9. Februar 2016 Sehr geehrte Damen und Herren der dramatische Anstieg der Flüchtlingsströme nach Europa und die globale Bedrohung durch anti-westliche Terrorgruppen beherrschen gegenwärtig die öffentlichen und privaten Diskussionen und Gespräche. Das optimistische „Wir schaffen das“ der Kanzlerin und eine riesige Welle der Hilfsbereitschaft treffen auf besorgte Fragen und Ablehnungsbekundungen, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Mehr denn je stellt sich die Frage, wie wir in Zukunft zusammen leben wollen. Können wir uns eine offene, von Freiheitsrechten geprägte Gesellschaft überhaupt noch leisten? Wann schlägt die Verteidigung der Freiheit um in ihr Gegenteil? Was definieren wir als das Eigene, wo beginnt das Fremde? Mit einem Themenmonat „Das Eigene & das Fremde“ wollen wir im März/April in verschiedenen Veranstaltungen diesen Fragen nachgehen. Im Zentrum steht die deutschsprachige Erstaufführung von Anders Lustgartens „Lampedusa“, die Schauspielhaus-Chefdramaturg Olaf Kröck inszenieren wird. Der britische Autor mit amerikanisch-ungarischen Wurzeln stellt die unaufhaltsame Migrationswelle mithilfe zweier Einzelgeschichten in einen gesamteuropäischen Kontext und hat mit seinem wütenden, bitteren und doch hoffnungsvollen ZweiPersonen-Stück einen der eindringlichsten zeitgenössischen Theatertexte über die vielleicht wichtigste Herausforderung unserer Zeit geschrieben. Die Uraufführung fand im Sommer 2015 im Londoner Soho Theatre statt. Die deutschsprachige Erstaufführung ist am 11. März in den Kammerspielen. Ein zweiter Schwerpunkt ist Anfang April die Premiere des neuen Projekts von Hermann Schmidt-Rahmer, der Elfriede Jelineks großes Werk zur europäischen Flüchtlingskrise „Die Schutzbefohlenen“ als Ausgangspunkt seiner neuen Inszenierung nehmen wird. Die drei weiteren Teile des Textkonvoluts, „Appendix“, „Coda“ und der erst im Januar 2016 entstandene Part „Epilog auf dem Boden“, der nun zum ersten Mal in einer Bühnenfassung verwendet wird, werden ebenfalls Teil des Abends werden. Weitere Infos dazu folgen im April-Pressebrief. Weitere Veranstaltungen innerhalb des Themenmonats: Am 13. März laden wir als Teil der bundesweiten Initiative „Die offene Gesellschaft“ zu einer öffentlichen Diskussion in die Kammerspiele ein. Im Rahmen der Matinee zu „Lampedusa“ (6. März) stellen wir die Frage nach der Situation der Flüchtlinge vor Ort und zur Matinee von „Die Schutzbefohlenen“ (3. April) beschäftigen wir uns mit den Sorgen, Ressentiments, Abwehrprozessen und der Frage, ob wir einem Krieg der Welten entgegenblicken. Außerdem gibt es im Rahmen des Themenmonats eine Tanztheaterpremiere unseres Partners Renegade in der Zeche 1: Neco Çelik inszeniert „Basmala – Freund oder Feind“, eine choreografische Spurensuche über den muslimischen Mann zwischen Hip Hop und Dschihad (Premiere am 10. März in der Zeche 1). Am 30. März lädt der Bochumer WorldBeatClub unter dem Titel „Musik verbindet“ zu einem Konzert in die Eve Bar. Und die Generalversammlung des europäischen Theaterverbands „Union des Théâtres de l’Europe“ vom 8.