Wie Emotionen entstehen

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Wie Emotionen entstehen
Eine Leseanleitung zu
Joseph LeDoux:
„Das Netz der Gefühle“
Emotionen ohne Gefühl
bewußt, gefühlt, heiß
unbewußte Ansammlung
von evolutionär erprobten
Reaktionsmustern
auf verschiedene
Situationen
LeDoux konzentriert sich
auf Furcht.
unbewußte Kognition
bewußt
unbewußte Wahrnehmung
(eat popcorn, Stereoort),
Gedächtnissuche,
unlogisches (heuristisches)
Problemlösen
James und der Bär
• Warum rennen wir vor einem Bär weg?
– Wir fürchten, er könnte uns fressen. Deshalb rennen wir weg.
– Wir rennen „automatisch“ weg, weil die Evolution uns das lehrte.
Und weil wir wegrennen, fürchten wir uns.
• Naiv:
• James:
Reiz
Reiz


Gefühl
Reaktion


Reaktion
Gefühl
James versus Cannon
• James, 1894:
Reiz  Erregung  Feedback  Gefühl
• Cannon, 1929:
Das autonome Nervensystem (ANS) ist

zu langsam,

zu unspezifisch.
(aber: James hatte nicht nur ANS gemeint)

Erregung und Gefühl entstehen unabhängig.
Reiz  Erregung (unspezifisch)
Reiz  Gefühl
Erregung verleiht dem Gefühl Dringlichkeit.
• Gemeinsamkeit: Reaktion basiert nicht auf Emotion.
Kognition und Emotion
• Schachter und Singer, 1962: Kognition deutet Erregung:
Reiz  Erregung  Kognition  Gefühl
• Adrenalin-Injektion + situativer Kontext

durch Injektion ausgelöste Erregung
wird situativ interpretiert
• Valins, 1966:
gefälschtes Herzschlag-Feedback

