Vorlesung 00 Materie und Strahlung II

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Strahlung und Materie: Teil II
Zusammenfassung Teil I (Phänomenologie)
• Strahlungsfeld
• Intensität Iν, Energiefluss (Energie/Flächeneinheit), Leuchtkraft, Strahlungsstrom
• thermodynamisches Gleichgewicht: Strahlung ist isotrop und Iν=Bν(T) (Planck-Funktion)
• Hohlraumstrahlung (Strahlung eines schwarzen Körpers)
2h 3
1
I  B (T )  2  h /kT
c
e
1
• Wiensche’s Verschiebungsgesetz maxT  0.290 cm K
2h 3  h /kT
2h 2
• Grenzfälle: ν>>νmax : B (T )  2  e
, ν<<νmax : B (T )  2  kT
c
c
• Totale Flächenhelligkeit (Stefan-Bolzmann Gesetz): F  
0 
• Strahlungstransportgleichung I (  )  I e
• im LTE:
dI
   I  B (T(s))
ds
2
• Dopplereffekt
v 
1  r 
 c


v
0
1 r
c
1 ;

 /2 2 


 
  S e
B (T )cos sin  d d d  BT 4
0 0
(    ' )
d ' mit dτν =κνds, Sν=εν/κν
0
Magnitudenskala
S1
 10 0.4(m1  m2 )
S2
• Der Energieaustausch zwischen dem elektromagnetischen Strahlungsfeld und stellarer Materie erfolgt
durch Änderung der Energie freier und gebundener Elektronen, verbunden mit Absorption und
Emission von Photonen
• Fragen:
welche Übergänge sind möglich?
was ist das Verhältnis der Anzahl N der Atome (oder Ionen) in einem bestimmten Energiezustand?
wie erklären wir die Spektrallinien?
• Boltzmann-Gleichung
• Saha-Gleichung
• Atomare/molekulare Übergänge
Boltzmann-Gleichung
• Betrachte freie, nicht-entartete Atome mit einem angeregten Elektron. Die Energie des Atoms A ist die
Summe aus kinetischer plus Anregungsenergie Ei:
p A2
E
 Ei
2m A
• Die Anzahl der Quantenzustände im Intervall (E, E+dE) ist (wobei gi=die Entartung des angeregten
Zustandes, “statistisches Gewicht” oder Anzahl der Einzelzustände, die zur Energie Ei beitragen):
d 3 xd 3 p A
dg A 
gi
3
h
• Integration über die Verteilungsfunktion liefert:
3/2
2
gi A  Ei /kT
(2

m
kT
)
 p A /(2mA kT ) 3
3
 A  Ei /kT
A
Ni   d Ni  3 e e
e
d
xd
p

V
e
e
A
3


h
h
• oder (wobei ni= Anzahldichte der Atome mit einem Elektron im Quantenzustand i):
Ni (2 mAkT )3/2 A  Ei /kT
ni 

e e
3
V
h
Boltzmann-Gleichung
• Daraus folgt das Verhältnis der Anzahldichten der Atome in zwei unterschiedlichen Energiezuständen
Ei und Ej:
 E j  Ei 

exp  

ni
gi
kT 
nj
gj
Boltzmann-Faktor
Boltzmann-Gleichung für das Verhältnis der Besetzungszahlen
• Beispiel: Wasserstoffatom -> Entartung der Energiezustände ist 2n2 (n=Hauptquantenzahl)
Grundzustand: E = -13.6 eV, n=1, g1=2
1. Angeregter Zustand: E = -3.4 eV, n=2, g2 = 8
2. Angeregter Zustand: E = -1.5 eV, n=3, g3 = 18
• Sei Gas aus neutralem Wasserstoff; bei welcher T sind gleich viele Atome im Grundzustand und im
ersten angeregten Zustand?
Boltzmann-Gleichung
• Wir setzen n1 = n2 in der Boltzmann-Gleichung und erhalten:
Relative Besetzung des 1. angeregten
2(2)2 [(13.6eV /22 )(13.6eV /12 )]/kT
Zustands von H als Fkt. der Temperatur
1
e
2
2(1)
8 10.2eV /kT
1 e
2
10.2eV
 ln(4)
kT
mit k=8.6174  10 -5 eV K -1
10.2eV
10.2eV
4
(Carroll&Ostlie)
T 


