1. März 2016 Sehr geehrte Damen und Herren, zu den nächsten Premieren im Schauspielhaus Bochum laden wir Sie herzlich ein. „Du sollst dir kein Bildnis machen“: das ist ein zentraler Gedanke im Werk Max Frischs. Der Begriff Bildnis meint dabei in säkularer Wendung das Bild vom anderen ebenso wie, darin gespiegelt, das Bild vom Selbst. Doch die Forderung nach vielschichtiger Offenheit im Umgang miteinander verträgt sich schlecht mit unserem Alltagsbedürfnis nach klaren Verhältnissen. Darf ein Mensch die Bildnisse, die seine Umwelt von ihm hat, einfach verleugnen? Darf man ein anderer werden, als man zu sein scheint, und mit allem brechen, was dem im Weg steht – Beruf, Ehefrau, Geliebte, Existenz? In der Regie von Eric de Vroedt, der im letzten Frühjahr „Leas Hochzeit“ von Judith Herzberg am Schauspielhaus inszeniert hat, wird aus Max Frischs weltberühmtem Roman „Stiller“ ein theatrales Spiel mit den Bildern und Bildnissen einer radikalen Suche nach Identität. Der Schweizer Autor Reto Finger hat für diese Inszenierung eine eigene Theaterfassung erstellt. Die Premiere ist am 2. April im Schauspielhaus. Am 9. April hat das neue Projekt von Hermann Schmidt-Rahmer Premiere in den Kammerspielen. Ausgangspunkt seiner Inszenierung ist Elfriede Jelineks großes Werk zur europäischen Flüchtlingskrise „Die Schutzbefohlenen“. Die drei weiteren Teile des Textkonvoluts, „Appendix“, „Coda“ und der erst im Januar 2016 entstandene Part „Epilog auf dem Boden“, der nun zum ersten Mal in einer Bühnenfassung verwendet wird, werden ebenfalls Teil des Abends sein. Elfriede Jelineks Texte schlagen einen weiten Bogen. Während sie in dem ersten, viel gespielten Teil von dem rücksichtlosen Umgang der europäischen Politik gegenüber den Schutzsuchenden tief bewegt war, und vorwurfsvoll die Kälte der westlichen Politik anprangerte, wird in den folgenden Texten ihre Ratlosigkeit gegenüber der massenhaften Fluchtbewegung Richtung Nord-Europa deutlich. Hermann Schmidt Rahmer, der mit „Die Schutzbefohlenen / Appendix / Coda / Epilog auf dem Boden“ zum fünften Mal ein Werk von Elfriede Jelinek inszeniert, ergänzt die Fassung mit dokumentarischem Text- und Videomaterial. Am 7. April zeigen wir die letzte Etappe von „The Rest is Noise“ im Schauspielhaus. Die Ruhrtriennale hat ein halbes Jahr lang außerhalb der Festivalzeit mit dieser musikalisch-literarischen Reise durch die Musik des 20. Jahrhunderts von Alex Ross Station in den sechs großen Schauspielhäusern der Region gemacht. Es lesen Schauspieler des jeweiligen Ensembles, musikalisch begleitet von Mitgliedern der Bochumer Symphoniker und der Pianistin Sachiko Hara. Regie führt Johan Simons. In der finalen Etappe in Bochum stehen Komponisten des ausklingenden 20. Jahrhunderts auf dem Programm, darunter Hans Werner Henze, Helmut Lachenmann, Karlheinz Stockhausen, Tōru Takemitsu und Olga Neuwirth. Vom 8. bis 10. April ist das Schauspielhaus Gastgeber der Generalversammlung des europäischen Theaternetzwerks „Union des Théâtres de l’Europe“. Zweimal jährlich tauschen sich die internationalen Mitglieder aus – diesmal zum Thema „Das Eigene & das Fremde“ – und halten ihre Generalversammlung ab. Im Zentrum stehen neben der eigentlichen Generalversammlung und dem Besuch von Vorstellungen