Klinik und Poliklinik für Urologie, Uroonkologie und Kinderurologie Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h.c. H. Rübben Ansprechpartner: Dr. med. F. vom Dorp Hufelandstraße 55 45122 Essen Tel. 0201 723 3214 Fax 0201 723 3151 [email protected] Verfahrensanleitungen zu den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) und der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU)Nierenzellkarzinom 2007 Urologische Universitätsklinik Essen Westdeutschen Tumorzentrum Essen e.V. (WTZE) in Kooperation mit Sektion Leitlinien des Arbeitskreises - Uroonkologie Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Krefeld, Mönchengladbach, Mülheim, Neuss, Oberhausen, Troisdorf, Velbert Dr. med. Bröcheler Dr. med. Buck Prof. Dr. med. Fichtner Prof. Dr. med. Goepel Dr. med. Hautkappe Prof. Dr. med. Höfner Prof. Dr. med. Hutschenreiter Prof. Dr. med. Jacobi PD Dr. med. Krege Dr. med. Krüger Dr. med. Stöblen PD Dr. med. Lümmen Prof. Dr. med. Stuschke Prof. Dr. med. MeyerProf. Dr. med. Wammack Schwickerath PD Dr. med. Miller Prof. Dr. med. Otto Dr. med. Rabs Prof. Dr. med. Dr. h.c. Rübben Prof. Dr. med. Schmid PD Dr. med. Sperling Diagnostik Einleitung Das Nierenzellkarzinom ist mit einem Anteil von 1% bis 2% an allen soliden Tumoren relativ selten. Pro Jahr ist in Deutschland mit etwa 11000 Neuerkrankungen zu rechnen; die Inzidenz nimmt weltweit um 1,5 - 5,9% zu. Männer sind etwa 1,5 - 3,1 mal häufiger betroffen als Frauen; das durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt der Diagnose liegt bei 70 Jahren. Die Mortalitätsrate steigt parallel mit der Inzidenz an. Weltweit wird ein Anstieg der Todesfälle von 54.000 1985 auf 102.000 im Jahr 2000 erwartet. Die steigende Inzidenz des Nierenparenchymkarzinoms ist in erster Linie auf den verbreiteten Gebrauch bildgebender Verfahren wie Ultraschall (US) und Computertomographie (CT) zurückzuführen (McCredie 1994). Zum Zeitpunkt der Diagnose lassen sich bei 25 – 30% der Patienten klinisch Metastasen nachweisen, hinzu kommt ein nicht unerheblicher Anteil mit einer subklinischen Metastasierung, was den bisher unbefriedigenden Therapieerfolg erklärt (Motzer 2000). Als Risikofaktoren werden Rauchen, Übergewicht und hormonelle Faktoren angeschuldigt, gesichert sind chronische Niereninsuffizienz, von Hippel-Lindau`sche Krankheit, positive Familienanamnese und Tuberöse Sklerose (Tabelle 1). Risikogruppe Chronische Niereninsuffizienz, insbesondere bei erworbener zystischer Nephropathie Risikokategorie an N PK zu erkranken Risiko 5- bis 10mal höher als bei Gesunden (Männer 7mal häufiger als Frauen); 1-2% erkranken an NPK von Hippel-Lindau'sche Krankheit 45% erkranken an NPK Familienanamnese eines NPK bis 10% erkranken an NPK Tuberöse Sklerose bis 10% erkranken an NPK Tabelle 1: Risikofaktoren für das Nierenparenchymkarzinom (NPK) Die meisten Nierenzellkarzinome werden anlässlich einer abdominellen Ultraschalluntersuchung oder Computertomographie diagnostiziert. Der entscheidende Faktor für die Prognose des Nierenzellkarzinoms ist die Metastasierung. Die 5 Jahres Überlebensrate sinkt von 50 – 90% bei lokalisierter Erkrankung auf 0 – 13% bei metastasierter Erkrankung. Durch den ubiquitären Einsatz der Sonographie werden die meisten Tumoren heute allerdings in einem frühen Stadium entdeckt; die Prognose hängt dann hauptsächlich vom Lymphknotenstatus ab, weniger von der Tumorkategorie bzw. der Tumorgröße (Tabelle 2). Stadium der Erkrankung Primärtumor < 3 cm Primärtumor begrenzt auf die Niere Positive regionäre Lymphknoten Metastasierung Tabelle 2: Prognose des Nierenzellkarzinoms. Metastasierung/Prognose Metastasierung < 5% Metastasierung < 20% Metastasierung bei 90% Mittlere Überlebenszeit <12 Monate 3 Klassifikation Solide Tumoren der Niere sind überwiegend (95%) Nierenzellkarzinome. Differenzialdiagnostisch kommen selten Onkozytome, Urothelkarzinome, Sarkome, Wilms Tumore, Lymphome oder Metastasen anderer Malignome in Betracht; der häufigste benigne Tumor ist das Angiomyolipom. Die pathologische Typisierung unterscheidet die häufigen hellzelligen Karzinome (60 - 85%) von den chromophilen (7 – 14%) und den chromophoben Karzinomen (4 - 10%). TNM-Klassifikation (UICC 2002) Stadiengruppierung Robson-Stadium T Primärtumor Primärtumor kann nicht beurteilt werden TX Kein Anhalt für Primärtumor T0 Tumor 7 cm oder weniger in größter Ausdehnung, T1 begrenzt auf die Niere I (falls N0, M0) T1a Tumor 4 cm oder weniger in größter Ausdehnung I T1b Tumor mehr als 4 cm, aber nicht mehr als 7 cm in größter Ausdehnung Tumor mehr als 7 cm in größter Ausdehnung, T2 II (falls N0, M0) begrenzt auf die Niere Tumor breitet sich in größeren Venen aus oder T3 infiltriert Nebenniere oder perirenales Gewebe, jedoch nicht jenseits der Gerota-Faszie II T3a Tumor infiltriert Nebenniere oder perirenales III (falls N0-1, M0) Gewebe, aber nicht jenseits der Gerota-Faszie T3b Tumor mit makroskopischer Ausbreitung in Nierenvene(n) oder V.cava unter Zwerchfell IIIa (falls M0) T3c Tumor mit makroskopischer Ausbreitung in V. cava oberhalb des Zwerchfells Tumor infiltriert über die Gerota-Faszie hinaus IV IVa T4 N Regionäre Lymphknoten Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt NX werden Keine regionären Lymphknotenmetastasen N0 Metastase(n) in solitärem regionärem Lymphknoten III (falls T1-3, M0) N1 IIIb (falls M0) Metastase(n) in mehr als einem regionären N2 IV Lymphknoten M Fernmetastasen Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt MX werden Keine Fernmetastasen M0 Fernmetastasen IV IVb M1 Tabelle 3: TNM-Klassifikation und Stadieneinteilung des Nierenparenchymkarzinoms (UICC 2002). Die von Guinan et al. 1997 vorgeschlagene Ramifikation zu T1 wurde in der aktuellen Fassung integriert. Das hellzellige und das chromophile Karzinom nehmen ihren Ursprung vom proximalen Tubulus; das chromophile Karzinom entwickelt sich vom distalen Tubulus. Molekulargenetisch entspricht das hellzellige Karzinom dem nichtpapillären Tumor mit typischen Veränderungen vor allem auf dem kurzen Arm von Chromosom 3. Eine Sonderstellung nimmt das Onkozytom ein (2 – 5%). Es metastasiert nicht und hat eine gute Prognose. Kürzlich wurden Versuche unternommen eine molekularbiologisch basierte Klassifikation einzuführen (Zambrano 1999). 