M E D I Z I N Klaus Göbels1 Dieter Teichmann2 Joachim Richter1 Gregor Zysk3 Dieter Häussinger1 Zusammenfassung Die Melioidose wird durch das gramnegative Bakterium Burkholderia pseudomallei hervorgerufen und ist in Südostasien und Nordaustralien, nicht aber in Europa endemisch. Das klinische Bild der Melioidose ist äußerst vielfältig. Die Erkrankung kann einen akuten oder chronisch-rezidivierenden Verlauf nehmen oder über Jahrzehnte latent bleiben. Etwa 80 Prozent der Melioidose-Patienten leiden an prädisponierenden Erkrankungen wie Diabetes mellitus, chronischen Nierenerkrankungen, Alkoholabusus oder chronischen Lungenerkrankungen. Die Melioidose ist eine wichtige Differenzialdiagnose bei Fieber unklarer Genese nach Aufenthalt in Endemiegebieten. Selbst bei hochdosierter Antibiotikatherapie ist die Behandlung schwierig und häufig durch ein verzögertes Ansprechen gekennzeichnet. Die Behandlung besteht aus einer mindestens zwei bis zum Teil mehrwöchigen intravenösen Initialtherapie, gefolgt von einer mindestens 20wöchigen oralen Erhaltungstherapie, wobei D ie Melioidose wird durch das gramnegative Bakterium Burkholderia pseudomallei hervorgerufen und ist in Südostasien und Nordaustralien endemisch. In Nordost-Thailand verursacht Burkholderia pseudomallei bis zu 20 Prozent der ambulant erworbenen septischen Krankheitsbilder. Das klinische Bild reicht von einer lokalen Hautmanifestation bis zur fulminant verlaufenden Sepsis, die Inkubationszeit ist äußerst variabel: Sie kann wenige Tage bis Jahrzehnte betragen (1). In Europa ist die Melioidose eine seltene importierte Erkrankung. Aufgrund der Seltenheit besteht die Gefahr, die Erkrankung bei differenzialdiagnostischen Erwägungen nicht in Betracht zu ziehen. Die 1 Tropenmedizinische Ambulanz, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie (Direktor: Prof. Dr. med. Dieter Häussinger), Universitätsklinikum Düsseldorf 2 Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin (Leiter: Dr. med. Dieter Teichmann), Klinikum Dresden-Neustadt 3 Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Düsseldorf A 2166 Diagnose: Melioidose Erkrankung mit vielfältigem klinischen Bild und sehr variabler Inkubationszeit etwa 10 bis 30 Prozent der so behandelten Patienten Rückfälle erleiden. Melioidosepatienten müssen lebenslang in medizinischer Betreuung bleiben, um Rückfälle rechtzeitig zu erkennen und adäquat zu behandeln. Burkholderia mallei und pseudomallei sind als potenziell biowaffenfähig anzusehen, obgleich eine absichtliche Freisetzung sehr wahrscheinlich keine Epidemie auslösen würde. Schlüsselwörter: Reisemedizin, Melioidose, gramnegative Sepsis, Antibiose, Erhaltungstherapie Summary A Disease with a Diverse Clinical Presentation and a Variable Incubation Period Melioidosis is caused by the gram-negative bacterium Burkholderia pseudomallei. It is endemic in Southeast Asia and northern Australia, but not in Europe. The clinical picture of melioidosis is variable. The disease may be acute or relapse Veröffentlichung von Einzelfallberichten in infektiologischen Fachzeitschriften verdeutlicht das regelmäßige Vorkommen der Melioidose als importierte Erkrankung in Europa (2, 3, 4, 5). Aktuell wurde im Mai 2005 im Epidemiologischen Bulletin (13. Mai 2005/Nr.19) ein Fall von pulmonaler Melioidose infolge des Tsunami in Thailand publiziert, siehe hierzu auch die Kasuistik im folgenden Beitrag. Bakteriologie Burkholderia pseudomallei wurde erstmals 1911 von Whitmore bei Slumbewohnern Rangoons isoliert, die an einer Rotz-ähnlichen Erkrankung starben (6). Rotz (englische Bezeichnung: Glanders) ist eine hauptsächlich Pferde betreffende abszessbildende Infektionskrankheit, die durch Burkholderia mallei hervorgerufen wird und im neunzehnten bis Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts auch in Europa endemisch war. after