5 Produktdifferenzierung und Produkt

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Wettbewerbstheorie und -politik
5-1
Dr. Florian Englmaier
5 Produktdifferenzierung und Produktwahl
In den beiden folgenden Abschnitten betrachten wir, wie
der Preiswettbewerb durch Produktdifferenzierung beeinflusst wird. Wie wir schon bei Wechselkosten beobachtet haben, wird durch die Aufhebung der Homogenität der Güter
der Preiswettbewerb abgeschwächt. Konsumenten, die eine
Präferenz für eine bestimmte Produktsorte haben, werden
nicht für einen marginalen Preisvorteil den Anbieter wechseln.
In diesem Abschnitt untersuchen wir:
• Wie beeinflusst Produktdifferenzierung den Preiswettbewerb?
• Welchen Grad an Produktdifferenzierung wählen die Anbieter im Gleichgewicht?
c Monika Schnitzer 2008
Wettbewerbstheorie und -politik
5-2
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Üblicherweise werden zwei Arten von Produktdifferenzierung unterschieden:
• Horizontale Produktdifferenzierung:
Wenn alle Produkte zum gleichen Preis angeboten werden, bevorzugen verschiedene Konsumenten verschiedene Produkte.
Beispiele: Eiskrem mit verschiedenen Geschmacksrichtungen (Schokolade, Vanille, ...), Bäckereien mit unterschiedlichen Standorten.
• Vertikale Produktdifferenzierung:
Wenn alle Produkte zum gleichen Preis angeboten werden, bevorzugen alle Konsumenten das gleiche Produkt.
Beispiele: Güter mit niedriger und hoher Qualität.
Im folgenden werden wir nur Modelle mit horizontaler Produktdifferenzierung betrachten.
Horizontale Produktdifferenzierung wird üblicherweise mit
zwei Standardmodellen räumlicher Differenzierung analysiert:
“auf der Linie” und “auf dem Kreis”. Das erste Modell
stammt von Hotelling (1929), das zweite von Salop (1979).
Beide Modelle beruhen auf der Idee, dass Produktdifferenzierung durch verschiedene geographische Standorte der Anbieter von (sonst physisch gleichen) Gütern abgebildet wird.
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5.1 Preiswettbewerb bei Produktdifferenzierung
Wir betrachten zuerst Preiswettbewerb für eine gegebene Produktdifferenzierung. Später untersuchen wir, welchen
Grad an Produktdifferenzierung die Anbieter im Gleichgewicht wählen.
Für unsere Analyse benutzen wir das Hotelling-Modell
einer “linearen Stadt”:
• Die Stadt besteht aus einer Straße der Länge 1.
• Zwei Anbieter verkaufen das gleiche Gut, aber an verschiedenen Standorten. Die beiden Standorte befinden
sich jeweils an den beiden Straßenenden; Anbieter 1 ist
am Standort x = 0 und Anbieter 2 am Standort x = 1.
• Die Stückkosten der Produktion eines jeden Anbieters
ist c.
• Beide Anbieter wählen simultan ihre Preise.
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• Die Konsumenten leben entlang der Straße, gleichverteilt, mit Dichte 1. D.h. die Gesamtzahl der Konsumenten ist 1.
• Den Konsumenten entstehen Transportkosten beim Besuch eines Anbieters. Diese Kosten sind quadratisch in
der zurückgelegten Distanz. D.h. ein Konsument, der in
x lebt, hat Transportkosten in Höhe von tx2, wenn er
von Anbieter 1 kauft, und in Höhe von t(1 − x)2, wenn
er von Anbieter 2 kauft.
• Jeder Konsument möchte genau eine Einheit des Gutes
erwerben (oder gar keine, wenn der Preis zu hoch ist).
