Wettbewerbstheorie und -politik 4-1 Dr. Florian Englmaier 4 Mengenwettbewerb und Kapazitätsschranken bei Preiswettbewerb 4.1 Simultaner Mengenwettbewerb Augustin Cournot (1838) • Spieler: zwei Anbieter, i = 1, 2. Produzieren homogene Güter, mit Kostenfunktion Ki(xi) • Strategien: xi ≥ 0, i = 1, 2. Mengen werden simultan gewählt, Auktionator bestimmt markträumenden Preis. • Marktnachfrage: p = f(x) = f(x1 + x2) • Auszahlungen: π1(x1, x2) = x1f(x1 + x2) − K1(x1) π2(x1, x2) = x2f(x1 + x2) − K2(x2) (4.1) (4.2) c Monika Schnitzer 2008 Wettbewerbstheorie und -politik 4-2 Dr. Florian Englmaier Jeder Anbieter möchte die Menge wählen, die seinen Gewinn maximiert. π1 = x1f(x1 + x2) − K1(x1) max x 1 BEO (4.3) ∂π1 = f(x1 + x2) + x1f (x1 + x2) − K1(x1) = 0 ∂x1 (4.4) Problem Gewinnmaximierende Menge hängt ab von der Mengenwahl des Konkurrenten. Betrachten Sie das folgende einfache Beispiel: • Lineare Nachfrage: f(x1 + x2) = A − (x1 + x2) • Konstante Grenzkosten, keine Fixkosten: Ki(xi) = cixi, i = 1, 2, wobei c1 ≤ c2. • Annahme: A > c1. Wettbewerbstheorie und -politik 4-3 Dr. Florian Englmaier Gewinnmaximierung: max πi = xi[A − (xi + xk)] − xici i = 1, 2 i = k x (4.5) ∂πi(xi, xk) = A − xi − xk − xi − ci = 0 ∂xi (4.6) i BEO : ⎧ ⎪ ⎪ ⎨ xi(xk) = ⎪⎪⎩ A−ci −xk 2 0 if xk ≤ A − ci if xk ≥ A − ci (4.7) Dies wird oft Reaktionskurve genannt, Ri(xk), obwohl es in dem betrachteten Spiel keine Möglichkeit zur Reaktion gibt. Cournot-Lösung: Nash-Gleichgewicht (xC1, xC2) für das gilt xC1 = x1(xC2) = R1(xC2) xC2 = x2(xC1) = R2(xC1) (4.8) (4.9) Wettbewerbstheorie und -politik 4-4 Dr. Florian Englmaier Interpretation: Angenommen, es gebe ein eindeutiges Gleichgewicht xC1, xC2. Dann gilt: nur wenn beide jeweils xC1 und xC2 wählen, hat keiner der beiden einen Anreiz, von dieser Menge abzuweichen (kein Bedauern ex post). Löse für xC1 and xC2: xC1 A − c1 − xC2 = 2 xC2 A − c2 − xC1 = 2 (4.10) falls xC1 ≥ 0 and xC2 ≥ 0. 2 Gleichungen mit 2 Unbekannten. Setze xC2 in xC1 ein. 2xC1 2xC1 = xC1 − = 2 3 C x = 2 1 xC1 = xC2 = A − c2 − xC1 A − c1 − 2 A − 2c1 + c2 2 A − 2c1 + c2 2 A − 2c1 + c2 3 A − 2c2 + c1 3 (4.11) (4.12) (4.13) (4.14) (4.15) falls xC1 ≥ 0 und xC2 ≥ 0 (innere Lösung). Dies erfordert, dass Wettbewerbstheorie und -politik 4-5 Dr. Florian Englmaier A − 2c2 + c1 ≥ 0 (4.16) da sonst xC2 < 0. − c1 + c2 − c1 > 0. Beachte: A − 2c1 + c2 > 0 , da A >0 ≥0 Falls hingegen A − 2c2 + c1 < 0, erhalten wir eine Randlösung xC2 = 0 xC1 = A − c1 2 (4.17) Im Fall symmetrischer Kostenfunktionen c1 = c2 = c gibt es nur eine innere Lösung. xC1 = xC2 = A−2c+c 3 A−2c+c 3 = = A−c 3 A−c 3 ⎫ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎭ 2 xC1 + xC2 = (A − c) 3 (4.18) Wettbewerbstheorie und -politik 4-6 Dr. Florian Englmaier Reaktionskurve mit innerer Lösung Reaktionskurve mit Randlösung Wettbewerbstheorie und -politik 4-7 Dr. Florian Englmaier Vergleiche mit Monopol-Menge: max π = x(A − x) − cx (4.19) dπ A−c 2 = A − 2x − c = 0 xM = < (A − c) dx 2 3 (4.20) d.h. die Cournot-Menge ist größer. Vergleiche mit der BEO des Cournot Modells: BEO : max π1 = x1f(x1 + x2) − K(x1) (4.21) ∂π1 = x1 f (x1 + x2) +f(x1 + x2) − K(x1) ∂x1 − (4.22) Beachte: Eine