4 Die TNM-Klassifikation wurde 2002 überarbeitet. Die Tabelle 3 zeigt die aktuelle TNMKlassifikation, sowie gebräuchliche Stadieneinteilung bzw. Robsons-Klassifikation (Robson 1969). Vorsorgeuntersuchungen Patienten mit erhöhtem Nierenparenchymkarzinom-Risiko können als Zielgruppe für ein derartiges sonographisches Untersuchungsprogramm erwogen werden (Tabelle 1). Diagnostik bei symptomatischen Patienten (Abb. 1) Klinische Untersuchung Selbst bei schlanken Patienten lassen sich nur sehr große Nierentumoren palpatorisch erfassen. Die klinische Untersuchung dient vor allem zum Ausschluß relevanter Nebenerkrankungen. Harnanalyse und Harnkultur Der Harn wird auf pathologische Bestandteile durch Sedimentuntersuchung oder Teststreifen untersucht. Wesentlich ist die Bestätigung bei anamnestisch angegebener Hämaturie. Laboruntersuchungen Das Serumkreatinin dient als Parameter für die globale Nierenfunktion speziell vor bildgebenden Verfahren mit Kontrastmittelgabe (Urographie und CT) und geplanter Nephrektomie. Hämoglobin und Blutsenkungsgeschwindigkeit sind unspezifisch und haben eine gewisse prognostische Bedeutung. Hinweise auf eine fortgeschrittene Erkrankung mit Skelettmetastasen kann eine erhöhte alkalische Phosphatase sein. Eine Hyperkalziämie wird häufig in Verbindung mit paraneoplastischen Manifestationen beobachtet. Sonographie Im Vergleich zur Echogenität des gesunden Nierenparenchyms können Nierenzellkarzinome echoarm, echoreich oder isoechogen sein. Letztgenannte fallen dabei durch inhomogene Echotextur auf. Unkomplizierte Zysten lassen sich sonographisch in der Regel gut vom RCC abgrenzen. Bei komplizierten Zysten, die dickwandig, unregelmäßig und septiert sind, ist die Differentialdiagnose schwierig (Newhouse 1993). Hier muß die Möglichkeit eines Zystenwandkarzinoms in Betracht gezogen werden. Die Sensitivität der Sonographie zur Entdeckung von malignen Tumoren wird mit bis zu 96% angegeben (London et al. 1989). Die deutlich geringere Spezifität ist durch die morphologische Überschneidung mit Hämatomen, Zysten oder Abszessen bzw. problematischer Interpretation der Echotextur bedingt (Cidlinsky et al. 1992). Zur Beurteilung einer Tumorinvasion in die Nierenvene bzw. Vena cava eignet sich auch die farbkodierte Duplexsonographie. Liegt der Verdacht auf eine atriale Tumorthrombusbildung vor, bieten sich zusätzlich die transoesophageale Sonographie oder Echokardiographie zur Diagnostik an. Urographie Die Urographie ist der Sonographie und CT bei der Diagnostik von Nierenzellkarzinomen unterlegen. Sie ist indiziert bei Patienten mit Hämaturie zur differentialdiagnostischen Abklärung von Urotheltumoren des oberen Harntrakts. 5 Computertomographie Die CT ist das wesentliche Verfahren zur differentialdiagnostischen Abklärung renaler Raumforderungen, wobei gleichzeitig die Funktionstüchtigkeit der kontralateralen Niere dokumentiert werden kann. Nach der nativen CT folgt die intravenöse Kontrastmittelgabe, um einen Dichteanstieg (Enhancement) im Tumor beurteilen zu können. Er ist typischerweise geringer als im gesunden Nierengewebe und führt zu einer Kontrastierung zwischen normalem und tumorösem Nierenanteil. Zur Darstellung von vergrößerten Lymphknoten ist die Computertomographie gut geeignet, ebenso zum Nachweis eines venösen Tumorthrombus. Der computertomographische Nachweis von Fett (Houndsfield-Einheiten unter 0) ist typisch für das Angiomyolipom. Computertomographische Malignitätszeichen sind: • unscharfe Konturen • das Verschwinden trennender Gewebeschichten bei Tumorinfiltration durch die Nierenkapsel bzw. Gerota-Faszie • hypodense, zentrale Nekrosen • dicke, irreguläre Wände bei zystischen Tumoren, die sich von der Wandung einfacher Zysten unterscheiden Die Treffsicherheit der CT zur Tumorerkennung beträgt mindestens 95% (Palko et al. 1990). Die Fortentwicklung der CT-Technik (z.B. Spiral-CT) erlaubt eine zunehmend sichere Darstellung von sehr kleinen Nierentumoren. Bei entsprechender klinischer Symptomatik kann ein CT des Schädels oder des Thorax zum Ausschluss einer intrakraniellen bzw. intrathorakalen Metastasierung sinnvoll sein. Magnetresonanztomographie (MRT) Die MRT ist das Verfahren der Wahl bei Patienten mit Kontrastmittelallergie und bei Niereninsuffizienz. In T1-gewichteten Bildern zeigen vitale Tumoranteile und auch intravasale Tumorthromben eine Signalanhebung nach intravenöser Gabe paramagnetischer Kontrastmittel. In der T2-Gewichtung nimmt die Signalintensität bei ausgedehnten intratumoralen Nekrosen zu. Die MRT ist der CT bei der Differentialdiagnose der soliden renalen Raumforderung nicht überlegen. Röntgenuntersuchung des Thorax Die weitere bildgebende Diagnostik dient dem Ausschluss von Fernmetastasen. Routinemäßig wird dazu eine Röntgenuntersuchung des Thorax durchgeführt. Skelettszintigraphie Eine Skelettszintigraphie sollte nur symptomorientiert zur Anwendung kommen, um Knochenmetastasen nachzuweisen. Angiographie Die selektive bzw. superselektive Arteriographie (digitale Substraktionsangiographie) ist kein Routineverfahren und nur noch bei speziellen Fragestellungen indiziert. Hierzu gehört im Einzelfall die präoperative Gefäßdarstellung bei besonders aufwändigen Operationstechniken zur organerhaltenden Nierentumoroperation. Die Kontrastmitteldarstellung der Hohlvene (Cavographie) bei sonographischem oder computertomographischem Verdacht auf einen intravasalen Tumorzapfen ist der Magnetresonanztomographie und dem Angio-CT nicht überlegen. Biopsie Gelingt in seltenen Fällen durch