die aus dem Volumen austreten. WQ: Summe der Reaktions- und Umwandlungsenergie aller Kern- und Elementarteilchenprozesse, die in diesem Volumen stattfinden. D dWD dm .1 r . dWD dV Energiedosis Einheit der Energiedosis im SI-System: [D] = 1 J·kg-1 = 1 Gy (Gray) im cgs-System: [D] = 100 erg·g-1 = 1 rd rd ist abgeleitet von r adiation a bsorbed d ose, rad Energiedosis 1 Gy ? Ist das viel ? Direkte Messung der Energiedosis ist nur über Temperaturerhöhung zu bestimmen. 1 Gy bewirkt eine Temperaturerhöhung um 0,0002 °C LD30,50 = 4 Gy Ist das viel ? Ja ! Energiedosis - Ionendosis XS = e· DL WL XS: Ionendosis, bestimmt mit der Standardionisationskammer DL: Enerigedosis WL: Energieaufwand pro Ionenpaar in Luft: 33,7 eV e: Elementarladung; e = 1,602·10-19 As = 1,602·10-19 C XS = e· WL e Energiedosis - Ionendosis XS = e· WL e = 33,7 Jkg-1/Ckg-1 = 0,87 rd/R = 8,7 mGy/R Äquivalentdosis HT = SwR· DR,T R wR: Wert des Strahlenwichtungsfaktor Repräsentativ für die relative biologische Wirksamkeit der Strahlung für die Induktion stochastischer Effekte Art und Energiebereich g-Quanten aller Energien Elektronen und Myonen aller Energien Neutronen < 10 keV 10 keV bis 100 keV > 100 keV bis 2 MeV 2 MeV bis 20 MeV > 20 MeV Protonen (außer Rückstoßprotonen) Alphateichen, Spaltfragmente, schwere Kerne wR 1 1 5 10 20 10 5 5 20 Effektive Dosis E E = SwT·H,T T wT: beschreibt den relativen Beitrag jedes Organs oder Gewebes zum gesamten Detriment in bezug zu einer homogenen Bestrahlung des gesamten Körpers Effektive Dosis E Gewebewichtungsfaktoren (*) Gewebewichtungsfaktor w T ICRP 60, 1990 ICRP 26, 1977 Gewebe oder Organ StrlSchVO 2001 StrlSchVO 1989 Gonaden 0,20 0,25 Knochenmark (rot) 0,12 0,12 unterer Dickdarm 0,12 Lunge 0,12 0,12 Magen 0,12 Blase 0,05 Brust 0,05 0,15 Leber 0,05 Speiseröhre 0,05 Schilddrüse 0,05 0,03 Haut 0,01 Knochenoberfläche 0,01 0,03 (**) Rest 0,05 0,06 (***) (*) Die Werte wurden abgeleitet von einer Referenzbevölkerung von gleicher Anzahl beiderlei Geschlechts und einem großen Altersbereich. In der Definition der effektiven Dosis werden sie angewandt auf Arbeiter, auf die gesamte Bevölkerung und auf jedes Geschlecht. (**) Für Zwecke von Berechnungen ist der Rest zusammengesetzt aus den folgenden zusätzlichen Geweben und Organen: Nebennieren, Gehirn, oberer Dickdarm, Dünndarm, Niere, Bauchspeicheldrüse, Milz, Thymus(drüse), Gebärmutter Quantifizierung der Strahlenexposition: Dosisbegriffe Viele Dosisbegriffe sind für verschiedene Zwecke gebräuchlich. Für die quantitative und einheitliche Beschreibung der Wirkung ionisierender Strahlung zur Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Einzelperson vor den schädlichen Auswirkungen ionisierender Strahlung verwendet man die Begriffe Äquivalentdosis als effektive und Organ- bzw. Gewebedosis. Die Größe „Dosis“ beschreibt das Risiko, an einer strahleninduzierten Tumorerkrankung zu sterben und genetische Schäden bei den Nachkommen zu verursachen. Einheit der Äquivalentdosis ist das mSv (milliSievert) Dosis - Wirkung ionisierender Strahlung durch 1 