-10. April schließt mit internationalen Perspektiven zum Thema „Das Eigene & das Fremde“ den Komplex ab. Lassen Sie uns gern wissen, ob Sie zu unserer Premiere „Lampedusa“ kommen. Wir würden uns freuen, Sie am Premierenabend und zu den weiteren Veranstaltungen des Themenmonats begrüßen zu dürfen! Herzliche Grüße Anstalt des öffentlichen Rechts – Königsallee 15 – 44789 Bochum – www.schauspielhausbochum.de Christine Hoenmanns – Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – Tel.: 0234 / 33 33 55 23 oder – Fax: 0234 / 33 33 54 37 – [email protected] Das Schauspielhaus Bochum ist Mitglied der Union des Théâtres de l’Europe (U.T.E.) THEMENMONAT: DAS EIGENE & DAS FREMDE DEUTSCHSPRACHIGE ERSTAUFFÜHRUNGG LAMPEDUSA von Anders Lustgarten Das Mittelmeer ist die Wiege der Identität Europas – Ausgangspunkt unserer jahrtausendealten Kultur, Sehnsuchtsort der Deutschen schon seit Goethes Zeiten. Heute wird es immer mehr zu einem gutbewachten Massengrab. Knapp eine Million Menschen flohen im vergangenen Jahr über das Mittelmeer nach Europa. 3.600 sind dabei ertrunken. Wie viele werden es dieses Jahr sein? Wie viele müssen es noch werden? Stefano war Fischer. Heute fischt er im Auftrag der Regierung Überlebende und Leichen aus dem Wasser vor seiner Insel. Denise treibt in einer europäischen Großstadt für eine Wucherkreditfirma Schulden ein, stellt den Fuß in Türen, winkt mit Pfändungen und hört sich schäbige Lügen in schäbigen Wohnzimmern an. Beide haben nichts gemeinsam. Und doch verbindet sie etwas: Sie stehen an vorderster Front, an dem Punkt, an dem aus Politik harte Realität wird. Wer die Arbeit verliert und mit den Raten in den Rückstand gerät, wer den Halt verliert und über die Reling rutscht wird ihr Kunde. Kein besonders toller Job. Bis in beiden Leben etwas Außergewöhnliches geschieht. Der junge britische Autor Anders Lustgarten ist eine echte Entdeckung. Mit „Lampedusa“ hat er ein starkes, wütendes, bitteres und doch hoffnungsvolles Stück über die vielleicht wichtigste Herausforderung unserer Zeit geschrieben. Anders Lustgarten gewann 2011 mit seinem Stück „If you don’t let us dream we won’t let you sleep“, eine Abrechnung mit dem Finanzkapitalismus, den ersten „Harold Pinter Playwright’s Award“. Er arbeitet an Projekten für Fernsehen und Radio und an Auftragsstücken für das National Theatre sowie für das Royal Court Theatre. Wegen seiner Tätigkeit als politischer Aktivist saß er bereits auf vier Kontinenten im Gefängnis. Olaf Kröck (*1971) ist Chefdramaturg des Schauspielhauses Bochum. Er studierte Angewandte Kulturwissenschaften und ästhetischen Praxis an der Universität Hildesheim und war Künstlerischer Leiter des 3. europäischen Theaterfestival transeuropa 2000 in Hildesheim. Anschließend arbeitete er als Dramaturg und Regisseur am Stadttheater Hildesheim, war 2001-2004 Schauspieldramaturg und künstlerischer Leiter der Experimentierbühne „UG“ am Luzerner Theater bei Barbara Mundel und von 2005-2010 Dramaturg am Schauspiel Essen unter der Intendanz von Anselm Weber, mit dem er 2010 ans Schauspielhaus Bochum wechselte. In der Spielzeit entwickelte als Künstlerischer Koleiter das internationale „Das Detroit-Projekt“ maßgeblich mit. 2017/2018 wird er als Intendant der Interimsspielzeit das Schauspielhaus Bochum leiten. Regie: Olaf Kröck / Bühne: Dorothea Lütke Wöstmann / Kostüme: Janna Banning / Musik: Frank Böhle / Dramaturgie: Alexander Leiffheidt Mit: Juliane Fisch, Raiko