Deutsch als Sprache der Normung - an der Universität Duisburg

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Deutsch als Sprache der Normung
Fachsprachenvorlesung SS 2003,
Professor Dr. Karl-Dieter Bünting,
Universität Duisburg-Essen
Dr. Heinz-Rudi Spiegel
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
Vortrag am 17. Juni 2003
Universität Duisburg-Essen
Gliederung

Die historische Dimension der Fachsprachen und
der terminologischen Normung

Aufgaben und Ziele des Normenausschusses
Terminologie (NAT) im DIN

Die Sprachenfrage in der
internationalen Normung

Die sprachliche und terminologische Qualität der
Normung

Thesen, Merksätze und Empfehlungen
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Die historische Dimension der Fachsprachen
und der terminologischen Normung






Jacob Grimm (1854): Vorrede zum ersten Band des
„Deutschen Wörterbuchs“
Johann Beckmann (1777): Vorrede zur "Anleitung zur
Technologie"
Verein Deutscher Ingenieure (VDI) (1902): Versuch
eines Technolexikon
Alfred Schlömann (1906): systematisch geordnetes
Bildwörterbuch über Maschinenelemente in sechs
Sprachen
Deutscher Normenausschuss (DNA) (1920): Ausschuss
für Benennungen
Eugen Wüster (1931): Internationale Sprachnormung in
der Technik – besonders in der Elektrotechnik
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Eugen Wüster – der theoretische Durchbruch
Zwei zentrale Prinzipien Wüsters:

Begriff des „Begriffs“:
den Begriff zu sehen in Beziehungen zu anderen und in
Abhängigkeit von anderen Begriffen

Begriffssystem als Ordnungsprinzip fachlicher
Terminologie
(dabei soll der begrifflichen Ordnung nach Möglichkeit
eine ebensolche Ordnung auf der Benennungsseite
entsprechen!)
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Deutscher Normenausschuss (DNA) – DIN
Deutsches Institut für Normung

Gegründet 1916
Herausgabe von Normen zur Vereinheitlichung von
Produkten und Arbeitsabläufen: z.B.
DIN 8580 ff. „Fertigungsverfahren“
DIN 5008 „Regeln für das Maschineschreiben“

Wie verstand man „DIN“?:
Das ist Norm
Deutsche IndustrieNorm

Heute:
DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin
mit zahlreichen Serviceeinrichtungen (Beuth Verlag
GmbH, DIN Software GmbH etc.)
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DIN Deutsches Institut für Normung

In Gemeinschaftsarbeit von Experten der interessierten
Kreise konsensbasierte Normen erstellen.

DIN vertritt deutsche Interessen in den weltweiten und
europäischen Normungsorganisationen (z.B. ISO, EN).

DIN-Normen fördern weltweiten Handel, dienen der
Rationalisierung, der Qualitätssicherung, dem
Umweltschutz, der Sicherheit und der Verständigung in
Technik, Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und
Öffentlichkeit.

Betriebs- und volkswirtschaftlicher Nutzen wird auf
16 Mrd. € jährlich geschätzt.
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DIN Deutsches Institut für Normung




Eingetragener gemeinnütziger Verein
(DIN Deutsches Institut für Normung e.V.)
 Hauptsitz in Berlin
 Zweigstellen in Köln, Hamburg, Frankfurt, Kassel etc.
Normung in über 80 Fachgebieten
(aufgegliedert in Normenausschüsse)
DIN-Normen:
keine Gesetze (Empfehlungscharakter)
drei Ebenen:
national (DIN)
europäisch (DIN EN)
international (DIN EN ISO und DIN ISO)
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Normenausschuss Terminologie (NAT)
im DIN

Deutscher Normenausschuss (DNA) (1920): Ausschuss
für Benennungen

Deutscher Normenausschuss (DNA) (1961): Ausschuss
Terminologie (Grundsätze und Koordination)

Heute:
Normenausschuss Terminologie (NAT) im DIN
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Normenausschuss Terminologie (NAT)
im DIN – Aufgaben

Entwicklung von Grundsätzen der Begriffs- und
Benennungsbildung

Erarbeitung von Prinzipien zur Gestaltung von
Fachwörterbüchern (lexikographische Zeichen etc.)