Sein Bruttonutzen aus dem Konsum (ohne Berücksichtigung von Preis und Transportkosten) ist s. Dementsprechend ist der Nettonutzen eines Konsumenten, der
in x lebt
⎧
2
⎪
⎪
⎨ s − x t − p1
falls Kauf bei Anbieter 1
U = ⎪⎪⎩
2
s − (1 − x) t − p2 falls Kauf bei Anbieter 2
(5.1)
Wir betrachten auch eine Variante des Modells, in der die
Transportkosten linear sind und nicht quadratisch. In diesem Fall entstehen dem Konsumenten Transportkosten in
Höhe von xt, wenn er bei Anbieter 1 kauft, und von (1-x)t,
wenn er zu Anbieter 2 geht.
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Den Nutzen des Konsumenten beim Kauf eines Gutes können
wir wie folgt veranschaulichen:
Lineare Transportkosten
Quadratische Transportkosten
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5-6
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Preiswettbewerb bei gegebener Produktdifferenzierung:
Um das Nash-Gleichgewicht der Preise zu ermitteln, müssen
wir zunächst die Nachfrage für jeden Anbieter bei gegebener
Preiswahl (p1, p2) bestimmen.
Für unsere Analyse unterstellen wir, dass sich die Preise
nicht so sehr unterscheiden, dass ein Anbieter gar keine
Nachfrage hat (im Gleichgewicht muss das der Fall sein),
und dass die Preise niedrig genug sind relativ zu s, so dass
jeder Konsument eine Einheit kauft (das ist erfüllt, wenn s
ausreichend groß ist).
Für jede Preiskombination p1 und p2 können wir einen Konsumenten finden, der gerade indifferent ist, von welchem
Anbieter er kauft. Alle Konsumenten links von ihm kaufen
von Anbieter 1 und alle Konsumenten rechts von ihm von
Anbieter 2. Der Konsument, der gerade indifferent ist, wird
der marginale Konsument genannt.
Der Standort des marginalen Konsumenten wird durch folgende Bedingung bestimmt, die sicherstellt, dass seine Kosten, von Anbieter 1 zu kaufen, genau seinen Kosten, von
Anbieter 2 zu kaufen, entsprechen:
p1 + x2t = p2 + (1 − x)2t
(5.2)
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5-7
x=
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p2 − p1 + t
2t
(5.3)
Daraus können wir die Nachfragefunktionen der beiden Anbieter ableiten:
p2 − p1 + t
(5.4)
D1(p1, p2) = x =
2t
p1 − p2 + t
D2(p1, p2) = 1 − x =
(5.5)
2t
Beachten Sie: Im Falle linearer Transportkosten sehen die
Nachfragefunktionen genau gleich aus. Das gilt aber nicht
im allgemeinen. Insbesondere gilt das nicht, wenn nicht alle
Konsumenten etwas kaufen oder wenn die beiden Anbieter
nicht an den jeweiligen Straßenenden platziert sind.
Um das Nash-Gleichgewicht zu bestimmen, müssen wir den
optimalen Preis jedes Anbieters, gegeben den Preis des Konkurrenten, ermitteln.
Gewinnfunktion von Anbieter 1:
π1(p1, p2) = (p1 − c)
p2 − p1 + t
2t
(5.6)
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5-8
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Bedingung erster Ordnung für ein Gewinnmaximum:
∂π1 p2 − p1 + t p1 − c
p2 − 2p1 + t + c
=
−
=
=0
∂p1
2t
2t
2t
(5.7)
p1 =
p2 + t + c
2
(5.8)
Beachten Sie: je höher p2, desto höher der von Anbieter 1
präferierte Preis.
