Titel - Wirtschaftsethik

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"Corporate Social Responsibility (CSR) - Zur
ökonomischen, ökologischen und sozialen Verantwortung
von Unternehmen"
Interdisziplinäre Ringvorlesung
Leitung der LV:
Univ. Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Kampits
SS 2008, Dienstag 16.00h-18.00h
Universität Wien, Dr. Karl-Lueger Ring 1, 1010 Wien, Hörsaal 47
Wirtschaft und Ethik.
Zum Prozess eines wissenschaftlichen Diskurses.
Mag. Helma Riefenthaler, Universität Wien
Wirtschaft und Ethik. Zum Prozess eines wissenschaftlichen
Diskurses.
Moral:
das sittliche Handeln des Einzelnen oder
einer Gesellschaft, kulturell und
historisch relativ
Gesellschaftliche (soziale) Konsequenzen
bei Nichteinhaltung
Ethik:
die Theorie der Moral,
das Sein-Sollende des sittlichen
Handelns
„Fundament und Korrektiv des Rechts“
Recht:
staatlich festgesetzte Normen des
Handelns; (Staatsgewalt: Exekutive,
Legislative, Judikatur)
Rechtliche Konsequenzen bei
Nichteinhaltung; historische und
nationale Differenzen
(Vgl. zB Düwell/Hübenthal/Werner 2002; Waibl 2005)
Ethik
Recht
Moral
Ethik, Recht und Moral
können als einander
überschneidende,
divergierende bis
deckungsgleiche Größen
gesehen werden, die in
ständiger Wechselbeziehung
zueinander stehen.
Wirtschaft und Ethik. Zum Prozess eines wissenschaftlichen
Diskurses.
• Wirtschaftsethik in diachroner Hinsicht
• Prozess des akademischen Diskurses
Transformation der Begriffe, Ethik, Ökonomik, Wirtschaft, Moral zugleich
verbunden mit differenten Prinzipienethiken
• Wirtschaftsethik in synchroner Hinsicht
• differente Positionen ethischer Theorien:
Business Ethics, Wirtschaftsethik als Bereichsethik, Wirtschaftsethik als
allgemeine Ethik, Unternehmensethik als Bereichsethik;
• Innen- und Außenperspektiven
• Innenperspektive der Wirtschaftswissenschaft, der Ethik, der
Volkswirtschaft, des Einzelunternehmers
• Außenperspektiven der Beobachter (oben genannte Innenperspektiven
sind zugleich immer auch reziproke Außenperspektiven; weiters Medien,
Öffentlichkeit – Gesellschaft, der Andere)
Wirtschaft und Ethik. Zum Prozess eines wissenschaftlichen
Diskurses.
Um 1870
• Industrielle Revolution (größter
Produktionsbetrieb 1850: 300 MA)
•Trennung der Naturwissenschaften
von den Geisteswissenschaften (EthikÖkonomik)
20. Jh.
Neue Unternehmensgröße:
Corporation
Unterscheidung zwischen
EPU (OPE): Ein-Personen
Unternehmen
KMU (SME): Kleine und mittlere
Unternehmen (bis 249 Mitarbeiter)
GU: Großunternehmen (ab 250
Mitarbeitern)
MNU (MNC): Multinationale
Unternehmen mit über 10.000
Mitarbeitern
Unternehmensverantwortung?
klassische ethische Theorien sind auf
Personen bezogen
Aristoteles: Oikonomos;
Imputationslehre (Tatherrschaft
einer Handlung/Zurechnung)
Kant: Pflicht (Kaufmann)
A. Smith: unsichtbare Hand, die den
Geschäftsmann leitet
J.S.Mill: Nutzen
(Vgl. H.v.Luijk, „Business ethics in Europe: A tale of
two efforts“ in Frederick 2006; P. Drucker,
1990 „The new realities“, dt. in Drucker 2007)
Ethischer und ökonomischer
Diskurs ab 1950:
Haben Unternehmen Verantwortung
(corporate responsibility) – und
wenn ja, welche?