Küster Matinee am 6. März im Tanas, Eintritt frei Deutschsprachige Erstaufführung am 11. März in den Kammerspielen Die nächsten Vorstellungen: 24. März & 1. April PREMIERE DIE SCHUTZBEFOHLENEN / APPENDIX / CODA / EPILOG AUF BODEN von Elfriede Jelinek Ein zweiter Schwerpunkt unseres Themenmonats ist Anfang April die Premiere des neuen Projekts von Hermann Schmidt-Rahmer, der Elfriede Jelineks großes Werk zur europäischen Flüchtlingskrise „Die Schutzbefohlenen“ als Ausgangspunkt seiner neuen Inszenierung nehmen wird. Die drei weiteren Teile des Textkonvoluts, „Appendix“, „Coda“ und der erst im Januar 2016 entstandenen Part „Epilog auf dem Boden“, der nun zum ersten Mal in einer Bühnenfassung verwendet wird, werden ebenfalls Teil des Abends werden. Matinee am 3. April im Tanas, Eintritt frei Premiere am 9. April in den Kammerspielen Weitere Infos dazu folgen im April-Pressebrief. ZECHE 1: TANZTHEATER-PREMIERE BASMALA – FREUND ODER FEIND Ein Tanzstück von Neco Çelik Eine choreografische Spurensuche über den muslimischen Mann zwischen Hip Hop und Dschihad. Premiere 10. März in der Zeche 1 (weitere Vorstellung am 12.03.2016) ZECHE 1. ZENTRUM FÜR URBANE KUNST, Prinz-Regent-Straße 50-60, 44795 Bochum DISKUSSION DIE OFFENE GESELLSCHAFT Welches Land wollen wir sein? Eine bundesweite Veranstaltungsreihe initiiert von adelphi & FuturZwei. Medienpartner: Deutschlandradio Kultur / www.die-offene-gesellschaft.de Weitere Infos zu den Beteiligten folgen. 13. März, 11:00 Uhr in den Kammerspielen PERFORMANCE MUSIK VERBINDET Musikalische Performance mit dem WorldBeatClub e.V. Der WorldBeatClub – Tanzen und Helfen e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, wohltätige Arbeit und gemeinsame Freuden miteinander zu verknüpfen. Er nutzt Musik und Kultur als Brücke für Begegnungen und Integration und lädt in diesem Sinne alle Musikbegeisterten zu einem Konzert und anschließender TrommelSession in die Eve Bar ein. 30. März in der Eve Bar GENERALVERSAMMLUNG GENERALVERSAMMLUNG DER UNION DES THÈÂTRES DE L'EUROPE Themenschwerpunkt „Das Eigene & das Fremde“ Vom 8. bis 10. April 2016 findet im Schauspielhaus Bochum die Generalversammlung der Union des Théâtres de l’Europe statt. Es handelt sich dabei um ein Netzwerk europäischer Theater, das seit gut 30 Jahren Festivals, Plattformen und Theaterkoproduktionen in Europa initiiert. Zweimal jährlich treffen sich die internationalen Theaterintendanten in einem der Mitgliedstheater, um ihre gemeinsamen Projekte abzustimmen und sich über aktuelle (politische) Themen auszutauschen. Das Treffen im Schauspielhaus Bochum wird anlässlich der Premiere von Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen / Appendix / Coda / Epilog auf dem Boden“ stattfinden, einer Produktion des Regisseurs Hermann Schmidt-Rahmer, der sich in seiner Inszenierung mit Migrationsbewegungen auseinander setzen wird. Rund um das Thema „Das Eigene und das Fremde“ wird es darüber hinaus an diesem Wochenende öffentliche Vorträge geben (u. a. von Koen Tachelet, der u. a. die „Hiob“-Theaterfassung erstellt hat) und die Teilnehmer und Gäste werden in verschiedenen Diskussionsformaten (u. a. ein World-Café-Format unter dem Titel „Café Europa) miteinander ins Gespräch kommen. 8.-10. April im Schauspielhaus Bochum