bildgebende Verfahren keine eindeutige Diagnose, sind die operative Freilegung und ggf. Schnellschnittdiagnostik angezeigt. Bei Vorliegen typischer 6 bildgebender Befunde ist die Feinnadelbiopsie nicht indiziert. Die iatrogene Aussaat von Tumorzellen im Punktionskanal ist beschrieben (Ferucci et al.1979). Anamnese körperliche Untersuchung Basislabor Urinzytologie evtl z.B. Flankenschmerz und Hämaturie unkomplizierte weitere Abklärung Ursache US, ggf. komplizierte solider kein CT (MRT bei KMAllergie weitere Abklärung Ursache Hämaturie Rö-Thorax evtl. weitere Metastasendiagnosti bestätigt komplizierte Nierenfreilegun typisches evtl. keine evtl. Evtl. Therapie AML, Z B Operation solider Rö-Thorax Evtl. weitere Metastasendiagnostik Tumornephrektomie bzw. Abbildung 1: Flußschema zur Diagnostik bei symptomatischen Patienten: AML=Angiomyolipom, KM=Kontrastmittel (nach: Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des Nierenparenchymkarzinoms, Urologe A 1998) Ausbreitungsdiagnostik T- und N-Kategorie Die CT als wesentliches Verfahren zur Diagnose des Primärtumors ermöglicht auch die Bestimmung der T- und N-Kategorie. Sie erlaubt die Unterscheidung zwischen organbegrenzten (T1-T2) und organüberschreitenden (T3-T4) Tumoren. Die MRT ist der CT zur Beurteilung der T- und N-Kategorie gleichwertig (Hricak et al. 1988, Krestin et al. 1992), jedoch nicht überlegen. Erfolgte zur Diagnose des Primärtumors ein MRT, ist ein CT zu Stagingzwecken nicht erforderlich. Die Übereinstimmung des CT mit dem intraoperativen und histologischen Befund beträgt 84-91% (Johnson et al. 1987). Falsch positive Befunde für perirenale Tumorausbreitung werden bei Einblutungen und Begleitödem beobachtet. Falsch 7 negative Befunde („understaging") kommen bei mikroskopischem Kapseldurchbruch vor. Ein Übergreifen des Tumors auf Nachbarorgane ist computertomographisch erkennbar. Paraaortale und parakavale Lymphknoten ab einem Durchmesser von > 1 cm sind computertomographisch suspekt; Lymphknoten > 2 cm Durchmesser sind in der Regel tumorbefallen. Metastasen in nicht-vergrößerten Lymphknoten können durch die CT nicht erkannt werden. Tumorbefallene Lymphknoten im Retroperitoneum lassen sich sonographisch zwar darstellen, mit einer Sensitivität von maximal 78% ist die US der CT jedoch unterlegen (Lackner et al. 1984, Warshauer et al. 1988). V-Kategorie Die Ultraschalluntersuchung (US) erfaßt Tumorthromben im Stamm der V. renalis und V. cava mit einer Sensitivität von bis zu 100% (Constantinides et al. 1991, Pfeiffer 1994). Die Tumorzapfen als echoarme intraluminale Reflexe. Bei unklaren Befunden und nicht quantifizierbarer Ausdehnung eines Thrombus in der V. cava ist die MRT oder das Angio-CT die Verfahren der Wahl. M-Kategorie Die Röntgenaufnahme des Thorax in zwei Ebenen erfasst die häufigste Metastasenlokalisation. Die Mitbeurteilung von Leber, kontralateraler Niere und Nebenniere ist Standard bei der US bzw. CT. Eine Skelettszintigraphie ist nur bei Schmerzen oder erhöhter alkalischer Phosphatase bzw. Serumkalzium erforderlich. In diesen Fällen ist die Ganzkörperknochenszintigraphie mit Technetium 99m-Methylendiphosphonat das Verfahren der Wahl. Bei pathologischen Befunden oder bei lokalisierten Schmerzen sollten die Metastasen durch Röntgen-Zielaufnahmen, CT oder MRT verifiziert werden. Die Diagnostik von Metastasen des zentralen Nervensystems durch CT oder MRT ist nur bei symptomatischen Patienten indiziert. Histopathologische Diagnostik 1 .Tumorklassifikation Typing In Deutschland findet seit den 80er Jahren die Mainz-Klassifikation (Thoenes u. Störkel 1991, Störkel 1993) breite Anwendung (Tab. 4). Sie hat auch international Anerkennung gefunden (Bostwick et al. 1997, Störkel et al. 1997) und ist mit Modifikationen und Vereinfachungen in die im Dezember 1997 erschienene 2. Auflage der WHO-Klassifikation (Mostofi u. Davis 1997) eingegangen (Tab. 5). Papilläre Nierenzellkarzinome und chomophobzellige Karzinome (bzw. chomophobe Nierenzellkarzinome der Mainz-Klassifikation) sind, auch unter Mitberücksichtigung von Malignitätsgrad und Tumorgröße, prognostisch günstiger als Klarzellkarzinome (Störkel 1993). Onkozytom Onkozytome (Nachweis durch Halesche Färbung, ggf. Zytogenetik) werden heute als benigne Tumoren aufgefasst (Davis et al. 1991, Störkel 1993, Mostofi u. Davis 1997), wenngleich sie u.U. beträchtliche Größe erreichen und klinisch als maligne Nierenparenchymtumoren imponieren können. Grading 8 Wenngleich derzeit keines der verschiedenen Gradingsysteme (Wagner u. Hermanek 1995, Goldstein 1997 sowie Medeiros et al. 1997) als international akzeptiertes Verfahren der Wahl bezeichnet werden kann (Bostwick et al. 1997), wird empfohlen, das Grading nach der Mainz-Klassifikation (Thoenes u. Störkel 1991, Störkel 1993) vorzunehmen (Tab.5) Das in der WHO-Klassifikation (Mostofi u. Davis 1997) empfohlene Grading der Nierenzellkarzinome berücksichtigt einerseits die zelluläre Anaplasie (G1: geringster Grad der Anaplasie, der mit Malignität vereinbar ist; G3: schwere zelluläre Anaplasie; G2: dazwischen liegend), andererseits die Kerngröße in gleicher Weise wie die MainzKlassifikation (Tab.6). 