Rechtliche Aspekte zu Zeitpunkt und Umfang der ärztlichen Aufklärung V.Khan Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe - Universität Frankfurt/Main Hintergrund • Zu den Hauptgruppen ärztlicher Sorgfaltsverstöße gehören: Behandlungs- und Aufklärungsfehler • Zahl der Ermittlungsverfahren: 3000/Jahr (v.a.Chirurgen, Gynäkologen und Anästhesisten) • Etwa 90% enden ohne Anklageerhebung mit einer Einstellung überwiegend mangels hinreichendem Tatverdachts • In 10% ergeht Strafbefehl oder ein Strafurteil (meist Geldstrafe) • Problem: laut §6 BÄO kann das Ruhen der Approbation schon dann angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe - Universität Frankfurt/Main Hintergrund • § 229 Strafgesetzbuch (1) Wer ohne wirksame Einwilligung bei einer Person einen körperlichen Eingriff oder eine andere körperliche Integrität oder deren Gesundheitszustand nicht nur unwesentlich beeinflussende Behandlung vornimmt, um bei ihr, ihrer Leibesfrucht vorhandene oder künftige oder seelische Krankheiten, Schäden, Leiden, Beschwerden oder Störungen zu erkennen, zu heilen, zu lindern oder ihnen vorzubeugen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe - Universität Frankfurt/Main Wer klärt auf? • Grundsätzlich vom behandelnden Arzt durchzuführen, da das Gespräch laut Arztrecht §66 Rn 1 ff Teil der Behandlung ist • Ausnahme: bei klaren, stichprobenweise kontrollierten Organisationsanweisungen darf die Aufklärung an einen Arzt mit entsprechender Qualifikation und Sachkunde delegiert werden. • Keine Delegation an Hilfspersonal • Keine Delegation bei schweren Eingriffen, die der Entschlusskraft des Patienten viel abverlangen. • Der behandelnde Arzt ist beweisbelastet (kein Verlass auf Aufklärung durch z.B. Hausarzt)! Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe - Universität Frankfurt/Main Wer wird aufgeklärt? • Patient • Ausnahmen: Minderjährige Patienten: grundsätzlich beide Elternteile, bei Geschiedenen entscheidet das Sorgerecht (bei kleinen Routineeingriffen genügt die Aufklärung eines Elternteils) Fremdsprachige Patienten: entscheidend ist, dass der Pat die Aufklärung versteht, im Zweifel Dolmetscher hinzuziehen Willensunfähige Patienten (Bewußtlosigkeit, Unzurechnungsfähigkeit): Bevollmächtiger mit Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung, Patiententestament ist bindend! Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe - Universität Frankfurt/Main Wann wird aufgeklärt? • unter Berücksichtigung der Schwere und des Umfangs des Eingriffs so rechtzeitig, dass die Entscheidungsfreiheit des Patienten gewahrt ist • Grundsätzlich nicht später als am Tag vor dem Eingriff • Ausnahme: bei ambulanten und diagnostischen Eingriffen ist die Aufklärung am Tag der Untersuchung zulässig. • Aber: trotzdem muss die Entscheidungsfreiheit insofern gewahrt werden, dass die Aufklärung so kurz vor dem Eingriff stattfindet, dass sich der Patient hierzu genötigt fühlt (Urteil vom 04.04.1995, Az. VI ZR 95/94). • Keine Aufklärung im Vorbereitungsraum des Eingriffs. • Bei Verzicht auf Bedenkzeit seitens des Patienten sollte dies als Vermerk aus Beweisgründen im Aufklärungsbogen dokumentiert werden Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe - Universität Frankfurt/Main Umfang • Individuelles Gespräch • Keine bloße Formularaufklärung ohne Gespräch • Komplikationen • Alternative Behandlungsmethoden Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe - Universität Frankfurt/Main • Die ärztliche Aufklärungspflicht vor Heileingriffen verlangt, daß auf die speziellen Risiken eines geplanten Eingriffs hingewiesen wird. Eine bloße Erläuterung der allgemein mit jeder Operation einher gehenden Risiken genügt nicht. Es ist auch dann umfassend aufzuklären, wenn Behandlungsalternativen nicht mehr in Frage kommen. (OLG Jena, Urteil vom. 03.12.1997, Az.: 4 U 687/97 = NJW 1998, Heft 17, S. L) Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe - Universität Frankfurt/Main Umfang • Bei nachträglichen, nicht datierten und nicht erneut unterschriebenen Abänderungen verliert das „Einwilligungsdokument“ seine Beweiskraft als Privaturkunde • Unterlassene Eintragungen eines Risikos in das Formular bedeutet nicht automatisch nicht ordnungsgemäße Aufklärung. Zeugenvernehmung kann Beweiskräftig werden, ist jedoch weniger beweiskräftig als vollständig ausgefülltes Formular Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe - Universität Frankfurt/Main Last but not least • Arzt muss bei Applikation anwesend sein Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe - Universität Frankfurt/Main Unnötige X-Rays • Medizinische Indikation (§42 Abs.1 StrSchV) • Befragung vorangegangener X-Rays ist Pflicht (§43 Abs. 1 StrSchV) • Anzahl der angefertigten X-Rays im Gesetz nicht definiert • Unnötige X-Rays erfüllen den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach §223 a StBG, auch wenn nach außen keine Schäden durch Strahlung sichtbar sind (BGH, Urteil Dez 1997) Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe - Universität Frankfurt/Main