Veränderungen der Belohnungsverarbeitung bei Alkoholabhängigkeit Dr. Christian Bellebaum Institut für Kognitive Neurowissenschaft, Ruhr-Universität Bochum IDIKOS III – Interdisziplinäres Kolloquium Sucht Bochum, 19. Februar 2009 IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Überblick • Allgemeine Einleitung – neuronale Verarbeitung von Belohnungsreizen und belohnungsabhängiges Lernen • Veränderungen der Belohnungsverarbeitung bei Alkoholabhängigkeit – aktuelle Befunde – laufende Studie: Belohnungsbasiertes Lernen bei Alkoholabhängigkeit IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum belohnungsbasiertes Lernen Lernen von positivem oder negativem Feedback • Prinzipien operanter Konditionierung – Verhalten, das von positiven Konsequenzen begleitet wird, nimmt an Häufigkeit zu – negative Konsequenzen Häufigkeit des Verhaltens nimmt ab – Lernen: Assoziation von Verhalten und Konsequenzen IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum belohnungsbasiertes Lernen Lernen von positivem oder negativem Feedback Rescorla-Wagner-Modell (1972): Lernen hängt von der Diskrepanz zwischen erwarteten und tatsächlichen Konsequenzen ab kein Lernen, wenn die Konsequenzen bereits perfekt vorhergesagt werden Der „Prediction Error“ positiv negativ Schultz, Nat. Rev. Neurosci., 2000 IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum belohnungsbasiertes Lernen Belohnungsabhängige Signale im Gehirn mesolimbisches Belohnungssystem – – – – Dopamin (DA)-Neurone Striatum ACC orbitofrontaler Cortex IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum belohnungsbasiertes Lernen Verschiedene Arten belohnungsabhängiger Signale • DA-Neurone: » Aktivität spiegelt den pos. oder neg. „Prediction Error“ wider „Lernsignal“: Neuronale Signale kodieren „wieviel“ bei dem gemeinsamen Auftreten von Verhalten und Belohnung gelernt wird • Striatum: » bewegungsabhängige Aktivität wird moduliert durch Belohnung Verbindung von Verhalten und Konsequenzen • orbitofrontaler Cortex: » Neurone kodieren relative Belohnungspräferenz und integrieren verschiedene belohnunsgbezogene Variablen – wie belohnend ist die Belohnung? „Warum des Verhaltens“ (Schultz et al., 2000) IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum belohnungsbasiertes Lernen Verstärker • primäre Verstärker: Nahrung, Flüssigkeit etc. • Leistungsrückmeldung: „richtig“ vs. „falsch“ • sekundäre Verstärker: z.B. Geld IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Aktivierung des ventralen Striatums durch primäre und sekundäre Verstärker – – – – Fruchtsaft Wasser Geld Lob (Review Knutson und Cooper, 2005) - Alkohol! (Gilman et al., 2008) IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum belohnungsbasiertes Lernen Effekt der Belohnungsgröße Aging affects acquisition and reversal of reward-based associative learning. Julia Weiler, Christian Bellebaum, Irene Daum. Learning & Memory, 2008 IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum belohnungsbasiertes Lernen Lernaufgabe: experimenteller Ablauf in einem Durchgang it Ze Entscheidung Weiler J, Bellebaum C, Daum I. Learn Mem. 2008 IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum belohnungsbasiertes Lernen Akquisition Umkehrlernen grün rot probabilistisches Lernen: Belohnung nur in 80% der Durchgänge Weiler J, Bellebaum C, Daum I. Learn Mem. 2008 IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum belohnungsbasiertes Lernen Effekt der Belohnungsgröße: Ergebnisse 90 percent correct 80 70 60 50 Weiler J, Bellebaum C, Daum I. Learn Mem. 2008 IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum belohnungsbasiertes Lernen Effekt der Belohnungsgröße • je größer die (monetäre) Belohnung, desto größer der Lernzuwachs • Ältere mit Beeinträchtigungen im belohnungsabhängigen Lernen zeigen nur bei höheren Belohnungen einen Lernzuwachs, der dem bei Jüngeren vergleichbar ist. Weiler J, Bellebaum C, Daum I. Learn Mem. 2008 IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Ventrales Striatum als zentrale Schaltstelle für Belohnungsassoziationen O‘Doherty et al. (2004) instrumentelle Konditionierung klassische Konditionierung Aktivität im Zusammenhang mit Prediction Error im ventralen Striatum dorsalen Striatum ventrales Striatum: Stimulus – Belohnungs Assoziationen dorsales Striatum: Stimulus – Reaktions - Belohnungs Assoziationen IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Lernen aus positiven und negativen Rückmeldungen Seymour et al. (2007): • Aktivität im mittleren/dorsalen Striatum spiegelt negativen Prediction Error wider • Aktivität im ventralen Striatum assoziiert mit positivem Prediction Error • Patienten mit umschriebenen Läsionen im dorsalen Striatum – Defizite beim Umkehrlernen (Bellebaum et al., 2008) IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Frank et al., 2004: Doppelte Dissoziation bei Parkinson-Patienten on und off Medikation neue Kombinationen: A.... B.... • PD-off lernen besser von negativem • PD-on besser von positivem Feedback IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Veränderungen von Struktur