Kapitel 2 Zählen (Kombinatorik) Inhalt 2.1 Einfache Zählformeln A B = A + B. 2.2 Binomialzahlen 2.3 Die Siebformel 2.4 Permutationen Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 2 2.1 Einfache Zählformeln Erinnerung: Für eine Menge M bezeichnet M die Anzahl ihrer Elemente; wir nennen diese Zahl die Mächtigkeit der Menge M. 2.1.1 Summenformel. Für je zwei endliche Mengen A und B gilt A B = A + B – A B. Wenn A und B kein gemeinsames Element haben (man sagt dazu: A und B sind disjunkt), so gilt sogar A B = A + B. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 3 Beispiele Um die Anzahl der Studierenden, die Biologie oder Chemie studieren, zu erhalten, genügt es nicht, nur die Anzahl der BiologiestudentInnen und die Anzahl der ChemiestudentInnen zu wissen, man muss auch noch wissen, wie viele Menschen Biologie und Chemie studieren. Die Anzahl der Studierenden im Fach Psychologie ist gleich der Anzahl der weiblichen plus der Anzahl der männlichen Studierenden des Faches Psychologie. (Wenn W die Menge der weiblichen und M die Menge der männlichen Psychologiestudierenden ist, so sind W und M disjunkt, also ist die Anzahl aller Studierenden des Faches Psychologie gleich W + M.) Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 4 Beweis der Summenformel Beweis. Die Menge A B setzt sich aus drei disjunkten Teilmengen zusammen: A \ B, A B, B \ A. Also gilt A B = A \ B + A B + B \ A = (A – A B) + A B + (B – A B) = A + B – A B. Durch Umstellen ergibt sich die Behauptung. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 5 Das kartesische Produkt Definition. Für zwei nichtleere Mengen A, B ist das kartesische Produkt (Kreuzprodukt) A B („A kreuz B“) die Menge aller Paare, von denen der erste Teil aus A, der zweite aus B kommt: A B = {(a, b) a A, b B}. Beispiele: (a) Wenn A = {1, 2, 3} und B = {x, y} ist, so gilt A B = {(1, x), (1, y), (2, x), (2, y), (3, x), (3, y)}. (b) Wenn S die Menge aller Studierenden und V die Menge aller Vorlesungen ist, so ist S V die Menge aller Vorlesungsbesuche. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 6 Kartesisches Produkt von mehr als zwei Mengen Wenn M1, M2, ..., Mn nichtleere Mengen sind, so ist M1 ... Mn = {(m1, ..., mn) mi Mi}. Die Menge M1 ... Mn besteht also aus allen Folgen der Länge n, wobei das i-te Folgenglied aus der Menge Mi gewählt wird. Beispiel: Für A = {1, 2, 3}, B = {a, b} und C = {x, y} ist A × B × C = {(1,a,x), (1,a,y), (1,b,x), (1,b,y), (2,a,x), (2,a,y), (2,b,x), (2,b,y), (3,a,x), (3,a,y), (3,b,x), (3,b,y)} . Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 7 Die Produktregel 2.1.2 Produktregel. Für je zwei endliche nichtleere Mengen A und B gilt A B = AB. Beweis. Wir zählen alle Paare (a, b) mit a A und b B. Für die erste Komponente gibt es A Möglichkeiten, denn jedes Element aus A kommt in Frage. Entsprechend gibt es für die zweite Komponente genau B Möglichkeiten. Da man diese Möglichkeiten unabhängig kombinieren kann, folgt: A B = Anzahl der Möglichkeiten für ein Element aus A B = AB. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 8 Verallgemeinerte Produktregel Die Produktregel kann man auf das kartesische Produkt beliebig vieler Mengen verallgemeinern. Für nichtleere endliche Mengen M1, ..., Mn gilt: M1...Mn = M1...Mn. Beispiel: Die ec-Karten-Geheimzahl (PIN: Persönliche Identifizierungs Nummer) besteht aus 4 Dezimalstellen. Wieviel PINs gibt es? Für die jede Stelle gibt es 10 Möglichkeiten (die Ziffern 0, 1, ..., 9). Also ist die Anzahl aller PINs gleich 10 10 10 10 = 10.000. