Stimme der PatientInnen Tagung 2006: Forschung mit (Mit)Menschen (Mit)Menschen statt Forschungsobjekte: Patientenrechte in Verfassung und Gesetz Conrad Engler, Sekretär Verein patienten.ch Aarau, 10. Juni 2006 Vernehmlassung Aus der Optik der PatientInnen • Der Verein patienten.ch hat zur Forschung mit Menschen eine breit abgestützte Meinungsplattform mit Ansprüchen der PatientInnen an die Regelung in Verfassung und Gesetz entwickelt. • Die vom Verein patienten.ch herausgegebene Schweizer „Patienten-Charta“ stellt Grundsätze für die Achtung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte auf bei der Diagnostik, Behandlung und Wiedereingliederung. Vernehmlassung Aus der Optik der PatientInnen • Entwürfe für Verfassungsartikel und Gesetz wurden „auf Herz und Nieren“ geprüft, um festzustellen, ob Ansprüche an die Forschung und die Anliegen der Patientencharta erfüllt sind. • Resultat wird heute vorgestellt, um ein Feedback zu erhalten von der Basis der Vereinsmitglieder und der Patientenorganisationen. • Vernehmlassung wird dann an das Bundesamt für Gesundheit eingereicht. Verfassungsartikel Dringend nötige Kompetenzregelung für den Bund mit Grundsätzen • Für eine einheitliche, umfassende und abschliessende Bundeslösung aus. • Der gewählte Weg mit einer Kompetenzregelung und dem Festhalten von Grundsätzen im Verfassungsartikel wird begrüsst. • Die bisherigen verzettelten Bestimmungen bei Bund und Kantonen sind ein Flickwerk und eine unbefriedigende rechtliche Regelung. Verfassungsartikel Patienten sind keine Forschungsobjekte, sondern Mitmenschen: Darum statt „Forschung am Menschen“ „Forschung mit Menschen“ • Die vom Parlament und vom Bundesamt für Gesundheit verwendete Formulierung „Forschung am Menschen“ vermittelt durch die Verwendung von „am“ das Bild der Forschung, die an einem zum Objekt degradierten „Gegenstand“ etwas ausprobiert. • Diese Grundhaltung widerspricht fundamental der Menschenwürde von Studienteilnehmern und dem Sinn und Geist des vorgeschlagenen Verfassungsartikels. Verfassungsartikel Erweiterung des Geltungsbereiches generell auf Patientenrechte • Die Leitgedanken des vorgeschlagenen Verfassungsartikels werden voll unterstützt. • Elementare Grundsätze wie die Achtung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte gelten nicht nur für die Forschung, sondern generell bei Untersuchungen, Diagnostik, Behandlung, Pflege und Wiedereingliederung. • Der Verein patienten.ch schlägt deshalb vor, den Geltungsbereich der Grundsätze zu erweitern und die Regelung der Forschung mit Menschen in einen neuen Verfassungsartikel 118a über Patientenrechte zu integrieren. Neuer Verfassungsartikel Achtung der Menschenwürde und der Patientenrechte von Zeugung über die Wiege bis zur Bahre • Ausgehend vom Vorschlag des Bundesrates wird ein umfassender, erweiterter Verfassungsartikel als „Dachkonstruktion“ für die Achtung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte im Gesundheitswesen vorgeschlagen. • Zusätzlich werden Grundsätze aufgestellt und Sonderwünsche aus Patienten-Optik formuliert. Neuer Verfassungsartikel Schutz der Gesundheit Bundesverfassung Art. 18 Patientenrechte: Achtung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte Bundesverfassung Art. 18a Fortpflanzungsmedizin Transplantationsmedizin Bundesverfassung Art. 19 Bundesverfassung Art. 19a Gentechnik im Ausserhumanbereich BV Art. 20 Neuer Verfassungsartikel Patientenrechte: Achtung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte Bundesverfassung Art. 18a Absatz 1 und 2 Durchsetzung des Patientenwillens Absatz 3 Finanzielle Unterstützung von Patientenorganisationen Absatz 4 Forschungsrappen für seltene Krankheiten Absatz 5 Neuer Verfassungsartikel 118 a Patientenrechte 1. Der Bund erlässt Vorschriften über die Patientenrechte und sorgt dabei insbesondere für die Achtung der Menschenwürde und für die Einhaltung der Persönlichkeitsrechte bei Untersuchungen, Diagnostik, Behandlung, Pflege und Wiedereingliederung sowie bei der Forschung mit Menschen. Neuer Verfassungsartikel Paradigmenwechsel mit neuem Selbstverständnis: PatientInnen sind keine zu schützenden „Objekte“ mehr, sondern sie pochen auf ihre Rechte und Ansprüche