8.54

10
K
-5
-1
k ln(4) 8.62  10 eV K ln(4)
=> es werden hohe Temperaturen benötigt, um viele H-Atome in den ersten
angeregten Zustand zu bringen!
=> jedoch erreichen zB die Balmer-Linien (von n=2 nach n=3,4,...) ihr Maximum bei
etwa 9520K und werden sogar schwächer in heisseren Sternen; warum?
Boltzmann-Gleichung
• Um die Anzahldichte nA,i eines Atoms (oder Ions) A im Quantenzustand i relativ zu der Anzahldichte
aller Atome (oder Ionen) zu erhalten, müssen wir die Summe über alle Quantenzustände berechnen
(= die Partitionsfunktion Z):

 EA,i 
ZA (T )   g A,i exp  

 kT 
i0
• dann folgt:
nA,i
g A,i
 EA,i 

exp  

 kT 
nA
ZA (T )
Partitionsfunktion:
die gewichtete Summe der Arten, in der ein Atom bei einer gegebenen Temperatur
seine Elektronen arrangieren kann
Die energiereicheren Konfigurationen werden dabei durch den Boltzmann-Faktor
heruntergewichtet
Die Saha-Gleichung
• wir behandeln den einfachen Fall der Ionisation (gebunden-frei Übergang):
Atom im Grundzustand + Photon => Ionisiertes Atom im Grundzustand + freies Elektron
• Mit (mA≈mI):
p A2
EA 
 Energie des Atoms
2m A
pI2
EI 
 Eion  kinetische Energie plus Ionisationsenergies des Ions
2m A
pe2
Ee 
 kinetische Energie des Elektrons
2me
• ist die Anzahl der Zustände:
d 3xd 3 p A
dg A 
gA
3
h
d 3xd 3 pI
dgI 
gI
3
h
d 3xd 3 pe
dge 
ge
3
h
• wir integrieren über die Verteilungsfunktionen um die Anzahldichten der Teilchen zu erhalten:
Die Saha-Gleichung
• mit ge = 2 (2 Spinzuständes des Elektrons):
NA
(2 m AkT )3/2  A
nA 
 gA
e
3
V
h
NI
(2 m AkT )3/2 I  Eion /kT
nI 
 gI
e e
3
V
h
Ne
(2 me kT )3/2 e
ne 
2
e
3
V
h
• Da die Energie konserviert ist, müssen die chemischen Potentiale die Beziehung erfüllen:
 I  e   A  0
• Aus dem Produkt nIne/nA folgt die Saha-Gleichung:
nI ne 2g I (2 me kT )3/2  Eion /kT

e
3
nA
gA
h
• geht zurück auf den indischen Astrophysiker Meghnad Saha, 1920
Die Saha-Gleichung
nI
2g I (2 me kT )