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 9 Binäre Folgen Definition. Sei B = {0, 1}. Eine binäre Folge der Länge n ist eine Folge (b1, b2, ..., bn) mit bi B. Wie groß ist die Anzahl aller binären Folgen der Länge n ? Beispiel: Die binären Folgen der Länge 3 sind 000, 001, 010, 100, 011, 101, 110, 111, also gibt es genau 8 binäre Folgen der Länge 3. 2.1.3 Satz. Die Anzahl der binären Folgen der Länge n ist gleich 2n. Beweis. Die Menge der binären Folgen der Länge n ist gleich dem nfachen kartesischen Produkt der Menge B = {0, 1}. Mit der Produktregel ergibt sich: B B ... B = BB...B = Bn = 2n. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 10 Teilmengen Eine Menge M' ist eine Teilmenge einer Menge M, falls jedes Element von M' auch ein Element von M ist. Wir schreiben: M' M. „Triviale“ Teilmengen: Jede Menge hat sich selbst und die leere Menge { } (auch ), die kein Element enthält, als Teilmenge. Die Menge aller Teilmengen von M heißt Potenzmenge P(M) von M. Beispiel: Alle Teilmengen von M = {a, b, c} sind { }, {a}, {b}, {c}, {a, b}, {a, c}, {b, c}, {a, b, c}. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 11 Mächtigkeit der Potenzmenge 2.1.4 Satz. Jede n-elementige Menge M hat genau 2n Teilmengen. Erster Beweis. Wir nummerieren die Elemente von M beliebig: M = {m1, m2, ..., mn}. Sei M' eine Teilmenge von M. Dann ordnen wir M’ eine binäre Folge (b1, b2, ..., bn) der Länge n zu (und umgekehrt): bi = 1, falls mi M' und bi = 0 sonst. Beispiel: M = {a, b, c}. Dann gehören die folgenden Teilmengen und Folgen zusammen: {a} {b} {c} {a, b} {b, c} {a, c} {a, b, c} 000100010001 110 011 101 111 Es gibt also genauso viele Teilmengen wie binäre Folgen. Nach dem Satz über die Anzahl der binären Folgen gibt es dann auch genau 2n Teilmengen von M. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 12 Zweiter Beweis Zweiter Beweis durch Induktion nach n. Induktionsbasis: Für n = 1 (n = 2, n = 3) ist die Behauptung richtig. Induktionsschritt: Sei n > 1, und sei die Behauptung richtig für n–1. Sei M eine n-elementige Menge, und sei m ein beliebiges Element aus M. Es gibt zwei Sorten von Teilmengen von M: Solche, die m enthalten, und solche, die m nicht enthalten. Die Teilmengen von M, die m nicht enthalten, sind genau die Teilmengen von M\{m}; davon gibt es nach Induktion genau 2n–1 viele. Für jede Teilmenge M‘, die m enthält, ist M‘\{m} eine Teilmenge von M\{m} und umgekehrt. Also gibt es auch hiervon 2n–1 Stück. Insgesamt gibt es also 2n–1 + 2n–1 = 2∙2n–1 = 2n Teilmengen von M. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 13 2.2 Binomialzahlen Definition. Die Anzahl der k-elementigen Teilmengen einer nn elementigen Menge wird mit bezeichnet; diese Zahlen heißen k Binomialzahlen. Beispiele n = 1 (jede Menge hat genau eine 0-elem. Teilmenge, nämlich {}) 0 n = 1 (jede n-elementige Menge hat nur eine n-elementige Teil n menge, nämlich sich selbst) n = n (die Teilmeng. der Mächtigkeit 1 sind genau die n Elemente) 1 4 = 6 (die 4-elementige Menge {a, b, c, d} hat sechs 2-elementige 2 Teilmengen: {a, b}, {a, c}, {a, d}, {b, c}, {b, d}, {c, d}) Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 14 Rekursionsformel für Binomialzahlen Wie kann man die Binomialzahlen ausrechnen? 1. Methode: 2.2.1 Rekursionsformel für Binomialzahlen. Seien k und n natürliche Zahlen mit 1 k n. Dann gilt n n 1 n 1 . k k k 1 Beispiel: Kapitel 2 6 5 5 4 4 5 6 4 515. 