Genau so können wir den gewinnmaximierenden Preis für
Anbieter 2 bestimmen:
Gewinnfunktion von Anbieter 2:
π2(p1, p2) = (p2 − c)
p1 − p2 + t
2t
(5.9)
Bedingung erster Ordnung für ein Gewinnmaximum:
∂π2 p1 − p2 + t p2 − c
p1 − 2p2 + t + c
=
−
=
=0
∂p2
2t
2t
2t
(5.10)
Wettbewerbstheorie und -politik
5-9
p2 =
p1 + t + c
2
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(5.11)
Wir setzen (5.11) in (5.8) ein und lösen nach p1 auf:
t + c p1 + t + c
+
2
4
3
3(t + c)
p1 =
4
4
p1 = t + c
p1 =
(5.12)
(5.13)
(5.14)
Wir nutzen die Lösung für p1 in (5.11) und lösen nach p2
auf:
p2 =
t+c+t+c
=t+c
2
(5.15)
Mit Hilfe dieser Nash-Gleichgewichtspreise können wir die
folgenden Gleichgewichtsgewinne ermitteln:
t
t
π1 = π2 = (t + c − c)
=
(5.16)
2t
2
Wettbewerbstheorie und -politik
5-10
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Diskussion:
Obwohl die Güter physisch identisch sind, werden sie von
den Konsumenten doch als differenziert wahrgenommen,
weil sie an unterschiedlichen Standorten verkauft werden. Je
höher die Transportkosten, desto differenzierter die Güter
und desto schwächer der Preiswettbewerb. Das reflektieren die höheren Preise und Gewinne. Wenn hingegen t = 0,
dann sind die Güter vollständig homogen und Bertrandwettbewerb führt zu Nullgewinnen.
Wettbewerbstheorie und -politik
5-11
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Um die Standortwahl der Anbieter zu analyiseren, müssen
wir Preisgleichgewichte für alle möglichen Standortkombinationen ermitteln. Wir können drei Fälle unterscheiden:
1. Beide Anbieter befinden sich jeweils am Straßenende
(maximale Produktdifferenzierung).
Diesen Fall haben wir gerade analysiert.
2. Beide Anbieter befinden sich am gleichen Standort (minimale Produktdifferenzierung).
In diesem Fall sind die Güter perfekte Substitute. Also gilt wieder das Bertrandergebnis, d.h. beide Anbeiter
wählen identische Preise p1 = p2 = c und machen Nullgewinne.
3. Beide Anbieter befinden sich an unterschiedlichen Standorten innerhalb des Intervalls. Ohne Verlust an Allgemeinheit unterstellen wir, dass sich Anbieter 1 am Standort a ≥ 0 und Anbieter 2 am Standort 1 − b ≥ 0 befindet und dass 1 − a − b > 0, d.h. Anbieter 1 ist links
von Anbieter 2 (1 − b > a).
Um das Preisgleichgewicht zu bestimmen, müssen wir
zunächst wieder die jeweiligen Nachfragefunktionen ermitteln, für gegebene Standorte und Preise.
Wettbewerbstheorie und -politik
5-12
Dr. Florian Englmaier
Exkurs
Bisher haben wir quadratische Transportkosten unterstellt.
Diese Annahme ist wichtig, um die Existenz eines Preisgleichgewichts in reinen Strategien zu garantieren, wenn
sich die Unternehmen im Inneren des Intervalls angesiedelt
haben.
Bei linearen Transportkosten sind die Nachfragefunktionen
der Unternehmen nicht kontinuierlich. Dementsprechend sind
auch die Gewinnfunktionen nicht kontinuierlich und nicht
konkav. Wenn die Anbieter nahe der Mitte der Straße angesiedelt sind, gibt es kein Preisgleichgewicht in reinen Strategien (d’Aspremont, Gabszewicz and Thisse, 1979). Um das
zu zeigen, betrachten wir die folgenden Fälle.
• Solange der Abstand zwischen den beiden Anbietern
groß genug ist, tritt das Problem nicht auf. Selbst bei
einem Preis von Null wird Anbieter 1 nur die Konsumenten zwischen ihm und dem Konkurrenten anziehen.
Wettbewerbstheorie und -politik
5-13
Dr. Florian Englmaier
• Wenn der Abstand zwischen den beiden Anbietern aber
klein ist, kann eine kleine Preissenkung von Anbieter 1
dazu führen, dass alle Konsumenten, auch die rechts von
Anbieter 2, jetzt bei Anbieter 1 kaufen. Das führt zu einer diskontinuierlichen Gewinnveränderung von Anbieter
1.