a latency of decades. About 80 per cent of patients with Melioidosis have underlying diseases such as diabetes mellitus, chronic renal diseases, alcohol abuse or chronic lung diseases. Melioidosis is an important differential diagnosis for fever of unknown origin after a visit to endemic areas. Even with high dose intravenous antibiotics, treatment is often difficult and therapeutic response is slow. Therapeutic regimes consist of an initial intravenous therapy, which is typically given for at least two or more weeks. This regime is followed by an oral maintenance therapy for at least another 20 weeks. Relapses occur in 10 to 30 per cent of treated patients. Melioidosis patients require a life long follow-up in order to detect relapses early and to treat the infection effectively. Burkholderia mallei and pseudomallei are possible biological weapons, albeit it is unlikely that a deliberate release would cause an epidemic. Key words: travel medicine, melioidosis, gramnegative septicaemia, antibiotic, maintenance therapy Heute ist die Erkrankung auch bei Nutztieren selten und kommt nur noch sporadisch in den Tropen und Subtropen vor. Humane Rotz-Fälle beschränken sich hauptsächlich auf einen Personenkreis, der häufig Kontakt mit Burkholderia-mallei-infizierten Tieren hat, wie etwa Tierärzte, Tierpfleger und Schlachter. Daher treten Infektionen mit Burkholderia mallei beim Menschen auch in den betroffenen Regionen lediglich sporadisch auf (7). Burkholderia pseudomallei ist ein motiles, aerobes nicht sporenbildendes gramnegatives Stäbchen, das aus Wasser, feuchten Böden, und insbesondere aus Reisfeldern isoliert werden kann (Abbildung). In dem Hauptendemiegebiet in Nordost-Thailand sind bis zu 50 Prozent der Reisfelder mit Burkholderia pseudomallei kontaminiert (8). Die Bakterien sind auf den üblichen bluthaltigen Festnährböden unter aeroben Bedingungen anzüchtbar. Zur ⏐ Jg. 102⏐ ⏐ Heft 31–32⏐ ⏐ 8. August 2005 Deutsches Ärzteblatt⏐ M E D I Z I N Erhöhung der Sensitivität des kulturellen Nachweises aus beispielsweise respiratorischen Sekreten ist jedoch die vorherige Anreicherung in selektiven Flüssigkulturmedien und anschließender Subkultur auf einem Selektivnährboden zu empfehlen (9). Diese Verfahren werden nur bei klinischem Verdacht in Speziallaboratorien der Sicherheitsstufe 3 durchgeführt. Besteht der Verdacht auf kulturellen Nachweis von Burkholderia pseudomallei in einem mikrobiologischen Routinelabor, so sind weitere Differenzierungsschritte in einem entsprechend ausgestatteten Labor angewendet zum Beispiel dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München beziehungsweise dem Friedrich-Loeffler-Institut für Medizinische Mikrobiologie der Ernst-MoritzArndt Universität in Greifswald. Pathogenese Die Pathogenese der Melioidose ist trotz der intensivierten Forschung der letzten 20 Jahre noch weitgehend unklar. Das Spektrum der Erkrankung reicht von der asymptomatischen Serokonversion bis zur fulminanten Sepsis. Die Melioidose kann akut verlaufen, einen chronischen oder einen rezidivierenden Verlauf nehmen. Die Schwere der Erkrankung und deren Prognose wird maßgeblich durch die Epidemiologie Neben den typischen Endemiegebieten in Nordost-Thailand und dem tropischen Norden Australiens, wurden vereinzelte Fälle aus Indien, China und Südamerika publiziert. In Afrika sind in den letzten Jahren keine Fälle von Melioidose aufgetreten (10). In den Endemiegebieten kommt die Erkrankung gehäuft in der Regenzeit vor (11). Meistens sind Menschen, die direkten Kontakt zu Wasser oder feuchten Böden hatten, betroffen. Die Infektion verläuft gewöhnlich durch Inokulation des Erregers über Hautverletzungen oder direkt durch Inhalation. Während des Vietnamkrieges sind bei amerikanischen Hubschrauberbesatzungen gehäuft Fälle von pulmonaler Melioidose aufgetreten. Die