2 2 1 2 1 1 © Beutelspacher November 2004 Seite 15 Beweis der Rekursionsformel Sei M eine Menge mit n Elementen. Sei m ein Element von M. Wir teilen die k-elementigen Teilmengen von M in zwei Klassen ein: 1. Klasse: die, die m nicht enthalten. Jede dieser Teilmengen ist eine kelementige Teilmenge der (n–1)-elementigen Menge M \ {m}. Also gibt n 1 es davon genau k Stück. 2. Klasse: die k-elementige Teilmengen, die m enthalten. Sei M’ eine Teil-menge aus dieser Klasse. Wir entfernen m aus M’ und aus M. Dann ist M’ \ {m} eine (k–1)-elem. Teilmenge der (n–1)-elem. Menge M\{m}. Umgekehrt kann man jede (k–1)-elem. Teilmenge von M \ {m} durch Hinzufügen von m zu einer Teilmenge der Klasse 2 ergänzen. n 1 Somit ist die Anzahl der Teilmengen in der Klasse 2 gleich k 1. Durch Addition der beiden Anzahlen ergibt sich die Formel. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 16 Explizite Formel für Binomialzahlen Zweite Berechnungsmethode für Binomialzahlen: 2.2.2 Explizite Formel für die Binomialzahlen. Seien k und n natürliche Zahlen mit 0 k n. Dann gilt n n! n (n 1) (n 2) ... (n k 1) . k! k k!(n k )! n! („n Fakultät”) ist definiert als n! = n (n – 1) (n – 2) ... 2 1. Beispiel: 5! = 5 4 3 2 1 = 120. n n(n 1) . Beispiel zur expliziten Formel: 2 2 Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 17 Beweis der expliziten Formel Der Beweis erfolgt durch Induktion nach n. Wir machen uns hier den Schritt von 5 auf 6 klar. Wir setzen also voraus, dass die Formel schon für n = 5 richtig ist. Dann schließen wir wie folgt weiter 6 5 5 5! 5! k k k 1 k! (5 k )! (k 1)!(5 k 1)! 5! 1 1 5! (5 k 1) k ( ) (k 1)!(5 k )! k 5 k 1 (k 1)!(5 k )! k(5 k 1) 6 5! 6! . k (k 1)!(6 k ) (5 k )! k!(6 k )! Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 18 Möglichkeiten beim Lotto Beispiel. Beim Lotto “6 aus 49” werden sechs der Zahlen 1, 2, ..., 49 gezogen, wobei es auf die Reihenfolge nicht ankommt. In unserer Sprache heißt das: Es wird eine 6-elementige Teilmenge der Menge {1, 2, ..., 49} gezogen. 49 Dafür gibt es nach Definition genau Möglichkeiten. 6 49 49! 49 48 47 46 45 44 6! 6 6!(43)! = 13.983.816. Die Wahrscheinlichkeit für 6 Richtige ist also 1/13.983.816 = 0,000000071… Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 19 Binomischer Lehrsatz Erinnerung: (a +/– b)2 = a2 +/– 2ab +b2 (1./2. binomische Formel). 2.2. 3 Binomialsatz. Seien x und y Unbestimmte über Z. Dann gilt für jede natürliche Zahl n die folgende Gleichung: n n (x+y)n = xn + nxn–1y + xn–2y2 + ... + x2yn–2 + nxyn–1 + yn. 2 2 Zum Beispiel gilt (Ping + Pong)3 = Ping3 + 3Ping2Pong + 3PingPong2 + Pong3. Beispiele. 313 = (30 + 1)3 = 303 + 33021 + 33012 + 13 = 27.000 + 2.700 + 90 + 1 = 29.791. (s–3t)5 = s5 - 5s4(3t) + 10s3(3t)2 - 10s2(3t)3 + 5s(3t)4 - (3t)5 = ... Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 20 Beweis des Binomialsatzes Beweis. Wir stellen uns vor, wie man die linke Seite ausrechnet: Man müßte n mal die Terme x+y miteinander multiplizieren. Wenn man dies ausmultiplizieren würde, würde man aus k dieser Terme x und aus den andern n–k die Variable y auswählen. Also erhält man Ausdrücke der Form xkyn–k . Die Frage ist, wie oft man dabei den Summand xkyn–k erhält. Um diesen Term zu erhalten, muss man x genau k mal unter n Möglichkeiten auswählen. Daher erhält man den Summand Kapitel 2 xkyn–k n genau mal. k © Beutelspacher November 2004 Seite 21 Anwendungen des Binomialsatzes Man kann den Binomialsatz auch für feste Werte von x und y spezialisieren und n allgemein lassen. Man erhält eine Aussage über Binomialzahlen, die man dann in eine Aussage über Teilmengen übersetzen kann. Zwei Beispiele. 