• Bei quadratischen Transportkosten kann dies nicht passieren. Anbieter 1 kann zwar auch Konsumenten rechts
von Anbieter 2 anziehen, aber mit einer marginalen Preisänderung auch nur marginal mehr Konsumenten. Eine marginale Preisänderung führt deshalb nicht zu einer diskontinuierlichen Gewinnänderung.
Exkursende
Wettbewerbstheorie und -politik
5-14
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Zurück zur Ableitung unserer Nachfragefunktionen. Zunächst
identifizieren wir den marginalen Konsumenten. Er wird durch
folgende Bedingung charakterisiert:
p1 + (x − a)2t = p2 + (1 − b − x)2t
p1 + (x2 − 2ax + a2)t = p2 + [(1 − b)2 − 2(1 − b)x + x2]t
2tx[(1 − b) − a] = p2 − p1 + [(1 − b)2 − a2]t
p2 − p1
1−b+a
+
2t(1 − b − a)
2
p2 − p1
1−b−a
+
= a+
2
2t(1 − b − a)
x =
Wettbewerbstheorie und -politik
5-15
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Mit dieser Information können wir die folgenden Nachfragefunktionen für Anbieter 1 und 2 ableiten:
1−b−a
p2 − p1
+
D1(p1, p2) = x = a +
2
2t(1 − b − a)
1−b−a
p1 − p2
D2(p1, p2) = 1 − x = b +
+
2
2t(1 − b − a)
Dies gilt, solange s hinreichend groß ist, um sicherzustellen,
dass der ganze Markt abgedeckt wird (d.h. alle Konsumenten kaufen eine Einheit) und solange die Nachfrage nicht
negativ wird oder größer als 1.
Beachten Sie: Wenn beide Anbieter den gleichen Preis
verlangen, kontrolliert jeder Anbieter sein eigenes Hinterland
der Größe a und b, und die Konsumenten zwischen den
Anbietern verteilen sich gleich auf die beiden.
Wir können jetzt die Gewinnfunktionen der beiden Anbieter
ableiten.
⎛
⎞
1−a−b
p2 − p1 ⎟⎟
(5.17)
+
π1 = (p1 − c) a +
⎠
2
2t(1
−
a
−
b)
⎛
⎞
−
p
1
−
a
−
b
p
⎜
⎟
1
2
⎟
(5.18)
+
π2 = (p2 − c) ⎜⎝b +
⎠
2
2t(1 − a − b)
⎜
⎜
⎝
Wettbewerbstheorie und -politik
5-16
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Die entsprechenden Bedingungen erster Ordnung für die Gewinnmaximierung sind
∂π1
1−a−b
p2 − p1
p1 − c
= a+
+
−
= 0
∂p1
2
2t(1 − a − b) 2t(1 − a − b)
∂π2
1−a−b
p1 − p2
p2 − c
= b+
+
−
= 0
∂p2
2
2t(1 − a − b) 2t(1 − a − b)
D.h. der optimale Preis p1 und, analog, der optimale Preis
p2 müssen die folgenden Bedingungen erfüllen:
⎛
⎞
1 − a − b⎟
⎠ 2t(1 − a − b) + p2 + c
2p1 = a +
2
⎛
⎞
1 − a − b⎟
⎜
⎠ 2t(1 − a − b) + p1 + c
2p2 = ⎝b +
2
⎜
⎝
(5.19)
(5.20)
Um den optimalen Preis p1 zu bestimmen, setzen wir (5.20)
in (5.19) ein:
⎛
⎞
1 − a − b⎟
⎠
4p1 = p1 + c + 2t(1 − a − b) b +
2
⎛
⎞
1 − a − b⎟
⎜
⎠
+2c + 4t(1 − a − b) ⎝a +
2
⎜
⎝
(5.21)
Wettbewerbstheorie und -politik
5-17
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3p1 = 3c + t(1 − a − b)[2b + (1 − a − b) + 4a + 2(1 − a − b)]