Soldaten wurden am wahrscheinlichsten über Inhalation von erregerhaltigen Aerosolen infiziert (12). Die vertikale, sexuelle oder nosokomiale Übertragung stellt eine seltene Ausnahme dar und spielt epidemiologisch keine wesentliche Rolle (13, 14). Rotz hingegen wird meist über erregerhaltiges Nasensekret von infizierten Tieren durch Aerosole (15), aber auch durch Kontakt mit eitrigen Wunden auf den Menschen übertragen (16). Abbildung: Elektronenmikroskopische Aufnahme des Melioidose-Erregers; Mit freundlicher Genehmigung, Dennis Kunkel, Microscopy, Inc. wirtseigene Immunitätslage bestimmt. Etwa 80 Prozent der Melioidosepatienten leiden an prädisponierenden Erkrankungen wie Diabetes mellitus, chronischen Nierenerkrankungen, Alkoholabusus oder chronischen Lungenerkrankungen zu der auch die zystische Fibrose (CF) zählt. Männer sind etwa dreimal häufiger betroffen als Frauen, die Ursache hierfür ist unbekannt (17). Klinik Melioidose und Rotz zeigen ähnliche klinische Symptome, wobei der Infektionsweg zumindest im Anfangsstadium der Erkrankung, das klinische Bild bestimmt (7). Die Klinik der Melioidose ist sehr vielfältig. Fieber ist als ein wenig spezifisches Leitsymptom anzusehen. Die Lunge ist das am häufigsten ⏐ Jg. 102⏐ ⏐ Heft 31–32⏐ ⏐ 8. August 2005 Deutsches Ärzteblatt⏐ betroffene Organ. Dabei kann es sich klinisch um eine Pneumonie, einen primären Lungenabszess oder eine sekundäre Lungenbeteiligung im Rahmen einer Sepsis handeln. Das Sputum ist häufig eitrig, selten blutig tingiert. Große Lungenabszesse können die Pleura arrodieren und so ein Pleuraempyem verursachen. Kommt es zu einer hämatogenen Aussaat der Erreger, sind meistens Leber, Milz, Skelettmuskeln und die Prostata betroffen. Im schlimmsten Fall kann eine fulminant verlaufende Sepsis entstehen, die sowohl klinisch als auch laborchemisch einer gramnegativen Sepsis entspricht. In einigen Fällen verursacht Burkholderia pseudomallei lokalisierte Hautund Weichteilinfektionen mit fistelnden Lymphadenitiden und Abszessbildungen (1). Augeninfektionen, insbesondere Kornealulzerationen, die mit Burkholderia pseudomallei aus kontaminiertem Wasser superinfiziert werden, sind häufig destruierend (18). Einen Sonderfall der Melioidose stellt die akute eitrige Parotitis dar, die bei einem Drittel der pädiatrischen Patienten in Thailand beobachtet wird (19), nicht hingegen in Australien. Dort ist die Hirnstammenzephalitis, eine zwar seltene aber gefürchtete Manifestation der Melioidose (1). Aufgrund des sehr variablen klinischen Bildes sowie der für den Kliniker unberechenbaren Inkubationszeit, sollte eine fieberhafte Erkrankung bei Patienten mit Immundefekten, die sich in Endemiegebieten aufgehalten haben, an eine Melioidose denken lassen. Hier kommt der genauen Reiseanamnese eine besondere Bedeutung zu, weil auch Aufenthalte, die mehrere Jahre zurückliegen, einen wertvollen differenzialdiagnostischen Hinweis geben können. Diagnose Burkholderia pseudomallei kann aus Blutkulturen oder Abszesspunktat angezüchtet werden. Die Anzucht aus respiratorischen Materialien ist schwieriger und verlangt in der Regel spezielle Anreicherungsverfahren. Bei einer Sepsis lassen automatisierte Blut- A 2167 M E D I Z I N kultursysteme positive Ergebnisse nach 24 bis 48 Stunden erwarten. Der Wert der serologischen Tests ist umstritten. Ein negativer Antikörpernachweis bei aus Nicht-Endemiegebieten stammenden Patienten kann eine differenzialdiagnostische Hilfe sein. Die serologischen Methoden ersetzen den Direktnachweis des Erregers jedoch nicht (20). Die Polymerasekettenreaktion (PCR) ist, wie der kulturelle Nachweis, bei begründetem Verdacht auf Melioidose spezialisierten Laboratorien vorbehalten. In diesen Fällen sollte daher stets ein Referenzlabor konsultiert werden. Das C-reaktive Protein kann initial, selbst bei schwerer Sepsis, nur