Computeranwendung für die Terminologiearbeit und die
fachliche Lexikographie

Terminologie der Terminologiearbeit

Terminologiepraxis (z.B. fachliche Rechtschreibung, Überprüfen
von Normen) und Fachübersetzen

Vertretung deutscher Interessen in den Internationalen
Terminologiegremien – insbesondere in ISO/TC 37
„Terminology and other language resources“
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Normenausschuss Terminologie (NAT)
im DIN – Aktuelle Struktur

Beirat

Geschäftsführung

AA 1: Grundlagen der Terminologiearbeit

AA 3: Praxis der Terminologiearbeit mit
AA 3/UA 1 Übersetzungspraxis

AA 5: Computeranwendungen in der Terminologiearbeit

AA 6 Sprachressourcen

Betreuung des Sekretariates von ISO/TC 37/SC 3
"Computer applications for terminology“
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Normenausschuss Terminologie (NAT)
im DIN – die Normen (1)

DIN 2330:1993-12 Begriffe und Benennungen –
Allgemeine Grundsätze

DIN 2331:1980-04 Begriffssysteme und ihre Darstellung

DIN 2332:1988-02 Benennen international
übereinstimmender Begriffe
zusätzlich zu DIN 2332 für die mehrsprachige Arbeit
empfohlen:
ISO 860:1996-07 Terminology work – Harmonization of
concepts and terms
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Normenausschuss Terminologie (NAT)
im DIN – die Normen (2)

DIN 2335:1986-10 Sprachenzeichen
z. Z. erfolgt eine Überarbeitung von DIN 2335 auf der Basis
des folgenden internationalen Norm-Entwurfs, der eine aktuelle
Liste mit Codierungen für Sprachennamen enthält:
ISO/FDIS 639-1:2002-07 Code for the representation of
names of languages - Part 1: Alpha-2 code

DIN 2336:2003-04 (Entwurf) Darstellung von Einträgen
in Fachwörterbüchern und Terminologie-Datenbanken
(grundlegende Überarbeitung der Ausgabe 1979-03;
gleichzeitig deutscher Vorschlag zur Überarbeitung von ISO
1951

DIN 2340:1987-12 Kurzformen für Benennungen und
Namen
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Normenausschuss Terminologie (NAT)
im DIN – die Normen (3)

DIN 2342-1: 1992-10 Begriffe der Terminologielehre –
Grundbegriffe

DIN 2345:1998-04 Übersetzungsaufträge
(auch in englischer und französischer Übersetzung erhältlich)
zusätzlich für die mehrsprachige Arbeit empfohlen:
ISO 12199: 2000-08 Alphabetical ordering of
multilingual terminological and lexicographical data
represented in the Latin alphabet
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Normenausschuss Terminologie (NAT)
im DIN –
Terminologiedatenbank DIN-Term





197.000 Begriffseinträge mit Begriffsfestlegungen aus Normen
und Normentwürfen von 78 Normenausschüssen
Gesamtes deutsches Normenwerk erfasst
Monatliche Aktualisierung
Verweis fremdsprachliche (genormte) Äquivalente (en, fr)
Verweis auf
Vorzugsbenennung
daneben zugelassene Benennung
abgelehnte Benennung
Hilfreich für:
 Fachleute: Überprüfung von Definitionen verwendeter Begriffe
 Übersetzer: Zugang zu fremdsprachlichen Äquivalenten
 Normer: Sicherung der „Eineindeutigkeit“ innerhalb des
Normenwerkes
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Abgelehnte Benennung
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Terminologiearbeit im DIN

85 Normenausschüsse erarbeiten in eigener
Verantwortung ihre Fachterminologie

Normenausschuss Terminologie (NAT) im DIN betreibt
terminologische Grundsatznormung

Terminologiestelle DIN-Termkonzept
betreibt Terminologiedatenbank DIN Term
(aktuelle Bereitstellung genormter Terminologie)
berät Fachnormenausschüsse bei Terminologiebildung
überprüft Normentwürfe und Normen auf
terminologische Richtigkeit
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Terminologiearbeit im DIN – Sprachkultur



DIN ist der nationale technische Regelsetzer mit Folgen für die
Sprache.
Daraus folgt eine Verantwortung für das Gesamtsystem
„deutsche Sprache“.
Abwägen zwischen pragmatischen Bedürfnissen der Fächer und
einer behutsamen Sprachplanung erforderlich.
Urteil Helmut Henne:



DIN erfüllt über das Terminologische hinaus gehende
Verantwortung gegenüber unserer Sprache.
DIN ist eine der wenigen Einrichtungen in Deutschland, die sich
der Sprache annehmen, sie erforschen, normen und „pflegen“.
DIN schafft dem Zweck angemessen, kreativ semantische
Werte; es begleitet den Normenprozess theoretisch und
methodisch.
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Die Sprachenfrage in der
internationalen Normung
Normung vollzieht sich zunehmend primär in internationalen
Gremien (EN, ISO). Daraus erwachsen:




ein sprachenpolitisches Problem:
Deutsch als Normungs- und Wissenschaftssprache erhalten
ein Beteiligungsproblem:
Durchsetzung nationaler Interessen im Normungsprozess
ein Akzeptanzproblem (national):
International erarbeitete Normen müssen in
muttersprachlichen Übertragungen Eingang in das nationale
Normenwerk finden.
ein terminologisches Argument:
Normeninhalte nicht durch sprachlich bedingte Differenzen
verfälschen.
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Die neue Dimension der Sprachenfrage in der
internationalen Normung -
Doppelstrategie für Mitwirkungskompetenz in der
internationalen Normung:

Deutsch als „Beteiligungssprache“ im internationalen
fachlichen Austausch erhalten.