ÖKONOMIK:
… das Sein-Sollende des wirtschaftlichen/unternehmerischen Handelns
„the business of business is business“
„In einem freien Wirtschaftssystem gibt es nur
eine einzige Verantwortung für die Beteiligten: sie
besagt, daß die verfügbaren Mittel möglichst
gewinnbringend eingesetzt und Unternehmungen
unter dem Gesichtspunkt der größtmöglichen
Profitabilität geführt werden müssen“
(Kapitalismus und Freiheit, Friedman 1971)
Shareholder Value
„The social responsibility of business is to increase its profits“ M. Friedman, 1971
Corporation (Unternehmen)
Shareholder (Kapitalgeber, Aktionäre)
ETHIK:
… das Sein-Sollende des wirtschaftlichen/unternehmerischen Handelns
Entwicklung der Business Ethics und Wirtschaftsethik als Bereichsethik der
angewandten Ethik ab 1970
„Der moralische Status der Korporation – d.h., ob
Korporationen moralisch verantwortlich gemacht
werden können, oder ob dies nur für einzelne
Individuen gelte – ist eine zentrale Frage, welche
die Literatur über Ethik in der Wirtschaft und über
korporative Verantwortung bislang noch nicht
gestellt hatte.“
(Business ethics, De George 1998: 305f)
Wirtschaft und Ethik. Zum Prozess eines wissenschaftlichen
Diskurses auf dem Weg zu Unternehmensverantwortung.
1. Schritt: Kritik und Problematisierung
Wirtschaftsethik als angewandte Ethik:
Aufzeigen von Defiziten/Problemen, Argumentation im Rückgriff auf
ethische Theorien (teleologische Ethik, deontologische Ethik,
utilitaristische Ethik, …)
„Sie [die angewandte Ethik] konstruiert keine hypothetischen
Beispiele zur Illustration einer ethischen Theorie, sondern greift
öffentliche Probleme der gegenwärtigen Gesellschaft auf.“
(Bayertz 1991:23)
Wirtschaftsethik als eine von vielen Bereichsethiken:
Vgl. z.B. Annemarie Pieper (Angewandte Ethik, Pieper 2003), Kurt
Bayertz (Praktische Philosophie. Grundorientierungen angewandter
Ethik, 1991), Elmar Waibl (Angewandte Wirtschaftsethik, Waibl 2005)
Stakeholder Value
Kapitalgeber
/Aktionäre
Mitarbeiter
……….
Tiere
Unternehmen:
Verantwortung für
Stakeholder?
Umwelt
Gemeinde
Nachwelt/
künftige
Generationen
Kunden
Lieferanten
Wie können die Ansprüche der Stakeholder – Anspruchsgruppen,
die nicht ökonomisch am Unternehmen beteiligt sind – legitimiert
werden? Was ist „Verantwortung“?
Von Verantwortlichkeit (Accountability) zu Verantwortung
(Responsibility)
1. Zur Verantwortung gezogen werden
Sich anderen gegenüber ver-antworten müssen (zB Druck der
Gesellschaft auf das Unternehmen – Reaktion)
heteronome Bestimmung
2. Von sich aus Verantwortung übernehmen
(bewusste Entscheidung für eine Handlung – Aktion)
autonome Bestimmung
(Vgl. zB Werner in Düwell/Hübenthal/Werner 2002, Röttgers in Beschorner
2007)
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Accountability (Verantwortlichkeit) – juristischer Begriff (Haftungsumfang)
Responsibility (Verantwortung) – ethischer Begriff
Sustainability (Nachhaltigkeit) – ökonomischer Begriff
Legitimation der Verantwortung - Normhintergrund
Prospektiver Zuschreibungsbegriff
1. Verantwortlichkeit: allgemeine
Zuständigkeiten, nicht primär moralisch
(Zuteilungen von sozialen Rollen,
juristische, ökonomische V. in div.
Berufsbildern)
2. Übernehmen von Verantwortung (zB
aus Pflicht) (Gesinnungs- und
Verantwortungsethik)
Retrospektiver
Zuschreibungsbegriff
Zurechnungs-, Rechtfertigungs-,
Rechenschaftsverantwortung.
