Leitlinien für den Arzt - Evidence Based Medicine

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Richtlinien - Leitlinien Evidence based medicine
(EBM)
Allgemeinmedizin-Seminar
2. Studienjahr
Bilger 04/01
Sinn und Unsinn von Leitlinien
Theorie
Formalismus
Reglementierung
Erfahrung
Intuition
Therapiefreiheit
Bilger 04/01
Fallbeispiele aus der Praxis
•
Mann, 48 Jahre, Übergewicht (BMI 29,7), kommt mit
Rückenschmerzen. War bereits beim WochenendBereitschaftsdienst und hat Spritze erhalten.
•
Frau, 24 Jahr, seit 1 Tag heftige Schmerzen beim Wasserlassen.
•
Kind, 10 Jahr, Ohrenschmerzen, Diagnose:
Mittelohrentzündung.
•
Frau, 43 Jahr, seit Jahren Übergewicht, Infektanfälligkeit,
Erschöpfung, Verdauungsbeschwerden, vermutet Pilze im
Darm, kommt mit mehreren Seiten Ausdrucken aus dem
Internet.
•
Frau, 28 Jahre, Bauchschmerzen, Vater vor 4 Wochen an
Pankreaskrebs verstorben.
Bilger 04/01
Aufgaben
Welche Fragen ergeben sich für Sie als
behandelnde Ärztin / Arzt?
Bei welchem Beratungsanlass ist ein
leitliniengestütztes Vorgehen erfolgversprechend?
Welche Leitlinien können Sie heranziehen? Wo
suchen / finden Sie diese?
Bilger 04/01
Zahl der Publikationen
 ca. 2.000.000 Artikel in 10.000
Fachzeitschriften / Jahr
 9.000 randomisierte Studien / Jahr
 ca. 19 Artikel / Tag (10 führende
Zeitschriften - Innere Medizin)
Olkin J.Clin.Epidemiol. 1995
Bilger 04/01
Ärztliche Entscheidungsfindung
 Klinische Entscheidung oft nur zu 20 - 40 %
rational begründbar
 Halbwertszeit des medizinischen Wissens 4 - 5
Jahre
 Langsame, intransparente Umsetzung von
Forschungsergebnissen in die Praxis (8 - 10
Jahre)
Antmann JAMA 1992
Bilger 04/01
Beispiel: Leitlinie Akute Otitis media Auszug
Definition
Akute, meist über die Ohrtrompete aus dem Nasenpharynx fortgeleitete eitrige Entzündung der
Mittelohrschleimhaut, in der Regel bei Vorliegen eines bakteriellen Infektes des oberen Respirationstraktes
(häufigste Erreger: Streptokokken, Haemophilus influenza, Pneumokokken)
Untersuchungen
Notwendig
•Inspektion, Palpation (Mastoid)
•HNO-Status (Ausschluß adenoide Vegetationen, Nasopharynxtumor)
•Ohrmikroskopie
•Hörprüfung (Stimmgabel, Audiogramm), auch zur Verlaufskontrolle
•Vestibularisuntersuchung: Frenzel-Brille (Ausschluß Spontan-, Provokationsnystagmus)
•Interdisziplinäre Untersuchung (evt. Pädiatrie)
Im Einzelfall nützlich
.....
Leitlinien der Dt. Ges. f. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie
Bilger 04/01
Zitierbare Quelle:
HNO-Mitteilungen 5/96, 46. Jg. September 1996, Beilage Leitlinien/Algorithmen S. 4f
Beispiel: Leitlinie Akute Otitis media Auszug
Therapie
Konservativ
•Nasentropfen (Sympathomimetika, 3-4 stdl. Applikation)
•Antibiotika, Penicillin
•Analgetika, Mukolytika
•Bei Mitbeteiligung des kochleovestibulären Organs: Glukokortikoide, Rheologika
Operationsindikationen / (-prinzipien)
•Schmerzhafte Trommelfellvorwölbung oder protrahierter Verlauf (Parazentese)
•Frühkomplikation: Fazialisparese, Innenohrbeteiligung, Labyrinthitis (Parazentese)
•Mastoiditis, andere drohende Komplikationen der akuten Otitis media (Parazentese,
Antrotomie, Mastoidektomie, ggf. Unterbindung bzw. Okklusion des Sinus
sigmoideus)
Leitlinien der Dt. Ges. f. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie
Bilger 04/01
Zitierbare Quelle:
HNO-Mitteilungen 5/96, 46. Jg. September 1996, Beilage Leitlinien/Algorithmen S. 4f
Wirksamkeit von Leitlinien
abhängig von
1. ihrer Güte
2. ihrer Akzeptanz bei den Praktikern
3. ihrer Bekanntheit bei den Praktikern
4. ihrer Umsetzbarkeit
5. ihren finanziellen Implikationen (Kassen/Arzt/Patient)
6. ihrer Akzeptanz beim Patienten
7. ihrem Outcome
Baker 1995
Bilger 04/01
Beispiel: Leitlinie Rückenschmerzen
Bilger 04/01
Leitlinie Brennen beim Wasserlassen
Bilger 04/01
DEGAM Leitlinie: Brennen beim Wasserlassen
gezieltere Diagnostik:
keine Überdiagnostik: z.B. gezieltere bakteriologische Untersuchungen / keine Kontrollen nach Therapie eines unkomplizierten
HWI
Vermeidung abwendbar gefährlicher Verläufe: z.B. gezielte
Überweisung bei kompliziertem HWI
gezieltere Therapie:
Kurzzeittherapie bei unkompliziertem HWI der Frau
keine Therapie bei asymptomatischer Bakteriurie der Frau
verbesserte Kosteneffektivität / Effizienz durch gezielteren
Antibiotikaeinsatz
bessere Prävention: z.B.Verringerung der Rezidiv-Rate

Bilger 04/01
Leitlinien der DEGAM im Internet
• Auf der Leitlinien-Seite der
DEGAM finden Sie aktuelle
Informationen zum
Leitlinienkonzept und den
verfügbaren Leitlinien.