Auf nationaler Ebene Deutsch als
„Normenpräsentationssprache“ erhalten
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Sprachliche und terminologische
Qualität der Normung (1)
Die terminologische Wirklichkeit:

Internationalisierung von Wissenschaft, Technik
Wirtschaft,

Beschleunigung der Innovationsprozesse,

Nationaler Normen – als Übersetzungsleistungen –
entstehen unter Zeitdruck,

Begriffliche Differenzen zur Ausgangssprache bleiben
unberücksichtigt.
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Sprachliche und terminologische
Qualität der Normung (2)

Fremdwörter, muttersprachliche Wörter (rundschleifen
– scharfschleifen), unmotivierte Termini, Kunstsprachen
 Zu fordern:
Angemessener Umgang mit dem Fremdwort im
terminologischen Sprachgebrauch, der sich „am
anerkannten Sprachgebrauch orientiert.“ (DIN 2330
Begriffe und Benennungen)
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Sprachliche und terminologische
Qualität der Normung (3)
Beispiele guten und schlechten Sprachgebrauchs

Norm 7055 „Haushalts-Frost-Free-Kühlgeräte.
Küllagerfächer“

DIN/EN 1038 "Chipkartenanwendungen für
Telekommunikation. Teil 1: Chipkartentelefon“
Varianten im Text:
applikations-unabhängige Anforderungen, Erkennung
und Auswahl von Applikationen, Applikationsverwaltung,

aber:
anzuwendende Sicherheitsmechanismen
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Sprachliche und terminologische
Qualität der Normung (4)

DIN 66 020 "Funktionelle Anforderungen an die
Schnittstellen zwischen Datenendeinrichtung und
Datenübertragungseinrichtung in Fernsprechnetzen. Teil
1" (Entwurf Oktober 1993)
Varianten im Text:
Automatische Wähleinrichtung für Datenverbindungen
(AWD) (en: automatic calling equipment (ACE))
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Thesen, Merksätze, Empfehlungen (1)

Normung trägt Verantwortung für Sprachgestaltung.

Sprechsituation und Textsorten verlangen Einsatz
differenzierter sprachlicher Mittel.

Termini: Eindeutigkeit der Beziehungen zwischen Begriff
und Benennung auf der Grundlage von Definitionen.

Fachliche Kommunikation: Genauigkeit, Kürze,
Orientierung am anerkannten Sprachgebrauch, Nutzen,
Kombination vorhandener Sprachelemente, Merkmale
des Begriffs in der Benennung (Benennung als
Kurzdefinition).
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Thesen, Merksätze, Empfehlungen (2)

Sachkompetenz erschließt fachliche Inhalte, weniger die
Sprachkompetenz.

Angemessenere und bewusster Sprachgebrauch in allen
Sprechsituationen und Textsorten gefragt.

Fremde Termini müssen begrifflicher Voraussetzungen
erfüllen und sich lautlich und grammatisch in deutsches
Sprachsystem einfügen.

Normung muss Deutsch als Sprache allgemein wie als
Sprache der internationalen Normung erhalten und
stärken.
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Literatur zur historischen Fachsprachenforschung und Terminologienormung






Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Erster Band.
Vorrede von Jacob Grimm, S. XXX f. Leipzig 1854
Gerhard Eis: Mittelalterliche Fachliteratur. 2., durchges. Auflage,
Stuttgart 1967
Johann Beckmann: Anleitung zur Technologie oder zur kenntniss der
Handwerke, Fabriken und Manufakturen ... Göttingen 1777, Einleitung
Heinz-Rudi Spiegel: Vorindustrielle technische Fachsprachen und ihr
Wandel durch den Industrialisierungsprozeß. In: Technologischer
Wandel im 18. Jahrhundert (=Wolfenbütteler Forschungen 14)
Wolfenbüttel 1981, S. 139 ff
Heinz Ischreyt: Studien zum Verhältnis von Sprache und Technik.
Institutionelle Sprachlenkung in der Terminologie der Technik (=
Sprache und Gemeinschaft/Studien IV) Düsseldorf 1965
Eugen Wüster: Internationale Sprachnormung in der Technik besonders in der Elektrotechnik (Die nationale Sprachnormung und
ihre Verallgemeinerung).
3., abermals erg. Aufl., Bonn 1970
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Ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit und Ihre
Geduld!
Gern gehe ich auf Ihre
Fragen ein!
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