Polynomräume – Ein kurzer Überblick. David Müßig 1 Was ist ein Polynomraum? Wir alle kennen Polynome schon aus der Schulzeit. Polynome sind Funktionen der Form: f (x) = a0 + a1 · x + a2 · x2 + . . . + an · xn Oder ein wenig anders (kürzer) geschrieben: f (x) = n X ai xi i=0 In der Schule werden Polynome (und Funktionen im Allgemeinen) meistens als etwas betrachtet, in das man einen Wert x einsetzt und auf der anderen Seite einen Wert y (oder f (x)) herausbekommt. Man kann Polynome aber auch aus anderen Blickwinkeln betrachten, einer davon ist der, sich den Polynomraum anzuschauen. Bevor wir dies tun, wiederholen wir die Vektorraumaxiome: Definition 1. Ein Vektorraum über einem Körper K, manchmal auch K– Vektorraum genannt, ist eine Menge V mit zwei Operationen V × V → V wobei (u, v) 7→ u + v K×V → V wobei (α, v) 7→ α·v die folgende Eigenschaften (Axiome) erfüllen: (1) u + (v + w) = (u + v) + w (2) u + v = v + u (3) Es existiert ein Element 0 ∈ V , mit v + 0 = v für alle v ∈ V (4) Zu jedem v ∈ V existiert ein −v ∈ V , so dass v + (−v) = 0 gitl (5) α + β)v = αv + βv (6) α(u + v) = αu + αv (7) α(βv) = (αβ)v 1 Polynomräume - ein kurzer Überblick (8) 1v = v, wobei 1 das Einselement des Körpers K ist. Wie bauen wir uns aus dieser allgemeinen Definition nun unseren Polynomraum? Zunächst einmal brauchen wir einen Körper K. Hierfür können wir quasi alle Körper nehmen, der für uns vertrauteste ist der Körper der reellen Zahlen R. Als Menge V nehmen wir die Menge aller Polynome mit reellen Koeffizienten: ( ) n X V := f (x) = ai xi ai ∈ R i=0 Wir dürfen nach den Vektorraumaxiomen nun zwei Polynome genau so addieren, wie wir es gewohnt sind. D.h. wir addieren jeweils die Koeffizienten, die vor der gleichen x–Potenz stehen. Theoretisch wissen wir aus der Schule auch, wie wir zwei Polynome multiplizieren, in einem Vektorraum ist diese Multiplikation (zwischen zwei Elementen aus V ) allerdings gar nicht gewollt. Wir wollen lediglich die Elemente aus V mit Elementen aus dem Körper multiplizieren. Das bedeutet, wenn wir einen Ausdruck der Form α · f (x) haben, dann ist α eine reelle Zahl und f (x) ein Polynom. Wir müssen also alle Koeffizienten mit diesem α multiplizieren, die xi bleiben wie sie sind. Auf diese Weise erhalten wir einen schönen Vektorraum, den wir mit R[x] bezeichnen. 2 Basen von Polynomräumen Bekanntermaßen hat jeder (endlichdimensionale) Vektorraum eine Basis. Wie sieht nun eine Basis des Polynomraumes aus? Der Sinn einer Basis ist es, dass wir mit ihr alle Vektoren eines Vektorraums darstellen können. Hierbei ist es erlaubt, Basisvektoren zu addieren und mit Skalaren aus dem Grundkörper (z.B. R) zu multiplizieren. WICHTIG: Es ist nicht erlaubt, zwei Basisvektoren zu multiplizieren! (Wir wollen zwischen den Elementen aus der Menge V nämlich gar keine Multiplikation haben.) Wie könnte nun eine Basis unseres Polynomraumes R[x] aussehen? Schauen wir uns noch einmal ein Element f (x) aus R[x] an: f (x) = a0 + a1 x + ai x2 + . . . + an xn , ai ∈ R Ein Beispiel für f (x) könnte sein: f (x) = 3 (1) Dieses Beispiel ist sehr langweilig, aber es ist tatsächlich eine