Roger G. Barker Ecological Psychology. Concepts and Methods for Studying the Environment of Human Behavior Das Behavior Setting Konzept 1 Anfänge Gründung der Midwest Psychological Field Station, um das menschliche Verhalten (v.a. von Kindern) in situ erforschen zu können. Beobachtung: bestimmte Verhaltensformen hängen weniger von den „traditionellen“ Personen-zentrierten Erhebungskategorien (wie Alter, Geschlecht, Bildung, etc.) ab als von den Orten, an denen sie stattfinden. 2 R. G. Barker (1968, 152. 203): a.) „The characteristics of the behavior of a child often changed dramatically when he moved from one region to another.“ (von einem Klassenzimmer zum anderen, vom Klassenzimmer auf den Spielplatz, etc.) b.) „The behavior of different children within the same region was often more similar than the behavior of any of them in different regions.“ ............ Hypothese: es gibt eine regionale Strukturierung der Umwelt hinsichtlich unserer Verhaltensformen; wie wir uns verhalten, wird dadurch bestimmt, an welchem Ort wir uns gerade befinden. 3 Erschließung eines neuen Forschungsbereichs Empirische Untersuchungen legen Wechselwirkungen zwischen psychologischen Phänomenen und ihrer sozialen und physischen Umwelt nahe. Die bisherige psychologische Verhaltungsfoschung hat die physische Umwelt als „Kontext“ von Verhalten bisher vernachlässigt. Auch Brunswik und Lewin haben den Konnex zwischen Umwelt und Verhalten nicht beachtet. (R. G. Barker 1968, 1-4; 186) 4 Ergo: Abgehen von dem traditionellen Personenzentrierten Zugang der Psychologie; Erarbeiten von neuen Beschreibungs-Modellen, die den Zusammenhang zwischen menschlichem Verhalten und Umwelt darlegen. (Barker im Wortlaut: „methods an concepts for dealing with the ecological environment of ... Human behavior.“ R. G. Barker 1968, 1) Die neue Forschungsrichtung wird als Umweltpsychologie (ecological psychology) bezeichnet. 5 Basiskonzept der ‚ecological psychology‘, das sich aus der integrativen Sicht von Umwelt und Individuum ergibt: Behavior Setting Konzept 6 Was ist ein Behavior Setting? es besteht aus... • einem oder mehreren üblichen Verhaltensmustern (standing patterns of behavior) • üblichen Beziehungsmustern zwischen Verhalten und Milieu. Das Milieu setzt sich aus menschlichen und nichtmenschlichen Teilen zusammen und existiert unabhängig vom menschlichen Verhalten und der Perzeption des Milieus. • Das Milieu umgibt das Verhalten (circumjacent, surrounding). 7 Was ist ein Behavior Setting II • Zwischen dem Milieu und dem Verhalten besteht Synomorphie (ähnliche, aufeinander abgestimmte Struktur). Diese zueinander in Beziehung stehenden Teile des Settings werden ‚synomorphs‘ genannt. („We lack a science of things and occurences that have both physical and behavioral attributes.“ R. G. Barker 1968, 19) Ein Behavior Setting besteht aus einem Set von ‚Synomorphs‘. • Zwischen den einzelnen ‚Synomorphs‘ besteht ein bestimmter Grad an Interdependenz. Die Intensität der Interdependenz der ‚synomorphs‘ innerhalb eines behavior settings ist größer als zu den Teilen8 eines anderen settings. Alle Behavior Settings bestehen aus den bisher angeführten Attributen; sie unterscheiden sich aber zueinander durch die folgenden Aspekte: • geographischer locus • temporärer locus • Personenbesetzung • Dauer • funktionelle Position der Teilnehmer (zueinander) • Art des Verhaltens (action patterns) • Verhaltensmechanismen • etc. (R. G. Barker 1968, 26ff.) 9 Zusammenfassung von Barker: „According to behavior setting theory, the ecological environment of human molar behavior and its inhabitants are not independent; rather, the environment is a set of homeostatically governed eco-behavioral entities consisting of nonhuman components, human components, and control circuits that modify the components in predicable ways to maintain the environmental entities in their characteristic states.“ (R. G. Barker 1968, 186) 10 Forschungsziele der ecological psychology: Entdecken von Behavior Settings Deren „systematische Beschreibung“ Ausarbeiten einer „eco-behavioral theory“ Auf Basis einer solchen Theorie: Voraussagen über Verhalten, das sich auf (physische) Umwelteinflüsse zurückführen lässt. (R. G. Barker 1968, 205) 11 Übergeordnetes Forschungsziel: Suche nach „laws of behavior“ (R. G. Barker 1968, 3) 12 Kritik „A person‘s momentary behavior is completely determined by his life-space, but if we wish to understand more than the immediate cross section of the behavior stream, knowledge of the ecological environment is essential.“ (R.G. Barker 1968, 9) - Verhaltenstheoretisch; Intentionalität wird kaum thematisiert - „Programm“-Komponente wird unzulänglich erklärt (Setting wirkt ‚von sich aus‘; Aussagen über soziale Sinnzuschreibungen etc. fehlen). - deskriptives Konzept; keine Erklärung über SettingGenese, etc. - sehr mechanistische Sichtweise 13 Kritik II - Auseinandersetzung mit sozialwissenschaftlichen Theorien fehlt vollkommen - Totaler Lokalbezug; Ausblenden aller spätmodernen Entbettungsmechanismen, die zu regelmäßigen Interaktionsmustern über verschiedene Orte hinweg führen, wie z.B. durch Schrift, Geld, Technik - Exklusion aller non-konformistischen Tätigkeiten (Tätigkeiten, die gegen das decorum verstoßen; Obdachlose, Fremde, etc.) - Exklusion aller seltenen, nicht wiederkehrenden Tätigkeiten (statistische Schwellenwerte) - Exklusion aller innovativen Verhaltensmuster, die zur Veränderung bestehender oder zur Bildung neuartiger Behavior Settings führen könnten 14 Dennoch: Als deskriptives, sehr formalisiertes Instrument erscheint der Ansatz von Barker äußerst brauchbar. Interaktionsmuster können mit diesem Konzept statistisch gut operationalisiert werden. Das Phänomen, dass verschiedene Verhaltensnormzuschreibungen an Orte durch komplexe kulturelle Prozesse wirksam werden, ist mit diesem Konzept erstmalig durch Beschreibung erfasst worden. 15