2.2.4 Anzahl aller Teilmengen. Wir setzen x = y = 1. Wir erhalten: n n n n n + + + ... + + = (1+1)n = 2n. 0 1 2 n 1 n Dies sagt, dass die Anzahl aller Teilmengen einer n-elementigen Menge (das heißt die Anzahl der 0-elementigen Teilmengen plus die Anzahl der 1-elementigen Teilmengen plus ...) gleich 2n ist. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 22 Gerade und ungerade Teilmengen 2.2.5 Satz. Anzahl der geraden Teilmengen = Anzahl der ungeraden Teilmengen. Beweis. Wir setzen x = 1, y = –1 und erhalten n n n n n – + – + –/+ ... = (1 – 1)n = 0n = 0. 0 1 2 3 4 M.a.W.: Die alternierende Summe der Binomialzahlen ist Null. Wir interpretieren dies auf folgende Weise: Die Anzahl der Teilmengen mit gerader Mächtigkeit ist gleich der Anzahl der Teilmengen ungerader Mächtigkeit. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 23 Auswahlen mit Wiederholungen Die Binomialzahlen sind die Anzahl der k-elementigen Teilmengen einer n-elementigen Menge. Man spricht manchmal auch von den ungeordneten Auswahlen ohne Wiederholung von k Objekten einer n-elementigen Menge. Wir interessieren uns auch für die Auswahlen mit Wiederholungen. Beispiel. Wir betrachten alle 15 ungeordneten Auswahlen mit Wiederholungen von vier Elementen der Menge {A, B, C}: AAAA AAAB AAAC AABB AABC AACC ABBB ABBC ABCC ACCC BBBB BBBC BBCC BCCC CCCC. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 24 Anzahl der Auswahlen mit Wiederholungen 4.2.3 Satz. Die Anzahl der ungeordneten Auswahlen mit Wiederholung von k Objekten aus einer Menge von n Objekten ist n k 1 k Beweis. Wir konstruieren eine eindeutige Zuordnung (d.h. eine bijektive Abbildung) zwischen • der Menge aller ungeordneten Auswahlen, und • der Menge aller binären (n+k–1)-Tupel mit genau k Einsen. Da die Anzahl dieser (n+k–1)-Tupel gleich ist damit die Behauptung bewiesen. Kapitel 2 n k 1 ist, k © Beutelspacher November 2004 Seite 25 Beweis Wir schreiben zuerst die Objekte der ersten Art, dann die der zweiten Art und so weiter auf. Wir ordnen nun jeder solchen Auswahl eine binäre Folge zu: Wenn n1 die Anzahl der Objekte der ersten Art ist, dann beginnt die Folge mit n1 Einsen; nach dieser Folge von Einsen folgt eine Null. Wenn n2 die Anzahl der Objekte des zweiten Typs ist, dann wird die Folge mit n2 Einsen fortgesetzt; dann kommt eine Null. Und so weiter. Beispiel: AABC 110101, BBCC 011011, AACC 110011 . Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 26 Beweis: Fortsetzung D.h.: Folgen von Einsen Folgen von Objekten des gleichen Typs, Nullen Trennzeichen zwischen Zeichen verschiedenen Typs. Da jede Auswahl aus genau k Objekten besteht, hat jede binäre Folge genau k Einsen. Da man n–1 Trennzeichen braucht, um die unterschiedlichen Objekttypen zu trennen, hat jede binäre Folge genau n–1 Nullen. Also hat jede binäre Folge die Länge n+k–1. Umgekehrt kann man jeder binären Folge der Länge n+k–1 mit genau n–1 Nullen eindeutig eine ungeordnete Auswahl mit Wiederholungen von k Objekten aus einer n-elementigen Menge zuordnen. Also gilt die Behauptung. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 27 2.3 Die Siebformel Die Summenformel (2.1.1) zur Erinnerung: Für je zwei endliche Mengen A, B gilt: A B = A + B – A B. Ziel: Verallgemeinerung auf die Vereinigung beliebig vieler Mengen A1, A2, ..., As. Beispiel: Für je drei endliche Mengen A, B, C gilt: A B C = A + B + C – A B – A C – B C + A B C. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 28 Die Siebformel 2.3.1 Satz. Seien A1, A2, ..., As beliebige endliche Mengen. Dann gilt: A1 A2 ... An = a1 – a2 + a3 – a4 + /– ... Dabei erhält man ai auf folgende Weise: (a) Man bildet den Durchschnitt von je i der Mengen A1, A2, ..., As. (b) Man bestimmt die Mächtigkeit dieser Durchschnitte. (c) Man addiert diese Mächtigkeiten. Zum Beispiel ist a1 die Summe der Mächtigkeiten der A1, A2, ..., As. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 29 Beispiel Wir betrachten vier Mengen A, B, C, D. Dann gilt: A B C D = A + B + C + D – A B – A C – A D – B C – B D – C D + A B C + A B D + A C D + B C D – A B C D. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 30 Ergänzung zur Siebformel 2.3.2 Satz. Seien A1, A2, ..., As beliebige Teilmengen einer t- elementigen Menge T. Dann gilt: T \ (A1 A2 ... As) = t – a1 + a2 – a3 + a4 – /+ ... Dabei werden die ai auf gleiche Weise wie in 2.3.1 gebildet. Beispiel: a1 Seien A, B, C Teilmengen einer endlichen Menge T. Dann gilt: T \ (A B C) = T – A – B – C + A B + A C + B C – A B C Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 31 2.4 Permutationen Definition. Eine Permutation einer endlichen Menge M ist eine bijektive Abbildung der Menge M in sich. D.h.: Jedem Element aus M wird ein Element von M so zugeordnet, dass keine zwei Elemente das gleiche Bild haben. Beispiel: Die Abbildung p definiert durch p(1) = 2, p(2) = 4, p(3) = 3, p(4) = 5, p(5) = 1 ist eine Permutation der Menge {1, 2, 3, 4, 5}. Wir werden Permutationen häufig nach folgendem Muster notieren: p= 1 2 3 4 5 2 4 3 5 1 (Schreibe die Elemente von M der Reihe nach in die erste Zeile; unter jedes Element von M schreibe das Bild dieses Elementes. ) Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 32 Anzahl der Permutationen 2.4.1 Satz. Die Anzahl der Permutationen einer n-elementigen Menge ist n! Beispiel: Um 100 Menschen auf 100 Stühle zu setzen, gibt es genau 100! 10158 Möglichkeiten. Beweis. Wir überlegen uns systematisch, wie viele Möglichkeiten es für eine Permutation p einer n-elementigen Menge M gibt. Ohne Einschränkung können wir M = {1, 2, 3, ..., n} wählen. Wir überlegen uns der Reihe nach, wie viele Möglichkeiten es für die Bilder der Elemente 1, 2, 3, ..., n gibt. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 33 Beweis Für das Bild des ersten Elements 1 gibt es n Möglichkeiten. Für das Bild von 2: n–1 Möglichkeiten, nämlich alle außer dem Bild p(1) des ersten Elements. Für das Bild von 3: n–2 Möglichkeiten (alle außer p(1) und p(2)). Usw. Bild von n–1: 2 Möglichkeiten, da bereits n–2 Elemente vergeben sind (die Bilder von 1, 2, ..., n–2). Das Bild des letzten Elements ist vollständig determiniert. Also gibt es insgesamt genau n(n–1) (n–2) ... 21 = n! Möglichkeiten für die Auswahl einer beliebigen Permutation p von M. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 34 Eigenschaften von Permutationen Da Permutationen bijektive Abbildungen einer Menge in sich sind, ergibt sich: 2.4.2 Satz. (a) Die Hintereinanderausführung von Permutationen einer Menge M ist wieder eine Permutation der Menge M. (b) Die zu einer Permutation inverse Abbildung ist ebenfalls eine Permutation. Mit anderen Worten: Die Permutationen einer Menge M bilden bezüglich der Hintereinanderausführung eine “Gruppe”; man nennt sie die symmetrische Gruppe von M. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 35 Fixpunkte von Permutationen Permutationen können Fixpunkte besitzen. Das sind Elemente, die auf sich selbst abgebildet werden. Definition. Sei p eine Permutation einer Menge M. Ein Element i von M heißt Fixpunkt von p, wenn gilt: p (i) = i. Beispiel: Die Permutation 1 2 3 4 5 p = 4 1 3 2 5 hat die Fixpunkte 3 und 5. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 36 Fixpunktfreie Permutationen Definition. Eine Permutation p der Menge M heißt fixpunktfrei, wenn sie keinen Fixpunkt besitzt, d.h. wenn für alle Elemente i aus M gilt: p (i) i. Beispiel: Die folgende Permutation ist fixpunktfrei: 1 2 3 4 5 p = 4 1 5 2 3 Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 37 Das Problem der zerstreuten Professoren Beispiel. Nach einem gemeinsamen Abendessen gehen n zerstreute Professoren zur Garderobe. In Gedanken versunken, greift jeder zufällig nach irgendeinem Mantel. Frage: Wie viele Möglichkeiten gibt es, dass jeder Professor einen falschen Mantel anzieht? Mathematische Beschreibung: Wir numerieren die Professoren und die Mäntel mit 1, 2, ..., n, so dass Mantel Nr. i zu Professor Nr. i gehört. Jede Zuordnung der Mäntel zu den Professoren ist eine Permutation p der Menge M = {1, 2, ..., n}. Wenn Professor Nr. i den falschen Mantel nimmt, so gilt p (i) i. Wenn alle Professoren falsche Mäntel nehmen, so ist p fixpunktfrei. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 38 Die zerstreuten Professoren - mathematisch gesehen Die Frage lautet: Wie viele fixpunktfreie Permutationen einer nelementigen Menge gibt es? A = Menge aller Permutationen von M = {1, 2, ..., n}. Dann A = n! . Ai = Menge aller Permutationen von M, die den Fixpunkt i haben. Dann kann man die Anzahl a(n) aller fixpunktfreien Permutationen wie folgt berechnen: a(n) = Anzahl aller Perm. – Anzahl der Perm. mit irgendeinem Fixpunkt = | A | - | A1 A2 A3 ... An | = n! - (a1 – a2 + a3 – a4 ...), mit den ai aus der Siebformel 2.3.1. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 39 Anzahl fixpunktfreier Permutationen 2.4.3 Satz. Sei a(n) die Anzahl aller fixpunktfreien Permutationen. Dann gilt: a(n) = n! – (a1 – a2 + a3 – a4 ... an) = n! n! n! n! n! ... . 1! 2! 3! n! Beispiel: Bei n = 5 zerstreuten Professoren gibt es 5! 5! 5! 5! 5! a(5) = 5! 1! 2! 3! 4! 5! = 120 - 120 + 60 - 20 + 5 – 1 = 44 Möglichkeiten, dass jeder einen falschen Mantel anzieht. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 40 Beweis Beweis. (a) Berechnung der Durchschnitte von je i der Mengen A1, A2, ..., An: Jeder dieser Durchschnitte enthält alle Permutationen mit gewissen i Fixpunkten. (Beispiel: A1 A3 A7 enthält alle Permutationen mit den Fixpunkten 1, 3 und 7.) Es gibt n Möglichkeiten, diese i Fixpunkte auszuwählen. i n Also gibt es i solche Durchschnitte. (b) Mächtigkeit dieser Durchschnitte: Es gibt (n–i)! Permutationen mit i festgelegten Fixpunkten. (Denn: Die Bilder der Fixpunkte sind festgelegt, die restlichen n–i Bilder können frei gewählt werden.) Also haben alle diese Durchschnitte die gleiche Mächtigkeit: (n–i)!. Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 41 Beweisabschluss (c) Summe dieser Mächtigkeiten: Da es n gibt, ist ai = i (n i)! n solche Durchschnitte i Das können wir noch vereinfachen: n n! n! (n i)! (n i)! ai = i ! (n i)! i! i (d) Berechnung von a(n): Für die gesuchte Anzahl aller fixpunktfreien Permutationen gilt also a(n) = n! - (a1 – a2 + a3 – a4 ... an) n! n! n! n! = n! ... . 1! 2! 3! n! Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 42 Lösung des Problems der zerstreuten Professoren Beispiel: Bei n = 5 zerstreuten Professoren gibt es 5! 5! 5! 5! 5! + – + – 1! 2! 3! 4! 5! = 120 - 120 + 60 - 20 + 5 -1 = 44 Möglichkeiten, dass jeder einen falschen Mantel anzieht. a(5) = 5! – Kapitel 2 © Beutelspacher November 2004 Seite 43