Zürich HÄMATOLOGIE & ONKOLOGIE KONGRESS st 1 Renal Cell Carcinoma Symposium des RCC Net Betreuung von Patienten mit Nierenzellkarzinom Schweizer Netzwerk verbessert interdisziplinäre Zusammenarbeit Das Nierenzellkarzinom gehört zu den seltenen Tumorerkrankungen. Umso wichtiger ist eine enge Zusammenarbeit der wenigen Spezialisten auf diesem Gebiet. Die erste Jahrestagung des Renal Cell Carcinoma Network (RCC Net) lieferte nicht nur einen aktuellen therapeutischen Ein- und Ausblick, sondern bot auch die Gelegenheit, interdisziplinäre Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Das Nierenzellkarzinom (RCC) ist der häufigste maligne Tumor dieses Organs.1 Die Inzidenz des RCC liegt in der Schweiz bei knapp 800 Fällen pro Jahr.2 2% der tumorbedingten Mortalität gehen auf das Nierenzellkarzinom zurück. Da es sich um eine seltene Tumorerkrankung hanI Seite 110 delt, auf dessen Management sich auch nur wenige Fachärzte spezialisiert haben, wurde 2012 das RCC Net (Renal Cell Carcinoma Network) ins Leben gerufen (siehe Kasten). Die erste Jahrestagung des neuen Netzwerks versammelte letzten Herbst Spezialisten aus dem In- und Ausland zu einem interdisziplinären Wissensaustausch. Roboter-assistierte Nephrektomie Dr. med. Alexandre Mottrie (Aalst/ Belgien) eröffnete das Symposium mit seinen Ausführungen zur RoHämatologie & Onkologie 1/14 HÄMATOLOGIE & ONKOLOGIE KONGRESS boter-assistierten chirurgischen Behandlung kleiner Nierenzellkarzinome. „Wir wissen alle, dass die partielle Nephrektomie immer populärer wird“, erläuterte er. „Ihre onkologischen Resultate sind vielversprechend, die Komplikationsrate ist akzeptabel und das funktionelle Resultat gut.“ Er erinnerte daran, dass das Risiko einer Niereninsuffizienz nach einer unilateralen Nephrektomie während vieler Jahre unterschätzt wurde. Bis Ende der 90er-Jahre hatten Ärzte und Patienten gleichermassen das Dilemma, zwischen einem invasiven, offenen, nephronerhaltenden und einem minimal invasiven, nicht nephronerhaltenden Eingriff wählen zu müssen. „Es gibt natürlich einige Zentren, die sich auf minimal invasive partielle Nephrektomien spezialisiert haben, die Lernkurve ist jedoch sehr niedrig. Uns allen sind zudem die Probleme im Umgang mit den langen, steifen, nicht ergonomischen Instrumenten bekannt, die sich erst noch spiegelverkehrt bewegen“, so Dr. Mottrie. Demgegenüber müsse auch daran gedacht werden, dass etwa 10% der Patienten nach einer Inzision in der Flanke unter chronischen Schmerzen leiden würden. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte die Roboter-assistierte partielle Nephrektomie darstellen. „Ich glaube, der Roboter kann uns dabei helfen, auf eine sichere Art und Weise und mit einer relativ guten Lernkurve eine minimal invasive partielle Nephrektomie durchzuführen.“ Dr. Mottries Ansicht stützt sich durch die besseren Sichtverhältnisse und die stärkere Vergrösserung sowie die bessere Koordination zwischen Hand und Auge (keine spiegelverkehrten 1/14 Hämatologie & Onkologie Bewegungen) beim Roboter-assistierten Verfahren. Er wies jedoch auch auf die Einhaltung der warmen Ischämiezeit als Nachteil dieser Technik hin. „Normalerweise stehen uns 20 bis 30 Minuten zur Verfügung. Bei einer bereits stark gefährdeten Niere könnte die Grenze aber auch schon bei 14 Minuten liegen.