= 3c + t(1 − a − b)[3 + a − b]
(5.22)
⎡
⎤
a − b⎥
⎦
p1 = c + t(1 − a − b) 1 +
3
(5.23)
⎢
⎣
Wir nutzen (5.23), um p2 zu ermitteln:
⎡
⎤
b − a⎥
⎦
p2 = c + t(1 − a − b) 1 +
3
⎢
⎣
(5.24)
Für gegebene Standorte a und 1-b sind die jeweiligen NashGleichgewichtsgewinne für Anbieter 1 und 2
⎡
⎤
1−a−b
p2 − p1 ⎥⎥
π1(a, b) = (p1 − c) a +
+
⎦
2
2t(1 − a − b)
⎛
⎞
1⎜
a − b ⎟2
⎠
= t(1 − a − b) ⎝1 +
(5.25)
2
3
⎢
⎢
⎣
⎡
⎤
1−a−b
p1 − p2 ⎥⎥
π2(a, b) = (p2 − c) b +
+
⎦
2
2t(1 − a − b)
⎛
⎞
1⎜
b − a ⎟2
⎠
= t(1 − a − b) ⎝1 +
(5.26)
2
3
⎢
⎢
⎣
Wettbewerbstheorie und -politik
5.2
5-18
Dr. Florian Englmaier
Optimale Produktwahl
Welchen Standort (welchen Grad an Produktdifferenzierung)
bevorzugen die Anbieter? Um diese Frage zu beantworten,
betrachten wir das folgende Zwei-Stufen-Spiel:
• Stufe 1: Beide Anbieter wählen simultan ihren Standort
entlang der linearen Straße.
• Stufe 2: Beide Anbieter wählen simultan ihre Preise.
Diese Reihenfolge reflektiert den Umstand, dass Preise leichter zu ändern sind als das Design von Produkten.
Hotelling argumentierte, auf der Basis eines Modells mit
linearen Transportkosten, dass die Anbieter sich am gleichen Standort ansiedeln (minimale Produktdifferenzierung).
Jeder Anbieter möchte näher an seinen Konkurrenten heranrücken, um einen größeren Marktanteil zu erlangen.
Hotellings Analyse war aber unvollständig. Er übersah das
Problem der Nichtexistenz von Gleichgewichten in reinen
Strategien bei bestimmten Standortkombinationen.
D’Aspremont et al. wiederholten Hotellings Analyse mit quadratischen Kostenfunktionen, um die Nichtexistenz von Gleichgewichten in reinen Strategien auszuschließen. Dies führte
zu einem drastisch anderen Ergebnis als bei Hotelling:
Wettbewerbstheorie und -politik
5-19
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Proposition 5.1 Bei quadratischen Transportkosten existiert ein eindeutiges teilspielperfektes Gleichgewicht mit
maximaler Produktdifferenzierung. Die Anbieter siedeln sich
jeweils an den beiden Enden der Straße an, d.h. a∗ = 0, b∗ = 0.
Wir zeigen dies durch Rückwärtsinduktion.
Auf Stufe 2 müssen wir die Preisgleichgewichte für alle
möglichen Standortkombinationen bestimmen. Dies haben
wir oben bereits getan.
Zur Lösung von Stufe 1 betrachten wir wieder die Gewinnfunktion von Anbieter 1:
⎛
⎞
1⎜
a − b ⎟2
⎠
π1(a, b) = t(1 − a − b) ⎝1 +
2
3
(5.27)
Unterstellen wir für einen Moment, dass b ≤ 1/2. In diesem
Fall können wir ohne Verlust an Allgemeinheit annehmen,
dass sich Anbieter 1 links von Anbieter 2 ansiedelt, wie wir
es bisher getan haben.