und/oder Funktion des Belohnungssystems bei Alkoholabhängigkeit • akute Wirkungen von Alkohol vs. Belohnungsverarbeitung bei Patienten mit einer Abhängigkeitserkrankung • alkoholassoziierte Reize aktivieren Teile des Belohnungssystems (z.B. Heinz et al., 2004) • Sie können als konditionierte Stimuli zu verstärktem Alkoholkonsum führen • chronischer Alkoholkonsum führt zu einer Anpassungsreaktion des Belohnungssystems Auswirkungen auf die Verarbeitung von „konventionellen“ Belohnungen? IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Wrase et al., 2007: Veränderungen belohnungsbezogener Aktivität bei Alkoholabhängigkeit • 16 männliche alkoholabhängige Patienten • 16 gesunde Kontrollpersonen • Messung neuronaler Aktivität – während der „monetary incentive delay task“ (s.u.) – im Zusammenhang mit alkoholassoziierten und neutralen Stimuli • Zusammenhang mit craving IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Wrase et al., 2007: Veränderungen belohnungsbezogener Aktivität bei Alkoholabhängigkeit - stärkere Aktivierung des ventralen Striatums bei nicht-Alkoholikern im Zusammenhang mit der Erwartung von monetärem Gewinn oder Verlust - negative Korrelation zwischen striataler Aktivität und craving bei Alkoholikern - größere Aktivierung des rechten ventralen Striatums als Reaktion auf alkoholassoziierte im Vergleich zu neutralen Stimuli bei Alkoholikern, aber nicht bei gesunden Kontrollpersonen - positive Korrelation mit craving bei Alkoholikern IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Wrase et al., 2007: Diskussion • reduzierte Aktivität des ventralen Striatums bei monetärer Belohnung (oder Bestrafung) und erhöhte Aktivität bei alkoholassoziierten Stimuli korrelieren mit Craving – keine generell reduzierte Aktivierung des Belohnungssystems – Alkoholismus lenkt motivationale Ressourcen weg von „konventionellen“ Verstärkern hin zu alkoholassoziierten Stimuli erhöhte Anfälligkeit für Rückfälle • Langzeitfolgen chronischen Alkoholismus im ventralen Striatum – geringere präsynaptische Dopamin-Produktion – geringere Dichte und Funktionalität von D2-Rezeptoren verringerte Fähigkeit auf (neue) Belohnungsreize zu reagieren Implikationen für belohnungsabhängiges Lernen? IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Laufende Studie: Belohnungsbasiertes Lernen bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit – Effekte monetärer und alkoholassoziierter Belohnungen Daniel Jokisch1, Christian Bellebaum1, Martin Brüne2, Georg Juckel2, Irene Daum1 1 Institut für Kognitive Neurowissenschaft, Abteilung Neuropsychologie, Ruhr-Universität Bochum 2 LWL-Klinik, Ruhr-Universität Bochum IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Laufende Studie: Patienten und Kontrollpersonen bisher untersucht • 13 abstinente Patienten (6 Frauen, 7 Männer, 47 Jahre (SD=8)) – keine neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen – kein weiterer Substanzmissbrauch • 13 gesunde Kontrollpersonen (6 Frauen, 7 Männer, 45 Jahre (SD=8)) – gematched nach Alter und IQ • neuropsychologische Hintergrundvariablen – Arbeitsgedächtnis – Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit/kognitive Flexibilität IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Laufende Studie: Lernaufgabe it Ze Entscheidung IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Akquisition Umkehrlernen grün rot probabilistisches Lernen IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Laufende Studie: vorläufige Ergebnisse Akquisition Kontrollpersonen 80 Patienten % Richtige 70 lo e k c xB o l * B lock *B 60 ng u hn 50 40 1 2 3 1 4 2 3 4 Block IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Laufende Studie: vorläufige Ergebnisse Umkehrlernen 80 Kontrollpersonen Patienten c o l B ) * ( % Richtige 70 k 60 50 40 1 2 3 1 4 2 3 4 Block IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Laufende Studie: Diskussion • mehr Probanden! • erstaunlich gute Lernleistung der Patienten für monetäre Belohnung – niedriger Dopamin-Level - Lernen aus negativem Feedback? • erstaunlich schlechte Lernleistung für alkoholassoziierten Stimulus – Anreizcharakter? – deklarative Komponente – soziale Erwünschtheit? – signifikant schlechter als Zufallsniveau? • Subgruppen/Einzelfälle? IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Gesamtdiskussion • Neuronale Verarbeitung von Belohnungsreizen bei Alkoholabhängigen – reduzierte neuronale Reaktion auf konventionelle Belohnungsreize – reduzierte neuronale Reaktion auf Gabe von Methylphenidat geht einher mit reduzierter subjektiv belohnender Wirkung (Volkow et al., 2007) größere Mengen notwendig, um den gleichen „Effekt“ zu erzielen aber: erhöhte neuronale Reaktion bei alkoholassiziierten Stimuli • Volkow et al. (2007) Dopamin-Anstieg – Projektionen aus dem präfrontalen Cortex modulieren Aktivität von Dopamin Neuronen im Mittelhirn – bei Alkoholikern: Entkopplung – kein modulierender Einfluss Implikationen für Prognose/Therapie?! IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit IDIKOS III, Bochum, 19.02.2009 – Dr. Christian Bellebaum