mäßig erhöht sein (21). Therapie Die Melioidose ist äußerst schwierig zu behandeln. Das therapeutische Ansprechen ist oft trotz hoher Dosen von systemisch applizierten Antibiotika verzögert (Kasten). Die Behandlung besteht aus einer, je nach klinischem Ansprechen, mindestens zweiwöchigen intravenösen Initialtherapie, gefolgt von einer oralen Erhaltungstherapie, die mindestens für weitere 20 Wochen durchgeführt werden sollte. Für die Initialtherapie sind Ceftazidim oder Carbapeneme die Antibiotika der ersten Wahl (1). In einer großen randomisierten Studie aus Thailand konnte die Gleichwertigkeit von Imipenem und Ceftazidim bei der Initialtherapie belegt werden (22). Eine australische Studie konnte bei Patienten mit schwerer Sepsis, die mit Meropenem im Vergleich zur Standardtherapie mit Ceftazidim behandelt wurden, eine geringere Mortalität nachweisen (25 Prozent versus 76 Prozent, p < 0,001) (23). Eine Therapie mit Meropenem sollte, insbesondere sowohl vor dem Hintergrund des postantibiotischen Effektes, als auch der verminderten Endotoxinausschüttung, als Therapie der ersten Wahl bei Burkholderia-pseudomalleiSepsis angesehen werden (24, 25). Eine Umstellung auf eine orale Erhaltungstherapie sollte erst dann erfolgen, wenn es zu einer sicheren klini- A 2168 schen als auch laborchemischen Besserung gekommen ist. Ein Rückgang des Fiebers ist im Mittel nach neun Tagen zu erwarten, bei Abszedierungen oder Empyem können rezidivierende Fieberepisoden über mehrere Wochen anhalten. Eine Resistenzentwicklung gegen die genannten Antibiotika ist in weniger als einem Prozent der behandelten Fälle zu erwarten, sodass weiterhin bestehendes Fieber unter einer antibiotischen Therapie nicht zu einem Wechsel des Antibiotikaregimes verleiten sollte. Unter der Initialtherapie kann es sogar zu einer Zunahme von vorher bestehenden Abszessen oder zur Neubildung von Abszedierungen durch septische Aussaat kommen, ohne dass dies als ein Zeichen des Therapieversagens zu werten ist. Blutkulturen sollten nach Umstellung auf die orale Erhaltungstherapie stets steril sein, wobei der Keim häufig weiterhin im Sputum oder in drainierten Abszessen nachweisbar ist. Als orale Erhaltungstherapie werden Chloramphenicol, Doxycyclin, Co-trimoxazol in Kombination eingesetzt. Chloramphenicol wird gewöhnlich für acht Wochen, die Therapie mit Doxycyclin und Kasten Therapie der Melioidose Parenterale Initialtherapie bei normaler Nierenfunktion mindestens 14 Tage Meropenem 15–25 mg/kg KG 3 × täglich z. B. Meronem 3 × 1g oder Ceftazidim 40 mg/kg KG 3 × täglich z. B. Fortum 3 × 3g [max. 9 g/24 h] Orale Erhaltungstherapie Doxycyclin 2 mg/kg KG 2 × täglich z. B. Doxycyclin-ratiopharm 2 × 150 mg (20 Wochen*1) Co-trimoxazol 25 mg/5 mg/kg KG 2 × täglich z. B. Cotrim forte 2 × 2 à 960 mg (20 Wochen1) Chloramphenicol*2 10 mg/kg KG 4 × täglich z. B. Chloramsaar N 4 × 750 mg (maximal 8 Wochen) *1 nicht mehr in der Roten Liste 2005 aufgeführt, über internationale Apotheke zu bestellen. *2 Erhaltungstherapie mindestens 20 Wochen Co-trimoxazol wird für weitere zwölf Wochen fortgeführt, sodass die orale Erhaltungstherapie mindestens 20 Wochen umfasst. Trotz der 20-wöchigen oralen Erhaltungstherapie kommt es bei etwa zehn Prozent der behandelten Patienten zu Rückfällen. Wird die Therapie nur acht Wochen durchgeführt, ist bei etwa einem Drittel der Patienten mit einem Rezidiv zu rechnen (1). Die Häufigkeit der Rückfälle hängt im Wesentlichen sowohl von der Adhärenz der Erhaltungstherapie als auch der Schwere der initialen Erkrankung ab, nicht aber von der prädisponierenden Grunderkrankung. Klinisch kommt es bei systemischen Burkholderia-pseudomallei-Infektionen zu einer ausgeprägten Kachexie, die eine supportive parenterale beziehungsweise enterale Ernährung erfordert. Trotz adäquater Therapie beträgt die Letalität bei Erwachsenen