3
nA ne g A
h
3/2
e
 Eion /kT
• => das Verhältnis der Anzahl von ionisierten Atomen zu den Atomen im Grundzustand
• abhängig von 1/ne: je mehr freie Elektronen da sind, umso leichter können Ionen wieder
rekombinieren, umso weniger Atome sind im ionisierten Zustand
• Beispiel: Sternatmosphäre aus Wasserstoff
• => nI/nTot = nI/(nI+nA)=(nI/nA)/(1+nI/nA)
• Bruchteil der ionisierten Atome zwischen
• 5000 K und 25000 K
• => Ionisation läuft in einem kleinen T-Bereich
• von etwa 3000K um T~ 10000K herum ab
• => Zone partieller Ionisation
bei 9600 K sind 50%
der H-Atome ionisiert
bei 13000 K: ~ 100%
(Carroll&Ostlie)
Boltzmann + Saha-Gleichung
• Die Stärke der Balmer-Linien hängt von dem Verhältnis n2/nTot ab = Anteil aller H-Atome, die im
angeregten (n=2) Zustand sind.
1.
• Aus der Kombination der Saha und Boltzmann-Gleichungen folgt das Verhältnis von Atomen im 1.
angeregten Zustand zu allen Atomen
Ergebnis: deutlicher Peak bei 9900 K, in guter
Übereinstimmung mit Beobachtungen!
Abnehmende Stärke der Balmer-Linien bei
Teff>10000 K kommt durch schnelle Ionisation des
Wasserstoffs bei hohen Temperaturen zustande
(Carroll&Ostlie)
e- im Grundzustand
Max. der Balmer-Linie
H ionisiert
Atomare und molekulare Übergänge
• Emission und Absorption von Photonen finden durch Prozesse in Atome/Moleküle. Diese Prozesse
sind quantenmechanischer Natur. Wir erhalten ein:
diskretes Spektrum von Energie-Eigenwerten für gebundene Elektronen (E<0)
kontinuierliches Energiespektrum für freie Elektronen (E>0)
• Folgende Wechselwirkungen zwischen Photonen und Elektronen sind möglich:
Absorption
Spontane Emission
Stimulierte Emission
• wobei Übergänge zwischen folgenden Energieniveaus stattfinden können:
diskret-diskret (gebunden-gebunden) => Spektrallinien
h  Ei  E j
2
m
v
e
diskret-kontinuierlich (gebunden-frei) => Ionisation
 h  Ei
2
me v2
=> Rekombination
h 
 Ei
2
kontinuierlich-kontinuierlich (frei-frei) => Bremsstrahlung (im E-Feld eines Ions)
h  E'  E''
Atomare und molekulare Übergänge
Bender&Burkert http://www.mpe-garching.mpg.de/~bender
Eigenwerte des Wasserstoffs
• Der Zustand des Elektrons ist beschrieben durch die folgenden Quantenzahlen:
n Hauptquantenzahl
n=1, 2, 3, ...
l Bahndrehimpuls
l=0, 1, 2, .., n-1
ml z-Komponente des Bahndrehimpulses
s Spin
L  l(l  1)h,
Lz  ml h
ml=-l, -(l-1),...., l-1, l
S
ms=±1/2
3
h,
2
Sz  ms h
• Energieeigenwerte (a0=Bohr-Radius = 0.529 Å)
e2 Z2
En  
2a0 n 2
• Balmerlinien: n=2 -> n=3, 4, 5,... (Hα, Hβ, Hγ, ...)
• Entartungsgrad pro Energieeigenwert:
n1
gn  2 (2l  1)  2n2
l 0
Balmer-Linien des (Bohrschen) Wasserstoffatoms
Emissionslinien
Absorptionslinien
(Carroll&Ostlie)
Energienieveaus des (Bohrschen)
Wasserstoffatoms
E< 0: gebundene Zustände;
E> 0: freie Zustände
Ionisationslimit (n->∞) hat E=0
(Carroll&Ostlie)
Eigenwerte von Atomen mit mehreren Elektronen
• N (Elektronen) =1
Alkali-Metalle
e2 Z2
En  
2a0 n 2
Elektrostatische Abschirmung des Kernpotentials
• N (Elektronen) >1: die Bahndrehimpulse und Spins der Elektronen koppeln
LS-Kopplung (Spin-Bahn << Coulomb):
r
L   li ,
r
r
S   si ,
r r r
J  LS
jj-Kopplung (Spin-Bahn >> Coulomb)
r r
ji  li  si ,
r
r
J   ji
• Moleküleigenwerte
molekulare Übergänge wichtig im interstellaren Medium und kühle Sterne
Übergänge durch Vibration ( nahes IR) und Rotation ( sub-mm, mm, radio)
Eel>>Evib>>Erot
LS  J  LS
Auswahlregeln
• die Übergangsmöglichkeiten bei Emission oder Absorption von elektrischer Dipolstrahlung sind
beschränkt durch Auswahlregeln:
Nur Übergänge zwischen geraden und ungeraden Niveaus
J ändert sich nur um ΔJ=0 oder ΔJ =±1 (der Übergang J=0 →J=0 ist verboten)
• Für LS-Kopplung gilt zusätzlich:
ΔL=0,±1
ΔS=0 (keine Interkombinationen, zB von Singlett-Triplett)
• Ein Übergang = erlaubt, falls keine Auswahlregel verlezt ist. Sind die ΔL und ΔS Auswahlregeln nicht
erfüllt => verbotene Übergänge
Diese finden durch elektrische Quadrupolstrahlung oder magnetische Dipolstrahlung mit sehr viel kleiner
Wahrscheinlichkeit statt
Streuprozesse
• Rayleigh Streuung: WW von gebundenen Elektronen mit niederenergetischen Photonen
8 e 4 (1026 Å)4

3me2
4
Grund für den blauen Himmel! Der Wirkungsquerschnitt ist:
• Thomson Streuung: WW von freien Elektronen mit niederenergetischen Photonen
WQ:
8 e 4
25
2


6.665

10
cm
3me2 c 4
wichtig für IR, optische, UV-Strahlung in Sternatmospären, interstellarem + intergalaktischem Gas, Big Bang,...
• Compton-Streuung: WW von freien Elektronen mit hochenergetischen Photonen
WQ:
3 me c2  2h 1 
  T
ln
 
2

8 h  me c
2
wichtig für sehr heisse Gase, Röntgen-und Gammastrahlung
(bei Egamma> 2mec2 (=1.02 MeV) => Paarerzeugung im Coulombfeld einer Ladung)
1
 ; Z T ,  
137
2
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