2. Untersuchung von Tumorresektaten Untersuchungsmaterial Nierenzellkarzinome werden operativ entweder durch die klassische radikale Tumornephrektomie (einschl. wechselnd ausgedehnter regionärer Lymphknotendissektion) oder durch organerhaltende Eingriffe (Tumorexzision, Polresektion) behandelt. Materialbehandlung Idealfall: Übergabe des frischen Präparates in unversehrtem Zustand an den Pathologen. Bei organerhaltenden Eingriffen empfiehlt sich eine Markierung der Schnittränder mit formalinresistenter Tinte zur topographischen Orientierung sowie eine zusätzliche Markierung von Stellen mit Verdacht auf fehlende Radikalität. Bei Lymphadenektomie en bloc mit der Nephrektomie sollen die Grenzen zwischen den verschiedenen Lymphknotenstationen durch den Operateur markiert werden, um eine entsprechende Zuordnung des Pathologen zu ermöglichen. Getrennt eingesandte Lymphknotenstationen sind entsprechend zu bezeichnen. Bei Einsendung auf dem Postweg muss eine Fixation (ausreichende Menge: Relation Volumen des Gewebes zu Volumen der Fixationsflüssigkeit mindestens 1:8,besser 1:10) erfolgen. Bei der Fixation des unversehrten Präparates besteht die Gefahr, dass nur die äußeren Anteile gut fixiert werden, die inneren jedoch teilweise der Autolyse unterliegen. Daher sollte mit dem örtlichen Pathologen besprochen werden, in welchen Fällen die Präparate vor der Fixation durch einen frontalen Schnitt in der Längsachse der Niere halbiert werden sollen (Achtung auf Strukturen des Nierenhilus und die Nierenvenen!). Information des Pathologen Hierfür wird die Ausfüllung eines Formblattes empfohlen. Makroskopische Beschreibung/Minimalprogramm • Übersandtes Material: Tumornephrektomie oder organerhaltendeOperation, Nebenniere, andere mitentfernte Organe, mitentfernte Venacava? Dazu jeweils Maßangaben • Tumorlokalisation (welches Nierendrittel) • Größter Tumordurchmesser • Makroskopisch Befall des perirenalen Gewebes? • Makroskopisch Befall von Nierenvenen (Äste, Stamm, V. cava)? • Makroskopisch Befall der Nebenniere? • Makroskopisch Einbruch ins Hohlsystem? • Länge des mitentfernten Harnleiters 9 Zuschneiden/Minimalprogramm a) R-Klassifikation • Makroskopisch auf Tumor verdächtige Stelle(n) an Oberfläche (vom Urologen markiert, nach makroskopischem Befund des Pathologen) • Bei organerhaltender Operation:mindestens zwei Blöcke von Tumor mit Resektionsflächen (dort, wo geringster Abstand) b) pT-Klassifikation • Mindestens ein Block mit Tumor,Nierenkapsel und perirenalem Fettgewebe • Bei makroskopischem Verdacht auf Nebenniereninfiltration Nebenniere c)Typing und Grading Einbetten je eines Blockes nicht regressiv veränderten Tumors pro 2 cm größtem Tumordurchmesser d) pN-Klassifikation In der pN-Klassifikation 2002 wird die Zahl befallener Lymphknoten berücksichtigt. Wenn zwei Lymphknoten mit Metastasen nachgewiesen werden, ist die Klassifikation als pN2 sichergestellt und es erübrigt sich, weitere Lymphknoten zu untersuchen. Für die Diagnose pN0 sind mindestens acht regionäre Lymphknoten (sofern übersandt) einzubetten. Histologische Bearbeitung/Minimalprogramm Stufenschnitte sind nicht erforderlich. Bei Schwierigkeiten in der Diagnose eines chromophobzelligen Nierenkarzinoms: Eisenkolloidreaktion nach Hale, sonst H.E.-Färbung ausreichend. Pathohistologisches Gutachten und Dokumentation/Minimalprogramm y wird der pTNM-Formel vorangesetzt, wenn eine präoperative Radio- und/oder Chemotherapie (auch Chemoembolisation) vorangegangen ist. Bei Vorliegen mehrerer synchroner Karzinome wird bei der pT-Klassifikation der am weitesten fortgeschrittene Tumor berücksichtigt und der pT-Kategorie entweder (m) (für multipel) oder die Zahl synchroner Karzinome in Klammern beigefügt. Für die pT-Klassifikation verpflichtend ist die Angabe der Hauptkategorien, d.h. pT1a, b, 2, 3a, 3b, 3c oder 4. Fakultativ kann die im TNM Supplement 1993 (UICC1993) vorgesehene Unterteilung verwendet werden: pT1 bis 3a (i) ohne mikroskopische Veneninvasion, (ii) mit mikroskopischer Veneninvasion Fakultativ kann das ausschließliche Vorkommen von Mikrometastasen (nicht > 2 mm) durch den Zusatz (mi) zu pN und pM angegeben werden. Isolierte (disseminierte) Tumorzellen in Knochenmarksbiopsien werden durch den Zusatz (i) gekennzeichnet. Erweitertes Untersuchungsprogramm Zuschneiden: Zusätzlich zum Minimalprogramm zwei Blöcke angrenzenden Nierenparenchym (bei Tumoren > 4 cm vier Lymphgefäß- und histologischen Veneneinbrüchen). Lymphknotenhistologie: Sämtliche auffindbaren Lymphknoten Lymphknotenstationen eingebettet. Lymphknoten mit > 5 mm von dem an den Tumor Blöcke) (Nachweis von werden gesondert nach Dicke werden äquatorial 10 halbiert bzw. in bis 5 mm dicke Scheiben lamelliert und einzeln eingebettet, kleinere Lymphknoten einer Station können jeweils ungeteilt zusammen in einer Kapsel eingebettet werden. Die Größe von metastatisch befallenen Lymphknoten ist zu dokumentieren, sofern > 2 cm. Histologische Bearbeitung: Von den Lymphknoten werden Schnitte aus drei Ebenen angefertigt. Pathohistologisches Gutachten und Dokumentation: s. organspezifische Tumordokumentation (Wagner u. Hermanek 1995) sowie weitere histologische Parameter und Mainzer PrognoseScore. A. Grundtypen (Zelltyp) 1. Klarzelliges Nierenzellkarzinom (ca.80%) Zytoplasma im H.E.-Schnitt optisch »leer« (Glykogen,Lipide) 2. Chromophiles Nierenzellkarzinom (ca. 10%) Zytoplasma im H.E.-Schnitt gut färbbar, Zellen relativ klein 3. Chromophobes Nierenzellkarzinom (ca.5%) Zytoplasma im H.E.-Schnitt wenig gefärbt (hell, aber nicht optisch leer, feinretikulär, positive Eisenkolloidreaktion nach Hale), Zellen meist relativ groß 4. Spindel-/pleomorphzelliges Nierenzellkarzinom (1-2%) Ausschließlich spindelige (sarkomatoide) und/oder pleomorphe Zellen (bei herdförmigem Auftreten solcher Areale wird Variante diagnostiziert, s. B) 5. Ductus-Bellini-Karzinom(1-2%) Ausgeprägte Vielfalt mit kubischen,zylindrischen oder polymorphen Zellen, teils basophil,teils mehr oder weniger eosinophil Tabelle 4: Mainz-Klassifikation der Nierenzellkarzinom (Thoenes et al. 1986, Thoenes u. Störkel 1991, Störkel 1993) G 1 Kerne Nukleonen Mitosen Sonstiges Regelmäßig, rund, in der Nicht vergrößert Fast keine Größe normaler Tubuluszellkerne 2 Im Vergleich zu normalen Vergrößert, 1-2 Gelegentlich Tubuluskernen vergrößert, mäßige Unterschiede in Größe und Form 3 Beträchtlich vergrößert, z.T.starkvergrößert, in Häufig auch atypisch Riesenkerne ausgeprägte Polymorphie und der Regel mehrere vielkernige Hyperchromasie Riesenzellen Tabelle 5: Grading nach der Mainz-Klassifikation (Thoenes und Störkel 1991,Störkel 1993) 11 Therapie Beim Nierenzellkarzinom ist die operative Therapie die einzige kurative Behandlungsoption. Chemo-, Strahlen- und Hormontherapien müssen als weitgehend wirkungslos angesehen werden. 