zusätzlich ein öffentlicher Vortrag von Koen Tachelet (8. April) sowie das „Café Europa“ (9. April), ein Diskussionsformat, das ausgehend von Impulsreferaten u. a. von Hermann Schmidt-Rahmer, Hatice Akyün und Martin Dietzsch, Neorassismen, Formen politischen Theaters sowie die Utopie einer offenen Gesellschaft beleuchtet. Lassen Sie uns gern wissen, ob Sie zu unseren Premieren kommen. Wir würden uns freuen, Sie am jeweiligen Premierenabend begrüßen zu dürfen! Herzliche Grüße Anstalt des öffentlichen Rechts – Königsallee 15 – 44789 Bochum – www.schauspielhausbochum.de Christine Hoenmanns – Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – Tel.: 0234 / 33 33 55 23 oder – Fax: 0234 / 33 33 54 37 – [email protected] Das Schauspielhaus Bochum ist Mitglied der Union des Théâtres de l’Europe (U.T.E.) PREMIERE STILLER nach dem Roman von Max Frisch in einer Bearbeitung von Reto Finger An der Schweizer Grenze wird ein Mann aufgegriffen, dessen Papiere nicht in Ordnung sind. Allem Anschein nach handelt es sich um den seit sechs Jahren, neun Monaten und einundzwanzig Tagen verschollenen Züricher Bildhauer Anatol Ludwig Stiller. Der Mann behauptet allerdings, White zu heißen, Deutschamerikaner zu sein und seine Frau ermordet zu haben. Stillers Frau Julika, sein Freund Sturzenegger, seine Geliebte Sibylle, deren Mann Rolf: Alle sind sich sicher, in ihm den Vertrauten zu erkennen. Aber White will – er muss! – ein Fremder bleiben. Kann man sich selbst entkommen? Alles zurücklassen, was dieses Selbst definiert – Freunde, Ehefrau, Beruf? Max Frischs weltberühmter Roman „Stiller“ aus dem Jahr 1954 wird in der Bearbeitung von Reto Finger und in der Regie von Eric de Vroedt zu einer poetischen Untersuchung der Frage nach dem Wesen von Existenz und der Macht der Bildnisse, die wir uns von uns selbst und anderen machen. Eric de Vroedt hat in Bochum bereits „Freitag“ von Hugo Claus und Judith Herzbergs „Leas Hochzeit“ inszeniert. Er ist Regisseur, Autor, Schauspieler und einer der wichtigsten zeitgenössischen niederländischen Theaterkünstler. Viele seiner Inszenierungen entstanden bei der „Toneelgroep Amsterdam“. 2016 wird er Künstlerischer Leiter und ab der Saison 2018 Intendant des Nationaltheaters in Den Haag. Für die von ihm geschriebene und inszenierte Reihe „Mightysociety“ erhielt er 2012 den renommierten Amsterdamprijs. Regie: Eric de Vroedt / Bühne: Maze de Boer / Kostüme: Lotte Goos / Musik: Florentijn Boddendijk, Remco de Jong / Video: Lena Newton, Daan Hazendonk / Dramaturgie: Alexander Leiffheidt Mit: Damir Avdic (Stiller), Therese Dörr (Julika Stiller-Tschudi), Bettina Engelhardt (Sibylle), Michael Kamp (James Larkin White), Florian Lange, Katharina Linder, Matthias Redlhammer, Daniel Stock Premiere am 2. April im Schauspielhaus, die nächsten Vorstellungen: 10., 17. & 29. April Matinee am 20. März im Tanas --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- PREMIERE DIE SCHUTZBEFOHLENEN / APPENDIX / CODA / EPILOG AUF DEM BODEN von Elfriede Jelinek Zunächst waren es wenige, dann wurden es mehr. Und schon damals wurde gerufen: „Das Boot ist voll“. Jetzt kommen sie zu Hundertausenden, kommen durch Wüsten, über Berge und das große Meer im Süden. Sie scheuen keine Mühen, riskieren ihr Leben und zahlen horrende Beträge an ihre Schlepper. Sie suchen Schutz vor Krieg und Terror, vor Armut und Perspektivlosigkeit. Sie haben so lange und heftig an unsere Zäune gerüttelt, dass sie durchgelassen wurden. Doch das „Wir schaffen das“ der deutschen Bundeskanzlerin und die Welle der bürgerschaftlichen Hilfe wird mit heftigen Abwehrreaktionen allerorts quittiert. Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer widmet sich in seinem neuen Projekt der Frage, wie lange es einer Gesellschaft gelingt, ihre Offenheit und Liberalität zu erhalten, angesichts von Millionen Flüchtlingen, die sich auf den Weg in die reichen Länder des Westens gemacht haben. Kippt die Atmosphäre der Willkommenskultur und kommt es zu einem Krieg der Welten? Den Text zu Hermann Schmidt-Rahmers neuer Inszenierung liefert Elfriede Jelinek, die seit 2013 an einem großen Werk zur europäischen Flüchtlingskrise schreibt. Bisher sind unter dem Titel „Die Schutzbefohlenen“ vier Texte erschienen. Die Uraufführung fand 2014 am Thalia Theater statt, seitdem sind zahlreiche weitere Inszenierungen entstanden. Der letzte Teil „Epilog auf dem Boden“ wurde im Januar 2016 veröffentlicht. Elfriede Jelineks Texte schlagen einen weiten Bogen. Während sie in dem ersten Teil noch von dem rücksichtlosen Umgang der europäischen Politik gegenüber den Schutzsuchenden tief bewegt war, und vorwurfsvoll die Kälte der westlichen Politik anprangerte, wird in den folgenden, in Bochum erstmalig gespielten Texten ihre Ratlosigkeit gegenüber der massenhaften Fluchtbewegung Richtung Nord-Europa deutlich. Sie schreibt entwaffnend ehrlich über ihre eigene Hilflosigkeit und ihr eigenes Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der anonymen Masse der Fremden. Gleichzeitig macht sie in der ihr typischen Manier deutlich, wie sehr das eigene Erleben in der Flüchtlingskrise lediglich ein Erleben vor Bildschirmen ist. Hermann Schmidt Rahmer, der bereits zum fünften Mal ein Werk von Elfriede Jelinek inszeniert, ergänzt die Fassung mit dokumentarischem Text- und Videomaterial. Hermann Schmidt-Rahmer (*1960) hat am Schauspielhaus Bochum bereits das Projekt „Gespenster des Kapitals“ nach Honoré de Balzac und Ayckbourns „Stromaufwärts“ inszeniert. Nach Engagements als Schauspieler an der Freien Volksbühne Berlin, am Schauspiel Köln, dem Hamburger Schauspielhaus und dem Wiener Burgtheater arbeitet er seit 1990 als freier Regisseur, u. a. in Köln, Berlin, Basel, Dortmund, Düsseldorf und Essen. Außerdem ist er Professor für Szene an der Universität der Künste Berlin und als Autor und Übersetzer tätig. Regie: Hermann Schmidt-Rahmer, Bühne: Thilo Reuther, Kostüme: Michael Sieberock-Serafimowitsch, Dramaturgie: Olaf Kröck Mit: Matthias Eberle, Jürgen Hartmann, Dennis Herrmann, Veronika Nickl, Kristina Peters, Roland Riebeling, Xenia Snagowski Premiere am 9. April in den Kammerspielen, die nächsten Vorstellungen: 17. & 27. April Matinee am 3. April im Tanas --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- U.T.E.-TREFFEN IM SCHAUSPIELHAUS DIE UNION DES THÈÂTRES DE L'EUROPE ZU GAST Vorträge und Diskussionen im Rahmen der U.T.E.