“ Dr. med. Dominik Berthold PD Dr. med. Frank Stenner Medizinische Onkologie Centre Hospitalier Universitaire Vaudois Medizinische Onkologie Universitätsspital Basel Kopräsident RCC Net Kopräsident RCC Net Zusammenfassend meinte er, dass immer mehr Publikationen die Machbarkeit der Roboter-assistierten partiellen Nephrektomie und ihre guten Resultate bestätigen würden. „Ich glaube, dass diese Technik die Vorteile eines minimal invasiven Vorgehens und die Genauigkeit eines offenen Eingriffs vereint. Ich denke, dass wir zudem mit dem Roboter in der Lage sind, komplexere Fälle als bisher nephronerhaltend zu behandeln“, schloss Dr. Mottrie. Perkutane Ablation kleiner Tumoren Der interventionelle Radiologe Dr. med. Pierre Bize, Lausanne, sprach über die Möglichkeiten der perkutanen Ablation zur Behandlung kleiner renaler Tumoren. „Die chirurgische Therapie, soweit machbar, stellt nach wie vor die Behandlungsmethode der Wahl dar. In bestimmten Situationen können aber auch perkutane ablative Techniken, wie die Kryoablation oder Radiofrequenzablation, in Betracht gezogen werden“, erklärte er einleitend. Zu den Kandidaten für diese Verfahren zählte er Patienten, die nur noch über eine Niere verfügen, solche, bei denen aufgrund von Alter oder Komorbiditäten ein chirurgischer Eingriff nicht infrage kommt und Patienten mit einem Tumor von weniger als 4cm Grösse. Perkutane Kryoablationen und laparoskopische Radiofrequenzablationen (RFA) werden immer häufiger durchgeführt. „Die Nierenfunktion und das Profil der Komplikationen nach einer ablativen Therapie haben sich als günstig erwiesen“, erläuterte der Redner. So stellten Atwell et al für die perkutane Kryoablation eine technische Erfolgsrate von 97% fest.3 „Die Rate an Komplikationen liegt dabei bei etwa 5%. Hauptsächlich kommt es zu Hämatomen oder einer Hämaturie“, ergänzte Dr. Bize. Die RFA erwies sich in 93% der Fälle als erfolgreich (Tumorgrösse im Mittel 2,7cm).4 Der Redner fügte in diesem Zusammenhang an: „Meiner Meinung nach eignet sich RFA v.a. für kleinere Tumoren, bis zu einer Grösse von 3cm.“ Zukünftig wäre auch der kombinierte Einsatz einer RFA zusammen mit einem Angiogenesehemmer wie Sorafenib oder Sunitinib denkbar. Ausserdem sind neue ablative Technologien in Entwicklung. Seite 111 I HÄMATOLOGIE & ONKOLOGIE KONGRESS Das Renal Cell Carcinoma Network (RCC Net) Das RCC Net wurde 2012 gegründet und stellt einen Zusammenschluss der in der Schweiz praktizierenden Fachärzte dar, die Nierenzellkarzinompatienten betreuen. Das Ziel des Netzwerks sind einheitliche Qualitätsstandards in der Behandlung und Betreuung dieser Patienten. Das RCC Net bietet fachärztlichen Kolleginnen und Kollegen an, ihre Nierenzellkarzinompatienten einem spezialisierten interdisziplinären Tumorboard einzureichen. Das Tumorboard bespricht den Patienten und gibt anschliessend eine Therapieempfehlung ab. Im Rahmen eines Pilotprojektes, das Anfang 2013 gestartet ist, wird das interdisziplinäre Tumorboard auf Anfrage eines Facharztes sol- Neue Therapieoptionen in Sicht „Es ist uns allen bewusst, dass unsere Patienten im Laufe der Behandlung eine Resistenz gegenüber einem VEGFHemmer entwickeln können“, eröffnete Prof. Dr. med. Bernard Escudier (Villejuif/F) seinen kurzen Blick in die Zukunft der medikamentösen RCCTherapie. Eine der bisher zur Überwindung dieser Resistenz untersuchten Optionen stellt Dovitinib dar. Dovitinib hemmt nicht nur VEGF, sondern auch den FGF (Fibroblast Growth Factor) und den PDGF (Platelet-Derived Growth Factor). In der Studie der Phase III erreichte Dovitinib bei Patienten mit metastasiertem RCC nach Versagen einer VEGF- und mTORTherapie im Vergleich zu Sorafenib den primären Endpunkt (progressionsfreies Überleben) jedoch nicht. „Weitere Ansätze werden untersucht und wir hoffen natürlich, dass sich darunter eine wirkungsvolle Substanz finden wird.