Bilder mit „erhöhter“ Pulsrate
werden anschließend attraktiver beurteilt.
Kognition und Emotion
Reiz  ???  Erregung  Kognition  Gefühl
• Arnold, 1960: kognitive Bewertung
Reiz  Kognition (Bewertung Schaden/Nutzen)
 Erregung (Handlungstendenz)
 Kognition (Interpretation)
 Gefühl
• Zajonc, 1980: kognitive Bewertung kann unbewußt bleiben.
– „bloße Darbietung“: Präferenz für bereits Gesehenes
funktioniert auch bei unterschwelliger Darbietung.
• irrelevant speech + Konditionierung
Kognition und Emotion
• Bornstein, 1992: Einfluß auf Emotion stärker wenn unbewußt
– „bloße Darbietung“ von Gesichtern unter/überschwellig,
dann: reale Personen äußern unterschiedliche Meinungen
 VP schließt sich der Meinung der „bekannten“ Person an.
Effekt stärker wenn vorherige Darbietung unterschwellig.
• analog: Adrenalin-Injektion + Erklärung wirkt weniger
• Bargh, 1990: Überschwellige Darbietung, aber
unbewußte Implikationen
– VP bearbeiten Wortlisten, z.B. „neutral“ versus „gerontologisch“,
gemessen wird die Zeit, den Korridor hinunterzugehen.
– oder: Wortlisten „selbstbewußt“ versus „höflich“,
gemessen wird die Zeit, bis Experimentator unterbrochen wird,
– unbewußte Implikationen bewirken self-fulfilling prophecy
Kognition und Emotion zwei Paar Schuhe
• Läsionen können perzeptuelle Repräsentation
oder emotionale Bewertung beeinträchtigen.
• Läsionen können kognitive oder emotionale Erinnerungen
beeinträchtigen.
• split-brain Patienten können emotionale Gehalte von einer
Hemisphäre zur anderen transferieren, aber nicht kognitive.
• kognitive Reiz/Reaktionsschemata sind flexibel,
emotionale hingegen fest verdrahtet (aber schnell)
Einschub: Das limbische System
• Läsionsexperimente Bard (1929):
– Ohne Großhirnrinde fast vollständiges emotionales Repertoire
– Ohne Hypothalamus nur fragmentarische emotionale Reaktionen.
– Canon - Bard:
• Sinnesorgan ... Thalamus ... Großhirnrinde ... Gefühl
• Sinnesorgan ... Thalamus ... Hypothalamus ... Reaktion
• Papez (1937):
– Neuronenkreis Thalamus ... sensorischer Kortex ...
zingulärer Kortex ... Hippocampus ... Hypothalamus
• MacLean (1952):
– „viszerales Gehirn“, „limbisches System“
• basierte auf unzureichenden Kenntnissen über Konnektivität,
Hippocampus inzwischen auch als Basis nicht-emotionalen LZG anerkannt.
Evolution der Emotionen
• Darwin, 1872: The expression of
emotions in man and animals.
(Neuauflage ~1973 Paul Ekman)
– Ähnlichkeiten emotionalen Ausdrucks:
• am größten bei verwandten Arten,
z. B. Gesichtsausdrücke bei Affen
• aber auch über viele Arten hinweg:
z. B. Fellsträuben = Piloreaktion =
Gänsehaut
– Hinweis auf angeborene Ausdrucksformen
für Emotionen
– vermutete unterschiedliche Entstehungszeit,
z. B für Furcht und Sorge
Elementare Emotionen beim Menschen
• Universale (kulturübergreifende) Mimik
• Tomkins, 1962: Acht Elementaremotionen
– Überraschung, Interesse, Freude, Wut,
Furcht, Ekel, Scham, Angst
• Ekman, 1984: Sechs Elementaremotionen
– Überraschung, Glück, Zorn, Furcht, Ekel, Trauer
• Plutchik, 1980:
– Überraschung, Freude, Wut, Furcht, Abscheu, Trauer,
Erwartung, Billigung
gemischte Gefühle
• Plutchiks Emotionskreis
Primäre Dyaden
Mischungen ohne Zwischenglied
– Freude + Billigung = Freundlichkeit
Sekundäre Dyaden
mit einem Zwischenglied
– Freude + Furcht = Schuldgefühl
Tertiäre Dyaden
mit zwei Zwischengliedern
– Freude + Überraschung = Entzücken
• unterschiedliche Auffassungen über Zahl und Art der Elementaremotionen:
Sind diese überhaupt elementar?
sozialer Konstruktivismus
• Averill, 1980: Emotionen sozial konstruierte Reaktionsmuster.
– „ein Wildschwein sein“: Streß ablassen bei den Gururumba.
– „amae“: sich lieben lassen bei den Japanern.
• Ekman: sowohl ... als auch ...
– universale Mimik
– kulturell geprägte Embleme (Kopfnicken, Achselzucken)
• Ekman: Darbietungsregeln überformen selbst universale Mimik:
– Mark Twain: An Stellen, an denen ein naher Angehöriger schluchzt, hat ein intimer Freund einen würgenden Laut von sich zu
geben, ein entfernter Bekannter zu seufzen, und ein Fremder lediglich mitfühlend an seinem Taschentuch zu fummeln.