-Generalversammlung Das Schauspielhaus Bochum ist vom 8. bis 10. April Gastgeber für das Treffen europäischer Theaterintendanten der Union des Théâtres de l’Europe (U.T.E.). Zweimal jährlich tauscht sich das internationale Theaternetzwerk aus – diesmal zum Thema „Das Eigene & das Fremde“ – und hält seine Generalversammlung ab. Neben „Hiob“ und der Premiere von „Die Schutzbefohlenen / Appendix / Coda / Epilog auf dem Boden“, die beide mit englischen Übertiteln zu sehen sein werden, rahmen ein öffentlicher Vortrag von Koen Tachelet (8.4.) sowie das „Café Europa“ (9.4.) den Besuch der internationalen Gäste: Der Dramaturg Koen Tachelet, der die Theaterfassung von Joseph Roths Roman „Hiob“ erstellt hat, wird über Flucht und Exil, Identität und Fremdheit sprechen. Das „Café Europa“ ist ein Diskussionsformat, das ausgehend von Impulsreferaten Neorassismen, Formen politischen Theaters sowie die Utopie einer offenen Gesellschaft beleuchtet. Im Anschluss an die Impulse lädt das Schauspielhaus das Publikum zur aktiven Teilnahme ein, um gemeinsam in wechselnden Kleingruppen europäische Perspektiven auf Flüchtlingsströme sowie damit einhergehende Verunsicherungen zu diskutieren. 8.-10. April im Schauspielhaus Bochum Die Generalversammlung findet statt im Kontext des „CONFLICT ZONES | ZONES DE CONFLICT“-Netzwerkprogramms der Union des Théâtres de l'Europe mit Unterstützung des Programms „Kreatives Europa“ der Europäischen Union. --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- LITERARISCH-MUSIKALISCHE REISE THE REST IS NOISE von Alex Ross Die finale Etappe der literarisch-musikalischen Reise der Ruhrtriennale mit sechs Theatern der Region Die Ruhrtriennale hat ein halbes Jahr lang außerhalb der Festivalzeit Station gemacht in den großen Schauspielhäusern der Region. Die sechste und letzte Etappe der musikalisch-literarischen Reise durch das Ruhrgebiet und durch die Musik des 20. Jahrhunderts ist im Schauspielhaus Bochum zu erleben: Es lesen Schauspieler des Ensembles, musikalisch begleitet von Mitgliedern der Bochumer Symphoniker und der Pianistin Sachiko Hara. Regie führt Johan Simons, Intendant der Ruhrtriennale und designierter Intendant des Schauspielhauses Bochum ab 2018/2019. Der Weltbestseller „The Rest is Noise“ des amerikanischen Musikkritikers Alex Ross nimmt uns mit auf eine große, pulsierende Reise in das vergangene Jahrhundert. Eine Reise in das Labyrinth der neuen Musik und ihrer Verbindungen zu den sozialen und politischen Umstürzen des 20. Jahrhunderts. Das Resultat ist die Geschichte eines Jahrhunderts, erzählt von seiner Musik. In der finalen Etappe im Schauspielhaus Bochum stehen Komponisten des ausklingenden 20. Jahrhunderts auf dem Programm, darunter Hans Werner Henze, Helmut Lachenmann, Karlheinz Stockhausen, Tōru Takemitsu und Olga Neuwirth. Regie: Johan Simons / Musikalische Konzeption: Carl Oesterhelt / Dramaturgie: Vasco Boenisch, Annelie Mattheis Mit: Therese Dörr, Bettina Engelhardt, Michael Kamp, Nils Kreutinger, Marco Massafra, Bernd Rademacher, Daniel Stock (Ensemblemitglieder des Schauspielhauses Bochum), Mitglieder der Bochumer Symphoniker, Sachiko Hara, Emilio Pons Sechste und finale Etappe am 7. April im Schauspielhaus Eine gemeinsame Lesereise der Ruhrtriennale mit dem Schauspiel Dortmund, Schauspiel Essen, Schauspielhaus Bochum, Schlosstheater Moers, Theater an der Ruhr, Theater Oberhausen sowie den Bochumer Symphonikern