(Konsequenz- oder
Folgenverantwortung)
korrespondierende Begriffe zumindest in Bezug
auf 1.: wenn prospektive V – dann
retrospektive V
dreistelliger Relationsbegriff:
jemand ist jemandem für etwas
verantwortlich
vierstelliger Relationsbegriff :
jemand ist jemandem für etwas
aufgrund eines bestimmten
Normhintergrundes
verantwortlich
Verantwortung
Abstraktion der Relation:
3stellig: X ist y für z verantwortlich
4stellig: X ist y für z aufgrund von w verantwortlich
Relation Subjekt- Instanz- Gegenstand- Normhintergrund
Subjekt: Mensch, Unternehmen, Korporation, Gemeinschaft…
Instanz: Gott, Natur, anderen Menschen (Vernunftwesen),…
Gegenstand: Gewinnmaximierung, Erhaltung der Umwelt,
Einhaltung von Menschenrechten (Diversity, Gender…), …
Normhintergrund: Recht; ökonomische Theorie; ethische
Theorie [Retrospektiv (Nachfolge Aristoteles), prospektiv
(Nachfolge Kant)];
Entwicklung von neuen ethischen Theorien:
Im Rückgriff auf teleologische und deontologische Prinzipien
Ethik als Gesellschaftsvertrag:
Normhintergrund: Kontraktualismus (A Theory of Fairness, Rawls 1971),
Instanz: Gesellschaft
Ethik als Verantwortung gegenüber der Natur:
„Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der
Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ (Das Prinzip
Verantwortung, Jonas 1979)
Normhintergrund: Verantwortungsethik
Instanz: Natur
Ethische Legitimierung von Entscheidungen aufgrund des Wissens/nach
Anhören möglichst vieler (im besten Fall aller) Argumente:
Normhintergrund: Diskursethik (Habermas, Apel)
Instanz: der Andere/die Anderen
Wirtschaft und Ethik. Zum Prozess eines wissenschaftlichen
Diskurses auf dem Weg zu Unternehmensverantwortung.
2. Schritt: Entwicklung einer Wirtschaftsethik als allgemeine
ethische Theorie
Karl Homann:
teleologische Ethik mit
ökonomischer Methode
Peter Ulrich: integrative
Wirtschaftsethik:
Grundlagenreflexion zur
Lebensdienlichkeit der
Ökonomie auf der Basis
einer sozio-ökonomischen
Vernunft
Wirtschaftsethik als
allgemeine ethische Theorie:
Wirtschaft und Ethik
„zusammen denken“ erfordert
ein Axiomensystem, dessen
Kohärenz
argumentierbar/legitimierbar ist
Wirtschaftsethik als allgemeine Ethik.
2 diametrale Theorien zu Bedingungen und Sachzwängen
Zweistufige Wirtschaftsethik (Karl
Homann):
Primat der Ökonomik über der Ethik
„Wirtschaftsethik … unter den
Bedingungen der modernen
Wirtschaft“ (Homann 1992: 14)
•Idealtypisches Modell
•Mensch ist abhängig von Zwängen
und Bedürfnissen
•Moral ist kollektives Unterfangen
•Spieltheoretisches Prinzip:
Marktwirtschaft ist funktionales
System: Spielregeln (Ordnungsethik
= Politik) legen moralische
Bedingungen fest; Spieler
(Unternehmer) halten sich an
Spielregeln, haben keine
Verantwortung innerhalb des Spiels.
Integrative Wirtschaftsethik (Peter
Ulrich):
Primat der Ethik über der Ökonomik
„Primat der ethischen Politik vor der
Logik des Marktes“ (Ulrich 2003:
333)
•Ökonomismuskritik,
Lebensdienlichkeit
•Der Mensch ist freies
Vernunftwesen
•Moral geht vom Subjekt aus.
•Wirtschaftsethik ist
Grundlagenreflexion jedes
einzelnen. Marktwirtschaft ist kein
selbst regulierendes System –
Menschen haben Verantwortung
•Offene Topologie der
Verantwortung: jeder ist an seinem
Platz verantwortlich:
Wirtschaftsethik als allgemeine Ethik.