Sv effektiver Äquivalentdosis können ca. 540 tödlich verlaufende Tumorerkrankungen bei 10000 bestrahlten Personen verursacht werden. Grenzwerte der jährlichen Dosis sind einzuhalten Inkorporation und Dosiskoeffizient Die Zufuhr von Radionukliden in den menschlichen Körper wird Inkorporation genannt. Je nach der Weise, wie die Zufuhr zustande kommt unterscheidet man: Inhalation, wenn die Zufuhr durch Aufnahme des Radionuklids mit der Atemluft erfolgt. Ingestion, bei Zufuhr der Radionuklide mit der Nahrung bzw. dem Trinkwasser Zufuhr der Radionuklide über die Wunde (verletzte Haut) Grenzwerte der jährlichen Dosis sind einzuhalten Zusammenhang zwischen Aktivitätszufuhr und Dosis Bei einmaliger Aufnahme gilt: DE = dEjk Aj bzw. DO = dOjk Aj Die Einheit der Dosiskoeffzienten ist: [d] = 1 SvBq-1 Dosiskoeffizienten Dosiskoeffizienten / Sv/Bq Nuklid Inhalation (5µ AMAD) effektiv kritisches Organ dE dO effektiv dE 3 4,1.10-11 enfällt 4,1.10-11 4,2.10-11 14 5,8.10-10 entfällt 5,8.10-10 5,8.10-10 rotes Knochenmark rotes Knochenmark 40 3,0.10-9 U Dickdarm 9,0.10-9 6,2.10-9 U Dickdarm 1,9.10-8 60 1,7.10-8 Lunge 9,6.10-8 3,4.10-9 1,8.10-8 90 7,7.10-8 Lunge 6,3.10-7 2,8.10-8 U Dickdarm rotes Knochenmark 90 1,7.10-9 U Dickdarm 1,3.10-8 2,7.10-9 U Dickdarm 3,1.10-8 137 6,7.10-9 Uterus 6,9.10-9 1,3.10-8 1,4.10-8 226 2,2.10-6 1,7.10-5 2,8.10-7 228 1,7.10-6 Lunge Knochenoberfläche 3,6.10-5 6,7.10-7 228 2,5.10-5 2,1.10-4 7,2.10-8 232 2,9.10-5 Lunge Knochenoberfläche 1,5.10-3 2,2.10-7 235 6,1.10-6 ET Luftwege 6,9.10-5 4,6.10-8 238 5,7.10-6 ET Luftwege Knochenoberfläche 6,5.10-5 4,4.10-8 1,0.10-3 2,5.10-7 Uterus Knochenoberfläche Knochenoberfläche Knochenoberfläche Knochenoberfläche Knochenoberfläche Knochenoberfläche Knochenoberfläche H C K Co Sr(90Y) Y Cs Ra Ra Th Th U U 239/240 Pu 3,2.10-5 Ingestion kritisches Organ dO 4,1.10-11 5,7.10-10 1,8.10-7 1,2.10-5 2,2.10-5 2,5.10-6 1,2.10-5 7,4.10-7 7,1.10-7 1,8.10-6 Beispiel: Eine Person inkorporiert durch Inhalation einmalig 1000 Bq 3H. Welche effektive Dosis erhält die Person ? DE(3H) = 4,110-11 Sv/Bq1000 Bq 3H = 4,110-8 Sv = 41 nSv Vergleich. die natürliche externe Strahlenexposition beträgt ca. 70 nSv/h. Der ermittelte Dosiswert würde also der natürlichen externen Strahlenexposition von ca. 50 min entsprechen. Beispiel: Welche effektive Dosis und welche Dosis für das kritische Organ bzw. Gewebe verursacht die einmalige Inhalation von 1000 Bq 232Th (ca. 250 mg 232Th) ? Lösung: Effektive Dosis: DE(232Th) = 2,910-5 Sv/Bq1000 Bq 232Th = 2,910-2 Sv = 29 mSv Dosis für das kritische Organ bzw. Gewebe: Knochenoberfläche DO(232Th) = 1,510-3 Sv/Bq1000 Bq 232Th = 1,5100 Sv = 1500 mSv Die Strahlenexposition des Menschen Größenordnungen und Vergleiche der mittleren effektiven Dosis: Natürliche Quellen 2,4 mSv pro Jahr (2 bis einige 10mSv pro Jahr) nur Radon: Normalbevölkerung 1,4 mSv pro Jahr (1 bis einige 10mSv pro Jahr) Medizinische Quellen 1,5 mSv pro Jahr Tschernobyl 0,05 mSv pro Jahr Grenzwert (beruflichStrahlexp.) 20 mSv pro Jahr Grenzwert (Bevölkerung) 0,3 mSv pro Jahr