Wechsel vom „Schutzgedanken“ von Hilf- und Wehrlosen hin zu informierten, selbständigen Individuen und der Achtung ihrer Menschenwürde und Ihrer Persönlichkeitsrechte Verfassungsartikel: Grundsätze 2. Bei der Forschung mit Menschen müssen unter Beachtung der Forschungsfreiheit folgende Grundsätze eingehalten werden: a.) Forschung mit Menschen darf nur durchgeführt werden mit einer Einwilligung nach vorgängiger, umfassender und verständlicher Aufklärung über Chancen und Risiken. b.) Eine unabhängige Instanz mit Vertretern aus Wissenschaft, Forschung, Medizin und Patientenorganisationen überprüft bei allen Forschungsprojekten mit Menschen, ob die Rechte der teilnehmenden Personen gewährleistet sind. Verfassungsartikel: Grundsätze c.) Es wird ein öffentliches Register geführt über die Durchführung von klinischen Studien und Forschungsprojekten mit Menschen. d.) Studienteilnehmer haben ein Recht auf Einsicht in die Gesuche und die Ergebnisse. e.) Patientinnen und Patienten können sich an eine unabhängige Ombudsstelle wenden, die über die Einhaltung der Grundsätze wacht. f.) Niemand darf zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt gezwungen werden. Verfassungsartikel: Grundsätze g.) Forschung mit urteilsunfähigen und minderjährigen Personen ist nicht gestattet, ausser sie lässt eine Verbesserung ihrer Gesundheit erwarten. h.) Der Bund setzt sich im Rahmen dieser Grundsätze für die Qualität, Transparenz und Förderung der Forschung mit Menschen ein. Verfassungsartikel: Zusätze Patientenwille und Patientenvereinbarung 3. Der Bund ergreift Massnahmen zur Durchsetzung des Patientenwillens und regelt insbesondere die Registrierung des Patientenwillens und den Zugang und Schutz der Daten sowie die Schmerzbekämpfung für Sterbende, die Sterbebegleitung und -unterstützung sowie den Verzicht auf lebensverlängernde Massnahmen. Verfassungsartikel: Zusätze Finanzielle Unterstützung von Patienten- und Betroffenenorganisationen 4. Der Bund regelt die finanzielle Unterstützung von unabhängigen krankheitsbezogenen Patienten- und Betroffenenorganisationen und ihrer Interessen aus Mitteln der Krankenversicherung. (Erweiterung des Zwecks KVG-Artikel 19 Präventionsförderung auch für PO) Verfassungsartikel: Zusätze „Forschungsrappen“ aus dem Medikamentenverkauf 5. Der Bund trifft Massnahmen zur finanziellen Unterstützung der Forschung im Bereich seltene Krankheiten und Kindermedizin aus Mitteln des Medikamentenverkaufs. (Forderung des Publifocus Forschung mit Menschen, Umsetzung über bestehende Strukturen des Nationalfonds) Verfassungsartikel: Zusätze Materialien menschlichen Ursprungs 6. Der Bund erlässt Vorschriften über die Forschung mit Materialien menschlichen Ursprungs und beachtet dabei insbesondere die Interessen der Patienten, Spender und Empfänger sowie der Forschung und sorgt für die Achtung der Menschenwürde und die Einhaltung der Persönlichkeitsrechte der Spender und Betroffenen. Humanforschungsgesetz Unakzeptable „irreführende Information“ • Eine „unvollständige oder irreführende Aufklärung“ (Art. 10) ist kategorisch abzulehnen und steht in krassem Widerspruch zu den Menschenrechten und Persönlichkeitsrechten, wenn mündige Patienten über Forschungsprojekte aufgeklärt werden sollen. • Denkbar ist eine unvollständige Aufklärung höchstens bei Kindern, deren Entwicklung noch nicht so weit vorangeschritten ist, um einen komplexen Sachverhalt zu verstehen. In solchen Fällen sind jene Personen entsprechend zu informieren, die die Einwilligung erteilen müssen. • Der Artikel ist ersatzlos zu streichen. Ausnahmen für die unvollständige Aufklärung sind in den Artikeln über urteilsunfähige und unmündige Personen zu regeln. Humanforschungsgesetz Im Entwurf nicht erfüllte Ansprüche • • • • • • • Information: vollständig und verständlich Aufklärung über Verlauf und Resultat Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen Pflichten Anspruch auf Weiterbehandlung bei Erfolg Ombudsstelle Rahmenbedingungen für und Förderung der Forschung • Ansprüche bei seltenen Krankheiten • Sonderzulassung, Fast Track und Kassenpflicht Stimme der PatientInnen Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Wir freuen uns auf Ihr Feedback.