Adresse:
http://www.degam.de/S5_leit_konzept.html
Bilger 04/01
Richtlinien - Leitlinien - Standards
Richtlinie - Vorschrift mit verbindlichem
Charakter (Beispiel: Röntgenverordnung,
Ringversuch Labor)
Leitlinie - Empfehlung (z. B. einer
Fachgesellschaft)
Standard - übliches Vorgehen, oft auf
Institution beschränkt, "state of the art"
Bilger 04/01
Chancen und Gefahren von Leitlinien
höhere Transparenz trotz Informationsflut
mehr "evidence-based" weniger "opinion-based"
bestmögliche Versorgung, verbesserte Kosteneffektivität
'haftungsimprägnierende' Wirkungen
Identifizierung von Verbesserungspotential
zusätzliches Qualitätsmanagement erforderlich
falsches Festhalten an Empfehlungen
einseitige Orientierung an klinischen Indikatoren
Mißbrauch (z. B. zur Wirtschaftlichkeitsprüfung)
Verringerung (ärztlicher) Autonomie
Bilger 04/01
Begriff EBM - Definition
"EBM ist der gewissenhafte und vernünftige Gebrauch der
gegenwärtig besten externen wissenschaftlichen Evidenz für
Entscheidungen in der Versorgung individueller Patienten. EBM
bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der
bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung.
Expertise spiegelt sich auch in der Berücksichtigung der besonderen
Situation, der Rechte und Präferenzen von Patienten wider."
David L. Sackett
Evidence (engl.)
Nachweisbarkeit, Belegbarkeit
Evidenz (dt.)
Offensichtlichkeit, Augenscheinlichkeit
Bilger 04/01
Kriterien der Evidenzbewertung
Härtegrad
Art der Evidenz
Ia
Evidenz aufgrund von Metaanalysen von
randomisierten, kontollierten Studien
Ib
Evidenz aufgrund mindestens einer randomisierten,
kontrollierten Studie
Iia
Evidenz aufgrund mindestens einer gut angelegten,
kontrollierten Studie ohne Randomisation
IIb
Evidenz aufgrund mindestens einer anderen Art von
gutangelegter, quasi-experimentellen Studie
III
Evidenz aufgrund gutangelegter, nicht-experimenteller,
deskriptiver Studien, wie z.B. Vergleichsstudien,
Korrelationsstudien und Fall-Kontroll-Studien
IV
Evidenz aufgrund von Berichten der ExpertenAusschüsse oder Expertenmeinungen und/ oder
klinischer Erfahrung anerkannter Autoritäten
Bilger 04/01
EBM in der konkreten Anwendung
 Formulierung der relevanten und
beantwortbaren klinischen Fragen
 Suche nach der besten Evidenz
 Kritische Evaluation der gefundenen Evidenz
 Beurteilung der Anwendbarkeit der validen
Evidenz auf die jeweilige klinische Situation
Bilger 04/01
Cochrane-Collaboration
 gemeinnützige Stiftung 1993
begründet von Archibald L. Cochrane (+ 1988)
Hauptaufgabe: Erstellung systematischer Reviews
fortlaufend aktualisierte Datenbank von
randomized controlled clinical trials (RCTs)
http://cebm.jr2.ox.ac.uk
http//www.ebm-netzwerk.de
http://www.imbi.uni-freiburg.de/cochrane/deutsch/oldindex.htm
Bilger 04/01
Zusammenfassung
Für viele Fragestellungen des klinischen Alltags
existieren keine gesicherten Empfehlungen.
Leitlinien eignen sich für typische Situationen
und umschriebene Krankheitsbilder.
EBM ist ein Hilfsmittel zur klinischen
Entscheidungsfindung, das immer mehr
Bedeutung erlangen wird.
Bilger 04/01
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