“ Ein zweiter Ansatz zur Überwindung der Resistenz gegenüber den bisherigen Therapieoptionen stellt die Immuntherapie dar. Bei verschiedenen therapieresistenten soliden Tumoren hat sich eine Hemmung von PD-1 (Programmed Death 1) mit BMS-936558 (Nivolumab) als vielversprechend erwiesen.5 I Seite 112 che Patientenfälle besprechen. Kontaktperson für das Pilotprojekt: PD Dr. med. Frank Stenner, Universitätsspital Basel (E-Mail: [email protected]). ■ Weitere Informationen auch unter www.rccnet.ch Bei PD-1 handelt es sich um einen von aktivierten T-Zellen exprimierten inhibitorischen Rezeptor. „Eine grosse Phase-III-Studie, in der Nivolumab mit Everolimus bei über 800 vorbehandelten, progredienten Patienten mit metastasiertem RCC untersucht wird, ist fast abgeschlossen“, erläuterte Prof. Escudier. Es werde sich also hoffentlich bald zeigen, ob die Substanz die in sie gesetzten Erwartungen auch erfüllen kann. Ein weiterer, interessanter Ansatzpunkt für zukünftige therapeutische Optionen stellt schliesslich der c-MetPathway dar. „Da c-Met überexprimiert wird, wenn wir VEGF-Hemmer einsetzen, könnte seine Hemmung von Bedeutung sein“, meinte der Redner. Cabozantinib, ein dualer Hemmer von c-Met und dem VEGF-Rezeptor 2, hat sich in Studien denn auch als aktiv erwiesen.6 Bei Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem RCC und einer oder zwei Anti-VEGF-Vortherapien wird nun in der Phase-III-Studie METEOR Cabozantinib (60mg täglich p.o.) mit Everolimus (10mg/Tag p.o.) verglichen. Der primäre Endpunkt ist das progressionsfreie Überleben. „Wir werden also noch etwas warten müssen, bis wir Klarheit haben, aber dies könnte eine vielversprechende Substanz sein“, schloss Prof. Escudier. ■ Für sämtliche Fragen zum RCC Net können Sie sich gerne an die Geschäftsstelle wenden: RCC Net c/o Pro Medicus GmbH Bahnhofplatz 4, CH-8001 Zürich Tel.: +41/43/266 99 17 E-Mail: [email protected] Literatur: 1 Diaz JI et al: The Mainz Classification of renal cell tumors. Cancer Control 1999; 6: 571-9 2 Nicer Foundation (National Institute for Cancer Epidemiology and Registration), 2012, www.nicer.org 3 Atwell TD et al: Percutaneous renal cryoablation: experience treating 115 tumors. J Urol 2008; 179: 2136-40 4 Zagoria RJ et al: Oncologic efficacy of CT-guided percutaneous radiofrequency ablation of renal cell carcinomas. AJR Am J Roentgenol 2007; 189(2): 429-36 5 Brahmer JR et al: Phase I study of single-agent anti-programmed death-1 (MDX-1106) in refractory solid tumors: safety, clinical activity, pharmacodynamics, and immunologic correlates. J Clin Oncol 2010; 28(19): 3167-75 6 Choueiri TK et al: Efficacy of cabozantinib (XL184) in patients with metastatic, refractory renal cell carcinoma. J Clin Oncol 2012; 30(suppl): abstr 4504 Bericht: Dr. Therese Schwender Quelle: 1st Renal Cell Carcinoma Symposium, 19. September 2013, Zürich Hämatologie & Onkologie 1/14