Erhöhung der Menge hat einen negativen Einfluss auf den Preis und deshalb eine negative Externalität auf den Konkurrenten. Diese Externalität wird nicht internalisiert. Cournot-Gewinn im symmetrischen Fall: ⎡ ⎤ A−c⎢ A−c A−c (A − c)2 ⎥ ⎣A − ( + ) − c⎦ = π1 = π2 = 3 3 3 9 (4.23) Wettbewerbstheorie und -politik 4-8 Dr. Florian Englmaier Betrachten Sie als nächstes den Fall mit N symmetrischen Anbietern, die im Cournot-Wettbewerb stehen. Jeder Anbieter produziert mit konstanten Grenzkosten c. Gewinnmaximierung von Anbieter i: max πi = xi[A − (x1 + ... + xi + ... + xN)] − xic x i BEO : xi = (4.24) ∂πi = A − (x1 + ... + xi + ... + xN) − xi − c = 0 ∂xi (4.25) A − (x1 + ... + xi−1 + xi+1 + ...xN) − c 2 (4.26) Für jeden Anbieter i, i=1,...,N, können wir diese BEO ableiten. Das ergibt N Gleichungen mit N Unbekannten. Um die Gleichgewichtsmengen zu bestimmen, nutzen wir die Symmetrie der Anbieter. Symmetrische Anbieter wählen im Gleichgewicht symmetrische Mengen. Deshalb gilt im Gleichgewicht, x1 = ... = xi = ... = xN = xC. Wettbewerbstheorie und -politik 4-9 Dr. Florian Englmaier Wenn wir dies in Gleichung (4.26) einsetzen, können wir die folgende Lösung ableiten. A − (N − 1)xC − c x = 2 C C 2x + (N − 1)x = A − c A−c xC = N+1 C (4.27) (4.28) (4.29) Cournot-Gewinn im Fall von N symmetrischen Anbietern: ⎡ ⎤ A−c⎢ A−c (A − c)2 ⎥ ⎣ ⎦ A−N π = −c = N+1 N+1 (N + 1)2 C (4.30) Beachte: Wenn N gegen unendlich geht, konvergiert der Cournot-Gewinn gegen Null. Wettbewerbstheorie und -politik 4-10 Dr. Florian Englmaier Diskussion • Fixkosten ändern die Ergebnisse nicht, solange die Gewinne nicht negativ sind. • Selbst wenn Anbieter 1 mit niedrigeren Kosten produziert als Anbieter 2, ist es möglich, dass beide Anbieter am Markt aktiv sind. • Das Ergebnis ist überzeugend, vor allem, weil die Gewinne negativ von der Zahl der Konkurrenten abhängen und bei großer Anbieterzahl gegen das Konkurrenzergebnis konvergieren. • Nachteil des Modells ist, dass die Annahmen (Mengenwettbewerb) nicht überzeugend sind. Im Abschnitt über Kapazitätswettbewerb werden wir eine überzeugendere Interpretation für das Modell vorstellen können. Wettbewerbstheorie und -politik 4-11 Dr. Florian Englmaier 4.2 Preiswettbewerb bei Kapazitätsschranken Motivation Offensichtlich ist es keine gute Idee, sehr große Kapazitäten zu installieren und dann im anschließenden Preiswettbewerb Nullgewinne zu machen. Edgeworth (1897) argumentierte, dass der Wettbewerb weniger stark ist, wenn die Unternehmen Kapazitätsschranken haben. • Angenommen Anbieter 1 hat eine Produktionskapazität kleiner als D(c). Dann kann p∗1 = p∗2 = c kein NashGleichgewicht sein. • Zu diesem Preis machen beide Anbieter Nullgewinne. • Wenn Anbieter 2 seinen Preis anhebt, kann Anbieter 1 nicht die gesamte Nachfrage zu diesem Preis befriedigen p = c. • Deshalb sind einige Konsumenten übrig, die von Anbieter 2 zum Preis p > c kaufen. Das bedeutet, Anbieter 2 kann durch eine Preiserhöhung seinen Gewinn erhöhen. Kapazitätsschranken sind ein Spezialfall einer Technologie mit abnehmenden Grenzerträgen (siehe oben). Wettbewerbstheorie und -politik 4-12 Dr. Florian Englmaier Kreps und Scheinkman (1983): Spieltheoretische Analyse von Kapazitätswahl und Preiswettbewerb Zwei-Stufen-Spiel: • Stufe 1: Simultane Kapazitätswahl • Stage 2: Simultane Preiswahl Lösungskonzept: Teilspielperfektes Gleichgewicht • Die in Stufe 2 gewählten Preise müssen ein Nash-Gleichgewicht sein, gegeben die Kapazitätswahl in Stufe 1. • Die in Stufe 1 gewählten Kapazitäten müssen ein NashGleichgewicht sein, gegeben die Gleichgewichtspreise in Stufe 2. Problem: Die Auszahlungen (für gegebene Kapazitäten und Preise) hängen ab vom Rationierungsschema. Betrachten Sie die folgenden Kapazitäten x1 und x2. Unterstellen Sie ferner p1 < p2 und x1 < D(p1). In diesem Fall wollen alle Konsumenten mit Zahlungsbereitschaft ≥ p1 von Anbieter 1 kaufen. Aber Anbieter 1 hat nicht genügend Kapazität, um die gesamte Nachfrage zu diesem Preis zu befriedigen. Um zu bestimmen, wieviel Wettbewerbstheorie und -politik 4-13 Dr. Florian Englmaier Nachfrage für Anbieter 2 übrig ist, müssen wir wissen, welche Konsumenten von Anbieter 1 kaufen bzw. von Anbieter 1 bedient werden. Das hängt vom Rationierungsschema ab. Zwei Beispiele für Rationierungsschemata: • Effiziente Rationierung: Die Konsumenten mit der höchsten Zahlungsbereitschaft werden zuerst bedient. • Proportionale Rationierung: Alle Konsumenten mit Zahlungsbereitschaft ≥ p1 werden mit der gleichen Wahrscheinlichkeit bedient (rando- Wettbewerbstheorie und -politik 4-14 Dr. Florian Englmaier misierte Rationierung). In ihrem Modell benutzen Kreps und Scheinkman die effiziente Rationierung: Wenn p1 < p2, dann D1 = min{x1, D(p1)} D2 = max{D(p2) − x1, 0} (4.31) (4.32) Eine vereinfachte Version des Kreps-ScheinkmanModells • Nachfragefunktion: p = A − x oder x = A − p. • Kosten, um eine Einheit Kapazität zu produzieren: c. • Produktionskosten für eine gegebene Kapazität: Wettbewerbstheorie und -politik 4-15 ⎧ ⎪ ⎪ ⎨ Ki(xi) = ⎪⎪⎩ 0 falls xi ≤ xi ∞ falls xi > xi Dr. Florian Englmaier (4.33) Lemma 4.1 Die optimale Kapazität ist nach oben beschränkt: 1 A2 xi ≤ 4 c (4.34) Beweis: Wie hoch sind die höchstmöglichen Erlöse, die eine Unternehmung in diesem Markt erzielen kann? Betrachten Sie einen Monopolisten: x(A − x) max x (4.35) A A A A2 BEO : A − x − x = 0 =⇒ x = ; (A − ) = 2 2 2 4 (4.36) Kein Anbieter wird eine Kapazität wählen, die mit Sicherheit zu Verlusten führt. Deshalb, A2 1 A2 cxi ≤ =⇒ xi ≤ 4 4 c (4.37) Q.E.D. Wettbewerbstheorie und -politik 4-16 Dr. Florian Englmaier Wir lösen das Spiel mit Rückwärtsinduktion. Stufe 2 Proposition 4.1 Angenommen • x1, x2 ≤ 1 A2 4 c , • Nachfrage wird nach der effizienten Rationierungsregel rationiert, • und 34 A ≤ c dann gilt für eine gegebene Kombination von Kapazitäten (x1, x2) das folgende: p1 = p2 = p∗ = A − (x1 + x2) (4.38) ist das eindeutige Nash-Gleichgewicht auf Stufe 2. Beweis: Die Gesamtnachfrage zu diesen Preisen ist x = A − p∗ = x1 + x2 und alle Konsumenten mit Zahlungsbereitschaft ≥ p∗ können kaufen, gegeben die Kapazitäten der beiden Anbieter. (i) Kein Anbieter hat einen Anreiz, seinen Preis zu senken, da jeder Anbieter bereits seine maximale Kapazität verkauft. Wettbewerbstheorie und -politik 4-17 Dr. Florian Englmaier (ii) Lohnt sich eine Preiserhöhung