Möglichkeit. Was wir daraus schließen können, ist, dass wir mit unserer Basis alle konstanten Polynome (d.h. im Prinzip alle Zahlen) darstellen können müssen. Da wir die Basisvektoren allerdings mit alles Zahlen aus R multiplizieren dürfen, reicht es uns, eine einzige Zahl in der Basis zu haben, vorzugsweise die 1. Dann können wir das Polynom aus (1) auf folgende Art darstellen: f (x) = 3 · 1 2 Polynomräume - ein kurzer Überblick Wichtig ist, dass wir die 1 jetzt nicht mehr als Zahl, sondern als Basisvektor auffassen. Obwohl da nun trotzdem noch die ganz normale 1 steht, verändert sich unser Blickwinkel auf sie. Die 3 ist im Gegenzug die stinknormale Zahl 3. Wir können jetzt also schon alle konstanten Funktionen darstellen, indem wir den Basisvektor 1 mit allen möglichen Zahlen multiplizieren (skallieren). Wie aber sieht es mit Polynomen der Form f (x) = 5 + 2x (2) aus? Das x können wir mit keiner Zahl aus R darstellen. Da bleibt uns nicht viel anderes übrig, als dieses x in unsere Basis aufzunehmen. Unsere Basis hat jetzt also schon folgende Form: B1 = {1, x} Reicht das schon? Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns wieder ein Polynom an: f (x) = 7 + 21x + 3x2 (3) Können wir dieses f (x) mit den Elementen aus B1 darstellen? Die 7 und das 21x sind kein Problem, das hatten wir in den beiden vorigen Beispielen schon. Aber was ist mit dem x2 ? Theoretisch wäre ja x2 = x · x. Dann würden wir ja aber zwei Basiselemente multiplizieren und das war strengstens verboten! Wir können x2 also mit unserer bisherigen Basis nicht darstellen und müssen wohl oder übel das x2 noch in unsere Basis aufnehmen. Wir erhalten also als neues Zwischenergebnis: B2 = 1, x, x2 Ist das jetzt genug? Die Antwort ist natürlich nein, da wir keine Polynome vom Grad 3 oder höher darstellen können (selbe Begründung wie oben). Das bedeutet, dass wir x3 , x4 , x5 , . . . und alle andere x–Potenzen in unsere Basis aufnehmen müssen, wenn wir wirklich alle Polynome darstellen können wollen. Unsere endgültige Basis sieht also wie folgt aus: B = 1, x, x2 , x3 , x4 , . . . (4) Das ist auch ein schönes Beispiel für eine unendlich große Basis (was einige Leute nicht als Basis akzeptieren, aber das ist eine andere Geschichte). Als letzte Frage stellt sich nun, ob unser B aus (4) eindeutig ist. Wie ihr vielleicht schon mal gehört habt, kann man so gut wie jede Basis austauschen. Wichtig ist hierbei nur, dass darauf geachtet wird, dass die Elemente in der Basis (die in diesem Fall Polynome sind) linear unabhängig sind. Hierbei bedeutet linear unabhängig genau das selbe, was es auch bei Vektoren meint: keines der Polynome darf eine Linearkombination der anderen sein. Hier ein Beispiel, für vier nicht linear unabhängige Polynome: f (x) = 5 g(x) = 1 − 4x, ⇒ f (x) = 2 · g(x) + 1 · h(x) + 0 · k(x) h(x) = 3 + 8x, k(x) = x + 7x2 3 Polynomräume - ein kurzer Überblick f (x) lässt sich also als Linearkombination von g(x) und h(x) darstellen. Bemerkung. Die Polynome g(x), h(x) und k(x) sind allerdings linear unabhängig und bilden eine Basis des Vektorraums der Polynome vom Grad ≤ 3. Dies jedoch nur am Rande. 4