Wettbewerbstheorie und -politik
5-20
Dr. Florian Englmaier
Die Bedingung erster Ordnung für die optimale Standortwahl von Anbieter 1 ist, gegeben b:
⎡
⎛
⎞
⎡
⎤
⎤
a − b ⎟2
a − b ⎥ 1 ⎥⎥
∂π1 t ⎢⎢ ⎜
⎢
⎢
⎥
⎝
⎠ + (1 − a − b)2 ⎣1 +
⎦
= ⎣− 1 +
∂a
2
3
3 3⎦
(5.28)
Betrachten wir nun die BEO von Anbieter 1 für a=0:
⎡
⎛
⎞
⎡
⎤
⎤
∂π1 t ⎢⎢ ⎜
b ⎟2
b ⎥ 1 ⎥⎥
⎢
⎢− ⎝1 −
⎥ (5.29)
⎠ + (1 − b)2 ⎣1 −
⎦
=
⎣
∂a a=0
2
3
3 3⎦
⎡
⎤⎡
⎤
b⎥ ⎢
b
t⎢
2⎥
(5.30)
= ⎣1 − ⎦ ⎣−1 + + (1 − b) ⎦
2⎡
3⎤ ⎡
3⎤
3
b
1 + b⎥
t
⎦ < 0
(5.31)
= ⎢⎣1 − ⎥⎦ ⎢⎣−
2
3
3
Wir können daraus schließen, dass es optimal für Anbieter
1 ist, a∗ = 0 zu wählen, da a nicht noch kleiner gewählt
werden kann.
Wettbewerbstheorie und -politik
5-21
Dr. Florian Englmaier
Genau so können wir zeigen, dass es optimal für Anbieter 2
ist, b∗ = 0 zu wählen.
⎛
π2(a, b) =
∂π2
=
∂b
∂π2 =
∂b b=0
=
=
⎞
1⎜
b − a ⎟2
⎝
⎠
t(1 − a − b) 1 +
(5.32)
2
3
⎡
⎤
⎛
⎞
⎡
⎤
⎥
1
b − a ⎟2
b
−
a
t ⎢⎢ ⎜
⎥
⎢
⎥
⎢− ⎝1 +
⎥
⎠ + (1 − a − b)2 ⎣1 +
⎦
⎣
2
3
3 3⎦
⎡
⎤
⎡
t ⎢ ⎛⎝
a ⎞⎠2
a ⎤⎦ 1 ⎥
⎣
⎣− 1 −
⎦
+ (1 − a)2 1 −
(5.33)
2
3
3
3
⎤
⎡
2⎥
a ⎤⎦ ⎢
a
t ⎡⎣
1 − ⎣−1 + + (1 − a) ⎦
(5.34)
2
3 ⎡
3⎤
3
t ⎡⎣
a ⎤⎦ ⎢ 1 + a ⎥
⎦ < 0
1 − ⎣−
(5.35)
2
3
3
Fazit:
• Produktdifferenzierung reduziert den Preiswettbewerb.
Dieser strategische Effekt gibt einen Anreiz, sich vom
Konkurrenten zu entfernen.
• Gleichzeitig reduziert dies die eigene Nachfrage, bei gegebenen Preisen. Dieser Nachfrageeffekt gibt einen Anreiz, näher an den Konkurrenten heranzurücken.
• Der Preiswettbewerbseffekt dominiert den Nachfrageeffekt.
Wettbewerbstheorie und -politik
5-22
Dr. Florian Englmaier
Unter bestimmten Umständen wählen die Konkurrenten keine maximale Produktdifferenzierung:
• Kein Preiswettbewerb:
Angenommen, die Wettbewerber konkurrieren nicht in
Preisen, sondern nur in der Wahl der Standorte, z.B.
Produktdesign.
Beispiel: Politische Parteien, die um Wählerstimmen konkurrieren.
Dann gibt es ein eindeutiges Nash-Gleichgewicht,
in dem sich beide Wettbewerber in der Mitte der Straße
ansiedeln.