1. Lokal begrenztes Nierenzellkarzinom 1.1 Tumornephrektomie Die aktuelle Behandlung des Nierenparenchymkarzinoms basiert auf theoretischen Vorstellungen zur Tumorbiologie und auf klinischen Erfahrungswerten. Aussagekräftige Untersuchungen bzw. randomisierte Studien zur Frage der Ausdehnung des Eingriffs sowohl am Primärtumor wie an den regionären Lymphknoten fehlen. Fest steht, dass eine Heilung des Patienten nur durch die komplette operative Entfernung des Tumors möglich ist. Dabei wird die Prognose im wesentlichen durch das Stadium (UICC 2002) beeinflusst. Hohe Heilungsraten können nur bei den auf die Nieren begrenzten Karzinomen (T1/T2) erreicht werden. Höhere T-Kategorien haben ein hohes Progressionsrisiko und lymphknotenpositive Tumoren haben ebenso wie solche mit Fernmetastasen eine infauste Prognose. Neoadjuvante oder adjuvante Behandlungsmaßnahmen wie Chemo-, Strahlen-, Hormon- oder Immuntherapie können gegenwärtig die Prognose nicht verbessern. Für unilaterale Tumoren mit gesundem kontralateralem Zweitorgan besteht die Standardbehandlung in der radikalen Nephrektomie (Tumornephrektomie). Dieser Eingriff wurde in den 60er Jahren etabliert, als moderne bildgebende Verfahren wie US, CT oder MRT noch nicht zur Verfügung standen. Die klinische Erfahrung der letzten Jahre hat jedoch gezeigt, dass in vielen Fällen eine Abkehr von alten Dogmen zulässig ist und ohne Gefährdung des Patienten geschehen kann. Die klassische Tumornephrektomie verläuft operationstechnisch in drei Phasen: • Präliminäre Unterbindung der Nierenstielgefäße vor Manipulation der tumortragenden Niere (initial A. renalis, dann V. renalis), womit der vaskulären Tumorzelldissemination vorgebeugt werden soll. • Nephrektomie einschließlich Entfernung der Nierenfettkapsel und ipsilateraler Adrenalektomie. • Regionäre Lymphknotendissektion. Dabei erscheint der transperitoneale Zugang bezüglich der onkologischen Ergebnisse einem retroperitonealen bzw. thorakoabdominalen Zugang gleichwertig zu sein. Aus onkologischer Sicht stellt die laparoskopische radikale Nephrektomie im Vergleich zur offenen Operation ein gleichwertiges Verfahren dar (Portis et al. 2002, Permpongkosol et al. 2005). Bei Patienten mit kleinen asymptomatischen Tumoren bis zu einer Größe von 4 cm ist die organerhaltende Resektion ohne erhöhtes Risiko für den Patienten in Bezug auf Progression und Komplikationsraten möglich (Butler et al. 1995, Moll et al. 1994, Morgan u. Zincke 1990, Petritsch et al. 1990, Steinbach et al. 1992 und 1995; Hafez et al. 1999). 1.2 Organerhaltende Tumoroperation Bei fehlender oder funktionsgestörter kontralateraler Niere bzw. bilateralen Tumoren besteht eine absolute Indikation zur Exzision des Tumors. Hier bestimmen nicht nur die Größe und Lage des Tumors bzw. die Anzahl der Tumoren die Indikation, sondern auch die individuelle Situation des Patienten. Die komplette Entfernung des Tumors muss gewährleistet sein. In der 12 elektiven Situation ist die Indikation zur organerhaltenden Operation nicht standardisiert. Je nach Lage und Größe des Tumors werden lokale Tumorexzision, Polamputation, Heminephrektomie und selten Exzisionen unter In-situ-Perfusion mit organprotektiven Lösungen durchgeführt. Dadurch kann eine Work-bench-Chirurgie fast immer vermieden werden. Als geeignet werden Tumoren < 4 cm mit entsprechender Lokalisation angesehen (Butler et al. 1995, Hafez et al. 1999). Dabei werden onkologisch vergleichbare Ergebnisse wie bei einer konventionellen Tumornephrektomie erreicht. Obwohl in Sektionsstatistiken relativ häufig (bis zu 20%) ein multifokaler Tumor gefunden wird, ist die Lokalrezidivrate in klinischen Studien deutlich geringer (< 1–3%). Dies kann mit einer unterschiedlichen biologischen Aggressivität der Satellitentumoren erklärt werden. Organerhaltende Nierentumorresektionen können auch laparoskopisch durchgeführt werden. Hier fehlen allerdings noch onkologische Langzeitergebnisse, um diese operative Technik endgültig beurteilen zu können (Allaf et al. 2004). In den letzten Jahren werden zunehmend minimal-invasive Techniken wie die Kryo-Ablation genutzt. Langzeitdaten stehen z.Zt noch aus. Die Ergebnisse werden z.T. kontrovers diskutiert. Es liegen wenige Daten zur Wachstumsgeschwindigkeit von Nierenzellkarzinomen vor, da sie normalerweise nach der Diagnose entfernt werden. Bosniak et al. konnte an einem kleinen Kollektiv zeigen, dass Tumoren kleiner als 3 cm nicht zu Metastasen führen. In dieser Arbeit wurden 40 Patienten im Median für 3,5 Jahre beobachtet (Bosniak et al. 1995). Diese Beobachtung führt dazu, dass v.a. ältere Patienten mit erhöhtem operativem Risiko mit kleinen, soliden, gut begrenzten Tumoren gut einer wait and see Strategie mit engmaschiger Bildgebung zugeführt werden können. 1.3 Spezielle Empfehlungen zur operativen Therapie Präoperative Vorbehandlung Die medikamentöse Vorbehandlung, die Vorbestrahlung oder die präoperative Embolisation der A. renalis oder der selektiv den Tumor versorgenden Gefäße sind beim lokalisierten Tumor vor seiner Entfernung ohne nachgewiesenen Benefit; somit sind sie im klinischen Alltag nicht erforderlich. Eine Embolisation kann bei sehr großer Tumormasse bzw. ausgedehntem V. cava-Thrombus erwogen werden. Zugangswege Ein standardisierter Zugang zur tumortragenden Niere existiert nicht. Alternativ wird hier häufig durch die persönlichen Präferenzen und Erfahrungen des Operateurs entschieden, weil entsprechende Untersuchungen über den Einfluss des Zugangs auf die Prognose fehlen. Die lokale Tumorausdehnung wie auch die geplante operative Strategie können Einfluss auf die Auswahl des Zugangsweges nehmen. Bei geplanter lokaler Tumorresektion unter Erhalt der Niere ist ein extraperitonealer Flankenschnitt