in Thailand etwa 50 Prozent, in Australien sank die Letalität in den letzten Jahren dank der höheren Aufmerksamkeit der Kliniker und der damit verbundenen schnelleren Diagnose sowie den verbesserten Möglichkeiten der intensivmedizinischen Sepsistherapie. Die Prognose der Melioidose ist bei Kindern generell besser als bei Erwachsenen, auch kommt es seltener zu Rückfällen. Nach einer durchgemachten Melioidose müssen Patienten lebenslang medizinisch beobachtet werden, um mögliche Rezidive früh zu entdecken und entsprechend zu therapieren (1). Melioidose, Rotz und Bioterrorismus Burkholderia mallei wurde während des Ersten Weltkriegs von den Deutschen an der Ostfront eingesetzt und hat durch Rotzfälle bei Pferden und Maultieren dazu beigetragen, russische Truppenbewegungen zu erschweren (26). Im Zweiten Weltkrieg wurde der gleiche Erreger von den Japanern in China verwendet, wobei Menschen und Nutztiere absichtlich infiziert wurden (27). Burkholderia pseudomallei wurde als mögliche Biowaffe untersucht, aber bisher nie eingesetzt. ⏐ Jg. 102⏐ ⏐ Heft 31–32⏐ ⏐ 8. August 2005 Deutsches Ärzteblatt⏐ M E D I Z I N Da eine Übertragung durch Aerosole hervorgerufen werden kann, und zudem nur eine geringe Zahl an Organismen nötig sind, um eine Infektion hervorzurufen, werden beide Erreger als potenzielle terroristische Biowaffe angesehen. Allerdings sind Übertragungen von Mensch zu Mensch selten, sodass von einem terroristischen Anschlag keine große Epidemie zu erwarten wäre, und sich die Fälle auf die direkt mit den Erregern in Kontakt gekommenen Personen beschränken würden. Zudem gibt es experimentelle Daten zur Wirksamkeit einer Postexpositionsprophylaxe mit Co-Trimoxazol (7). Weitere Informationen sind bei der Europäischen Task Force on Biological and Chemical Agents Threats unter http://www.eurosurveillance.org abzurufen. Ausblick Die Prävalenz der Melioidose in Nicht-Endemiegebieten wird wahrscheinlich unterschätzt. Die Tatsache, dass bis zu 30 Jahre nach Exposition Erkrankungen mit Burkholderia pseu- domallei beschrieben wurden, legt den Schluss nahe, dass die Dunkelziffer weit höher liegt, als es die Zahl der in den infektiologischen Fachjournalen vereinzelt publizierten Fallberichte vermuten lässt. Da auch rezidivierende Infektionen keine protektive Immunität hervorrufen, sind die Aussichten für die Entwicklung eines Impfstoffes eher ungünstig (28). Für Patienten mit Diabetes mellitus, chronischen Nierenerkrankungen oder zystischer Fibrose besteht ein erhöhtes Risiko bei einem Aufenthalt in einem Endemiegebiet mit Burkholderia pseudomallei infiziert zu werden. Vor einem Aufenthalt in Hochendemiegebieten wie zum Beispiel Nordost-Thailand, sollten gefährdete Patientengruppen im Rahmen der reisemedizinischen Beratung zumindest über das Risiko der Melioidose informiert werden. Eine genaue Reiseanamnese sowie die Aufmerksamkeit der Kliniker im Bezug auf die Melioidose kann dazu beitragen, Patienten mit dieser zwar seltenen aber schwerwiegenden Erkrankung früh zu diagnostizieren und adäquat zu therapieren. Mikrobiologische Diagnostik bei Melioidose Prof. Dr. med. Ivo Steinmetz Friedrich-Loeffler-Institut für Medizinische Mikrobiologie der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald E-Mail: [email protected] Dr. med. Ernst-Jürgen Finke Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr E-Mail: institutfuermikrobiologie@ bundeswehr.org Manuskript eingereicht: 31. 3. 2004, revidierte Fassung angenommen: 1. 6. 