Theoretische Grundlagen der Supraleitung Elektrische Eigenschaften von Stoffen Bandlückenbreite zur Klassifizierung von elektrischen Leitern Materialien werden hinsichtlich ihrer elektrischen Eigenschaften in Isolatoren, Halbleiter und Metalle eingeteilt. Eine einfache Unterscheidung kann im Rahmen der Bändertheorie über die Energielücke (Bandlücke) zwischen Valenz- und Leitungsband getroffen werden. Die Energie der Bandlücke wird dabei oftmals in Anlehnung an das englische Wort „gap“ mit Eg (Energy gap) gekennzeichnet. Große Bandlücken finden sich bei den Isolatoren wie beispielsweise Diamant, weswegen derartige Stoffe in der Regel transparent sind und den elektrischen Strom nicht leiten. Halbleiter wie beispielsweise Silicium sind undurchsichtig und besitzen eine kleine Energielücke zwischen Valenz- und Leitungsband. Damit diese elektrisch leitend werden, muss einem Halbleiter Energie, beispielsweise in Form von Wärme zugeführt werden, damit Elektronen vom Valenz- ins Leitungsband gelangen. Dies ist der Grund dafür, dass die elektrische Leitfähigkeit in Halbleitern mit zunehmender Temperatur größer wird. In Metallen ist das Valenzband nur teilweise gefüllt oder es kommt zu einer Überlappung von Valenz- und Leitungsband. Derartige Stoffe leiten den elektrischen Strom daher schon bei Raumtemperatur. Im Gegensatz zu den Halbleitern nimmt die elektrische Leitfähigkeit beim Abkühlen zu und der Widerstand ab. Dies liegt daran, dass die Beweglichkeit der Elektronen in Metallen durch die, mit tieferer Temperatur, abnehmenden Kollisionen mit den Atomen zunimmt. Die thermische Bewegung der Atome in einem Festkörper, welche für den elektrischen Widerstand verantwortlich ist, wird zunehmend eingefroren. Bandlückenbreite und Metallcharakter - Gruppe 14 als Beispiel Die Bandlücke zwischen Valenz- und Leitungsband bestimmt den metallischen Charakter eines Elementes. Innerhalb der Gruppe 14 des Periodensystems (4. Hauptgruppe) nimmt der Metallcharakter von oben nach unten zu. Dies korreliert mit den aufgefundenen Bandlücken in den Festkörpern: So beträgt die Bandlücke im Diamanten 5.2 eV, im Silicium (Sin) 1.09 eV, im Germanium (Gen) 0.60 eV, im α-Zinn (α-Snn) nur noch 0.08 eV und im Blei (Pbn), einem typischen Metall, ist sie mit 0 eV nicht mehr vorhanden. Widerstands-Temperaturkurven für verschiedene Metalle Wird nun der elektrische Widerstand, beispielsweise von Silber und Zinn in Abhängigkeit der Temperatur gemessen, so nimmt dieser für beide Metalle mit fallender Temperatur zunächst ab. Beim weiteren Abkühlen strebt der Widerstand für Silber einem Grenzwert zu, wohingegen dieser für Zinn beim Übergang von dem normalleitenden in den supraleitenden Zustand praktisch auf Null abfällt. Das Verschwinden des elektrischen Widerstandes hat zur Folge, dass in einem Supraleiter ein Strom ohne Energieverlust beliebig lange fließen kann. Wird die Stromstärke jedoch über einen kritischen Wert (kritische Stromstärke Ic) erhöht, bricht die Supraleitung zusammen. Nach seinem Entdecker wird diese Erscheinung als Silsbee-Effekt bezeichnet. Eine besonders hohe kritische Stromdichte weisen beispielsweise Supraleiter auf der Basis von Oxocupraten auf, weswegen diese für Anwendungen von besonderem Interesse sind. Magnetische Eigenschaften von Stoffen Diamagnetismus und Paramagnetisumus Stoffe können