– Vorführung eines emotional aufwühlenden Films
in Japan / USA, mit / ohne Experimentator als Zweitzuschauer:
Japan + Zweitzuschauer  weniger emotionale Reaktionen, mehr Lächeln
(Zeitlupe: elementare Reaktionen werden überlagert)
• unterschiedliche Auffassungen über Zahl und Art der Elementaremotionen:
Sind diese überhaupt elementar?
Elementare Reaktionen
• Ortony & Turner, 1990:
– nicht Emotionsausdrücke sind elementar, sondern (nicht-emotionale) Reaktionen.
– Emotionen greifen auf Repertoire
biologisch determinierter Reaktionskomponenten zurück:
• Zittern (bei Kälte oder Furcht), Weinen (bei Freude oder Schmerz), ...
– Bewertungen bestimmen Auswahl der Reaktionskomponenten.
• sehr viele unterschiedliche Bewertungen / Reaktionspakete
• einige davon häufiger als andere, erscheinen elementar
• Bewertung und „Reaktionspaket“ kann angeboren (elementar) sein.
– Furchtsamkeit ist genetisch angelegt
• Rattenzüchtungen, eineiige Zwillinge
• Vier Elementaremotionen tauchen in allen Listen auf:
– Furcht
– Ekel
– Zorn
– Freude
Elementarfunktionen
• „Mag ein Reh auch vor einer Gefahr davonlaufen,
ein Vogel davonfliegen, und ein Fisch davonschwimmen,
so sind doch all die verschiedenen Verhaltensmuster
funktional gleichbedeutend; sie alle haben nämlich die
gemeinsame Funktion, zwischen dem Organismus und
einer Gefahr für sein Überleben einen Abstand zu
schaffen.“ (Plutchik, 1980)
Furcht
Warum konzentriert LeDoux sich auf Furcht?
• Furcht ist allgegenwärtig
– keineswegs „erledigt“ mit Überwindung der Raubtiere
– beim Menschen: intellektuell begründete Existenzängste
• Furcht ist bedeutend in der Psychopathologie
– Phobien, Panikstörung, posttraumatische Belastungsstörung
• Furcht ist bei Mensch und Tier ähnlich
– Notwendigkeit zum Schutz vor gefährlichen Situation ist
universal, Reaktionsmöglichkeiten begrenzt:
• Rückzug, Regungslosigkeit, (defensive) Aggression, Unterwerfung.
Six degrees of separation
Small World Network
• Verhalten
– Furchtkonditionierung
• Neurobiologie
– Läsionsexperimente
– Tracer
Furchtkonditionierung
• unkonditionierter Stimulus (US)
– Pawlow: Fleisch
– z. B. Stromstoß (bei Ratten)
• konditionierter Stimulus (CS)
– Pawlow: Klingel
– z. B. Ton
• konditionierte Reaktion (CR)
– Pawlow: Speichelbildung
– Furchtreaktion: Starre,
Herzschlag & Blutdruck ,
Piloreaktion, Streßhormone.
Lernen und Vergessen
• Die CS-US Koppelung wird schnell gelernt.
– eine einzige Koppelung kann ausreichen.
• Sie kann zwar gelöscht werden,
– wiederholte Darbietung von CS ohne US.
• aber sie wird nie vergessen.
– bei weiterer CS-US Koppelung:
• Ersparnis
– ohne weitere CS-US Koppelung:
•
•
•
•
spontane Erholung
Kontext (Erneuerung)
US o.ä. (Wiederherstellung)
Relevanz: Stabilität der Phobie
Unterschiedliche Gedächtnissysteme
• deklaratives, explizites
Gedächtnis
• prozedurales, implizites
Gedächtnis
• Gedächtnis an Emotionen
• emotionales Gedächtnis
• ein System
• viele Systeme
(Temporallappen, Hippocampus, ...)
(LeDoux: Furchtgedächtnis,
Amygdala)
• Claparède, 1911:
emotionales Gedächtnis bei einer Amnestikerin
• Graff, Squire, Mandler, 1984:
Erinnerung bei Amnestikern je nach Instruktion
Beteiligte Strukturen
• Amygdala (Mandelkern), Substrukturen
– Amygdalaläsion:  keine Furchtkonditionierung
(bei Vögeln, Ratten, Kaninchen, Affen, Menschen...)
– Damasio (1995): Patientin mit Amygdalaläsion konnte
Emotionen von Gesichtern ablesen... außer Furcht!
•
•
allgemein: Basalganglien (emotionale Aktionen)
Hypophyse (Hirnanhangsdrüse, Zirbeldrüse)
– Descartes: Sitz der Seele
(Lage, einziges unpaares Organ des Gehirns)
•
•
Hippocampus (Kontext)
präfrontaler Kortex
(Bewertungen,  Sorge, Löschung)
• ...
Spuren zweier Gedächtnissysteme
• Infantile Amnesie
– Hippocampus reift langsam
– implizites Gedächtnis nicht betroffen
• Blitzlichterinnerungen
– Adrenalin verstärkt Erinnerung.
– Adrenalinblocker hebt emotionalen
Gedächtnisvorteil auf.
(möglicher) Schaltplan der Furcht
Reiz
sensorischer
Kortex
Hippocampus
Amygdala
Noradrenalin
Thalamus
Hypophyse
Vagus
ANS
Nebennieren
rinde
Nebennieren
mark
Corticoide
Adrenalin
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