2005 Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht. ❚ Zitierweise dieses Beitrags: Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2166–2169 [Heft 31–32] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3105 abrufbar ist. Anschrift für die Verfasser: Dr. med. Klaus Göbels, DTM&H Tropenmedizinische Ambulanz Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie Universitätsklinikum Düsseldorf Moorenstrasse 5, 40225 Düsseldorf E-Mail: [email protected] MEDIZINGESCHICHTE(N)) AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT Medizin und Literatur Cholera Zitat: „Die Cholera ist in Berlin ausgebrochen; man erwartet sie auch hier jeden Tag, weil niemand glaubt, daß der Elbkordon [1] sie abhalten werde. [. . .] Die Wohnungen sind erfüllt von den widerwärtigsten Apparaten [2] . Die Stadt ist in sieben Gesundheitsbezirke abgeteilt, und in jedem steht eine Bude auf der Straße, welche das Nötige für schleunige Fälle enthält. Man kommt zusammen, will nicht von dem Unglück des Tages reden – das Gespräch spinnt sich in Hast und Pein eine Zeitlang fort, stockt, man sieht einander stumm an – und unversehens befindet sich die ganze Gesellschaft wieder in der Pestregion. Indessen drängt sich das Unangenehme nicht so, wie die Zeilen eines Briefes es darstellen müssen. Es gibt noch so manche heitere Stunde; denn schon hat sich auch das Gegengift aller physischen und moralischen Influenzas [3] gemeldet, das Komische. Es werden die ergetzlichsten Geschichten von Übersorge und ausschweifender Furcht erzählt. X. läßt bereits jeden, der ihn sprechen will, durch ein Räucherkabinett [4] gehen, und Y. liegt mit Ausnahme der Geschäftsstunden fortwährend im Bette, um nicht aus ⏐ Jg. 102⏐ ⏐ Heft 31–32⏐ ⏐ 8. August 2005 Deutsches Ärzteblatt⏐ der Transpiration [5] zu kommen. Im ganzen sind Männer ängstlicher als Frauen. Das gemeine Volk, welches denn doch die Wahrheit am meisten zu fürchten hat, verhält sich ganz gleichgültig, zecht, lärmt wie sonst und genießt das wohlfeilste Obst im Übermaße. Sie hegen wie überall nur Scheu vor den Heilanstalten, weil sich die abenteuerlichsten Vorstellungen über die Behandlung der Kranken in denselben bei ihnen festgesetzt haben [6].“ Karl Immermann: Die Cholera droht (Reisebericht, Herbst 1831). In: Peter Schwinning: Die erste Choleraepidemie in Deutschland 1831. Dr. Karl Heinrich Ebermaier: Beobachtungen und Resultate [. . .] Düsseldorf 1997, Seite 117. – Der Jurist und Schriftsteller Immermann (1796–1840), Verfasser des „Münchhausen“ (1839), berichtet hier auf seiner Reise im September und Oktober 1831 in seine Heimatstadt Magdeburg vom Ausbruch der großen Choleraepidemie, die auch als Pest des 19. Jahrhunderts bezeichnet wurde. [1] Kordon von französisch „cordon sanitaire“ (Seuchensperrgürtel). [2] Alle möglichen Apparate, insbesondere zum Räuchern und Versprühen, wurden eingesetzt. [3] Psychische Ansteckungen. [4] Räuchern war traditionelles Abwehrmittel gegen Seuchen, insbesondere die Pest. [5] Offenbar eine Art Schwitzkur. [6] Seinerzeit war der Verdacht im einfachen Volk weit verbreitet, Ärzte und Gesundheitsbehörden wollten die Armen mithilfe der Cholera insgeheim dezimieren. A 2169 M E D I Z I N Literaturverzeichnis zu: Heft 31–32/2005 Klaus Göbels1 Dieter Teichmann2 Joachim Richter1 Gregor Zysk3 Dieter Häussinger1 Diagnose: Melioidose Erkrankung mit vielfältigem klinischen Bild und sehr variabler Inkubationszeit Literatur 1. White NJ: Melioidosis. Lancet 2003; 361: 1715–1722. 2. Dance DA, Smith MD, Aucken HM, Pitt TL: Imported melioidosis in England and Wales. Lancet 1999; 16; 353: 208. 3. Hassler D, Braun R, Schwarz TF: Melioidose: Eine Erkrankung auf dem Vormarsch. DMW 2003; 7; 128: 479. 4. Riecke K, Wagner S, Eller J, Lode H, Schaberg T: Pulmonale Melioidose bei einem deutschen Südostasientouristen. Pneumologie 1997; 5: 499–502. 5. Schulin T, Steinmetz I: Chronic melioidosis in a patient with cystic fibrosis. J Clin Microbiol 2001; 39: 1676–1677. 6. Whitmore A, Krishnaswami Cs: An account of the discovery of a hithero undescribed infective disease occuring among the population of Rangoon. Ind Med Gaz 1912; 47: 262–267. 7. 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