hinsichtlich ihrer magnetischen Eigenschaften zunächst einmal in diamagnetische und paramagnetische Stoffe unterteilt werden. Diese können anhand ihrer Wechselwirkung mit einem magnetischen Feld unterschieden werden. Wird ein diamagnetischer Stoff in ein Magnetfeld gebracht, so werden die magnetischen Feldlinien aus seinem Inneren verdrängt, wohingegen bei einem paramagnetischen Stoff die Anzahl der Feldlinien erhöht wird. Werden diamagnetische Stoffe nun in ein Magnetfeld gebracht, so werden diese vom Magnetfeld abgestossen, wohingegen paramagnetische Stoffe zum Ort mit der größten Feldliniendichte hingezogen werden. Messung magnetischer Eigenschaften Experimentell kann man zwischen paramagnetischen und diamagnetischen Stoffen unterscheiden, indem die Kraft gemessen wird, mit der diese vom Magnetfeld abgestoßen oder angezogen werden. Hierzu wird der zu untersuchende Stoff an einer Waage aufgehängt und in ein Magnetfeld gebracht. Wird der Stoff aus dem Magnetfeld verdrängt, also scheinbar leichter, liegt Diamagnetismus vor. Wird dieser in das Magnetfeld hineingezogen, d. h. scheinbar schwerer, liegt Paramagnetismus vor. Quantitativ beschrieben werden kann dieses Verhalten durch den Wert der magnetischen Suszeptibilität χ. Für diamagnetische Stoffe ist χ > 0 und für paramagnetische Stoffe ist χ < 0. Bei diesem Verfahren kann zwischen zwei verschiedenen Methoden unterschieden werden. Bei der Methode nach Gouy wird ein homogenes Magnetfeld verwendet, wohingegen sich die Probe bei der Methode nach Faraday in einem inhomogenen Magnetfeld befindet. Ein Nachteil der Methode nach Gouy besteht darin, dass große Probenmengen zur Verfügung stehen müssen, da ein Teil der Probe aus dem Magnetfeld herausragen muss. Magnetische Eigenschaften von Supraleitern Beim Übergang eines Stoffes in den supraleitenden Zustand sinkt die magnetische Suszeptibilität unterhalb der Sprungtemperatur (Tc) stark ab und nimmt negative Werte an. Dieses Verhalten entspricht dem eines sehr starken Diamagneten, der die Feldlinien aus seinem Inneren verdrängt. Die Feldlinien werden bis auf einen dünnen Randbereich vollständig aus dem Inneren des Supraleiters verdrängt. Daraus resultiert beispielsweise das Schweben einer Supraleitertablette über einem Magneten (Schwebeversuch) Supraleiter 1. und 2. Art Neben dem Überschreiten der Sprungtemperatur Tc, oder der kritischen Stromstärke Ic kann der supraleitende Zustand auch durch ein Magnetfeld zerstört werden. Da ein in einem Leiter fließender Strom immer auch ein Magnetfeld erzeugt, ist es unerheblich, ob es sich dabei um ein externes Magnetfeld handelt oder ob das Magnetfeld vom Supraleiter selbst erzeugt wird. Für praktische Anwendungen sind natürlich solche Materialien von Interesse, deren Supraleitfähigkeit auch in Gegenwart sehr starker Magnetfelder und sehr starker Ströme erhalten bleibt. Die Magnetfeldstärke, bei der der supraleitende Zustand aufgehoben wird, wird als kritische Magnetfeldstärke Hc bezeichnet. Hinsichtlich des Übergangsverhaltens in Abhängigkeit der Magnetfeldstärke wird zwischen Supraleitern 1. und 2. Art unterschieden. Bei Supraleitern 1. Art erfolgt beim Überschreiten von der kritischen Magnetfeldstärke Hc ein scharfer Übergang in den normalleitenden Bereich. Beim Unterschreiten von Hc setzt die Supraleitung plötzlich wieder ein. Zu diesem