Unterscheidung der Theorien in ontologischer Hinsicht
Funktionale Wirtschaftsethik:
Ausgangspunkte: teleologische Ethik
(Aristoteles – Bezugspunkt eidämonia =
Glückseligkeit), Utilitarismus (homo
oeconomicus-Theorie = stringentes
Weiterdenken in Lust-Unlust-Kategorien
Benthams), Spieltheorie
•Zweistufiges System: Bedingungsethik
(Ordnungsethik= der Staat) legt die
Rahmenbedingungen des Wettbewerbs
fest, marktwirtschaftlicher Wettbewerb ist
moralfrei, Befolgen der Logik des Marktes
•Heteronome Steuerung des Kollektivs
durch Ordnungsebene
Integrative Wirtschaftsethik:
Ausgangspunkte: Tugendethik
(Aristoteles – Bezugspunkt Vernunft,
Weisheit, Erwägen), Deontologische
Ethik, Kontraktualismus, Diskursethik
• offene Topologie der Orte der Moral:
keine Trennung in Regelkreise;
Wettbewerb ist nicht moralfrei;
integrative Verschränkung von
Ordnungsethik, Unternehmensethik,
Wirtschaftsbürgerethik
•Hinterfragung des Sachzwangdenkens,
der „Logik des Marktes“, der
„metaphysischen Gottheit Markt“
•Reflektiertes Entscheiden und
autonomes Handeln des Individuums
Wirtschaft und Ethik. Zum Prozess eines wissenschaftlichen
Diskurses auf dem Weg zu Unternehmensverantwortung.
3. Schritt: von der Theorie zur Praxis
Corporate Social Responsibility – ein Konzept?
Die CSR ist ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage
dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und
Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die
Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu
integrieren (Grünbuch der Kommission „Europäische
Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der
Unternehmen“, 2001, KOM(2001) 366 endg.).
(vgl. auch Köppl/Neureiter 2004, 325f)
Corporate Social Responsibility – Integre
Unternehmensführung als Prinzip des Handelns?
Wirtschaft und Ethik. Zum Prozess eines wissenschaftlichen
Diskurses auf dem Weg zu Unternehmensverantwortung.
Zusammenfassung
– Entwicklung der Business Ethics, der Wirtschaftsethik, der
Unternehmensethik im 20. Jh
– spezifische (neue) Fragestellung: Verantwortung von
Großunternehmen (juristischen Personen)
– Entwicklung von CSR für Großunternehmen (MNC): Unternehmen
haben eine Verantwortung, die über die ökonomische Verantwortung
gegenüber Shareholdern hinausgeht
»CG (Corporate Governance)
CG: Gestaltung der Gesamtheit der Beziehungen zwischen
Aufsichtsrat, Management, Kapitalgebern (Shareholdern) und
Anspruchsgruppen (Stakeholdern)
eines Unternehmens
»CC: (Corporate Citizenship)
Das Unternehmen als Wirtschaftsbürger
EO: Ethics Officer (MNC)
Corporate Social Responsibility ist aus unterschiedlichen
theoretischen Zugängen ableitbar:
Ein Unternehmen, das CSR in seinen Unternehmenszielen
definiert hat, bekennt sich zu einer Verantwortung, die über
die ökonomische Verantwortung – den Shareholder-value –
hinausgeht: zu einer ökonomischen, ökologischen und
sozialen Verantwortung, d.h. zu einer gesellschaftlichen
Verantwortung, die Shareholder- und Stakeholderansprüche
vereinen soll.
Menschen auf unterschiedlichen Ebenen (Führungs- und
Tätigkeitsbereiche innerhalb eines Unternehmens) nehmen
diese Verantwortung wahr.
Ökonomik und Ethik auf der Suche nach der Lebenswelt
„Die heutige Ökonomik ist ein
theoretisches System, das in
der Luft schwebt und kaum
Bezug zu dem hat, was in der
realen Welt geschieht“
(Ronald Coase, Nobelpreisträger für
Wirtschaftswissenschaften, 1999, zit. in
Tony Lawson, Re-Orienting Economics,
2003: 10)
„Wir haben Gedanken aus Stein
(zur Hälfte) im Kopf. Nicht sie
werden uns helfen, uns zu
befreien.“
„Es gibt keine abstrakte Moral.
Es gibt nur eine Moral in
Situation, also eine konkrete
Moral.“
(Jean-Paul Sartre, Entwürfe für eine
Moralphilosophie, 2005:41/47)
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