Sozialpsychologie WS 10/11 Henrik Singmann Session 7 Was ist Attribution? Fritz Heider: Der Mensch ist ein „naiver Wissenschaftler“/ „Alltagspsychologe“. Wir versuchen das Verhalten anderer zu verstehen. Attribution ist die Ursachenzuschreibung die wir vornehmen um das eigene oder Verhalten anderer zu erklären. Hauptdimension: internal oder external 16.05.2016 Präsentationstitel 2 Kelleys Kovariationsprinzip Vorläufige Analyse der sozialen Situation anhand von 3 Ursachenkategorien: - Akteur (internal) - Objekte der Handlung (external und stabil) - Situation/Kontext (external und instabil) 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 3 Wie attribuieren wir? Internal vs. External Harold Kelley: Kovariationsprinzip Konsens (zwischen Akteuren): Handeln auch andere hinsichtlich des Objektes so? Distinktheit (Zwischen Objekten): Verhalten spezifisch für Objekt? Oder wird bei ähnlichen Objekten des selbe Verhalten gezeigt? Konsistenz (zwischen Situationen): zeigt Akteur das selbe Verhalten gegenüber dem Objekt in weiteren Situationen? Informationsmuster Attribution 16.05.2016 Konsens Distinktheit Konsistenz Objekt hoch hoch hoch Person niedrig niedrig hoch Kontext niedrig hoch niedrig Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 4 Kelley Beispiele Informationsmuster Attribution 16.05.2016 Konsens Distinktheit Konsistenz Objekt hoch hoch hoch Person niedrig niedrig hoch Kontext niedrig hoch niedrig Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 5 Kelley Beispiele Eine Frau probiert ein Kleid an. Der Verkäufer sagt, dass das Kleid gut aussieht. Warum? Objekt (Kleid): - Alle Verkäufer finden das (Konsens hoch) - Verkäufer sagt es nur bei dem Objekt (Distinktheit hoch) - Jedes mal passiert es (Konsens hoch) Person (Verkäufer): - Nur der eine Verkäufer sagt das (Konsens niedrig) - Verkäufer sagt es bei jedem Kleid (Distinktheit niedrig) - Jedes mal passiert es (Konsens hoch) Situation/Kontext: - Nur der eine Verkäufer sagt es (Konsens niedrig) - Er sagt es nur bei dem einen Kleid (Distinkheit hoch) - Es passiert nur einmal (Konsens niedrig) 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 6 Kelley Beispiele Ein Kellner flirtet mit einer Kundin. Warum? Objekt (Kundin): - Alle Kellner flirten mit der Kundin (Konsens hoch) - Kellner flirtet nur mit dieser Kundin (Distinktheit hoch) - Kellner flirtet jedes mal mit dieser Kundin (Konsistenz hoch) Person (Kellner) - Nur er flirtet mit der Kundin (Konsens niedrig) - Er flirtet mit allen Kundinnen (Distinktheit niedrig) - Er flirtet immer mit allen Kundinnen (Konstanz hoch) Situation - Nur er flirtet mit der Kundin (Konsens niedrig) - Kellner flirtet nur mit dieser Kundin (Distinktheit hoch) - Er tut es nur einmal (Konsistenz niedrig) 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 7 Wie attribuieren wir? Internal vs. External Harold Kelley: Kovariationsprinzip Konsens (zwischen Akteuren): Handeln auch andere hinsichtlich des Objektes so? Distinktheit (Zwischen Objekten): Verhalten spezifisch für Objekt? Oder wird bei ähnlichen Objekten des selbe Verhalten gezeigt? Konsistenz (zwischen Situationen): zeigt Akteur das selbe Verhalten gegenüber dem Objekt in weiteren Situationen? Informationsmuster Attribution 16.05.2016 Konsens Distinktheit Konsistenz Objekt hoch hoch hoch Person niedrig niedrig hoch Kontext niedrig hoch niedrig Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 8 Wie attribuieren wir? Weitere Dimensionen Bernard Weiner: Leistungsattributionen Locus der Ursache: internal oder external (Selbstwertgefühl) Stabilität: Sind die Ursachen stabil oder variabel? (Einfluss auf Erwartung) Kontrollierbarkeit: Sind die Ursachen kontrollierbar oder unkontrollierbar? (Einfluss auf Bewertung) 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 9 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 10 Attributionsfehler Fundamentaler Attributionsfehler – FAE - kultureller Effekte des FAE Actor-Observer Bias Self-Serving Bias 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 6 11 FAE Allerdings neigen Menschen dazu diesen Einfluss der Situation zu ignorieren Beispiel (Jones & Harris, 1967): - Sie lesen einen Aufsatz eines anderen Studierenden über Fidel Castro. - Der Aufsatz ist entweder pro oder contra Fidel Castro. - Ihnen wird mitgeteilt, dass der Autor entweder freiwillig eine bestimmte Position gewählt hat oder dass ihm aufgetragen wurde eine bestimmte Position zu beziehen. - Abhängige Variable: Was ist die wahre Meinung des Aufsatzsatzschreibenden? 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 12 Jones & Harris (1967), Experiment 1 Vermutete Einstellung zu Castro des Autors vermutete Einstellung 70 60 50 40 30 20 10 Choice Pro-Castro 16.05.2016 No-Choice Anti-Castro Skala reicht von 10 (extrem anti-Castro) bis 70 (extrem pro-Castro) Paradoxer Effekt: Obwohl bekannt ist, dass der Text unter situationalem Einfluss entstanden ist, wird trotzdem eine entsprechende Persönlichkeit vermutet. Fundamentaler Attributionsfehler: FAE Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 13 Jones & Harris (1967), Experiment 2 Einstellung zu Castro 70 60 50 40 30 20 10 Choice Pro-Castro 16.05.2016 No-Choice (NC) Anti-Castro self NC - NC Ambivalent Zusätzliche Bedingungen: Zuerst selbst einen Aufsatz schreiben (ohne Wahl) und anschließend Einstellung bewerten. Zusätzlicher Aufsatz mit ambivalenter Richtung. Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 14 FAE und Kulturunterschiede Staaten bzw. Kulturen können sich hinsichtlich der Wertschätzung von Individualismus unterscheiden Großer Wert auf Selbstverwirklichung (individualistisch) Großer Wert auf Gruppenzugehörigkeit (kollektivistisch) In kollektivistischen Kulturen geringerer FAE 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 6 15 weitere Biase Actor-Observer Bias - Bei sich selber eher externale Attribution - Bei anderen eher internale Attribution - Aktuelle Metaanalyse stellt diesen generellen Effekt in Frage (Malle, 2006) Self-Serving Bias - Bei negativem Ergebnis eher externale Attribution - Bei positivem Ergebnis eher internale Attribution 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 16 Anwendungsfälle Attribution und Depression - Wie sieht ein depressiver Attributionsstil aus? Attribution und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz - Wie kann Attributionstheorie erklären, dass sexuelle Belästigung nicht immer gleich wahrgenommen wird? 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 17 Smirles (2004) - Responsibility in Sexual Harassement: Person and Situation Story: „ChefIn sagt MitarbeiterIn, dass Sie/Er Probleme bekomme bzw. besser gestellt wird, wenn Sie/Er keine Beziehung mit Chef eingeht.“ AV: Wie verantwortlich ist Täter/Opfer? Design: 2 (Sex VP) x 2 (Sex Täter/Opfer) [x 3 (Reaktion)] Ergebnisse: - Kein Effekt Täter/Opfer Sex - Männer halten Opfer für verantwortlicher (2.3 vs. 1.8) - Männer halten Täter für weniger verantwortlich (5.9 vs. 6.5) Erklärung über defensive Attribution: Geschlechterrolle Frau passt besser zu Opfer (ähnlicher), daher wird Verantwortung des Opfers minimiert Funktioniert nur bis Reaktion bekannt ist. Dann zählt Art der Reaktion. Bei Mitmachen höhere Verantwortung des Opfers (gilt vor allem für Frauen). 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 18 Impression Formation - Eindrucksbildung 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 19 Zentrale und Periphere Eigenschaften Wie bewerten Sie: - Person A ist geschickt, fleißig, warm/herzlich, entschlossen, praktisch, vorsichtig. - Person B ist geschickt, fleißig, kalt, Solomon Asch entschlossen, praktisch, vorsichtig. - Person C ist geschickt, fleißig, höflich (polite), entschlossen, praktisch, vorsichtig. - Person D ist geschickt, fleißig, abgestumpft/ unverblümt (blunt), entschlossen, praktisch, vorsichtig. Unterschiede bei warm/kalt Keine Unterschiede bei polite/blunt Warm/Kalt zentrale Persönlichkeitsdimension 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 20 Implizite Persönlichkeitstheorien Menschen besitzen bestimmte Vorstellungen (Schemata) wie Persönlichkeitseigenschaften gruppiert sind und zusammenhängen. Welche Art von Eigenschaften sind zentral? - z.B. warm/kalt Welche Art von Eigenschaften passen zusammen? - wer liebenswürdig ist, gibt wahrscheinlich gerne - Wer ein Geizhals ist, ist wahrscheinlich leicht reizbar Welchen Einfluss hat die Geburtsreihenfolge? - Erstgeborene sind eher intelligent und ambitioniert - Letztgeborene sind eher kreativ und emotional - Einzelkinder sind … Kulturelle & Sprachliche Unterschiede 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 21 Wie sieht eigentlich nochmal dieser John Bargh aus? 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 22 Zentrale und Periphere Eigenschaften Wie bewerten Sie: - Person A ist geschickt, fleißig, warm/herzlich, entschlossen, praktisch, vorsichtig. - Person B ist geschickt, fleißig, kalt, Solomon Asch entschlossen, praktisch, vorsichtig. - Person C ist geschickt, fleißig, höflich (polite), entschlossen, praktisch, vorsichtig. - Person D ist geschickt, fleißig, abgestumpft/ unverblümt (blunt), entschlossen, praktisch, vorsichtig. Unterschiede bei warm/kalt Keine Unterschiede bei polite/blunt Warm/Kalt zentrale Persönlichkeitsdimension 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 23 16.05.2016 Präsentationstitel 24 Eindrucksbildung - Kognitive Aspekte Wenn verschieden Eigenschaften genannt werden, findet eine Mittelung statt (anstelle von Summierung) Im allgemeinen achten wir mehr auf Persönlichkeitseigenschaften, Werte und Prinzipien als auf Fähigkeiten. Anfänglich werden eher Verhaltensexemplare erinnert, später eher Abstraktionen. Sowenig kognitiver Aufwand wie möglich: Menschen möglichst schnell in möglichst große Kategorien einordnen. 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 25 Impression Management 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 26 Taktiken Self-enhancement: Sich selbst im möglichst guten Licht darstellen. Other-enhancement: Schmeicheln Nicht übertreiben: Sonst ist man ein Schleimer „Wichtige“ Strategie: Self-Handicapping (Strategie um unvorteilhafte Attributionen zu vermeiden). Hilft: - Stabile Attributionen zu vermeiden - Internale Attribution zu vermeiden. 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 27 Für nächste Stunde keine Vorbereitung David Kellen wird was über das Gedächtnis erzählen 16.05.2016 Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 7 28