für Anbieter 2? Angenommen ∗ p∗ = p1 < p2 =⇒ D1 = min{x1, D(p )} = x1 x1 +x2 (4.39) D2 = max{D(p2) − x1, 0}, wobei D(p2) = A − p2 (4.40) ⎧ ⎪ ⎪ ⎨ π2 = ⎪⎪⎩ p2[(A − p2) − x1] falls A − p2 ≥ x1 0 falls A − p2 < x1 (4.41) D.h. Anbieter 2 sollte nur Preise in Erwägung ziehen, für die gilt: p∗ = A − x1 − x2 ≤ p2 ≤ A − x1 (4.42) Für diesen Preisbereich gilt: 2 dπ dp π2 = p2(A − p2 − x1) (4.43) = A − 2p∗ − x1 (4.44) p2 =p∗ = A − 2(A − x1 − x2) − x1 = −A + x1 + 2x2 ≤ −A + 3 ⎡ ⎤ A 3 = ⎢⎣−c + A⎥⎦ ≤ 0 c 4 (4.45) 2 A (4.46) 4c (4.47) Wettbewerbstheorie und -politik 4-18 Dr. Florian Englmaier Also lohnt es sich für Anbieter 2 nicht, seinen Preis zu erhöhen. Q.E.D. Stufe 1 Mit der Lösung von Stufe 2 können wir die folgenden reduzierten Gewinnfunktionen für Stufe 1 ableiten: π1 = x1[(A − x1 − x2) − c] π2 = x2[(A − x1 − x2) − c] (4.48) (4.49) Dies sind genau die Gewinnfunktionen eines Cournot-Spiels mit Mengenwettbewerb. Also sieht das Nash-Gleichgewicht auf Stufe 1 genau so aus wie das Cournot-Gleichgewicht: ∂π1 = A − x1 − x2 − c − x1 = 0 (4.50) ∂x1 A − x2 − c A − x1 − c x1 = x2 = (4.51) 2 2 Beachten Sie: • Dieses Zwei-Stufen-Spiel führt zum Cournot-Ergebnis ohne einen Auktionator zu bemühen. Die Anbieter erzielen positive Gewinne. • Kreps und Scheinkman zeigen, dass das gleiche Resultat auch für allgemeinere Nachfrage- und Kostenfunktionen gilt. Der Beweis ist aufwändiger, denn für einige Wettbewerbstheorie und -politik 4-19 Dr. Florian Englmaier Kapazitätskombinationen existieren Preisgleichgewichte nur in gemischten Strategien. Durch Lemma 1 und die Beschränkung des Parameterraums haben wir das vermieden. • Einschränkung: die Resultate von Kreps und Scheinkman hängen kritisch vom Rationierungsschema ab, wie Davidson und Deneckere (1986) gezeigt haben. Um das zu sehen, betrachten wir das folgende Beispiel: Angenommen beide Anbieter wählen eine Kapazität, die der Cournot-Menge entspricht und Anbieter 1 wählt den Cournot-Preis. Für Anbieter 2 ist es nur dann optimal, den Cournot Preis zu setzen, wenn effizient rationiert wird. Bei proportionaler Rationierung bevorzugt Anbieter 2 einen höheren Preis. Folglich kann es kein teilspielperfektes Gleichgewicht sein, Cournot-Kapazitäten und Cournot-Preise zu wählen. Wettbewerbstheorie und -politik 4-20 Dr. Florian Englmaier Wie überzeugend ist das effiziente Rationierungsschema? • Effiziente Rationierung führt zur gleichen Allokation, die resultieren würde, wenn die Konsumenten nach dem Verkauf die Güter weiter handeln könnten (ohne Transaktionskosten). D.h. am Ende halten die Konsumenten mit der höchsten Zahlungsbereitschaft das Gut in den Händen. • Effiziente Rationierung maximiert die Konsumentenrente. Um dies zu illustrieren, betrachten wir das folgende Beispiel: • Problem: wie sollen die Konsumenten alloziiert werden, wenn ihre Zahlungsbereitschaft nicht bekannt ist? Wettbewerbstheorie und -politik 4-21 Dr. Florian Englmaier Fazit: Das Ergebnis ist nicht robust gegenüber verschiedenen Rationierungsschemata. Dennoch veranschaulicht das Modell, dass gewinnmaximierende Anbieter nicht unbegrenzt Kapazitäten aufbauen, um den gesamten Markt zum Grenzkostenpreis zu bedienen.