Typ gehören supraleitende Elemente wie beispielsweise Vanadium (V), Zinn (Sn) oder Quecksilber (Hg). Bei Supraleitern 2. Art setzt der Übergang eher schleppend nach dem Überschreiten von Hc1 ein. Im Übergangsbereich zwischen Hc1 und Hc2 (Shubnikov-Phase) dringt magnetischer Fluss mit zunehmender Magnetfeldstärke fortschreitend in das supraleitende Material ein, bis die Supraleitung zusammenbricht. In diesem Zwischenzustand wird der Supraleiter nicht gleichmäßig vom Magnetfeld durchsetzt. In dieser Shubnikov-Phase koexistieren normalleitende und supraleitende Bereiche. Da die supraleitenden Bereiche feldfrei sein müssen, kann sich der magnetische Fluss nur in den normalleitenden Bereichen befinden. Die Feldlinien durchziehen die normalleitenden Bereiche in Richtung des angelegten Feldes und sind von Kreisströmen umgeben, die dafür sorgen, dass der Rest des Supraleiters feldfrei bleibt. Da die magnetischen Feldlinien den Supraleiter in einzelnen nebeneinander verlaufenden Schläuchen durchlaufen, werden diese als Flussschläuche bezeichnet. Diese Flussschläuche können mit Hilfe der magnetischen Dekoration sichtbar gemacht werden. Hierfür wird auf einen Supraleiter in der Shubnikov-Phase ein ferromagnetisches Pulver aufgebracht. Das Pulver wird aus den supraleitenden Bereichen verdrängt und sammelt sich in den Bereichen hoher Magnetfeldstärke an und markiert so die Flussschläuche. Bei Erhöhung der Magnetfeldstärke nimmt die Flusschlauchdichte immer mehr zu, bis bei Hc2 keine supraleitenden Bereiche mehr vorhanden sind. Diese kritische Feldstärke ist bei Supraleitern 2. Art um ein Vielfaches höher als Hc bei Supraleitern 1. Art. Da die Supraleitung auch bei hohen Feldstärken erhalten bleibt, sind Supraleiter 2. Art, wie beispielsweise die Oxocuprate, die für mögliche Anwendungen interessantesten Verbindungen. Die Flusschläuche in einem Supraleiter 2. Art sind jedoch nicht statisch, sondern können sich durch diesen bewegen. Diese Bewegung wird durch den fließenden Strom verursacht und äußert sich in einer Erwärmung des Supraleiters und damit verbunden, in einem Energieverlust. Die Wanderung der Flussschläuche kann jedoch in intermetallischen Phasen durch absichtlich erzeugte normalleitende Ausscheidungen unterbunden werden (Pinning). Die Flussschläuche sind dann an diese Ausscheidungen verhaftet. Bei Oxocupraten liegt die Kohärenzlänge (s.u.) jedoch im nm-Bereich und es müssen Pinning-Zentren von atomarer Größenordnung eingeführt werden. Dies können Kristalldefekte oder Dotierungen mit paramagnetischen Ionen sein. Da durch das Pinning magnetischer Fluss im Supraleiter verbleibt, zeigt sich neben dem abstoßenden Meissner-Ochsenfeld-Effekt auch ein, durch das Pinning entstandener, anziehender Effekt. Theoretische Erklärung der Supraleitung: Die BCS-Theorie Die größten Änderungen beim Übergang vom normalleitenden in den supraleitenden Zustand finden bei den elektrischen und den magnetischen Eigenschaften statt. Es lag daher Nahe, dass für die Supraleitung ein spezifisches Ordnungsphänomen der Leitungselektronen verantwortlich ist. Bereits im Jahre 1950 wurde auch entdeckt, dass die Sprungtemperatur verschiedener Isotope des gleichen Elements von der Masse der Gitterbausteine abhängt (Isotopeneffekt). Daraus wurde gefolgert, dass die Supraleitung mit den Gitterschwingungen (Phononen) zusammenhängt. Es wurde angenommen, dass es bei den Supraleitern zu einer starken Elektronen-Phononen-Wechselwirkung kommt. Stark vereinfacht, kann man sich den Mechanismus folgendermaßen vorstellen. Bewegt sich ein Elektron durch einen Festkörper, so tritt eine Coulombsche Anziehung zu den positiv geladenen Gitterkationen auf, die dazu führt, dass das Gitter verzerrt und polarisiert wird. Dadurch wird auf ein zweites Elektron mit entgegengesetztem Spin eine Anziehungskraft ausgeübt, die dazu führt, dass sich, durch die Gitterschwingungen vermittelt, ein Elektronenpaar bildet. Zur Deutung dieser Vorgänge haben Bardeen, Cooper und Schrieffer im Jahre 1957 ihre BCS-Theorie entwickelt. Sie gingen davon aus, dass unter bestimmten Bedingungen wegen der Wechselwirkung mit den Gitterschwingungen in einem Festkörper die Anziehung zwischen zwei Leitungselektronen im Festkörper größer ist als die Coulombsche Abstoßung zwischen diesen. Diese schwach aneinander gebundenen Elektronen werden Cooper-Paare genannt und sind für die Supraleitung verantwortlich. Wenn ein elektrisches Feld angelegt wird, werden die zweifach negativ geladenen Cooper-Paare zum Pluspol hin beschleunigt. Eine Wechselwirkung mit dem Gitter ist nur dann möglich, wenn genügend Energie zur Verfügung steht um die Copper-Paare aufzubrechen. Da alle Cooper-Paare die gleiche Energie besitzen, brechen alle gleichzeitig auf, wenn ihre kinetische Energie größer als ihre Bindungsenergie ist. Dabei ist es völlig unerheblich, ob die kinetische Energie durch Wärme oder durch Beschleunigung in einem elektrischen oder magnetischen Feld zugeführt wird. Neben einer kritischen Temperatur existiert daher auch ein kritischer Strom oder ein kritisches Magnetfeld, bei dem die Supraleitung zusammenbricht. Die Elektronen eines Cooper-Paares sind sehr weit voneinander entfernt. Deren Ausdehnung, Kohärenzlänge genannt, beträgt zwischen 0.1 und 1 mm. Mit Hilfe der BCS-Theorie kann beispielsweise die Übergangstemperatur zwischen normalleitendem und supraleitendem Zustand berechnet werden. Daraus ergibt sich, das hohe Sprungtemperaturen unter anderem bei den Stoffen erwartet werden können, die eine besonders starke Elektron-Phonon-Wechselwirkung aufweisen. Metalle zeigen aber oftmals eine nur schwache Elektronen-Phonon-Kopplung, so dass die metallischen ElementSupraleiter alle nur Übergangstemperaturen unterhalb von rund 9.3 K aufweisen. Die Legierung Nb3Sn zeigt eine starke Elektron-Phonon-Kopplung und ein Tc von 18 K. Die höchste Übergangstemperatur für metallische Systeme von 39 K wird von Magnesiumdiborid (MgB2) erreicht. Die BCS-Theorie erlaubt nur die Berechnung der Parameter für schwach gekoppelte Supraleiter. Mit der erweiterten BCS-Eliashberg-Theorie können auch die TC-Werte für die Oxocuprate berechnet werden. Eine Voraussetzung für die Vorhersage der Sprungtemperatur ist, dass man ein geeignetes Modell für die Berechnung hat. Dazu müssen auch die Normalleitereigenschaften des Leiters bekannt sein. Eine früher vorgenommene Abschätzung gab als Obergrenze eine maximale kritische Temperatur von TC ≈ 35 K an. Diese Berechnung galt aber nur für "niobartige" Supraleiter. Für noch unbekannte Stoffe, kann eine derartige Vorhersage nicht gelingen. Daher gibt es im Grunde keine Begrenzung für die kritische Temperatur unbekannter Systeme.