– Angenommen a + b < 1, d.h. die beiden Konkurrenten wählen nicht den gleichen Standort. Dann hat jeder einen Anreiz, näher an den anderen heranzurücken,
um einen größeren Marktanteil zu erringen.
– Angenommen, beide wählen den gleichen Standort,
d.h. a + b = 1, aber nicht in der Mitte der Straße. In
Wettbewerbstheorie und -politik
5-23
Dr. Florian Englmaier
diesem Fall sind die Kunden indifferent, wo sie kaufen
(oder welche Partei sie wählen) und die beiden Konkurrenten teilen sich den Markt symmetrisch. Dann
hat aber jeder Konkurrent einen Anreiz, etwas näher
in die Mitte zu rücken, um einen größeren Marktanteil zu erringen.
Im Gleichgewicht wählen die beiden Konkurrenten a = b = 1/2.
Hier hat das Hotelling Prinzip der minimalen Produktdifferenzierung Gültigkeit.
• Nachfrage ist nicht gleichförmig verteilt:
Angenommen, die Nachfrage konzentriert sich in der
Mitte. Dann hat der Nachfrageeffekt ein größeres Gewicht und die Anbieter wählen eine geringere Produktdifferenzierung.
Wettbewerbstheorie und -politik
5-24
Dr. Florian Englmaier
• Positive Externalititäten:
Wenn die Konsumenten Suchkosten aufbringen müssen,
um das von ihnen präferierte Gut zu finden, kann es
sinnvoll sein, sich in der Nachbarschaft anzusiedeln.
Beispiele: Juweliergeschäfte in einer Straße. Computer
mit Netzwerkexternalitäten.
Wettbewerbstheorie und -politik
5-25
Dr. Florian Englmaier
Sozial optimaler Grad an Produktdifferenzierung
Beachten Sie: Falls s groß genug ist, so dass der ganze
Markt abgedeckt wird, ist die Standortwahl unerheblich für
die verkaufte Menge.
Für die soziale Wohlfahrt spielen dann nur die Transportkosten eine Rolle. Die soziale Wohlfahrt wird maximiert, wenn
die Transportkosten minimiert werden.
min
a
a
0 (a
⎡
− x)2tdx +
⎤
1
2
a
(x − a)2tdx
⎡
⎤1
2
a
1
1
3 ⎥⎦
= − (a − x) t + ⎢⎣ (x − a)3t⎥⎦
3
3
a
0
⎡⎛
⎞3 ⎤
1
1⎢ 1
⎥
= − 0 − a3 t + ⎢⎣⎜⎝ − a⎟⎠ ⎥⎦ t
3
3 2
⎡
⎛
⎞3 ⎤
t⎢
1
⎥
= ⎢⎣a3 + ⎜⎝ − a⎟⎠ ⎥⎦
3
2
⎢
⎣
(5.36)
(5.37)
(5.38)
(5.39)
Wettbewerbstheorie und -politik
5-26
⎡
Dr. Florian Englmaier
⎞ ⎤
2
1
2
⎜
⎟ ⎥
BEO:
t a − ⎝ − a⎠ ⎥⎦
2
⎡
⎤
1
2
⎢ 2
= t ⎣a − + a − a ⎥⎦ = 0
4
1
−→ a =
4
⎛
⎢
⎢
⎣
(5.40)
(5.41)
(5.42)
Beachten Sie, dass
⎛
⎞
1
d2
⎜
⎝
=
2t(a
+
− a⎟⎠ > 0
2
da
2
(5.43)
Die wohlfahrtsmaximierenden Standorte sind deshalb (aus
Symmetriegründen) a = b = 1/4.
Beachten Sie:
• Bei Preiswettbewerb wählen die Anbieter im Gleichgewicht eine größere Produktdifferenzierung als sozial optimal ist.
• Ohne Preiswettbewerb wählen die Konkurrenten im Gleichgewicht eine geringere Produktdifferenzierung als sozial
optimal ist.
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