ausreichend. Bei größeren Tumoren bzw. bei Tumorthromben in der V. cava ist ein transabdominaler bzw. thorakoabdominaler Zugangsweg sinnvoll. Sicherheitsabstand Grundsätzlich muss der Primärtumor mit ausreichendem Sicherheitsabstand entfernt werden. Diese Forderung gewährleistet die klassische Tumornephrektomie. Bei organerhaltender Tumorresektion ist ein Sicherheitsabstand von einigen Millimetern ausreichend. Tumorthrombus Bei Nachweis eines Tumorthrombus in der V. renalis bzw. cava wird dieser, ggf. auch durch Kavotomie, entfernt. Bei einem Tumorthrombus, der nicht über die Einmündung der Lebervene hinausreicht, ist die Resektion über einen transabdominalen Zugang (z.B. Chevroninzision) in der Regel möglich. Bei Thrombusausdehnung nach supradiaphragmal und in den rechten Vorhof ist oft eine Operationserweiterung unter Einsatz der Herz-LungenMaschine und Hypothermie erforderlich; diese Maßnahmen sind nur bei fehlender 13 Lymphknotenmetastasierung anzustreben. Die Überlebenszeit der so operierten Patienten korreliert nicht mit der Größe des Cavathrombus. Auch bei Tumorthromben mit Ausdehnung bis in den rechten Vorhof ist die Heilungschance mit ca. 30% nicht geringer als bei solchen unterhalb der Lebervenen (Moinzadeh and Libertino 2004). Die chirurgische Therapie von ausgedehnten Cavathromben sollte nur interdisziplinär in Zentren erfolgen. Adrenalektomie Die ipsilaterale Entfernung der Nebenniere ist Bestandteil der klassischen Tumornephrektomie. Die generelle Notwendigkeit einer im Rahmen der radikalen Tumornephrektomie routinemäßigen Adrenalektomie wird heute kaum noch gesehen. Der Befall der Nebenniere (bei 1–3%) ist praktisch nie Ausdruck eines Tumorwachstums per continuitatem, sondern Zeichen der Metastasierung (Paul et al. 2001). Es gibt Hinweise darauf, dass Patienten mit einem T3-Tumor von einer Adrenalektomie profitieren könnten (Siemer et al. 2004). Lymphadenektomie Die Lymphadenektomie zur Festlegung des Lymphknotenstatus beinhaltet beim linksseitigen Tumor die hilären und paraaortalen, beim rechtsseitigen Tumor die hilären, parakavalen und interaortokavalen Lymphknoten in Höhe einer 2-3 cm breiten Zone ober- und unterhalb der Nierengefäße. Eine Verbesserung der Prognose durch eine Lymphadenektomie konnte bisher retrospektiv als auch prospektiv im Rahmen einer randomisierten Studie der EORTC (Protokoll 30881) nicht geklärt werden, so dass die Lymphadenektomie lediglich zur Prognoseeinschätzung (Staging-Maßnahme) dient (Pantuck et al. 2003; Blom et al. 1999). 1.4 Adjuvante Therapie Eine effektive adjuvante Therapie des Nierenparenchymkarzinoms steht derzeit nicht zur Verfügung. Bei Patienten mit hohem Progressionsrisiko kann eine experimentelle Behandlung in kontrollierten Studien erwogen werden. Bisher gibt es keinen Wirksamkeitsnachweis für Interferon, Interleukin, Chemotherapeutika oder eine Kombination aus diesen Substanzen (Pizzocaro et al. 2001). Dies gilt auch für die Strahlentherapie (Kjaer et al. 1987 a,b). Für den Wirkungsnachweis einer aktiven spezifischen Immunisierung mit autologer Tumorvakzinierung liegt bisher eine positive Studie vor, die den allgemeinen Gebrauch bisher nicht rechtfertigt (Jocham et al. 2004). 1.5 Besondere Situationen Bildgebende Verfahren täuschen gelegentlich eine Tumorinvasion in die umgebenden Organe vor. Da die Operation die einzig kurative Maßnahme ist, sollte in Zweifelsfällen stets die Tumornephrektomie angestrebt werden. Bei bilateralen Tumoren oder solchen in Einzelnieren ist die Behandlungsstrategie abhängig von der individuellen Situation. Grundsätzlich muss auch in diesen Situationen eine komplette Resektion des Tumors gesichert sein. Die Ergebnisse der organerhaltenden Operationstechniken sind auch hier hervorragend (Butler et al. 1995, Moll et al. 1993, Morgan u. Zincke 1990, Petritsch et al. 1990, Steinbach et al. 1992,1995). Bei primär inoperablem Nierenzellkarzinom kann, wenn eine entsprechende lokale Schmerzoder Raumforderungssymptomatik vorliegt, eine palliative Strahlenbehandlung unter analgetischer Indikation erwogen werden. Das Bestrahlungsvolumen umfasst dabei die gesamte Niere bzw. die Nierenloge sowie die paraaortalen und parakavalen Lymphknotenstationen. Mit einer Fraktionierung von 1,8-2 Gy pro Tag werden in Shrinkingfield-Technik 50-60 Gy Herddosis appliziert (Böttcher 1996). Bei Auftreten eines Lokalrezidivs eines Nierenparenchymkarzinoms, sollte dies nach Möglichkeit immer chirurgisch reseziert werden. 2. Metastasiertes Nierenparenchymkarzinom 14 2.1 Behandlung des Primärtumors Palliative Tumornephrektomie Bis zu 1/3 aller Patienten weisen zum Zeitpunkt der Diagnose Fernmetastasen auf. Die beiden prospektiv randomisierten Studien der SWOG und der EORTC belegen einen Überlebensvorteil für Patienten, die vor Einleitung einer Immuntherapie mit Interferon-alpha und Interleukin nehprektomiert wurden im Vergleich zur nicht-nephrektomierten Gruppe. Eine gemeinsame Auswertung der Daten ergab eine Reduktion des Sterberisikos durch die Nephrektomie um 31% bei einer medianen Überlebenszeit nach Nephrektomie von 13 Monaten (Flanigan et al. 2001 und 2004, Mickisch et al. 2001). Patienten im guten Allgemeinzustand und hauptsächlich pulmonaler Metastasierung profitieren von der Nephrektomie. Bei multiplen Metastasen und schlechtem Allgemeinzustand ist die Nephrektomie dann gerechtfertigt, wenn der Primärtumor symptomatisch ist (unstillbare Blutung, ausgeprägte lokale Schmerzen, unzumutbarer psychologischer Druck, deutliche Allgemeinsymptome bei großem Primärtumor und geringem Metastasenvolumen) und diese Symptome nicht konservativ behandelt werden können (Johnson et al. 1975). Da systemische Symptome (wie z.B. eine Hyperkalzämie, Fieber, eine Leberfunktionsstörung oder eine Erythrozytose) auch von den Metastasen verursacht sein können, wird die Nephrektomie die Situation selten verbessern. Nierenarterienembolisation Die Embolisation der Nierenarterie bei Patienten mit metastasiertem Nierenparenchymkarzinom wurde u.a. vorgeschlagen, weil man eine Immunreaktion gegen den Tumor und/oder seine Metastasen stimulieren wollte (Swanson et al. 1983). In der größten Serie von Embolisationen und Tumornephrektomien zeigten von 100 metastasierten Patienten sieben eine komplette und acht eine partielle Regression der Metastasen; innerhalb von drei Jahren kam es jedoch bei den meisten Patienten zu einer erneuten Progression (Swanson et al. 1983). Weitere Studien zeigen keinen Vorteil der präoperativen Embolisation, so dass die eingangs genannte These bisher nicht bewiesen werden konnte. Eine Embolisation der Nierenarterie erscheint deshalb nur bei Patienten mit unstillbarer Blutung aus dem Primärtumor indiziert, wenn die palliative Tumornephrektomie wegen des schlechten Allgemeinzustandes nicht möglich ist, um auf diese Weise eine Blutstillung zu erreichen. 2.2 Behandlung von Lymphknotenmetastasen Der therapeutische Effekt einer Lymphknotendissektion beim Nierenparenchymkarzinom ist bisher nicht belegt. Eine Verbesserung der Prognose durch eine Lymphadenektomie konnte bisher retrospektiv als auch prospektiv im Rahmen einer randomisierten Studie der EORTC (Protokoll 30881) nicht geklärt werden, so dass die Lymphadenektomie lediglich zur Prognoseeinschätzung dient (Pantuck et al. 2003; Blom et al. 1999). 2.3 Behandlung von Fernmetastasen Operative Entfernung von Fernmetastasen Sämtliche Daten zur Operation von Fernmetastasen beziehen sich auf kleine Fallzahlen und heterogene Patientenpopulationen. Das Spektrum operativer Maßnahmen reicht von der Fixierung pathologischer Frakturen bis zur Amputation von Gliedmaßen, der Exzision von Hirn-, Lungen- und Lebermetastasen sowie bis zur plastischen Deckung großer Hautdefekte (Tolia u. Whitmore 1975, DeKernion et al. 1978, Swanson et al. 1981, Golimbu et al. 1986a). Einfluss auf die Prognose nehmen die Zahl der Metastasen, der Zeitpunkt ihres Auftretens und ihre Lokalisation. 15 Naturgemäß sind Solitärmetastasen einer Operation am besten zugänglich. Sie sind am häufigsten in der Lunge (31%), im Knochen (15%), in den Lymphknoten (14%), im Gehirn (8%) und in der Leber (5%) zu finden (Tolia u. Whitmore 1975, O'Dea et al. 1978). Das Nierenparenchymkarzinom ist jedoch dadurch charakterisiert, dass in 27% der Fälle in allen möglichen anderen Organen solitäre Herde auftreten können. Nur in 1-3% der Fälle sind die Metastasen bei der Diagnose tatsächlich solitär (Maldazys u. DeKernion 1986). Etwa 70% der sequenziell auftretenden Metastasen werden innerhalb von zwei Jahren nach Tumornephrektomie beobachtet. Je länger das tumorfreie Intervall ist, desto günstiger ist die Prognose. Werden Lungenmetastasen, die innerhalb des kritischen Zeitraums von 2,5 Jahren nach Nephrektomie auftreten, reseziert, so ist trotz dieses Eingriffes die Prognose in den meisten Fällen infaust. Kürzlich erschienene retrospektive Untersuchungen zur Metastasenresektion belegen auf Grund der positiven Patientenselektion eine mediane Überlebenszeit bei pulmonalen, ossären und cerebralen Metastasen von 12 bis 69 Monaten. Die bisher vorliegenden Ergebnisse weisen darauf hin, dass Patienten mit Solitärmetastasen mehr als zwei Jahre nach Tumornephrektomie von einem aggressiven operativen Vorgehen profitieren können (Jung et al. 2003). Unter rein palliativer Indikation sind auch aufwendige Metastasenresektionen sinnvoll (z.B. Gefahr der pathologischen Fraktur oder Querschnittlähmung). Bei Wirbel- und intraspinalen Metastasen mit beginnender Querschnittsymptomatik ist primär eine operative Dekompression vorzunehmen. Bei Vorliegen von Hirnmetastasen besteht ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Lebensqualität eine erweiterte Behandlungsindikation. Chemotherapie Die bislang untersuchten Zytostatika sind bei dieser Erkrankung nicht effektiv. In einer Metaanalyse von Yagoda ist die objektive Remissionsrate von 39 Zytostatika bei 2120 Patienten 8,77% (Yagoda 1995). Hormontherapie Gestagene, Androgene, Antiandrogene und Tamoxifen führen beim metastasierten Nierenzellkarzinom nur zu Remissionsraten von < 5%, ein Überlebensvorteil ist nicht zu erwarten (Hrushesky und Murphy1977). Immuntherapie In den letzten 20 Jahren wurden verschiedene Zytokine (Interferon, Interleukin) zur Behandlung des metastasierten Nierenparenchymkarzinoms eingesetzt. Für diese Therapiekonzepte sind Tumorremissionen zwischen 0-40% berichtet worden (Tab. 8). Dabei scheint die Patientenselektion einen wesentlichen Einfluss auf das Behandlungsergebnis zu haben. Gesichert ist lediglich, dass verschiedene Formen einer Immuntherapie bei einem Teil der behandelten Patienten vorübergehende Remissionen erzielen können. Klarheit besteht weiterhin darüber, dass es bei verschiedenen Therapieansätzen zu gravierenden Nebenwirkungen kommen kann. Demgegenüber ist ein positiver Einfluss der Immuntherapie auf das Überleben der Patienten nicht hinreichend belegt. Eine randomisiert Studie von Ritchie et al., die Interferon-alpha gegen Medroxyprogesteronacetat geprüft hat, zeigte eine signifikante Verbesserung der medianen Überlebenszeit für die Interferontherapie von 2,5 Monaten (Ritchie et al. 1998). Diese Daten konnten in einer aktuellen Studie von Negrier nicht bestätigt werden. Patienten erhielten randomisiert Medroxyprogesteronacetat oder Interferon-alpha oder Interleukin-2 oder Interferon-alpha und Interleukin-2. In allen 4 Therapiearmen betrug die mediane Überlebenszeit 14,5 bis 15,5 Monate (Negrier et al. 2005). 16 Ein Nutzen der sog. aktiv-spezifischen Immuntherapie (ASI) konnte bislang nicht belegt werden. Gleiches gilt für die Behandlung mit Lymphokin-aktivierten Killerzellen (LAK). Derzeit gibt es für die Therapie von Patienten mit Fernmetastasen keine etablierten Verfahren der Chemo-, Hormon- und Immuntherapie. Daher sollten die Patienten nach Möglichkeit innerhalb von qualitativ hoch stehenden klinischen Studien behandelt werden. Strahlentherapie Eine palliative Strahlentherapie ist bei Knochenmetastasen indiziert, wenn diese symptomatisch sind oder Frakturgefahr besteht (Kjaer 1987). Bei akuter Frakturgefahr ist eine vorherige operative Stabilisierung sinnvoll. Appliziert werden 30-40 Gy Herddosis bei einer Fraktionierung von 2 Gy pro Tag. Bei Vorliegen einer singulären Hirnmetastase ist eine operative Resektion bzw. alternativ eine stereotaktische Einzeitbestrahlung, gefolgt von einer Strahlenbehandlung des gesamten Gehirns, zu erwägen (Coia 1992, Flickinger et al. 1994). Obwohl eine nennenswerte Beeinflussung der Überlebenszeit bei multiplen Hirnmetastasen durch eine Bestrahlung nicht zu erreichen ist, bilden sich jedoch die für den Patienten beängstigenden Symptome wie Hirndruck, Kopfschmerz und Kopfdruck rasch zurück. Bei einer Ganzhirnbestrahlung wird üblicherweise eine Dosis von 30-60 Gy in Einzeldosen von 3 Gy empfohlen. Targettherapie bei metastasiertem Nierenzellkarzinom In 2006 wurden drei grosse Phase 3 Studien zur Targettherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms abgeschlossen. Getestet wurden Temsirolimus, ein m-TOR Inhibitor, Sorafenib, ein Multikinaseinhibitor und Sutent, ein Inhibitor des PDGF und VEGF Rezeptors. Patienten, die im Rahmen der Studie eine alleinige Temsirolimus Therapie erhielten zeigten verlängertes Gesamtüberleben von 10.9 Monaten im Vergleich zu 7.3 bzw. 8.4 Monaten im Interferon- bzw. Kombinationstherapiearm. Sorafenib und Sutent wurden im Patientenkollektiv mit guten bzw. intermediären Prognosekriterien getestet. Für Sorafenib zeigte sich verlängertes progressionsfreies Überleben von 5.5 Monaten im Vergleich zu 2.8 Monaten in der Placebogruppe. Ein ähnliches Ergebnis erzielte Sutent. Hier zeigte sich in der Therapiegruppe ein signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben von 11 Monaten im Vergleich zu 5 Monaten im Interferon Arm (Hudes et al. 2007, Escudier et al. 2007, Motzer et al. 2007) 17 Nachsorge Nach der operativen Therapie von Patienten mit Nierenzellkarzinom ist eine Nachsorge angezeigt, um Lokalrezidive oder eine Metastasierung zu erfassen und die notwendige Therapie einzuleiten. Diese kann die Resektion pulmonaler Filiae oder Lokalrezidive einschließen oder die Einleitung einer Immuntherapie bedeuten (Sandock 1995, Hafez 1997, Störkel 1995). In der kleinen Gruppe der Patienten mit genetischer Prädisposition sind individuelle Nachsorgekonzepte nötig. Die erste Kontrolle sollte nach 4-6 Wochen erfolgen und beinhaltet: • eine körperliche Untersuchung zum Ausschluss operationsspezifischer Komplikationen • die Bestimmung des Kreatininwertes zur Beurteilung der restlichen Nierenfunktion • die Bestimmung des Hämoglobinwertes zur Kontrolle der postoperativen Erholung Bei unauffälligen Parameter sind wiederholte Untersuchungen unnötig. Ebenso ist die Urinuntersuchung zur Nachsorge irrelevant. Eine postoperativ persistierende Erhöhung der alkalische Phosphatase ist suspekt für das Vorliegen von Fernmetastasen bzw. eines Residualtumors (Kovacs 1994, Atlas 1991). Das gleichzeitige vorliegen von Knochenschmerzen spricht für eine ossäre Metastasierung. Bei Lebermetastasen oder paraneoplastischen Syndromen findet sich ebenfalls eine erhöhte alkalische Phosphatase. Eine Röntgenuntersuchung des Thorax ist empfohlen, um pulmonale Metastasen auszuschließen, die in den meisten Fällen innerhalb von 3 Jahren postoperativ auftreten. Eine radiologische Bildgebung der kontralateralen Niere, ist nur bei Risikopatienten (positive Familienanamnese, von Hippel Lindau’sche Erkrankung) zu befürworten. Die Untersuchung des Retroperitoneums mit CT oder US ist nur bei organerhaltender Operation bzw. lokal fortgeschrittenen Stadien (T3/T4) angezeigt. Tabelle 9 fasst das empfohlene Nachsorgeschema zusammen. Stadium Zeitpunkt T1-4 4-6 Wochen postoperativ T1, T2 T3, T4 Alle 6 Monate für 5 Jahre Alle 12 Monate für 5 Jahre Alle 6 Monate für 5 Jahre Alle 12 Monate für 5-10 Jahre Untersuchung Körperliche Untersuchung Kreatinin Hb Körperliche Untersuchung Röntgenuntersuchung des Thorax optionale Untersuchung AP1 Bildgebung des Retroperitoneums3 AP2 Bildgebung der kontralateralen Niere Sonographie Körperliche Untersuchung Röntgenuntersuchung des Thorax Bildgebung des Retroperitoneums Sonographie Tabelle 8: Nachsorgeschema (AP=alkalische Phosphatase, 1wenn präoperativ erhöht oder bei Knochenschmerzen, 2wenn postoperativ erhöht sollte die Bestimmung erfolgen, 3als Ausgangsbefund nach organerhaltender Therapie) 18 Rehabilitation Die Rehabilitationsproblematik ist bei diesen Patienten relativ gering. Die meisten Patienten können vier bis sechs Wochen nach der Nephrektomie ihre gewohnte berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen. Über die Notwendigkeit stationärer Anschlussheilbehandlungen sollte individuell entschieden werden. 19 Literatur Allaf ME, Bhayani SB, Rogers C, Varkarakis I, Link RE, Inagaki T, Jarrett TW, Kavoussi LR (2004) Laparoscopic partial nephrectomy: evaluation of long-term oncological outcome. J Urol 172(3):871-873 Atzpodien J, Hänninen LE, Kirchner H, Bodenstein H, Pfreundschuh M, Rebmann U, Metzner B, Illiger HJ, Jakse G, Niesel T et al. (1995) Multiinstitutional home-therapy trial of recombinant human interleukin-2 and interferon alfa-2 in progressive metastatic renal cell carcinoma. J ClinOncol 13:497-501 Atlas I, Kwam D, Stone N (1991) Value of serum alkaline phosphatase and radionuclide bone scans in patients with renal cell carcinoma. Urology 38:220-222 Blom JH, van Poppel H, Marechal JM, Jacqmin D, Sylvester R, Schröder FH, de Prijck L (1999) Radical nephrectomy with and without lymph node dissection: preliminary results of the EORTC randomized phase III protocol 30881. 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